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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.02.2007
Aktenzeichen: 6 W 30/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 106
ZPO § 126
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

6 W 30/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard - als Einzelrichterin -

am 9. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss II des Landgerichts Potsdam vom 9. Mai 2006 (betreffend den zu erstattenden Betrag von 453,90 €) - 8 O 261/05 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen; das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 453,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Dem Beklagten ist mit Beschluss vom 1.11.2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt worden.

Mit Vergleich vom 26.10.2005 sind die Kosten des Rechtsstreits, ausgenommen des Vergleiches, dem Beklagten zu 34 %, der Klägerin zu 66 % auferlegt worden.

Der Beklagte hat mit Antrag vom 16.11.2005 um Kostenfestsetzung im Wege der Ausgleichung nachgesucht (§ 106 ZPO).

Dabei hat er Kosten von gesamt brutto 2.158,56 € (einschließlich einer Einigungsgebühr) angemeldet.

Auf Nachfrage der Rechtspflegerin bei dem Landgericht, wonach bei Prozesskostenhilfebewilligung der Partei in Ermangelung einer Kostenlast kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner zustehe, jedoch die Möglichkeit der Festsetzung nach § 126 ZPO für den beigeordneten Rechtsanwalt bestehe, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erklärt, er bitte über den bereits gestellten Kostenfestsetzungsantrag zu entscheiden, stelle jedoch vorsorglich klar, dass dieser Antrag auch in seinem Namen gegen die Klägerin gestellt werde.

Die Klägerin hat mit Antrag vom 1.12.2005 um Kostenfestsetzung im Wege der Kostenausgleichung nachgesucht und außergerichtliche Kosten von 1.861 € einschließlich einer Einigungsgebühr zur Festsetzung angemeldet.

Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 9.5.2006 eine Kostenfestsetzung nach § 126 ZPO zu Gunsten des beigeordneten Beklagtenvertreters vorgenommen (hier als Kostenfestsetzungsbeschluss I zu bezeichnen; Beschwerdeverfahren 6 W 109/06). Danach hat die Klägerin an den beigeordneten Beklagtenvertreter 812 € nebst Zinsen zu erstatten. Das Landgericht hat dabei die erstattungsfähigen Kosten des Beklagten (gesamt 1.548,60 €) nach der in der Kostengrundentscheidung enthaltenen Quote berechnet ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Einigungsgebühr. Zu dem so errechneten Betrag von 1.022,08 hat das Landgericht die von der Landeskasse an den Beklagtenvertreter bereits bezahlten 736 € hinzu addiert. Da die so errechnete Summe von 1.758,68 € jedoch die auf Beklagtenseite insgesamt entstandenen außergerichtlichen Kosten von 1.548,60 € übersteigt, hat das Landgericht in Höhe von 210,08 € einen Übergangsanspruch (§ 59 RVG) in Höhe von 210,08 € ausgesprochen, welcher gesondert von der Klägerin einzuziehen sei.

Den nach der Quote errechneten Erstattungsbetrag hat von 1.022,08 € hat es um diese 210,08 € gemindert, so dass zu Lasten der Klägerin noch 812 € festzusetzen waren.

Mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.5.2006 (Beschwerdeverfahren 6 W 30/07), hier als Kostenfestsetzungsbeschluss II zu bezeichnen, hat das Landgericht Potsdam die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 453,90 € nebst Zinsen festgesetzt. Dabei hat es von den erstattungsfähigen Kosten der Klägerin von 1.335 € unter Berücksichtigung der Kostenquote (34 %) 453,90 € für erstattungsfähig erachtet. In die Kostenerstattungsberechnung hat es dann nur die außergerichtlichen Kosten der Klägerin einbezogen, da wegen Prozesskostenhilfebewilligung der beigeordnete Rechtsanwalt keinen Vergütungsanspruch gegen seine Partei (den Beklagten) geltend machen könne. Die prozesskostenhilfebegünstigte Partei habe daher keinen Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner.

Gegen die am 10.5.2006 zugestellten Beschlüsse vom 9.5.2006 richtet sich die am 15.5.2006 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten.

In dessen Beschwerdebegründungsschrift heißt es: "... Wir legen hiermit gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.5.2005 sofortige Beschwerde ein." Der Beklagte lässt ausführen, bei der Kostenfestsetzung sei der Differenzbetrag zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung ebenfalls mit zu berücksichtigen; der zu Gunsten der Klägerin festzusetzende Betrag sei zu reduzieren.

Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht hat den sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss vom 9.5.2006 ist zulässig (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO). Der Beklagte ist durch den angefochtenen Beschluss beschwert, da er an die Klägerin 453,90 € erstatten soll.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Das Landgericht Potsdam hat, der Rechtsprechung des 8. Zivilsenates des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 16.10.2002, 8 W 297/01) folgend das Kostenausgleichsverfahren nach § 106 ZPO und das Festsetzungsverfahren nach § 126 ZPO getrennt und die zwei zitierten separaten Beschlüsse erlassen.

Der nach Auflösung des 8. Zivilsenats nunmehr innerhalb des Brandenburgischen Oberlandesgerichts allein für Kostenbeschwerden zuständige 6. Zivilsenat folgt in diesem Punkte der - soweit erkennbar - von keinem anderen Oberlandesgericht vertretenen Ansicht des 8. Zivilsenates und der daraus folgenden Art und Weise der Kostenfestsetzung nicht. (Es wird auf die grundsätzliche Entscheidung des erkennenden Senats in den Verfahren 6 W 135/06 und 6 W 9/07 verwiesen).

Die zitierte Rechtsprechung widerspricht dem Grundgedanken des § 106 ZPO, wonach bei einer Verteilung der Prozesskosten nach Quoten der Kostenausgleich einheitlich in einem Beschluss durchgeführt werden muss. So führt außerdem in Fällen wie dem vorliegenden, bei dem die mit Prozesskostenhilfe prozessierende Partei teilweise unterliegt, aber die gegenüber dem Prozessgegner kleinere Kostenquote zu tragen hat, zu nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen. Die bedürftige Partei wird durch die Trennung der Verfahren nach § 106 ZPO und nach § 126 ZPO schlechter gestellt, als wenn sie keine Prozesskostenhilfe erhalten hätte. Sie sieht sich nämlich einem Erstattungsanspruch ausgesetzt, der im Falle einer Ausgleichung nach § 106 ZPO überhaupt nicht entstehen würde. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann nach der Rechtsprechung des 8. Zivilsenats gemäß § 126 ZPO aus eigenem Recht einen höheren Anspruch beitreiben als eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe erhalten hätte.

Außer dem aufgelösten 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat kein anderes Oberlandesgericht die Auffassung vertreten, dass bei einer Kostengrundentscheidung, welche Quoten enthält, zwingend zwei getrennte Beschlüsse erlassen werden müssen, wenn einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird demgegenüber einhellig die Ansicht vertreten, dass in dem Falle, in der einer Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und die Prozesskosten nach Quoten verteilt worden sind, die Kostenausgleichung, auch wenn ein Antrag nach § 126 ZPO vorliegt; grundsätzlich so zu erfolgen hat, als ob keine Prozesskostenhilfe gewährt worden wäre (Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl. 2006, B 224; Riedel-Süßbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 130 Rn. 41; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 130 Rn. 11 b; OLG Koblenz, AnwBl. 2001, 373; OLG Bamberg, FamRZ 1988, 967; OLG München, JurBüro 1982, 417; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, JurBüro 1999, 419).

Der beigeordnete Anwalt kann danach gegen den Gegner nicht mehr festsetzen lassen, als dieser der Partei nach Durchführung der Ausgleichung zu erstatten hat.

Dieser Rechtsprechung schließt sich der hier zur Entscheidung berufene 6. Zivilsenat an.

In die Kostenausgleichsberechnung ist die volle Wahlanwaltsvergütung auf Seiten der bedürftigen Partei einzustellen. Es ist dann eine Kostenausgleichsberechnung durchzuführen, als wenn keiner Partei Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Die Gerichtskosten sind dabei getrennt zu berechnen und auszugleichen.

Ergibt sich aus dieser Berechnung ein Saldo zu Gunsten der bedürftigen Partei - mithin letztlich des beigeordneten Rechtsanwalts nach § 126 ZPO -, dann ist von diesem Betrag die Vergütung, für die der beigeordnete Rechtsanwalt von der Staatskasse befriedigt worden ist, abzuziehen und statt für die Partei oder ihren Rechtsanwalt ein Betrag für die Staatskasse festzusetzen, soweit dieser Saldo die Differenz zwischen dem vollen Gebührenanspruch des Rechtsanwalts und seine aus der Staatskasse gezahlte Entschädigung übersteigt.

In dem hier zur Entscheidung stehenden Fall führt die sofortige Beschwerde des Beklagten dazu, dass der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss II vollständig aufgehoben werden muss. Der Klägerin steht unter Berücksichtigung der zwischen den Beteiligten nicht streitigen erstattungsfähigen Kosten gegen den Beklagten überhaupt kein Erstattungsanspruch zu. Es ist vielmehr umgekehrt der Beklagte, der von der Klägerin eine Erstattung verlangen kann. Da dem Beklagten jedoch Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, ist nicht er selbst, sondern der ihm beigeordnete Rechtsanwalt zur Beitreibung dieses Erstattungsanspruches berechtigt (§ 126 ZPO). Es wird auf den Beschluss vom gleichen Tage im Beschwerdeverfahren 6 W 109/06 im Festsetzungsverfahren nach § 126 ZPO verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen, da es sich bei diesem Verfahren um ein kontradiktorisches Verfahren handelt und die Klägerin als Beschwerdegegnerin anzusehen ist.

Eine Niederschlagung der Gerichtskosten nach § 21 GKG kommt nicht in Betracht. Im Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Landgericht sind keine Gerichtskosten angefallen. Auch das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei, da die sofortige Beschwerde des Beklagten Erfolg hatte.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Mit der in dieser Entscheidung vollzogen Abkehr von der Rechtsprechung des aufgelösten 8. Zivilsenats wird gerade eine einheitliche Rechtsprechung hergestellt, weil andere Oberlandesgerichte keine getrennte Festsetzung nach den §§ 106, 126 ZPO vornehmen.

Ende der Entscheidung

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