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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.07.2008
Aktenzeichen: 6 W 28/08
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3
RVG § 55
RVG § 56 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 120 Abs. 1
ZPO § 121 Abs. 1
ZPO § 127
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 28/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Verfahren der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung

betreffend den Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke als Einzelrichterin am 18. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 12.12.2007 - 6 O 31/06 - in der Fassung des teilabhelfenden Beschlusses vom 25.1.2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht bewilligte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.7.2006 dem Beklagten auf dessen Antrag ratenfreie Prozesskostenhilfe. Die Parteien schlossen im selben Termin einen Widerrufsvergleich. Auf Antrag beschloss das Landgericht nach Vergleichsabschluss, dass "vorstehender Prozesskostenhilfebeschluss ... sich auch auf den zuvor geschlossenen Vergleich" erstrecke.

Der Beklagte widerrief den geschlossenen Vergleich. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7.11.2006 schlossen die Parteien erneut einen Vergleich, der mit dem Widerrufsvergleich vom 11.7.2006 inhaltlich übereinstimmt. Das Landgericht setzte den Streitwert für den Rechtsstreit und den Gegenstandswert für den Vergleich auf 1.952,84 €. Auf die Streitwertbeschwerde des Beklagtenvertreters setzte es den Gegenstandswert für den Vergleich auf 29.952,84 € fest.

Der Beklagtenvertreter beantragte am 29.5.2007 die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von 1.703,96 €. Darin enthalten ist eine Differenzverfahrensgebühr nach einem Streitwert von 28.000,00 € sowie eine Terminsgebühr und eine Einigungsgebühr nach einem Streitwert von 29.952,84 €.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landgerichts hat mit Beschluss vom 18.7.2007 die an den Antragsteller zu zahlende Vergütung auf 577,75 € festgesetzt. Dabei handelt es sich um eine Verfahrens-, eine Termins- und eine Einigungsgebühr aus einem Streitwert von 1.952,84 € sowie die Postpauschale und die Mehrwertsteuer. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich nicht beantragt und nicht bewilligt worden sei.

Dagegen hat der Antragsteller Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Prozesskostenhilfebewilligung gelte auch für den Mehrvergleich. Denn das Gericht habe Prozesskostenhilfe für den widerrufenen Vergleich bewilligt, der letztlich abgeschlossene Vergleich entspreche dem widerrufenen Vergleich.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 9.11.2007 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat die Erinnerung durch Beschluss vom 12.12.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die bewilligte Prozesskostenhilfe beziehe sich nicht auf den letztlich geschlossenen Vergleich, sondern lediglich auf den Widerrufsvergleich.

Gegen diesen Beschluss, ihm zugestellt am 24.12.2007, hat der Antragsteller mit am 7.1.2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25.1.2007 der Beschwerde abgeholfen, soweit die Erinnerungsentscheidung eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers enthält, die Kostenentscheidung aufgehoben und im Übrigen die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß den §§ 55, 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Erinnerung des Antragstellers zurückgewiesen. Ihm stehen über den bereits festgesetzten Betrag hinaus keine weiteren Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse deswegen zu, weil die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7.11.2006 einen Vergleich geschlossen haben, der nicht nur den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits regelte, sondern weitere zwischen den Parteien streitige Ansprüche. Weder hat der Antragsteller für diesen Mehrvergleich Prozesskostenhilfe beantragt noch hat das Landgericht dafür Prozesskostenhilfe bewilligt.

Nach den §§ 120 Abs. 1, 121 Abs. 1, 127 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch einen Beschluss, in dem darüber entschieden werden muss, ob die bedürftige Partei Monatsraten bzw. aus dem Vermögen zu entrichtende Beträge zu zahlen hat. Des Weiteren muss eine Beiordnung eines Rechtsanwalts erfolgen. Da im Beschluss hierzu und zum Bewilligungsumfang klare Aussagen erfolgen müssen, ergeben sich gesteigerte Anforderungen an die Antragstellung durch die bedürftige Partei und an die Beschlussfassung durch das Gericht.

Die bedürftige Partei muss einen klaren Antrag stellen, wofür Prozesskostenhilfe beantragt wird. Außerdem muss sie einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt benennen. Das Gericht muss bei der Abfassung seines bewilligenden Beschlusses eindeutige Anordnungen treffen.

Gemessen an diesen Anforderungen kann weder festgestellt werden, dass die bedürftige Partei hier einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den letztlich geschlossenen Mehrvergleich gestellt, noch dass das Gericht einen entsprechenden Bewilligungsbeschluss gefasst hätte.

Der Beklagte hat Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Widerrufsvergleichs für "vorstehenden Vergleich" beantragt und erhalten. Dieser Widerrufsvergleich hatte wegen des erfolgten Widerrufes keinen Bestand. Damit wurde der entsprechende Prozesskostenhilfebeschluss des Landgerichts gegenstandslos. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass die darin enthaltene Prozesskostenhilfebewilligung fehlerhaft war. Ebenso wie Gebühren auslösende Tätigkeiten vor Bewilligung und Beiordnung für die Rechtsverfolgung nicht vergütungsfähig sind, darf auch keine Prozesskostenhilfe nach Vergleichsabschluss für einen Vergleich bewilligt werden, der nicht rechtshängige Gegenstände einbezieht (LAG Hamm, Beschluss vom 31.8.2007, 6 Ta 402/07, NZA-RR 2007, 601, zitiert nach Juris Rn 6).

Für den Abschluss des in dem unwiderruflichen Vergleich enthaltenen Mehrvergleichs am 7.11.2006 hat der Beklagte keinen ausdrücklichen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsabschluss vom 11.7.2006 bezog sich ausdrücklich nur auf den in diesem Termin geschlossenen Widerrufsvergleich.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beklagte jedenfalls mit seinem nach Abschluss des Widerrufsvergleichs gestellten Prozesskostenhilfeantrag stillschweigend auch Prozesskostenhilfe für einen zukünftigen unwiderruflich geschlossenen identischen Vergleich gestellt haben sollte, fehlt es jedenfalls an einer entsprechenden Bewilligung durch das Landgericht.

Von einer Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung bezogen auf den Streitgegenstand des Prozesses kann nur dann ausgegangen werden, wenn das Gericht hierzu eine ausdrückliche Anordnung trifft. Dasselbe gilt für die Erweiterung gewährter Prozesskostenhilfe auf nicht rechtshängige Ansprüche. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch schlüssiges Verhalten ist ebenso ausgeschlossen wie die stillschweigende Ausdehnung bereits bewilligter Prozesskostenhilfe auf weitere Ansprüche, die in einem Mehrvergleich mitgeregelt werden (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 120 Rn 3). Im vorliegenden Fall existiert kein Beschluss des Landgerichts, der dem Beklagten Prozesskostenhilfe für den Vergleich vom 7.11.2006 gewährt.

Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des Prozesskostenhilfe für den Widerrufsvergleich gewährenden Beschlusses vom 11.7.2006 davon ausgehen wollte, dass Prozesskostenhilfe auch für einen inhaltsgleichen zukünftigen unwiderruflichen Vergleich gewährt werden sollte, kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die Prozesskostenhilfebewilligung für den Widerrufsvergleich enthält keine ausdrückliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich.

Abgesehen davon, dass eine stillschweigende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich nicht zulässig ist, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Landgericht beabsichtigt hat, dem Beklagten mit dem Beschluss vom 11.7.2006 Prozesskostenhilfe stillschweigend für den Mehrvergleich zu bewilligen. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Landgericht bei der ursprünglichen Streitwertfestsetzung davon ausgegangen ist, dass Streitwert und Gegenstandswert des Vergleichs identisch sind. Bei einer derartigen Sachlage ist es ausgeschlossen, dass das Gericht bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Widerrufsvergleich stillschweigend Prozesskostenhilfe für einen darin enthaltenen Mehrvergleich bewilligen wollte. Es hatte auch keine Vorstellungen darüber, welchen Umfang dieser Mehrvergleich hatte, weil der Antragsteller erst nach Vergleichsschluss im Streitwertbeschwerdeverfahren näher dargelegt hat, welche Ansprüche des Klägers mitverglichen worden sind. Im Übrigen ergibt sich aus der dienstlichen Äußerung der zuständigen Einzelrichterin vom 16.7.2007 und aus der von ihr getroffenen angefochtenen Erinnerungsentscheidung, dass sie den Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten nicht als Antrag auf Beiordnung für einen Mehrvergleich verstanden und deshalb auch nicht hierfür Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

Der Antragsteller hat es versäumt, insoweit für klare Verhältnisse zu sorgen.

III.

Eine Kostenentscheidung unterbleibt, denn das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG.

Eine weitere Beschwerde konnte nicht zugelassen werden, weil sie nicht statthaft wäre, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG.

Ende der Entscheidung

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