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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: 6 W 167/07
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, RVG


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 104
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 569 Abs. 1
RVG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 167/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke als Einzelrichterin

am 16. April 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 3.8.2007 - 12 O 492/05 - aufgehoben und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Auf Grund des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 1.12.2006 sind von der Klägerin an Kosten 2.810,72 € (i. B. zweitausendachthundertzehn und 72/100 EURO) an die Beklagten zu erstatten.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 10 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 90 % zu tragen.

Gründe:

I.

Der Beklagte zu 1.) ist Inhaber eines Autohauses, der Beklagte zu 2.) ist dort im Verkauf beschäftigt. Der Beklagte zu 1.) war bei Klageerhebung in W... wohnhaft und ließ sich durch seinen in B... ansässigen Rechtsanwalt vertreten. Für den Beklagten zu 2.), der bei Klageerhebung in B... wohnte, bestellte sich erst nach der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ein Prozessbevollmächtigter. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2. ist an derselben Postanschrift wie der bereits für den Beklagten zu 1.) bestellte Prozessbevollmächtigte geschäftsansässig. Zwischen beiden Prozessbevollmächtigten besteht ausweislich ihres gemeinschaftlichen Briefkopfes eine Bürogemeinschaft.

Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen, das die Mietwagen des Beklagten zu 1.) gegen Veruntreuung und Diebstahl versichert. In dieser Eigenschaft hatte sie dem Beklagten zu 1.) Versicherungsleistungen wegen des Verlustes eines Mietwagens gewährt. Im vorliegenden Prozess nahm sie die Beklagten vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, eine Mitarbeiterin des Beklagten zu 1.) habe die Bonität des Mieters des verschwundenen Fahrzeugs nicht ausreichend geprüft. Der Beklagte zu 2.) habe ihr wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass es eine solche Bonitätsprüfung gegeben habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat auf Antrag der beiden Beklagtenvertreter mit Beschluss vom 3.8.2007 die von der Klägerin an den Beklagten zu 1.) zu erstattenden Kosten auf 2.340,16 € und die von ihr an den Beklagten zu 2.) zu erstattenden Kosten auf 2.659,46 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 9.8.2007 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer am 22.8.2007 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, die in einer Sozietät verbundenen Beklagtenvertreter seien nicht einzeln antragsbefugt und könnten nicht doppelt abrechnen. Die Honorarberechnungen seien auch inhaltlich falsch. Der Vertreter des Beklagten zu 1.) habe anwaltliche Reisekosten für den 10.3.2006 abgerechnet, obwohl er den entsprechenden Termin nicht wahrgenommen habe. Der Vertreter des Beklagten zu 2.) habe anwaltliche Reisekosten für den 17.10.2006 abgerechnet, obwohl an diesem Tag kein Termin vor dem Landgericht stattgefunden habe. Im Übrigen sei unklar, warum die beiden Beklagtenvertreter für denselben Weg von der Kanzlei zum Gericht einmal 125,14 km und ein anderes Mal 136,28 km gefahren seien. Die Reisekosten seien im Übrigen ohnehin nicht erstattungsfähig.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 5.10.2007 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin bis zu 2.500,00 € und übersteigt damit den Beschwerdewert von 200 €.

Die sofortige Beschwerde ist begründet, soweit sich die Klägerin gegen die Festsetzung von Gebühren für zwei Rechtsanwälte wendet. Sie ist unbegründet, soweit sie die Festsetzung anwaltlicher Reisekosten beanstandet.

Die Mehrkosten, die durch die Beauftragung mehrerer Rechtsanwälte auf Seiten der Beklagten entstanden sind, sind nicht erstattungsfähig.

Es ist davon auszugehen, dass die Beklagten hier nicht nur einen Prozessbevollmächtigten, sondern mehrere Rechtsanwälte beauftragt haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die beiden Prozessbevollmächtigten eine Sozietät bilden. Ihr gemeinsamer Briefkopf weist sie als Bürogemeinschaft aus.

Nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte jedoch nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn ein konkreter sachlicher Grund die Inanspruchnahme von mehreren Prozessbevollmächtigten gebietet. Die Frage, ob dies stets der Fall ist, wenn Streitgenossen klagen oder verklagt werden, wurde in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.1.2004 (VI ZB 76/03, NJW-RR 2004, 536, zitiert nach Juris) ist diese Frage höchstrichterlich geklärt. Danach besteht zwar grundsätzlich keine kostenrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten. Jeder Streitgenosse darf sich durch einen eigenen Bevollmächtigten vertreten lassen (BVerfG NJW 1990, 2124, zitiert nach Juris). Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen. Jedenfalls besteht kein Kostenerstattungsanspruch im Falle des Rechtsmissbrauchs (BVerfG, a. a. O.). Darüber hinaus sind Kosten von mehreren Prozessbevollmächtigten dann nicht erstattungsfähig, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschluss vom 20.1.2004 VI ZB 76/03, Juris Rn 8).Wenn man von einem Interessengegensatz zwischen mehreren Streitgenossen ausgehen kann, kann dies die Beauftragung mehrerer Prozessbevollmächtigter rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 2.5.2007, XII ZB 156/06, MDR 2007, 1160, zitiert nach Juris).

Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen war es nicht erforderlich, dass der Beklagte zu 2.), nachdem der Beklagte zu 1.) bereits einen Prozessbevollmächtigten mit seiner Interessenwahrnehmung beauftragt hatte, den mit diesem Prozessbevollmächtigten in Bürogemeinschaft tätigen Rechtsanwalt als eigenen Prozessbevollmächtigten einschaltete.

Die Interessen der beiden Beklagten verliefen parallel. Das zeigt sich daran, dass die Klageerwiderungsschriftsätze ihrer beiden Prozessbevollmächtigten vom 20.2.2006 und vom 2.6.2006 inhaltlich weitgehend übereinstimmen und teilweise einen identischen Wortlaut haben. Dort werden dieselben Einwendungen vorgetragen und dieselben Beweismittel angeboten. Dafür, dass zwei Prozessbevollmächtigten dieselben Dinge vortragen, bestand keine Veranlassung. Dass ein Interessengegensatz zwischen den beiden Beklagten vorliegen könnte, ist nach dem Inhalt der Schriftsätze nicht ersichtlich. Im Übrigen ist der Beklagte zu 2.) selbst davon ausgegangen, dass er neben dem Beklagten zu 1.) keinen eigenen Anwalt braucht. So hat er in dem Verfahren, mit sein Prozessbevollmächtigter gegen ihn seine anwaltlichen Gebühren festsetzen lassen wollte, vorgetragen, er habe die Vorstellung gehabt, nicht seinem Prozessbevollmächtigten, sondern dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1.) Prozessvollmacht erteilt zu haben. Wer im Rahmen des von seinem Prozessbevollmächtigten betriebenen Verfahrens der Festsetzung der Vergütung nach § 11 RVG vorträgt, sein Prozessbevollmächtigter sei nicht mandatiert worden, er habe keinen eigenen Prozessbevollmächtigten, sondern denjenigen seines Streitgenossen mit seiner Prozessvertretung beauftragen wollen, kann bei der Kostenfestsetzung gemäß § 104 ZPO nicht geltend machen, die Beauftragung eines weiteren Prozessbevollmächtigten sei notwendig i. S. d. § 91 ZPO gewesen.

Der Kostenerstattungsanspruch der Beklagten ist deshalb auf den Betrag zu beschränken, der sich ergeben hätte, wenn sie einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt hätten (BGH, Beschluss vom 2.5.2007, XII ZB 156/06, MDR 2007, 1160, zitiert nach Juris).

Dabei sind grundsätzlich auch die anwaltlichen Reisekosten zu erstatten. Die Klägerin hat die in B... bzw. W... wohnhaften Beklagten vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) verklagt. Das war für die Beklagten ein auswärtiges Gericht. Es handelt sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (BGH NJW 2003, 898 - Auswärtiger Rechtsanwalt II). Im vorliegenden Fall befindet sich die Kanzlei der Beklagtenvertreter in B.... Einer der Beklagten hat dort seinen Wohnsitz. Der Senat erachtet deshalb die anwaltlichen Reisekosten eines in B... geschäftsansässigen Rechtsanwalts als erstattungsfähig. Die Entfernung zwischen der Kanzlei der Beklagtenvertreter und dem Gericht beträgt nach einem gängigen Routenplaner knapp 80 Kilometer, so dass für die Berechnung der zu erstattenden Fahrtkosten die größere der von den Beklagtenvertretern angegebenen Entfernungen von 136,28 km anerkannt werden kann. Anwaltliche Reisekosten sind insgesamt vier Mal entstanden, und zwar anlässlich der Termine vom 10.3.2006, 16.6.2006, 29.9.2006 und 27.10.2006.

Bei der Berechnung der Gebühren eines fiktiven gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beider Beklagten ist die Mehrwertsteuer zur Hälfte festzusetzen. Der Beklagte zu 2.) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies ist nur der Beklagte zu 1.). Bei einer derartigen Fallkonstellation ist zu prüfen, wer im Innenverhältnis der Streitgenossen die Kosten zu tragen hat (BGH, Beschluss vom 25.20.2005, VI ZB 58/04, Zöller/Herget, § 91 Rn 13 Stichwort "Umsatzsteuer"). Ergibt sich aufgrund der Regelungen, die das Innenverhältnis der Streitgenossen betreffen, dass einer von ihnen die gesamten Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu tragen hat, sind dies die vom Gegner zu erstattenden Kosten. Solche Regelungen sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte zu 1.) als Arbeitgeber die Kosten der Prozessführung des Beklagten zu 2.) zu übernehmen hat. Dagegen spricht schon der Prozessverlauf. Die Klage ist gegen beide Beklagte erhoben. Der Beklagte zu 1.) hat sofort einen Prozessbevollmächtigten bestellt, hat aber nicht für eine Vertretung des Beklagten zu 2.) als seinem Arbeitnehmer gesorgt. Er ist ersichtlich davon ausgegangen, dass es Angelegenheit des Beklagten zu 2.) sei, sich um seine eigene Prozessvertretung zu kümmern. Bei einer derartigen Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1.) im Innenverhältnis mit dem Beklagten zu 2.) die Prozesskosten allein zu tragen hat. Wenn beide Beklagten den gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu bezahlen hatten, würden sie ihm deshalb nach Kopfteilen haften. Aus diesem Grunde ist die Umsatzsteuer zur Hälfte festzusetzen (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.1.2000, 11 W 202/99, RPfleger 2000, 240, zitiert nach Juris).

Die fiktiven Kosten eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der Beklagten berechnen sich bei einem Streitwert von 33.076,03 € deshalb wie folgt:

 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG 1,31.079,00 €
Erhöhungsgebühr Nr. 1008 VV RVG 0,3249,00 €
Terminsgebühr Nr. 3104 VV RVG 1,2996,00 €
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 4 x 136,28 km x 0,3 €/km163,52 €
Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 3 x bis zu vier Stunden60,00 €
Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 1 x mehr als vier Stunden35,00 €
Postpauschale Nr. 7002 VV RVG20,00 €
Zwischensumme2.602,52 €
Umsatzsteuer 16 % Nr. 7008 VV RVG 50 %208,20 €
Summe2.810,72 €

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes unterbleibt, weil sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen keine Gerichtsgebühren.

Die Gebühr gemäß Nr. 1812 KV GKG ist nicht zu erheben, weil die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde weit überwiegend obsiegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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