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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.01.2006
Aktenzeichen: 6 W 230/05
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG a.F. § 5 Abs. 2 Satz 1
GKG a.F. § 5 Abs. 4 Satz 2
GKG a.F. § 61 Nr. 1
GKG a.F. § 8 Abs. 1 Satz 1
GKG a.F. § 8 Abs. 1 Satz 3
GKG n.F. § 72 Nr. 1
ZPO § 568 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

6 W 230/05

In der Kostenansatzsache

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke als Einzelrichterin am 30. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 27.10.2005 - 12 O 254/04 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Am 1.6.2004 ging beim Landgericht Potsdam eine Klageschrift der Kostenschuldnerin ein, mit der sie einen Zahlungsanspruch in Höhe von 560.178,60 € geltend machte. Das Landgericht Potsdam forderte einen Gerichtskostenvorschuss von drei Gebühren in Höhe von 9.768,00 € an.

Darauf bat die Kostenschuldnerin um Aufhebung der Kostenrechnung mit der Begründung, sie habe den Gerichtskostenvorschuss bereits zum Verfahren 26 O 108/04 beim Landgericht Berlin eingezahlt, das Landgericht Berlin habe die Sache an das Landgericht Potsdam zum Aktenzeichen 12 O 216/04 abgegeben. Das Landgericht Potsdam habe mit Verfügung vom 24.5.2004 um Übersendung einer Klageschrift mit der korrekten Anschrift der Beklagten zum Zwecke der Zustellung gebeten. Aus diesem Grunde sei eine Klageschrift beim Landgericht Potsdam eingereicht worden. Es seien nicht zwei Klagen erhoben worden. Das Landgericht Potsdam habe die Klage nach Berlin an die Kammer für Handelssachen zum Aktenzeichen 101 O 130/04 verwiesen.

Im Verfahren der Erinnerung gegen den Kostenansatz wurde der Gebührensatz für die Gerichtskosten von 3,0 auf 1,0 ermäßigt. Die Erinnerung im übrigen hat das Landgericht mit Beschluss vom 27.10.2005 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Kostenschuldnerin, mit der sie eine Zurücknahme bzw. Niederschlagung aller Gerichtskosten begehrt. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 25.11.2005 nicht abgeholfen und sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.) Die Beschwerde der Kostenschuldnerin ist nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GKG a. F. zulässig. Das GKG in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.3.2004, ist gemäß § 72 Nr. 1 GKG n. F. weiter anzuwenden, weil es sich vorliegend um eine Rechtsstreitigkeit handelt, die vor dem 1.7.2004 anhängig geworden ist.

Über die Beschwerde gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 GKG a. F. entscheidet das Beschwerdegericht durch den originären Einzelrichter, § 568 Satz 1 ZPO, weil die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist (so auch OLG Celle, NJW 2003, 367).

2.) Die Beschwerde ist nicht begründet. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und des Nichtabhilfebeschlusses wird Bezug genommen. Das Vorbringen der Kostenschuldnerin in den Rechtsmittelverfahren gegen den Kostenansatz rechtfertigt keine andere Entscheidung.

a.) Nach § 61 Nr. 1 GKG a. F. wird die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen gemäß KV 1210 mit der Einreichung der Klageschrift fällig und einziehbar. Die Kostenschuldnerin hat eine Klage eingereicht.

Dass dieses Schriftstück ein im Rubrum geändertes und auf Anforderung des Landgerichts eingereichtes zusätzliches Exemplar einer bereits bei einem anderen Gericht eingereichten Klageschrift sein sollte, ist angesichts des Inhalts der Akte des Landgerichts Berlin 101 O 130/04, die dem Landgericht Potsdam ganz und dem Beschwerdegericht in den maßgeblichen Passagen in Kopie vorgelegen hat, zwar nachvollziehbar vorgetragen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass mit Einreichung einer weiteren Klageschrift die Gebühr neu entsteht. Fälligkeit tritt dabei nicht erst mit dem Eingang bei der zuständigen Geschäftsstelle ein, sondern bereits mit dem Eingang der Klageschrift bei der Einlaufstelle des Gerichts.

b.) Das Landgericht hat die Gerichtskostenrechnung auf eine entsprechende Anregung des Bezirksrevisors gemäß Nr. 1211 KV zum GKG auf eine Gebühr ermäßigt.

Von der Erhebung der Gerichtsgebühren kann nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. vollständig abgesehen werden. Dies setzt eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichts voraus. Eine Sachbehandlung ist unrichtig, wenn Verstöße gegen klare gesetzliche Bestimmungen oder offensichtliche Versehen vorliegen. Weder das eine noch das andere ist hier der Fall.

Die Klageschrift der Kostenschuldnerin war formgerecht verfasst, trug die Überschrift "Klage", war an das Landgericht Potsdam gerichtet, wurde in der erforderlichen Stückzahl bei Gericht eingereicht und war von ihrem Prozessbevollmächtigten unterschrieben. Dieser Klageschrift war kein Hinweis auf ein bereits anhängiges Verfahren und eine dort ergangene richterliche Verfügung beigefügt. Ohne ein derartiges Begleitschreiben musste das Landgericht ein neues Aktenzeichen vergeben, die Sache als neues Verfahren eintragen und den Kostenvorschuss anfordern.

Es ist auch nicht als unrichtige Sachbehandlung zu werten, dass das Landgericht nicht ohne ein derartiges Begleitschreiben erkannt hat, dass die am 1.6.2004 eingegangene Klageschrift mit der Klageschrift in dem vor dem Landgericht Berlin begonnenen und an das Landgericht Potsdam abgegebenen Verfahren identisch ist. Die Identität zwischen den Verfahren war nicht offensichtlich. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei Gericht nacheinander Klagen mit identischem Rubrum eingehen. Gleiches gilt für Klagen mit inhaltsgleicher Begründung (so auch OLG Düsseldorf, JurBüro 1999, 485). Die völlige Identität von zwei Klageschriften ist jedenfalls dann nicht auf Anhieb offenkundig, wenn wie im vorliegenden Fall die Klageschriften nicht am selben Tag, sondern in einem zeitlichen Abstand eingehen, der größer ist als der Zeitraum zwischen dem Eingang eines vorab versandten Telefaxschriftsatzes und demjenigen des Schriftsatz-Originals mit der Post. Hier tritt hinzu, dass die beiden Klageschriften doch immerhin drei Unterschiede aufwiesen. Zum einen war das angerufene Gericht nicht dasselbe, die Anschrift der Beklagten war nicht identisch. Außerdem trugen die Klageschriften nicht dasselbe Datum. Die Klageschrift an das Landgericht Berlin wurde unter dem 26.3.2004 verfasst, diejenige, die an das Landgericht Potsdam adressiert wurde, unter dem 26.5.2004.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Anforderung einer Klageschrift mit der korrekten Anschrift der Beklagten durch das Landgericht Potsdam fehlerhaft gewesen wäre. Schließlich wird in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass eine ungenügende oder erkennbar falsche Adressangabe die Ordnungsgemäßheit der Klageerhebung beeinträchtigen kann (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 253 Rn 8 m. w. N.). Damit liegt es im eigenen Interesse der Kostenschuldnerin, ein darin etwa liegendes prozessuales Hindernis zu beheben. Wenn die Kostenschuldnerin nun auf eine entsprechende richterliche Verfügung geänderte Klageschriften übersendet, ohne gleichzeitig darauf aufmerksam zu machen, dass sie die Klageschriften zu einem bereits laufenden Verfahren übersendet, ist dies durch die Anforderung korrigierter Klageschriften nicht verursacht worden. Die anwaltlich vertretene Kostenschuldnerin musste auch nicht darauf hingewiesen werden, dass sie im eigenen Interesse Schriftsätze unter Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens einzureichen hatte.

Zu Recht hat das Landgericht Potsdam bereits ausgeführt, dass eine Niederschlagung der Gerichtskosten auch nicht deshalb in Betracht kommt, weil das Landgericht Berlin letztlich zu Unrecht angenommen hatte, örtlich nicht zuständig zu sein. Denn in der fehlerhaften Beurteilung der Zuständigkeit liegt kein offensichtlicher schwerer Fehler. Im übrigen wären durch diese rechtliche Beurteilung keine weiteren Kosten entstanden, wenn nicht die Klägervertreter bei der Einreichung der korrigierten Klageschrift versäumt hätten, auf das bereits anhängige Verfahren Bezug zu nehmen.

c.) Es kann auch nicht von der Erhebung der Kosten entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 3 GKG a. F. abgesehen werden. Bei Zurücknahme eines Antrages ist dies nur dann möglich, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht. Hier war die Kostenschuldnerin durch ihre Prozessbevollmächtigten anwaltlich vertreten, von denen die erforderliche Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse erwartet wird. Sie mussten durch geeignete bürointerne Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass Schriftsätze zu einem laufenden Gerichtsverfahren durch Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens oder in anderer Weise erkennen lassen, dass sie nicht ein neues Verfahren einleiten sollen (so auch OLG Düsseldorf, a. a. O.).

d.) Die Höhe der Gebühr ist rechnerisch richtig ermittelt. Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein kleines Versehen habe zu relativ hohen Gebühren geführt. Ein derartiger Einwand kann gegenüber der Gebühr Nr. 1210 KV GKG nicht geltend gemacht werden, weil es sich dabei um eine streitwertabhängige Pauschale handelt. Dass das Gericht hier nichts weiter zu veranlassen hatte, ist bereits bei der Ermäßigung der Gebühr gemäß Nr. 1211 KV GKG a. F. berücksichtigt.

III.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 5 Abs. 6 GKG a. F.



Ende der Entscheidung

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