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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.03.2006
Aktenzeichen: 6 U 107/05
Rechtsgebiete: GmbHG, AktG, ZPO, BGB, KV-DDR, HGB


Vorschriften:

GmbHG § 3 Abs. 2
GmbHG § 26 Abs. 1
GmbHG § 13 Abs. 2
GmbHG § 54 Abs. 3
GmbHG § 26
AktG § 242 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 138 Abs. 4
BGB § 133
BGB § 157
KV-DDR § 45 Abs. 2
KV-DDR § 45 Abs. 3
HGB § 272 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urteil

6 U 107/05

Verkündet am 28.03.2006 ...

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in Brandenburg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juli 2005 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Neuruppin (6 O 140/04) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit Beschluß des Amtsgerichts Neuruppin vom 12.1.1998 (15 N 540/97) wurde das Gesamt-vollstreckungsverfahren über das Vermögen der Entwicklungsgesellschaft T... mbh, W... eröffnet und der Kläger zum Verwalter über deren Vermögen bestellt.

Die Schuldnerin ist 1991 zum Zwecke der Projektierung, Erschließung und Realisierung des Gewerbeparkes T... gegründet worden. Gründungsgesellschafter waren u.a. die Gemeinden G..., K..., R..., V... und W.... 1993 übernahm auch die Gemeinde K...-L... einen Geschäftsanteil an der Schulderin. Diese Gemeinden sind später im Rahmen der Kommunalreform des Landes Brandenburg in die beklagte Gemeinde eingegliedert worden.

Der Kläger ließ zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, dem 12.1.1998, die Stichtagsbilanz vom 10.4.2000 erstellen, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 21.013.342,93 DM = 10.743.951,64 € auswies.

Der Kläger macht gegen die Beklagte entsprechend ihrem Anteil (36.500 DM) am Stammkapital der Schuldnerin (314.000 DM) einen seiner Auffassung nach unverjährten Anspruch auf Verlustausgleich in Höhe von 1.248.898,84 € geltend gestützt auf § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages der Schuldnerin.

§ 8 des Gesellschaftsvertrages der Schuldnerin ist überschrieben mit "Jahresabschluß, Ergebnisverwendung". Dessen Nr. 4 lautet:

"Soweit die gesetzlichen Vorschriften nichts anderes vorsehen und die Gesellschafterversammlung nichts anderes beschließt, wird der Gewinn unter die Gesellschafter nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile verteilt. Etwaig entstehende Verluste werden von den Gesellschaftern nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile übernommen."

§ 10 des Gesellschaftsvertrages der Schuldnerin, überschrieben mit "Anforderung von Nachschüssen, Kapitalerhöhung" regelt in Nr. 1 die Nachschußpflicht wie folgt:

"Die Einzahlung von Nachschüssen kann nur gefordert werden, wenn alle Gesellschafter zustimmen."

Auf einer Gesellschafterversammlung der Schuldnerin am 12.6.1997 stimmten die anwesenden Gesellschafter auch über den Tagesordnungspunkt "Neufassung Gesellschaftsvertrag" ab.

Der Kläger hat gemeint, die nach Behauptung der Beklagten am 12.6.1997 beschlossene, die Verlustausgleichspflicht der Gesellschafter eliminierende Änderung des Gesellschaftsvertrages sei mangels Eintragung in das Handelsregister unwirksam. Eine aufsichtsbehördliche Genehmigung der streitgegenständlichen Klausel sei nicht erforderlich. Sie sei überdies in dem Schreiben des Ministeriums ... des Landes Brandenburg vom 27.11.1997 zu sehen. Bei § 8 Nr. 4 S. 2 der Satzung handele sich um eine statuarische Verlustausgleichsregelung nach § 3 II GmbHG, die entgegen der Auffassung der Beklagten mit der Außenhaftung der Schuldnerin nichts zu tun habe. Wegen der Vertragsklausel habe es keines Gesellschafterbeschlusses nach § 26 I GmbHG zur Verlustzuweisung bedurft. Von der Stichtagsbilanz sei mangels konkreter Einwendungen der Beklagten gegen einzelne Ansätze ohne weiteres auszugehen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.248.898,84 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Gesellschaftsvertrag sei in der Gesellschafterversammlung vom 12.6.1997 wirksam dahin abgeändert worden, dass eine Verlustausgleichspflicht der Gesellschafter nicht mehr vorgesehen sei. Unabhängig davon werde eine Verlustausgleichspflicht nach der alten Fassung des Gesellschaftsvertrages nur unter denselben Voraussetzungen begründet, unter denen der Gewinn nach § 8 Nr. 4 S. 1 des Vertrages verteilt werde. Ein sowohl danach als auch nach § 26 I GmbHG erforderlicher Verlustzuweisungsbeschluß sei von der Gesellschafterversammlung nicht gefaßt worden.

Die Haftungsklausel des § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages sei mit dem sich aus § 13 II GmbHG ergebenden Haftungsleitbild der GmbH nicht zu vereinbaren. Sie sei auch mit Blick auf Verstöße gegen das sich aus dem gemeindlichen Haushaltsrecht ergebende Gebot zur Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nichtig bzw. wegen fehlender aufsichtsbehördlicher Genehmigung schwebend unwirksam; eine Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde könne jetzt nicht mehr erwartet werden.

Die Zusammensetzung des Verlustes sei vom Kläger nicht im einzelnen erläutert worden. Schließlich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagte mit dem am 13. Juli 2005 verkündeten Urteil antragsgemäß zur Zahlung verurteilt aus folgenden Gründen:

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages zu. Diese Klausel sei nicht aufgehoben worden, auch nicht im Wege satzungsändernden Beschlusses vom 12.6.1997. Ein etwa wirksam gefaßter Beschluß habe jedenfalls mangels Eintragung in das Handelsregister gemäß § 54 III GmbHG keine Wirkung entfalten können. Eine innergesellschaftliche Bindung der Gesellschafter an den Beschluß hätte nur insoweit bestanden, als die behauptete Satzungsänderung durch Eintragung in das Handelsregister hätte herbeigeführt werden müssen.

Die Haftungsklausel stehe nicht unter den Einschränkungen des Satzes 1 von § 8 Nr. 4, der sich nur und ausschließlich auf die Gewinnerzielung beziehe. Sie sei auch mit dem sich aus § 13 II GmbHG ergebenden Leitbild einer GmbH vereinbar, da sie lediglich das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter betreffe, nicht das Außenverhältnis zwischen Gesellschaftern und Gläubigern der Gesellschaft.

Die Klausel sei nicht wegen Gesetzesverstößen oder Sittenwidrigkeit nichtig oder wegen fehlender aufsichtsbehördlicher Genehmigung schwebend unwirksam. Denn die Beklagte sei in entsprechender Anwendung von § 242 II 1 AktG wegen mehr als dreijähriger Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister nicht mehr berechtigt, sich auf die Nichtigkeit zu berufen. Eines Gesellschafterbeschlusses über die Verlustzuweisung bedürfe es auch nicht nach § 26 I GmbHG, da es sich bei der Haftungsklausel um eine nach § 3 II GmbHG statuierte Verlustausgleichsregel handele.

Darauf, ob der behauptete Verlust später überhaupt noch vorhanden gewesen sei, komme es nicht an, weil maßgeblich für die Verlustzuweisung das Entstehen des Verlustes zu einem bestimmten Zeitpunkt sei. Das Bestreiten bestimmter Bilanzansätze durch die Beklagte mit Nichtwissen sei nach § 138 IV ZPO unbeachtlich. Schließlich sei der Anspruch nicht verjährt.

Gegen dieses ihr am 1.8.2005 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 30.8.2005 eingelegten und am 30.9.2005 begründeten Berufung.

Die Beklagte meint, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch mangels Anspruchsgrundlage nicht zu. Eine Auslegung des § 8 Nr. 4 S. 2, die gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auf den erkennbaren Willen der Erklärenden abzustellen habe, könne nur zu dem Ergebnis führen, daß § 8 Nr. 4 S. 2 der Satzung nicht als Haftungsklausel zu verstehen sei, sondern - ebenso wie § 8 Nr. 4 S. 1 - lediglich als deklaratorischer Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften.

Die Beklagte ist unverändert der Auffassung, daß sie unabhängig davon nach § 8 Nr. 4 S. 2 der Satzung schon deshalb nicht hafte, weil diese Klausel durch Gesellschafterbeschluß vom 12.6.1997 auch ohne Eintragung in das Handelsregister wirksam abgeändert worden sei. Zum einen seien punktuelle Satzungsdurchbrechungen auch ohne Einhaltung der formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung wirksam; zum anderen habe die Änderung nur das Innenverhältnis der Gesellschaft betroffen, so daß sie gegebenenfalls in eine die Gesellschafter bindende schuldrechtliche Nebenabrede umzudeuten wäre.

Die Klausel sei jedenfalls wegen Verstoßes gegen gesetzliche Haushaltsvorschriften sittenwidrig und deshalb nichtig bzw. mangels gemäß § 45 II, III KV-DDR erforderlicher Genehmigung des Regierungsbevollmächtigten für den Bezirk schwebend unwirksam. Sie, die Beklagte sei auch nicht wegen § 242 II 1 AktG daran gehindert, sich auf die Nichtigkeit zu berufen. Diese in der ursprünglichen Satzung enthaltene Bestimmung sei nach richtiger Auslegung schon deshalb nicht anwendbar, weil ansonsten gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßende Satzungsbestimmungen auf ewig sanktioniert würden. Auf nichtige Regelungen in der ursprünglichen Satzung sei § 242 II 1 AktG seinem Wortlaut nach ohnehin nicht anwendbar. Eine für eine Analogie erforderliche Gesetzeslücke bestehe nicht. Zudem sei § 242 II 1 AktG mangels hinreichender Ähnlichkeit der AG und der GmbH nicht analog im GmbH-Recht heranzuziehen.

Die Beklagte wendet Mitverschulden der Hauptgläubigerin der Schuldnerin, der ILB, wegen leichtfertiger Kreditvergabe in einer Größenordnung von knapp 30 Mio. € ein. Die Beklagte macht weiter Verjährung geltend.

Die Beklagte beantragt,

das am 13.7.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin (6 O 140/04) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er meint, auf die in der Berufung von der Beklagten vorgetragenen und nach deren Auffassung bei der Auslegung der streitgegenständlichen Klausel zu berücksichtigenden Umstände komme es nicht an, weil sie keinen Niederschlag in der Satzung gefunden hätten.

Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht ein Zahlungsanspruch aus § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages der Entwicklungsgesellschaft T... mbH gegen die Beklagte nicht zu.

1. § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages ist keine Anspruchsgrundlage für die Klageforderung. Diese Klausel regelt lediglich die Verlustverteilung.

Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich keine Pflicht der Gesellschafter zum Verlust"-ausgleich". Denn danach haben die Gesellschafter den Verlust entsprechend dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu "übernehmen", nicht "auszugleichen". Der auslegungsbedürftige Begriff der "Übernahme" kann auch nicht dahin verstanden werden, daß damit bereits eine gesellschaftsvertragliche Verlustausgleichspflicht der Gesellschafter gemäß § 3 II GmbHG ohne weitere Voraussetzungen begründet worden ist. Gegen eine solche Auslegung spricht bereits, dass die Regelung im mit "Jahresabschluß, Gewinnverwendung" überschriebenen § 8 enthalten ist. Diese Überschrift impliziert, dass nachfolgend die Verwendung eines positiven Ergebnisses, d.h. eines Gewinns geregelt wird, nicht jedoch der Verlust als Gegenteil des Gewinns. Eine Bestimmung über die zeitlich und betragsmäßig unbegrenzte Verpflichtung von Gesellschaftern zum Ausgleich von Verlusten im letzten Satz des § 8 wäre daher an dieser Stelle systemwidrig und für die Gesellschafter überraschend. Üblicherweise wird für Verlustübernahmen der Gesellschafter als Nebenleistungspflicht gemäß § 3 II GmbHG eine eindeutige Formulierung gewählt, nach der der Gesellschafter zum Ausgleich eines Jahresfehlbetrages/Verlustes verpflichtet ist. Dies geschieht regelmäßig in einer besonderen Bestimmung des Gesellschaftsvertrages (vgl. Münchener Vertragshandbuch Band 1, Gesellschaftsrecht, X.1, § 2; X.2, § 3). Die hier streitgegenständliche Bestimmung informiert die Gesellschafter lediglich darüber, daß im Falle eines im Jahresabschluß ausgewiesenen Verlustes dieser nach einem bestimmten Schlüssel, nämlich entsprechend dem Verhältnis der Geschäftsanteile verteilt wird.

Eine Verpflichtung zum tatsächlichen Verlustausgleich in dieser Höhe als Nebenleistungspflicht gemäß § 3 II GmbHG wird dadurch nicht begründet.

Zwar können Gesellschafter einer GmbH zu Nebenleistungspflichten verpflichtet werden (§ 3 II GmbHG), also zu zusätzlichen Leistungen, die anders als Stammeinlagen und Nachschüsse nicht der Bildung und nur ausnahmsweise der Ergänzung des Stammkapitals dienen. Sie unterliegen deshalb von Ausnahmen abgesehen nicht den strengen Regeln für die Kapitalaufbringung und -bindung. Sie können daher grundsätzlich frei gestaltet werden z.B. als einmalige oder wiederkehrende Leistungen, wobei auch der Inhalt der Nebenleistungen keiner besonderen Beschränkung unterliegt. Geldleistungen können deshalb auch in einmaligen oder regelmäßig, wie auch unregelmäßig wiederkehrenden Zahlungen an die Gesellschaft außerhalb von Stammeinlagen und Nachschüssen bestehen, wiederkehrend z.B. Beiträge zum Ausgleich - allerdings bestimmter - Fehlbeträge (Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., Rn. 36, 39 zu § 3). Im Unterschied zu Nachschußpflichten können Nebenleistungspflichten im Gesellschaftsvertrag so ausgestaltet werden, dass die Geschäftsführer sie auch ohne Beschlussfassung der Gesellschafter einfordern können. Vor dem Hintergrund des gesellschaftsrechtlichen Gebotes der hinreichenden Bestimmtheit von den Gesellschafter belastenden Klauseln ist dann jedoch zu erwarten, daß eine jeden Zweifel ausschließende Formulierung gewählt wird, wonach Gesellschafter den im Jahresabschluß ausgewiesenen Verlust anteilig entsprechend dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile an die Schuldnerin ohne vorherige Beschlussfassung auf Anforderung des Geschäftsführers auszugleichen haben. Das ist jedoch nicht der Fall. Weiter spricht gegen die Qualifizierung der streitgegenständliche Klausel als Nebenleistungspflicht, daß es hier nicht um punktuelle, aus konkretem Anlaß und zeitlich begrenzte oder zwar zeitlich unbegrenzte, aber bestimmte (konkret begrenzte) Zahlungsverpflichtungen geht.

Hinzu kommt, dass die Deckung von Verlusten der Schuldnerin durch deren Gesellschafter ist damit über die in § 10 des Gesellschaftsvertrages statuierte Nachschußpflicht möglich ist. In § 10 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages ist die Nachschußpflicht der Gesellschafter der Schuldnerin gemäß § 26 GmbHG geregelt. Danach kann die Einzahlung von Nachschüssen nur gefordert werden, wenn alle Gesellschafter zustimmen. Nachschüsse im Sinne des § 26 GmbHG können nach dem Ermessen der Gesellschaft verwendet werden; sie können damit nicht nur zur Deckung von Verlusten verwendet werden. Nachschüsse dienen jedoch generell der Stärkung des Eigenkapitals, während Verluste das Eigenkapital schwächen. Dementsprechend sind Nachschüsse grundsätzlich gemäß § 272 II Nr. 4 HGB unter den Passiva zu bilanzieren.

Daß die Gesellschafter sich vor diesem Hintergrund der Nachschußpflicht einer auch der Höhe nach unbegrenzten Haftung für Verluste durch eine statuarische Nebenpflicht ausgesetzt hätten, ohne daß es der vorherigen Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung bedurft hätte, kann nach der Formulierung in § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages nicht angenommen werden. Allenfalls könnte diese Formulierung im Zweifel als Regelung eines besonderen Falles der Nachschußpflicht verstanden werden. Dann würde es aber an einem Einforderungsbeschluß der Gesellschafter fehlen.

Der Kläger kann auch nicht mit dem Argument durchdringen, § 8 Nr. 4 S. 2 begründe eine Verlustausgleichspflicht der Gesellschafter deshalb, weil die Schuldnerin mit Krediten von einem Gesamtvolumen von ca. 40 Mio. € habe arbeiten sollen, die ihr sonst ohne Stellung von Sicherheiten nicht gewährt worden wären. Da es sich um eine zwingend satzungsmäßige und mithin körperschaftliche Bestimmung handelt, könnte dieser außerhalb der Satzung liegende Umstand wegen des Erfordernisses objektivierter Auslegung bei der rechtlichen Wertung der streitgegenständlichen Klausel nicht berücksichtigt werden (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., Rn. 25, 27 zu § 2).

§ 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages gibt damit die gesetzliche Lage informativ wieder und klärt die Gesellschafter darüber auf, in welchem Umfang der Wert ihres Geschäftsanteils durch Verluste im Verhältnis zu dem der anderen Geschäftsanteile berührt wird.

2. Der vorstehenden Auslegung der streitgegenständlichen Klausel steht auch nicht die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger der Schuldnerin entgegen. Gläubiger einer GmbH können grundsätzlich nur von einer beschränkten Haftung der Gesellschaft und davon ausgehen, daß als Haftungsmasse nur das Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung steht. Eine zeitlich und betragsmäßig unbegrenzte Verlustausgleichspflicht aller Gesellschafter, die in wirtschaftlicher Hinsicht einer Aufhebung der Haftungsbeschränkung und einem Einstehen der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten wie bei einer OHG gleichkommt, kann dagegen allenfalls bei entsprechenden, jeden Auslegungszweifel ausschließenden klaren gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen angenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Geschäftspartner hätten, so sie ansonsten keine Geschäfte mit der Schuldnerin getätigt hätten, sich wie sonst üblich andere Sicherheiten stellen lassen können.

3. Selbst wenn man entsprechend der Ansicht des Klägers § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages dahin auslegen wollte, damit werde eine statuarische Nebenpflicht gemäß § 3 II GmbHG der Gesellschafter zum Verlustausgleich begründet, wäre die Klage unbegründet.

Denn dann wäre davon auszugehen, daß eine Verlustausgleichspflicht nur zugunsten der lebensfähigen Gesellschaft, aber nicht mehr im Insolvenzfall bestehen würde.

Die Bestimmung über die - hier nachfolgend unterstellte - Verpflichtung zum Verlustausgleich in § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages ist ebenso wie die Gewinnverteilung im mit "Jahresabschluß, Ergebnisverwendung" überschriebenen § 8 enthalten. Der Verlustausgleich wäre ebenso wie die Gewinnverteilung unter dem Gesichtspunkt eines fortlaufenden Geschäftsbetriebes der Gesellschaft vorgenommen worden. Mit dem Verlustausgleich hätte die finanzielle Grundlage für die Erfüllung der der Gesellschaft übertragenen Aufgaben sichergestellt werden sollen. Anliegen dieser Bestimmung wäre die Sicherung und Stärkung des Eigenkapitals im Falle von Verlusten. Das Eigenkapital sollte ungeschmälert im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes zur Verfügung stehen. Damit wäre die Erfüllung der der Gesellschaft übertragenen Aufgaben gewährleistet worden. Diese gesellschaftsvertragliche Anspruchsgrundlage für die Eigenkapitalzuführung im Wege des Verlustausgleiches ist mit der Insolvenz der Schuldnerin entfallen. Der Verlustausgleich im Innenverhältnis hat nicht den Zweck, die Gläubigerbefriedigung im Insolvenzfall zu gewährleisten.

Daraus folgt weiter, dass die Schuldnerin nach Treu und Glauben nicht von ihren Gesellschaftern die Erfüllung einer Verlustausgleichspflicht im Insolvenzfall verlangen kann. § 8 Nr. 4 S. 2 des Gesellschaftsvertrages stellt auf eine lebensfähige Gesellschaft ab. Der Schuldnerin ist es im Insolvenzfalle verwehrt, zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung die Gesellschafter auf Verlustausgleich in Anspruch zu nehmen.

Ohne Erfolg wendet der Kläger dagegen ein, dass die Nichterfüllung von Nebenleistungspflichten durch die Gesellschafter und die dadurch eingetretene Insolvenz nicht dadurch "prämiert" werden dürfe, dass die Gesellschafter von der Nebenleistungspflicht frei werden. Das greift jedenfalls dann nicht durch, wenn wie hier die Gesellschafter mit außerordentlich hohen Ausgleichsforderungen konfrontiert werden, die ihre Liquidität deutlich übersteigt und deren Erfüllung für sie unzumutbar ist.

4. Auf die Frage, ob bei dieser Bewertung der Rechtslage die Schuldnerin bereits früher bilanziell überschuldet gewesen ist, kommt es nicht mehr an.

Der nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 13.3.2006 ist berücksichtigt worden.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick darauf hat, dass weitere Gesellschafter der Schuldnerin auf Grund der hier streitgegenständlichen Klausel dem Kläger nach dessen Rechtsauffassung auf Verlustausgleich haften und zudem auf Grund vergleichbarer Formulierungen in Gesellschaftsverträgen das Auftreten der hier behandelten Rechtsfragen in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist (§ 543 II Nr. 1 ZPO).



Ende der Entscheidung

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