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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 20.02.2007
Aktenzeichen: 6 U 69/06
Rechtsgebiete: UWG, VOB/A, VOL/A, VgV


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5 Abs. 1
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 1
VOB/A § 3
VOB/A § 17
VOL/A § 3
VOL/A § 17
VgV § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 69/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20.02.2007

Verkündet am 20.02.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20.02.2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.07.2006 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 32 O 2/06 - teilweise abgeändert und zum Zwecke der Klarstellung neu gefasst.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) seit dem 24.03.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit dem am 20. Juli 2006 verkündeten Urteil hat das Landgericht Frankfurt (Oder) der Klage entsprochen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, trotz strafbewehrter Unterlassungserklärung der Beklagten bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für den Klageantrag zu 1. (Unterlassungsantrag). Die Beklagte bestreite nämlich einen Verstoß gegen die von ihr abgegebene Unterlassungsverpflichtung und setze ihr wettbewerbswidriges Handeln fort. Die Klägerin könne die Unterlassung der Werbung mit "700 neue Bekanntmachungen täglich" verlangen wegen Verstoßes gegen §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG. Die genannte Werbung suggeriere die Veröffentlichung von 700 neuen Ausschreibungen täglich.

Zwar bestehe ein Unterschied zwischen dem von der Unterlassungsverpflichtung betroffenen Begriff der "Ausschreibung" und dem nunmehr verwendeten Begriff der "Bekanntmachung".

Die betroffenen Verbraucherkreise, welche sich in der Regel aus Handwerkern und Bauunternehmern zusammensetzten, könnten grundsätzlich auch zwischen beiden Begriffen unterscheiden. Jedoch sei der Gebrauch des Begriffes "Bekanntmachung" im Zusammenhang mit dem gesamten Inhalt der Werbung zu sehen. In erster Linie seien die Interessenten der Beklagten an Ausschreibungen interessiert, um an neue Aufträge zu gelangen. So sei auch der gesamte Inhalt der Werbung abgestellt auf "Ausschreibungen," sodass unter "Bekanntmachung" zugleich "Ausschreibung" zu verstehen sei.

Demzufolge sei auch der Klageantrag zu 3. (Vertragsstrafe) begründet. Die Beklagte habe zum einen gegen ihr Strafversprechen schuldhaft verstoßen, indem sie über den 6. November 2005 hinaus die Domäne "www.a....de" aktiv gehalten habe und Interessenten über die Eingabe dieses Domäne-Namens auf ihre neue Homepage "www.i...-a....de" geleitet habe. Zum anderen habe sie die inkriminierte Werbung fortgesetzt, indem sie den Begriff "Be-kanntmachungen" verwendet habe. Auch der Klageantrag zu 4. (Abmahnkosten) sei begründet.

Gegen dieses ihr am 27. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. August 2006 bei Gericht eingegangene Berufung der Beklagten, die sie mit dem am 20. September 2006 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte meint, die Werbung "700 neue Bekanntmachungen täglich" sei nicht irreführend; demzufolge sei der Unterlassungsanspruch unbegründet. Der verwendete Begriff "Bekanntmachung" entspreche auch nicht demjenigen der "Ausschreibung", wie in der Unterlassungsverpflichtung enthalten. Die Unterschiede zwischen beiden Begriffen seien den durch die Werbung angesprochenen Fachkreisen sehr wohl bekannt. Im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen gebe es viele bekanntzumachende Informationen von Gesetzes wegen, z.B. Information über Zuschlagserteilungen, Aufhebungen von Ausschreibungen, Veränderungen von Ausschreibungen etc. Zudem mache sie, die Beklagte, auch bevorstehende Ausschreibungen bekannt, damit Interessenten sich unter Umständen zu Bietergemeinschaften zwecks Abgabe eines Angebots zusammenfinden könnten. Auch Bekanntmachungen über Zuschlagsentscheidungen in Vergabeverfahren, an denen der jeweilige Interessent der Werbung nicht beteiligt gewesen sei, könnten von wirtschaftlichem Nutzen sein. So könnten Unternehmen erfahren, bei welchen bezuschlagten Projekten sie sich um Erteilung von Subaufträgen bemühen könnten.

In der Tat beliefen sich die neuen Bekanntmachungen der Beklagten täglich auf mindestens 700 Stück.

Da der Begriff der Bekanntmachung nicht in gleicher Weise zu verstehen sei wie derjenige der Ausschreibung, liege auch kein Verstoß gegen das Strafversprechen vor. Sie, die Beklagte, habe auch nicht gegen die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung verstoßen, für den Betrieb einer Datenbank die Bezeichnung "a....de" nicht mehr zu verwenden. Sie habe ihre Domäne nach der Unterlassungserklärung geändert in "i...-a....de". In der alten Domäne sei der Inhalt gelöscht worden; diese sei nur über den 6. November hinaus bis zum 11. November 2005 zum Zwecke der Verlinkung mit der neuen Domäne aufrechterhalten worden. Die alte Domäne sei dabei mit dem http-Status-Code "3..." versehen worden. Dadurch ignorierten Suchmaschinen die inhaltsleere Website. Jedenfalls sei die ausgesprochene Vertragsstrafe von jeweils 6.000 € zu hoch und daher herabzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie meint, insbesondere das schlichte Auswechseln des Begriffes "Ausschreibung" durch das Wort "Bekanntmachung" ändere an der irreführenden Werbung durch die Beklagte nichts. Die gesamte Information auf der Homepage der Beklagten sei nämlich auf Ausschreibungen ausgerichtet. Zudem würden Interessenten das Angebot der Beklagten nicht nutzen, um sich lediglich Informationen über Verfahrensstände in Vergabeverfahren zu beschaffen, diese Informationen würden Interessenten ohnehin schon von den jeweiligen Vergabestellen erhalten. Unerheblich sei ferner, dass die Verlinkung der von der Unterlassungsverpflichtung betroffenen Domäne "www.a....de" nur zu dem Zwecke erfolgt sei, den Kunden der Beklagten die vertraglich geschuldete Leistung mangelfrei erbringen zu können. Die Beklagte habe bei Abschluss des Vertragsstrafverbrechens den Zeitpunkt der Beendigung des wettbewerbswidrigen Störungstatbestandes mit dem 6. November 2005 sich selbst ausbedungen. Ihr könne deshalb zugemutet werden, bis zu diesem Zeitpunkt alle technischen Voraussetzungen geschaffen zu haben, um der Unterlassungsverpflichtung nachzukommen.

Die Beklagte hat ihre Berufung insoweit zurückgenommen, als sie sich auch gegen die Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 € nebst Zinsen (Urteilstenor zu IV.) wendet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist, soweit die Beklagte diese nicht zurückgenommen hat, begründet.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch zu, eine Werbung mit der Behauptung "700 neue Bekanntmachungen täglich" zu unterlassen.

Die Werbung "700 neue Bekanntmachungen täglich" ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht deshalb wegen Irreführung rechtswidrig, weil sie identisch ist mit der (unzweifelhaft rechtswidrigen) Werbung "700 neue Ausschreibungen täglich".

Bekanntmachung und Ausschreibung sind zwei unterschiedliche Begriffe. Unter Ausschreibungen versteht der durch die Werbung angesprochene Fachkreis die öffentliche Aufforderung zur Abgabe von Angeboten durch interessierte Bieter.

Unter Bekanntmachung versteht der Fachkreis die Veröffentlichung von Tatsachen oder Willenserklärungen.

Die beiden Begriffe werden im Vergaberecht auch nicht synonym verwendet, wie der erkennende Senat, der zugleich der Vergabesenat des Landes Brandenburg ist, aus eigener Erfahrung beurteilen kann. In dem oben genannten Sinne wird der Begriff der Ausschreibung z.B. verwendet in § 3 VOB/A bzw. § 3 VOL/A, während der Begriff der Bekanntmachung verwendet wird z.B. in § 17 VOB/A bzw. § 17 VOL/A und in § 14 VgV.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Internetwerbung der Beklagten schwerpunktmäßig auf "Aufträge" und "Ausschreibungen" abstellt. Es leuchtet ein, dass sich die Nutzer dieser Website hauptsächlich für eine Auftragserlangung interessieren und ein besonderes Augenmerk auf noch zu vergebende ausgeschriebene Aufträge richten. Bei Beurteilung der Frage, ob eine Angabe geeignet ist, irrige Vorstellungen hervorzurufen, ist auf den Empfängerhorizont der angesprochenen Verkehrskreise - hier Fachkreise - abzustellen. Werbeangaben werden von fachkundigen Kreisen in der Regel sorgfältig betrachtet. Auf Grund ihrer Vorbildung und Erfahrung können sie den Aussageinhalt einer Angabe leichter erfassen und sehen sich zudem wegen ihrer beruflichen Verantwortung zu einer genaueren Prüfung veranlasst (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 24. Aufl., § 5 Rn. 2.80). Die Werbung der Beklagten richtet sich an gewerbliche Anbieter von Bauleistungen. Solche Anbieter weisen in der Regel eine Kenntnis der komplexen Materie der öffentlichen Auftragsvergabe auf. Neben dem Vertragsschluss mit Privatkunden ist die öffentliche Auftragsvergabe eine der Haupteinnahmequellen dieser gewerblichen Anbieter. Die angesprochenen Fachkreise wissen zwischen "Bekanntmachungen" und "Ausschreibungen" nach den oben zitierten rechtlichen Vorschriften zu unterscheiden.

Dass die Werbung "700 neue Bekanntmachungen täglich" aus anderen Gründen wegen Irreführung gegen die Vorschriften des UWG verstößt, legt die Klägerin nicht hinreichend dar. Sie bestreitet lediglich den substantiierten Vortrag der Beklagten, Letztgenannte habe in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 auf ihrer Website insgesamt 155.611 Bekanntmachungen veröffentlicht, also täglich im Schnitt 855 Bekanntmachungen. Dies ist unzureichend.

2.

Auch dem Klageantrag zu 3. kann nicht entsprochen werden.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 12.000 € wegen Verwirkung der vereinbarten Vertragsstrafe zu.

Ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung betreffend die Werbung "700 neue Ausschreibungen täglich" durch die nunmehr geschaltete Werbung "700 neue Bekanntmachungen täglich," liegt, wie oben ausgeführt, nicht vor.

Auch hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung der Verwendung der Domäne "a....de", ist eine Vertragsstrafe nicht verwirkt worden.

Die Beklagte hatte sich mit der Erklärung vom 28. Oktober 2005 verpflichtet, es zu unterlassen, "für den Betrieb einer Datenbank im Internet die Bezeichnung "a..." als Bestandteil ihrer Firma oder als Second-Level-Domäne zu verwenden, insbesondere verbunden mit der Server-Level-Domäne "de".

Diese Verpflichtung ist eng auszulegen. Allein der Umstand, dass die Beklagte den Domänenamen über den 6. November bis zum 11. November 2005 zum Zwecke der Verlinkung mit ihrer neuen Domäne verwendet hat, reicht zur Verwirkung der Vertragsstrafe nicht aus. Wie die Beklagte unbestritten vorträgt, war die Website "a....de", ab 6. November 2005 inhaltsleer geschaltet. Eine Datenbank ist damit im Internet über dieses Datum hinaus nicht betrieben worden. Da weiter die Website nach dem 6. November 2005 nicht über die gängigen Suchmaschinen aufgefunden werden konnte, fehlt es an einer Werbung im Sinne der UWG-Vorschriften. Die Domäne konnte von Nutzern nur dann aufgerufen werden, wenn diese bereits Kenntnis von ihr hatten, da über Suchmaschinen die Adresse nicht zu erreichen war.

Das angefochtene Urteil war daher nur insoweit aufrechtzuerhalten, als mit diesem die Beklagte zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 € nebst Zinsen verurteilt worden ist. Insoweit hat die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO, hinsichtlich der Klägerin ferner auf § 711 ZPO, hinsichtlich der Beklagten auf §§ 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO (in der Fassung des 2. Justizmodernisierungsgesetzes).

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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