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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.01.2000
Aktenzeichen: 7 U 151/00
Rechtsgebiete: ZPO, GmbHG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 511 a Abs. 1
ZPO § 4 Abs. 1
ZPO § 511 a
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 515 Abs. 3
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
GmbHG § 20
BGB § 284 Abs. 2
BGB § 284
BGB § 271 Abs. 1
BGB § 246
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 151/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 2 O 456/99 Landgericht Cottbus

Anlage zum Protokoll vom 17.1.2001

verkündet am 17.1.2001

Hintze Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bietz, den Richter am Oberlandesgericht Hein und den Richter am Amtsgericht Endermann

auf die mündliche Verhandlung am 6.12.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.6.2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.743,55 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5.3.1992 zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 11.858,96 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin hat den Beklagten als vormaligen Gesellschafter auf Zahlung der übernommenen Stammeinlage in Höhe von 50.000,00 DM nebst 12,75 % Zinsen seit dem 2.3.1992 in Anspruch genommen. Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 50.000,00 DM nebst 12,75 % Zinsen seit dem 2.3.1992 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 42.743,55 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12.2.1999 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Beide Parteien haben gegen das ihnen am 10.7.2000 zugestellte Urteil Berufung eingelegt, der Beklagte am 9.8.200, der Kläger am 10.8.2000.

Der Beklagte hat seine Berufung am 6.10.2000 zurückgenommen.

Die Klägerin hat ihre Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.10.2000 am 10.10.2000 begründet.

Die Klägerin macht mit ihrer Berufung Zinsen auf den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 4 % bereits seit dem 5.3.1992 geltend.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des am 29.6.2000 verkündeten Urteils des Landgerichts Cottbus zu verurteilen, an die Klägerin 42.743,55 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 5.3.1992 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen.

Der Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, die Berufung sei unzulässsig, weil neben der von ihm mit seiner Berufung zunächst weiterhin streitig gestellten Hauptforderung von Seiten der Klägerin lediglich ein weitergehender Zinsanspruch auf diese Hauptforderung geltend gemacht würde.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Die von der Klägerin mit ihrer Berufung geltend gemachte Beschwer überschreitet die Berufungssumme gem. § 511 a Abs. 1 ZPO von 1.500,00 DM.

Die Klägerin macht auf die ihr zuerkannte Hauptforderung einen weitergehenden Zinsanspruch für den Zeitraum vom 5.3.1992 bis zum 12.2.1999 in Höhe von 4 % jährlich geltend. Ausgehend von den der Klägerin vom Landgericht zuerkannten Anspruch beläuft sich die zusätzliche Zinsforderung der Klägerin mithin auf einen Betrag von 11.858,96 DM.

Der Berechnung des Wertes der Beschwer auf der Grundlage des weiterverfolgten (Teil-)Zinsanspruches steht § 4 Abs. 1 ZPO nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung sind Zinsen für die Wertberechnung nicht zu berücksichtigen, wenn sie als Nebenforderung geltend gemacht werden. Diese Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut auch für die Ermittlung des Beschwerdewertes gem. § 511 a Abs. 1 ZPO.

Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der zweiten Instanz lediglich einen Zinsanspruch weiterverfolgt. Der Rechtsstreit beschränkt sich deshalb auf den von der Klägerin mit der Berufung bestimmten Beschwerdegegenstand, das heißt den geltend gemachten weiteren Zinsanspruch. In diesem Falle ist die Zinsforderung als selbstständige Hauptforderung zu behandeln (BGHZ 26,174; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rn. 9; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 4 Rn. 11, Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 4 Rn. 10).

Der Behandlung des von der Klägerin mit der Berufung weiterverfolgten Zinsanspruches als Hauptforderung - und nicht als Nebenforderung der der Klägerin erstinstanzlich zuerkannten Hauptforderung - steht ferner die vom Beklagten seinerseits zuvor eingelegte Berufung nicht entgegen. Zwar ist dadurch bis zur Rücknahme der Berufung des Beklagten die Hauptforderung in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang nach wie vor streitig gewesen. Gleichwohl ist die von der Klägerin weiterverfolgte Zinsforderung dadurch - jedenfalls im Rahmen der Prüfung der Berufungssumme gem. § 511 a Abs. 1 ZPO - nicht zur Nebenforderung i. S. d. § 4 Abs. 1 ZPO geworden.

Maßgeblich für die Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 511 a Abs. 1 ZPO ist ausschließlich der von dem Berufungsführer bestimmte Beschwerdegegenstand. Beschwerdegegenstand ist der Betrag, um den der Berufungskläger durch das Urteil der ersten Instanz in seinem Recht verkürzt zu sein behauptet, und in dessen Höhe er mit seinem Berufungsantrag Abänderung des Urteils beantragt (Zöller/Gummer, a.a.O., § 511 a, Rn. 4).

Hier hat die Klägerin mit der Berufung lediglich geltend gemacht, das Landgericht habe ihren Zinsanspruch für den Zeitraum vom 5.3.1992 bis zum 12.2.1999 zu Unrecht abgewiesen. Mithin betrifft der Berufungsantrag nur die Aberkennung von Zinsen. Diese sind der einzige Beschwerdegegenstand. Bei der Berechnung des Beschwerdewertes zur Prüfung der Berufungssumme nach § 511 a Abs. 1 ZPO ist deshalb von dem Betrag der aberkannten Nebenforderung auszugehen. In der Anwendung auf ein Rechtsmittel kann § 4 Abs. 1 ZPO - so schon das Reichsgericht (RGZ 47, 256, 259) - nach Sinn und Wortlaut nur sagen wollen, dass Zinsen nicht mitgerechnet werden, wenn sie zusammen mit der Hauptforderung den Beschwerdegegenstand bilden, also in der betreffenden Instanz neben der Hauptforderung geltend gemacht werden.

Wenn in der Kommentierung zu § 4 Abs. 1 ZPO hervorgehoben wird, die Nebenforderung werde zur Hauptforderung" "sobald und soweit die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist" (Schwerdtfeger in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. § 4 Rn. 30), kann dieser Auffassung für die Bestimmung der Beschwer zur Prüfung eines Rechtsmittels nur einschränkend dahingehend gefolgt werden, dass anstelle des Prozessgegenstandes der Beschwerdegegenstand tritt. Der Prozessgegenstand ist mit dem Beschwerdegegenstand allerdings identisch, solange nur eine Partei ein Rechtsmittel einlegt. Die vorstehend zitierte Auslegung des § 4 Abs. 1 ZPO dahingehend, dass Nebenforderungen zur Hauptforderung werden, sobald die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand sei, dürfe die hier gegebene Prozesssituation, dass im Rechtsmittelverfahren beide Parteien durch wechselseitige Rechtsmittel auf den Prozessgegenstand Einfluss nehmen, nicht genügend berücksichtigen. So nennt Schwerdtfeger in dem vorstehend genannten Zitat als möglichen Grund für den Wegfall der Hauptforderung als Prozessgegenstand beispielhaft eine auf die Hauptforderung beschränkte Erledigungserklärung des Klägers (Schwerdtfeger a. a. O.). Dieses Beispiel macht deutlich, dass er für die Beschränkung des Prozessgegenstandes auf Nebenforderungen allein auf das prozessuale Verhalten der klagenden Partei abstellt die naturgemäß über den Prozessgegenstand verfügen kann.

Sollte die vorstehend erörterte Rechtsauffassung, wonach eine Nebenforderung im Rahmen der Wertermittlung nach § 4 Abs. 1 ZPO nur dann zur Hauptforderung werden kann, wenn die Hauptforderung nicht mehr Prozessgegenstand ist, auch für die hier gegebene prozessuale Situation Geltung verlangen, so kann ihr jedenfalls nicht gefolgt werden.

Die Rechtshängigkeit der Hauptforderung aufgrund der gegnerischen Berufung kann nämlich keinen Einfluss auf den Beschwerdegegenstand der Berufung der Klägerseite haben und deshalb bei der Ermittlung der Berufungssumme gem. § 511 a Abs. 1 ZPO keine Berücksichtigung finden. Anderenfalls hinge die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerseite, die lediglich Nebenforderungen mit denn Rechtsmittel weiterverfolgt, allein von dem prozessualen Verhalten des Beklagten ab, auf das sie keinen Einfluss hat.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8.10.1982 (BGH NJW 1983, 1063). Dieser Entscheidung liegt eine Fallgestaltung zugrunde, die von der hier gegebenen abweicht. In der zitierten Entscheidung hatte sich der BGH mit der sofortigen Beschwerde beider Parteien eines Rechtsstreits auseinanderzusetzen, deren Berufungen wegen Nichterreichens der jeweils erforderlichen Berufungssumme (seinerzeit 500,00 DM) als unzulässig verworfen worden war.

Bezüglich der Berufung des Klägers in jenem Verfahren, die auf einen Beschwerdewert von 400,00 DM beschränkt war, hat der BGH die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt, das die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen hatte, weil ihre Beschwer nicht den für die Zulässigkeit der Berufung von mehr als 509,00 DM erforderlichen Wert nach § 511 a ZPO erreichte.

Hingegen hat der BGH der Beschwerde der Beklagten in jenem Verfahren abgeholfen, weil diese zunächst uneingeschränkt Berufung eingelegt hatte und der Wert ihrer Beschwer über der Berufungssumme lag. Zwar könne - so der BGH - eine zunächst zulässige Berufung unzulässig werden, falls sie später willkürlich auf einen unterhalb der Berufungssumme liegenden Wert beschränkt werde; diese Beschränkung könne aber erst nach dem in der mündlichen Verhandlung verlesenen Antrag beurteilt werden, weil er bis dahin auch wieder erweitert werden könne (BGH a.a.O.).

Die vorstehend erörterte Entscheidung des BGH steht der hier vertretenen Rechtsauffassung zur Auslegung des § 4 Abs. 1 ZPO im Rahmen der Ermittlung der Beschwer eines Berufungsführers mithin nicht entgegen.

Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zinsen gem. § 20 GmbHG. Nach dieser Bestimmung hat ein Gesellschafter, welcher den auf die Stammeinlage eingeforderten Betrag nicht zur rechten Zeit einzahlt, Verzugszinsen zu zahlen.

Hier sollte gem. § 4 der Satzung der Klägerin vom 2.3.1992 das Stammkapital in Höhe von 50.000,00 DM "sofort" voll bar bei der Gesellschaft eingezahlt werden. Die Stammeinlageverpflichtung des Beklagten ist daher am Tage der Errichtung der Klägerin fällig gewesen.

Die Geltendmachung von Verzugszinsen gem. § 20 GmbHG bedarf keiner Mahnung. Die vom Beklagten geschuldete Stammeinlage wird "sofort" fällig. Es kann dahinstehen, ob mit der Fälligkeitsbestimmung "sofort" eine Bestimmung des Leistungszeitpunktes nach dem Kalender i. S. d. § 284 Abs. 2 BGB angenommen werden kann. § 20 GmbHG regelt keinen Verzug i. S. d. § 284 BGB, sondern enthält entgegen seinem Wortlaut eine Verpflichtung zur Zahlung von Fälligkeitszinsen (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 17. Aufl., § 20 Rn. 5). Ein Zinsanspruch ist gem. § 20 GmbHG gegeben, wenn der Betrag nicht zur rechten Zeit eingezahlt wird (Baumbach/Hueck/Fastrich, a.a.O.). Die Zahlung ist danach verspätet, wenn sie nicht sofort nach Geltendmachung bzw. nach Errichtung der Gesellschaft, wenn - wie hier - die Zahlung der Stammeinlage gem. Gesellschaftsvertrag sofort erfolgen soll, geleistet wird. Das Erfordernis sofortiger Zahlung stellt wie bei § 271 Abs. 1 BGB einen objektiven Maßstab dar. Der Gesellschafter muss so schnell leisten, wie es nach den Umständen möglich ist. Als Maßstab für die nach den Umständen mögliche Zahlungsgeschwindigkeit kann ein Zeitraum von zwei bis drei Tagen bei Fälligkeit mit Vertragsschluss herangezogen werden (Baumbach/Hueck/Fastrich a.a.O.). Die Überschreitung des genannten Zeitraumes führt zur Verpflichtung der Zahlung von Fälligkeitszinsen, ohne dass es auf ein Verschulden des Verpflichteten ankommt (Baumbach/Hueck/Fastrich a.a.O.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., § 20 Rn. 2; Scholz/Winter, GmbHG, 9. Aufl., § 20 Rn. 15; a. A. Rowedder, GmbHG, § 20 Rn. 8). Da der Gesellschaftsvertrag der Beklagten bereits am 2.3.1992 geschlossen wurde, stehen der Klägerin auf die Stammeinlage des Beklagten, wie von ihr verlangt, bereits seit dem 5.3.1992 Zinsen gem. § 20 GmbHG zu. Die Höhe des mit der Berufung lediglich noch geltend gemachten Zinssatzes von 4 % folgt aus § 246 BGB. Nach dieser Bestimmung sind 4 % Zinsen zu entrichten, wenn eine Schuld gem. Rechtsgeschäft zu verzinsen ist und das Rechtsgeschäft keinen anderen Zinssatz bestimmt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 515 Abs. 3, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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