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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 6 W 12/06
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
BRAGO § 6 Abs. 1
BRAGO § 6 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 6 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 12/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke als Einzelrichterin am 6. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 15.12.2005 - 2 O 145/05 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 451,01 €

Gründe:

I.

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die aus 43 Miteigentümern besteht, und haben in dieser Eigenschaft nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Berlin am 14.7.2004 Klage erhoben. Die Beklagte hat Widerklage erhoben, die sie gegen die Kläger gerichtet hat.

Die Parteien schlossen am 1.9.2005 vor dem Landgericht einen Vergleich, nach dessen Kostenregelung von den Kosten des Rechtsstreits, des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Berlin und des Vergleichs die Kläger 60 %, die Beklagte 40 % tragen sollten.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 15.12.2005 von der Beklagten an die Kläger zu erstattende Kosten auf insgesamt 1.213,97 € festgesetzt und im Rahmen der Ausgleichung die von den Klägern geltend gemachte 2,0 Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 972,00 € zzgl. Mehrwertsteuer berücksichtigt.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 20.12.2005 zugestellt worden ist, wendet sich die Beklagte mit ihrer am 27.12.2005 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie sich gegen die Berücksichtigung der Erhöhungsgebühr wendet. Sie beruft sich dabei auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2.6.2005, wonach die Wohnungseigentümergemeinschaft rechtsfähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 19.1.2006 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht zugunsten der Kläger einen Mehrvertretungszuschlag gemäß Nr. 1008 VV RVG berücksichtigt.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erhielt der Rechtsanwalt, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wurde, die Gebühren nur einmal. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erhöhte sich jedoch die Prozessgebühr durch jeden weiteren Auftraggeber um 3/10, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe war, mehrere Erhöhungen durften den Betrag von zwei vollen Gebühren nicht übersteigen. Der Rechtsanwalt, der eine Wohnungseigentümergemeinschaft vertrat, konnte eine erhöhte Prozessgebühr geltend machen, weil eine Wohnungseigentümergemeinschaft eine Mehrheit von Auftraggebern darstellt (BGH, Urteil vom 6.10.1983, III ZR 109/82, JurBüro 1984, 377, zitiert nach Juris).

Mit dem Inkrafttreten des RVG am 1.7.2004 hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Nr. 1008 VV RVG entspricht fast wörtlich den vorstehend wiedergegebenen Regelungen von § 6 Abs. 1 BRAGO.

Auch im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren sind die Kläger als eine Mehrheit von Auftraggebern zu behandeln, so dass im Rahmen der Kostenausgleichung zu ihren Gunsten ein Mehrvertretungszuschlag zu berücksichtigen ist.

Das Gegenteil ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 2.6.2005 (V ZB 32/05, NJW 2005, 2061, zitiert nach Juris).

Der Beklagten ist zuzugeben, dass wegen dieser Entscheidung des BGH alles dafür spricht, dass ein Mehrvertretungszuschlag künftig nicht mehr als erstattungsfähig angesehen werden kann, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Prozess als Verband Rechte aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend macht. Diese Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden.

Denn jedenfalls im vorliegenden Verfahren sind die Kläger nicht als Verband aufgetreten. Sie haben im Jahre 2004, weit vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, ausdrücklich nicht als Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern als Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft Klage erhoben und alle Miteigentümer namentlich benannt. Sie haben sich selbst als Kläger - nicht als Klägerin - bezeichnet. Sie haben auch nicht eine einheitliche ladungsfähige Anschrift angegeben, sondern insgesamt 43 Anschriften. Das hat auch die Beklagte so verstanden, schließlich hat sie die Widerklage nicht gegen "die Klägerin", sondern gegen die "Kläger als Gesamtschuldner" gerichtet.

Die Kläger mussten auch auf diese Weise Klage erheben, weil es der bis zur Entscheidung des BGH vom 2.6.2005 überwiegenden Auffassung entsprach, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht rechtsfähig sei (vgl. die Nachweise in BGH, Beschluss vom 2.6.2005, V ZB 32/05, NJW 2005, 2061, zitiert nach Juris).

In einem derartigen Fall kann eine spätere Rechtsprechungsänderung nicht dazu führen, dass im Rahmen der Kostenerstattung eine tatsächlich existierende Mehrheit von Klägern wie ein einziger Auftraggeber behandelt wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO (40 % von 972,00 € zzgl. Mehrwertsteuer).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Frage, welche Auswirkungen eine nach Klageerhebung bzw. sogar kurz vor der Klageerhebung eingetretene Rechtsprechungsänderung zur Parteifähigkeit auf die Kostenerstattung hat, ist höchstrichterlich bereits geklärt. So hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich in einem Fall, in dem die Klageerhebung wegen der bisher herrschenden Rechtsauffassung zur fehlenden Parteifähigkeit einer BGB-Gesellschaft durch eine Mehrheit von Auftraggebern erfolgte, einen Mehrvertretungszuschlag als gerechtfertigt angesehen (BGH, Beschluss vom 18.6.2002, VIII ZB 6/02, NJW 2002, 2958, zitiert nach Juris). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten.

Ende der Entscheidung

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