Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.02.2005
Aktenzeichen: 6 W 19/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 19/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht 005

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht ... als Einzelrichterin

am 1. Februar 2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 30.9.2004 - 12 O 144/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 11.661,51 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Klage erhoben auf Ersatz des Anschaffungswertes von drei Karts, die nach ihrer Behauptung nach einem Einbruchsdiebstahl in der Nacht vom 10. auf den 11.2.2002 entwendet worden sein sollen. Im Laufe der Ermittlungen ist festgestellt worden, dass die im Betrieb der Klägerin installierte Alarmanlage wegen Stromabschaltung in besagter Nacht keinen Alarm an die Wachschutzzentrale weiterleiten konnte. Durch Manipulation war ein Netzausfall für die TK-Anlage und einen ISDN-Baustein herbeigeführt worden. Im Ergebnisspeicher der installierten Alarmanlage waren Bewegungen innerhalb des Gebäudes von lediglich drei Minuten (zwischen 4:32 und 4:35 Uhr) registriert worden. Die in der Kartbahn installierten Bewegungsmelder müssen durch Abdeckung "überwunden" worden sein. Dies hat der von der Klägerin vorprozessual beauftragte Sachverständige H... mit Gutachten vom 25.1.2002 festgestellt.

Mit Schreiben vom 27.11.2002 forderte die Klägerin von der Beklagten unter Fristsetzung die Regulierung des Schadensfalles unter Hinweis auf beabsichtigte klageweise Geltendmachung.

Die Beklagte hatte bereits am 28.8.2002 bei der D... das Gutachten vom 31.1.2003 in Auftrag gegeben. Die D... hatte überprüft, in welchem Zeitraum das Wegbringen von mehreren Karts aus dem Erfassungsbereich der vorhandenen Bewegungsmelder möglich sei, ferner, ob die festgestellten Alarmaufzeichnungen zwischen 4:32 Uhr und 4:35 Uhr der Tatnacht mit dem Diebstahl der Karts in Einklang zu bringen seien. Nach dem Ergebnis des D... Gutachtens ist zwar eine Entwendung von mehreren Karts innerhalb von zwei Minuten bei mindestens vier Tätern zeitlich möglich, die Auslösung der Infrarotbilder in dem besagten Zeitraum lasse sich jedoch nicht mit der Entwendung der Fahrzeuge in Einklang bringen.

Die Beklagte hatte weiter am 14.1.2003 das Gutachten des Institutes für S... (Dipl.-Ing. O...) vom 24.1.2003 in Auftrag gegeben. Dies sollte Feststellungen dazu treffen, worauf die Alarmauslösung der Einbruchmeldeanlage (drei Minuten) zurückzuführen sei, ob die Alarmauslösung mit dem Diebstahl der Karts korrespondieren könne, ob Spuren erkennbar seien, die auf eine Manipulation oder Überwindung der Einbruchmeldeanlage schließen ließen und ob die Feststellungen des Sachverständigen H... zutreffend seien. Der Sachverständige O... ist zum Ergebnis gekommen, dass ausgehend von den durch die D... nachgestellten Diebstahlsvorgängen die Entwendung auch nicht ansatzweise möglich gewesen sei, ohne dass die Bewegungsmelder im Bereich der Fahrzeugboxen mehrfach Alarm auslösten, die Bewegungsregistrierung im Speicher der Alarmanlage mit dem in der Strafanzeige dokumentierten Einbruchsdiebstahl nicht in Einklang zu bringen sei. Nur wenn die Bewegungsmelder vor dem Diebstahl abgedeckt worden seien (z. B. durch Papier) - die Bewegungsmelder seien nicht mit einer Abdecküberwachung ausgestattet - sei die behauptete Registrierung der Bewegungen im Speicher der Anlage erklärbar.

Die Beklagte hat schließlich das kriminaltechnische Gutachten des Sachverständigen W... vom 15.2.2003 eingeholt. Dieser ist zu dem Ergebnis gelangt, dass an der Tat "Insider" beteiligt gewesen sein müssen. Im Gebäude sei eine ISDN Anlage installiert gewesen, die Meldungen an die Wachzentrale nur weiterleiten konnte, wenn eine Stromspannung von 220 V angelegen habe. Bei sogenannten analogen Anlagen bleibe die Weiterleitung des ausgelösten Alarmes von der Unterbrechung der externen Stromzufuhr hingegen unberührt. Unbekannte fremde Täter konnten auf Grund äußerer Anzeichen nicht auf das Vorliegen einer ISDN Anlage schließen. Die Feststellungen des Sachverständigen O..., wonach die Zahl der zur Tatzeit durch die Alarmanlage gespeicherten Bewegungsmeldungen nicht ansatzweise den Meldungen entsprechen würden, die beim Abtransport der Fahrzeuge hätten erfolgen müssen, wenn die vorhandenen Infrarotmelder funktionsmäßig gewesen wären, lasse nur den Schluss zu, dass der Abtransport des Diebesgutes bei abgedeckten Bewegungsmeldern erfolgt sei. Die Bewegungsregistrierung der Alarmanlage stehe im Zusammenhang mit der Entfernung der Abdeckung nach Ausführung des Diebstahles. Ein solches Verhalten spreche eindeutig gegen normales Täterverhalten. Erfahrungsgemäß und logischer Weise komme es Einbrechern stets darauf an, den Tatort möglichst unbemerkt zu verlassen und sich von diesem möglichst weit zu entfernen bevor der Einbruch entdeckt werde. Es sei daher nicht nachvollziehbar und entgegen aller kriminalistischen Erfahrungen zu bezeichnen, dass die Täter nach der Wegnahme der Gegenstände aus dem Tatgebäude bei verdeckten Bewegungsmeldern diese unter Alarmauslösung wieder freigelegt haben sollen. Denn die Täter könnten an der Entfernung der Abdeckungen kein Interesse gehabt haben. Ein solches Interesse sei eher bei tatortberechtigten Personen zu vermuten; diese hätten zu befürchten, dass aus der Art der Abdeckung bzw. der Tatsache, dass überhaupt eine Abdeckung der Melder erfolgt sei, der Schluss gezogen werde, diese hätten die als Diebesgut bezeichneten Gegenstände selbst weggeschafft oder jedenfalls dabei geholfen.

Mit Urteil vom 3.6.2004 hat das Landgericht Potsdam die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Klägerin spreche nicht die Vermutung eines Einbruchdiebstahles. Die Beklagte habe nämlich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür dargetan, dass die Karts nicht durch Einbruchdiebstahl eines unbekannten Dritten entwendet worden seien. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass kein Einbruchsdiebstahl vorliege und der Diebstahl vorgetäuscht worden sei, sei höher als die Wahrscheinlichkeit für die von der Klägerin vorgetragene Version des Einbruches durch unbekannte Dritte. Gegen den Einbruchdiebstahl durch fremde Täter spreche maßgeblich die Unterbindung der Stromzufuhr zur Alarmanlage, was nur bei Vorliegen einer - hier äußerlich nicht erkennbaren - ISDN-Alarmanlage Sinn mache in technischer Hinsicht. Die während drei Minuten von der Alarmanlage aufgezeichneten Bewegungen stünden nicht im Zusammenhang mit dem Wegbringen der Karts. Vielmehr handele es sich um Bewegungen während des Entfernens der Abdeckungen nach ausgeführten Diebstahl. Es habe im Bereich der Klägerin hinreichend Gelegenheit bestanden, die Bewegungsmelder in unscharfen Zustand der Alarmanlage abzudecken, bevor das Personal der Klägerin am Abend vor dem Diebstahl vollständig das Gelände verlassen hatte. Angesichts der von der Beklagten dargelegten Wahrscheinlichkeit eines fingierten Einbruchdiebstahls hätte die Klägerin den Vollbeweis für ihre Version antreten müssen. Daran fehle es.

Die Beklagte hat ihre außergerichtlichen Kosten zur Festsetzung angemeldet, unter anderem die Kosten der drei Sachverständigengutachten in Höhe von insgesamt 11.661,51 €.

Mit Beschluss vom 30.9.2004 hat das Landgericht Potsdam die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten dieser Gutachten auf den angemeldeten Betrag festgesetzt.

Gegen diesen ihr am 14.10.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20.10.2004 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.

Diese meint, die von der Beklagten erstellten Gutachten seien weder notwendig noch zweckmäßig gewesen, da das Gericht bereits auf Grund des unstreitigen Sachverhaltes sowie der Erkenntnisse der Ermittlungsakten erhebliche Bedenken gegen die Annahme eines Einbruchdiebstahls hegte. Dies gelte insbesondere für das Gutachten der D..., das sich ausschließlich mit dem untauglichen Versuch beschäftige, zwölf Karts binnen zwei Minuten aus der Halle zu schaffen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht Potsdam die von der Beklagten angemeldeten Sachverständigenkosten als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und damit erstattungsfähig erachtet.

Bedenken gegen die Höhe der Sachverständigenkosten, wie sie sich aus den vorgelegten drei Rechnungen ergeben, bestehen nicht.

1.

Die Gutachtenkosten stellen Vorbereitungskosten des Rechtsstreits dar. Darunter sind Aufwendungen zu verstehen, die zur Vorbereitung eines konkreten, beabsichtigten oder sich sonst klar abzeichnenden Prozess vor dessen Einleitung getätigt wurden. Diese Kosten sind nur dann ausnahmsweise als notwendige Kosten des Rechtsstreits anzusehen, wenn sie hinreichend prozessbezogen, also in unmittelbarer Beziehung zu einem und gerade im Hinblick auf diesen konkreten Prozess gemacht wurden. Die erforderliche Prozessbezogenheit besteht nicht bei Kosten zur Klärung unbekannter Vorgänge, auf Grund derer sich die Partei überhaupt erst schlüssig werden will, ob für einen Prozess hinreichende Erfolgsaussicht/Verteidigungsaussicht bestehe, das heißt, ob überhaupt Klage erhoben werden solle bzw. eine Rechtsverteidigung angestrebt werden solle (van Eicken/Hellstab/Lappe/Madert, Die Kostenfestsetzung, 18. Aufl., Rn. 400). Damit soll verhindert werden, dass ein Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so den Prozess verteuert. Die Partei hat grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigungen in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstandenen Aufwand selbst zu tragen (BGH, Beschluss vom 17.12.2002, MDR 2003, 413).

2.

Die Gutacherkosten sind prozessbezogen in dem oben dargestellten Sinne.

a.

Es besteht sowohl ein sachlicher als auch enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Gutachtenaufträgen der Beklagten und der Klageerhebung durch die Klägerin. Die Tätigkeit der Privatsachverständigen selbst steht in unmittelbarer Beziehung zu dem Rechtsstreit. Die Gutachten der Beklagten sind sämtliche eingeholt worden um das von der Klägerin vorprozessual geltend gemachte äußere Bild eines Einbruchdiebstahles zu erschüttern. Die Klägerin hatte gegenüber der Beklagten keine Zweifel daran gelassen, dass sie gestützt auf das von ihr eingeholte Gutachten des Sachverständigen H... Klage auf Versicherungsleistungen erheben werde. Dies lässt sich dem Schreiben vom 27.11.2002 eindeutig entnehmen.

b.

Die Aufträge an die Privatsachverständigen waren im vorliegenden Falle auch notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die Beurteilung dieser Frage hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei diese die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht, wenn die Partei in Folge fehlender Sachkenntnis nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist. Dies ist im vorliegenden Falle zu bejahen. Maßgeblich ist, dass die Beklagte auf Grund des Vortrages der Klägerin den Verdacht hegte, es liege ein Versicherungsbetrug vor. In einem solchen Falle gestaltet sich für den beklagten Versicherer ein Nachweis eines versuchten Betruges erfahrungsgemäß schwierig. Der Versicherer besitzt in der Regel selbst nicht die Sachkenntnis, die erforderlich ist, um eine Verursachung der geltend gemachten Schäden durch eine Straftat mit hinreichender Sicherheit und Überzeugungskraft auszuschließen. Regelmäßig bedarf er sachverständiger Hilfe, um den zur Rechtsverfolgung- oder verteidigung erforderlichen Vortrag halten zu können und deshalb nicht darauf verwiesen zu werden, zunächst die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht abzuwarten. Vielmehr ist es in einem solchen Falle zweckmäßig, wenn die Partei sich sachkundig beraten lässt, ehe sie vorträgt. Aus diesem Grunde ist die Erstattung von Kosten eines Privatgutachtens in vergleichbaren Fällen von der Rechtsprechung mehrfach bejaht worden (BGH, a. a. O., m. w. H.).

Im vorliegenden Falle gilt Folgendes:

Die Beklagte hatte auf Grund des Vortrages der Klägerin den Verdacht, es liege ein fingierter Einbruchsdiebstahl vor. Dieser Verdacht begründete sich zunächst auf der Annahme, behauptete Entfernung der Fahrzeuge könne sich nicht innerhalb der kurzen Zeitspanne abgespielt haben, in welcher die Alarmanlage Bewegungen registrierte (4:32 Uhr bis 4:35 Uhr). Zur Untermauerung ihres Verdachtes hatte die Beklagte das Gutachten bei der D... in Auftrag gegeben. Nachdem die D... festgestellt hatte, dass gegen den zeitlichen Ablauf, also die Entwendung mehrerer Fahrzeuge innerhalb von drei Minuten durch mehrere Täter keine Bedenken bestünden, jedoch die registrierten Bewegungen der Infrarotmelder-Nr. 7 und 8 (jeweils einmalige Auslösung) nicht mit dem Entwendungsvorgang in Einklang zu bringen seien, vielmehr mehrfach Alarm durch diese Melder hätte ausgelöst werden müssen, kam der Beklagten der Verdacht der Manipulation der Einbruchsmeldeanlagen. Zur Untermauerung dieses Verdachtes gab die Beklagte das Gutachten des Sachverständigen O... in Auftrag. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass entgegen den Feststellungen des Sachverständigen H... eine Überwindung der Bewegungsmelder in scharfem Zustand nahezu unmöglich sei, hingegen in unscharfem Zustand problemlos durchgeführt werden könne und demzufolge die abgespeicherten Alarmmeldungen offensichtlich beim Entfernen der Abdeckungen durch die Täter ausgelöst worden sein müssen. Daraufhin gab die Beklagte das Gutachten des Sachverständigen W... in Auftrag, der ausgehend von den Feststellungen der D... und des Sachverständigen O... eine kriminalistische Bewertung der Erkenntnisse vornahm. Dies führte zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf offensichtliche Kenntnis der Täter vom Vorliegen eines ISDN-Anschlusses und einer Entfernung der Fahrzeuge bei Bewegungsmeldern mit Abdeckung, vorgenommen, vor Einschaltung der Alarmanlage am Abend vor der Tatnacht, logischerweise der/die Täter im Bereich der Klägerin angesiedelt sein müssten. Das festgestellte Verhalten spreche nach aller kriminalistischer Erfahrung gegen unbekannte Dritte als Täter.

Mit den genannten Gutachten hat die Beklagte sich zweckmäßig gegen die von der Klägerin aufgestellte Vermutung eines Einbruchsdiebstahles verteidigen können.

3.

Bedenken gegen die Höhe der angemeldeten Sachverständigenkosten hat die Klägerin nicht geltend gemacht, solche ergeben sich auch nicht aus den Akten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens war gemäß § 63 Abs. 2 GKG n. F. festzusetzen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, unter welchen Voraussetzungen Kosten von vorprozessual eingeholten Privatgutachten erstattungsfähig sind.

Ende der Entscheidung

Zurück