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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: 5 U 96/08
Rechtsgebiete: BGB, GVG


Vorschriften:

BGB § 906 Abs. 2
BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1004 Abs. 1
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 9. April 2008 - Az. 31 C 6/08 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ...-Straße 74 - 76 b (Flur 1, Flurstück 1272, eingetragen im Grundbuch von B... des Amtsgerichts Potsdam Blatt 532) in P.... Sie wurde ausweislich des vorgelegten Grundbuchauszuges (Bl. 63 d. A.) aufgrund der Auflassung vom 30. März 2006 am 9. Oktober 2007 als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen, wobei bereits zuvor am 30. Juni 2006 zu Gunsten der Klägerin eine Auflassungsvormerkung eingetragen worden war. In Abteilung II des Grundbuches wurde weiter am 18. September 1996 ein Sanierungsvermerk eingetragen. Die Beklagte ist Eigentümerin des benachbarten Grundstücks ...-Straße 73. Auf diesem Grundstück fanden insbesondere im Jahr 2007 umfangreiche Bauarbeiten statt (Abriss des Gebäudes eines Baustoffunternehmens und Errichtung von Reihenhäusern).

Wegen der damit verbundenen Beeinträchtigungen durch Lärm und Schmutz hat nach dem Vortrag der Klägerin der Mieter der Wohnung 23 (...-Straße 76b, Dachgeschoss) in den Monaten Januar bis Mai 2007 die monatliche Miete jeweils um 558,55 € gemindert. Der sich daraus für fünf Monate ergebende Gesamtbetrag von 2.792,75 € ist Gegenstand der Klage. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, an welchen Tagen in der Zeit von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr jeweils welche Arbeiten durchgeführt worden seien.

Beide Grundstücke befinden sich in dem Sanierungsgebiet B....

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht Potsdam hat die Klage mit der angefochtenen Entscheidung abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe aus § 906 Abs. 2 BGB kein Anspruch auf Ersatz des Mietausfallschadens zu. Die von der Beklagten veranlassten Baumaßnahmen seien nicht mit Beeinträchtigungen verbunden gewesen, die über das situationsbedingt zumutbare Maß hinausgingen, da Grundstücke in einem förmlichen Sanierungsgebiet von vornherein mit den im Rahmen des Sanierungszwecks einhergehenden Maßnahmen und den damit zusammenhängenden ortsüblichen Beeinträchtigungen belastet seien. Eine erhöhte Zumutbarkeitsgrenze gelte jedenfalls dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, im Zeitpunkt des Erwerbes die Lage im Sanierungsgebiet bekannt gewesen sei.

Gegen das ihr am 11. April 2008 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Potsdam hat die Klägerin mit am 8. Mai 2008 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Klägerin wendet sich gegen das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

Nach Hinweis des Senates im Termin vom 9. Juli 2009, dass die Klägerin erst am 9. Oktober 2007, also nach den hier geltend gemachten Beeinträchtigungen, die im Zeitraum Januar bis Mai 2007 stattgefunden haben sollen, erst am 9. Oktober 2007 in das Grundbuch eingetragen worden sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Juli 2009 ergänzend vorgetragen, die Klägerin habe das Objekt mit Wirkung zum 1. September 2006 entsprechend der Regelung zum Nutzen-/Lastenwechsel gemäß § 6 Ziffer 4 des Grundstückskaufvertrages vom 30./31. März 2006 (UR-Nr. 116/2006 des Notars ... in Be...) übernommen. Zu diesem Stichtag seien alle Rechte und Pflichten betreffend das Grundstück, insbesondere diejenigen aus den Mietverträgen, an die Klägerin abgetreten worden.

Die Klägerin sei in der streitbefangenen Zeit mit Mietminderungen in Höhe von insgesamt 75.722,47 € konfrontiert gewesen. Dies betreffe den Mieter D... (November 2006 bis Februar 2007), den Mieter B... (November 2006 bis Oktober 2007), die Mieter Be...-F.../F... (November 2006 bis Oktober 2007), die Mieter L.../T... (Januar 2007 bis Juni 2007), den Mieter H... (November 2006 bis Oktober 2007), den Mieter Te... (Oktober 2006 bis März 2007), den Mieter G... (Oktober 2006 bis Oktober 2007) und die Mieter G.../R... (Oktober 2006 bis November 2006). Dies entspreche einer Minderungsquote von ca. 28 % bei der überwiegenden Anzahl der Mietobjekte.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Potsdam vom 9. April 2008 - Az. 31 C 6/08 - die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.792,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Sie macht insbesondere weiter geltend, es fehle bereits an einem substantiierten Vortrag der Klägerin dazu, die behaupteten Bauarbeiten seien über das normale Maß hinausgegangen und hätten somit zu unzumutbaren Beeinträchtigungen geführt. Der bloße Hinweis auf Lärmprotokolle, die der Beklagten nie vorgelegen hätten, sei nicht ausreichend.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2009 hat der Klägervertreter klargestellt, dass es sich bei ihren Ausführrungen in der Klageschrift auf den Seiten 3 ff. zu den durchgeführten Bauarbeiten an einzelnen Tagen um die Wiedergabe der sogenannten Lärmprotokolle handele.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO). Die Zuständigkeit des Senates zur Entscheidung über die Berufung der Klägerin ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG.

Das Rechtsmittel bleibt indes in der Sache ohne Erfolg.

1. Zweifel bestehen bereits an der Aktivlegitimation der Klägerin.

Gläubiger eines Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist grundsätzlich der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks. Dies ist zwar die Klägerin, aber erst seit dem 9. Oktober 2007. Streitgegenständlich sind jedoch Beeinträchtigungen aus der Zeit Januar bis Mai 2007. Damit kann sich die Aktivlegitimation der Klägerin jedenfalls nicht aus der Stellung als Eigentümerin ergeben.

Allerdings ist im Rahmen des Anspruches aus § 1004 Abs. 1 BGB (und nichts anderes kann für den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gelten, der bei der Verpflichtung zur Duldung wesentlicher Beeinträchtigungen einen Ausgleichsanspruch gewährt) anerkannt, dass der Anwartschaftsberechtigte, soweit die Sachgefahr auf ihn übergegangen ist, zur Geltendmachung dieses Anspruches (des Veräußerers) ermächtigt ist (Münchener Kommentar/Medicus, 4. Aufl., 2004, § 1004 BGB Rn. 17).

Geht man davon aus, dass aufgrund der am 30. März erfolgten Auflassung zu Gunsten der Klägerin und der am 30. Juni 2006 erfolgten Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Klägerin ein Anwartschaftsrecht bestand, so wäre die Klägerin anspruchsberechtigt, wenn auch für den streitgegenständlichen Zeitraum die Sachgefahr auf sie übergegangen wäre, da ohne einen solchen Übergang die wirtschaftlichen Folgen der hier behaupteten Beeinträchtigungen noch den Voreigentümer getroffen hätten.

Darauf, ob tatsächlich, wie nunmehr geltend gemacht wird, zum 1. September 2006 alle Rechte und Pflichten betreffend die streitgegenständlichen Grundstücke auf die Klägerin übergegangen sind, was von der Beklagten bestritten wird und worüber, wenn es darauf ankäme, Beweis zu erheben wäre, kann dahinstehen, weil die Klage, selbst wenn man von einer Aktivlegitimation der Klägerin zu deren Gunsten ausgeht, aus anderen Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.

2. Die Klägerin hat nämlich einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bereits nicht hinreichend dargelegt.

a) Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei den Beeinträchtigungen aufgrund der Bauarbeiten der Beklagten um solche handelt, die durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks herbeigeführt wurden. Dies ist, da die Arbeiten nur von Montag bis Freitag zwischen 8:00 Uhr und 16:00 Uhr stattfanden und keine Beeinträchtigungen geltend gemacht werden, die über die üblicherweise mit solchen Baumaßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen geltend gemacht werden hinausgehen und zudem die Arbeiten in einem Sanierungsgebiet erfolgten, auch ohne Weiteres zutreffend.

b) Es kann aber bereits nicht festgestellt werden, dass es sich bei den Beeinträchtigungen um wesentliche handelt, die eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Klägerin oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen; darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit die Klägerin (BGHZ 117, 110, 113; Münchener Kommentar/Medicus, a.a.O., Rn. 144).

Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2009 erörtert, kann nicht festgestellt werden, dass auf der Grundlage des Vortrages der Klägerin diese Zumutbarkeitsgrenze, die unter Berücksichtigung der Dauer, Art, Intensität und Auswirkungen zu bestimmen ist, überschritten wurde (BGH NJW-RR 1988, 1291; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Oktober 2000 - 19 U 24/00, zitiert nach Juris).

aa) Es fehlt bereits an einer hinreichenden Darlegung einer wesentlichen und unzumutbaren Beeinträchtigung. Diese kann nicht ohne Weiteres aus der Durchführung der Bauarbeiten selbst gefolgert werden, sie ist vielmehr im Einzelnen darzulegen.

Allein die in der Klageschrift angegebenen durchgeführten Arbeiten in der Zeit von Januar bis Mai 2008 - insoweit wurden nach den Angaben des Klägervertreters die Lärmprotokolle wiedergegeben - reichen hierfür nicht aus. Diese Arbeiten werden lediglich der Art nach pauschal beschrieben, nicht aber die davon ausgehenden konkreten Auswirkungen, d.h. die von ihnen ausgehenden Beeinträchtigungen insbesondere auch für die Wohnung des Zeugen H..., dessen Mietminderungen Gegenstand des in diesem Verfahren geltend gemachten Entschädigungsanspruches sind. Einer konkreten Beschreibung der Auswirkungen hätte es etwa hinsichtlich der Beeinträchtigungen für die Mieter bei geöffnetem bzw. geschlossenem Fenster bedurft, aber auch in zeitlicher Hinsicht. So wäre es etwa, was ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2009 erörtert worden ist, von Bedeutung gewesen, in welcher Zeit sich etwa der Zeuge H... an Wochentagen in der Zeit von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr in seiner Wohnung aufgehalten hat. Allein durch die pauschale Wiedergabe der durchgeführten Arbeiten ist ein Rückschluss auf die Intensität der Störungen nicht möglich.

Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Entscheidung des Kammergerichts (NZM 2003, 718 - Mietminderung wegen Baulärm) berufen. Das Kammergericht hatte eine Mietminderung wegen der von der Entkernung eines Hauses ausgehenden Emissionen auf ein gegenüberliegendes Haus abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Lärmbelästigungen seien schon wegen der größeren Entfernung geringer, weil eine unmittelbare Übertragung des Schalls durch die Gebäudesubstanz nicht möglich sei.

Damit ist aber eine unzumutbare Beeinträchtigung im vorliegenden Fall ebenfalls noch nicht dargetan, da es hier nicht um die Entkernung sondern um den Abriss eines Gebäudes geht und nicht dargelegt ist, ob und gegebenenfalls für welchen Zeitraum es zu einer Schallübertragung durch Gebäudesubstanz infolge des Abrisses gekommen sein kann, zumal der Abriss nur ein geringer Teil der geltend gemachten Beeinträchtigungen darstellt. Dies gilt auch dann, wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die Wohnung des Zeugen H..., deren Lage im Termin, von der Beklagten bestritten, anhand der Anlage Blatt 91 der Akte erörtert worden war, unmittelbar an das Grundstück der Beklagten angrenzt.

bb) Aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist eine unzumutbare, die Opfergrenze übersteigende Beeinträchtigung unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Klägerin nicht hinreichend dargetan. Die Klägerin, die über insgesamt mindestens drei große Wohn- und Geschäftshäuser verfügt (...-Straße 74 - 76) und dort eine nicht näher bezeichnete, aber größere Anzahl von Wohnungen und Geschäftsräumen vermietet, beruft sich im vorliegenden Verfahren allein auf die Mietminderung eines einzigen Mieters. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Mietminderung lässt sich nicht bestimmen, so dass nicht festgestellt werden kann, dass dadurch die Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist. Soweit in dem Schriftsatz vom 23. Juli 2009 auf Mietminderungen in Höhe von insgesamt 25.722,47 € von insgesamt acht Mietern für die Zeit von November 2006 bis Oktober 2007 Bezug genommen wird, kann dies hieran nichts ändern, da sich auch aus dem ergänzenden Vortrag der Klägerin nicht ergibt, dass diese behaupteten Mietminderungen, mit denen die Klägerin konfrontiert gewesen sein soll, auf die von der Beklagten veranlassten Bauarbeiten zurückzuführen sind. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift haben die von der Beklagten veranlassten Bauarbeiten insbesondere in dem Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Mai 2007 ein großes Ausmaß erfahren. Auf diesen Zeitraum beschränkt sich auch die Wiedergabe der Lärmprotokolle, so dass bereits nicht festgestellt werden kann, dass die nunmehr angeführten Mietminderungen, mit denen die Klägerin nach ihrem Vorbringen "konfrontiert" war, die insgesamt den Zeitraum von Oktober 2006 bis Oktober 2007 betreffen, durch diese Bauarbeiten veranlasst waren.

cc) Berücksichtigt man weiter, dass die Klägerin selbst von der Lage der Grundstücke im Sanierungsgebiet insoweit profitiert hat, als sie, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, in der Vergangenheit selbst umfangreiche Sanierungs- und Baumaßnahmen durchgeführt hat und in der Zukunft hinsichtlich des Wohnwertes und der Umgestaltung des Nachbargrundstückes und des Abrisses des Gebäudes ebenfalls profitieren wird und sie von der Lage des erworbenen Grundstücks in einem Sanierungsgebiet wusste und dies auch bei der Ausgestaltung der Mietverträge berücksichtigen konnte, ist insgesamt eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht hinreichend dargetan.

Die Berufung der Beklagten war danach zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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