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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.03.2007
Aktenzeichen: 7 U 161/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 253 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 223 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 161/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16.3.2007

Verkündet am 16.3.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Hein als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung am 23.2.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird die Klage unter teilweiser Abänderung des am 30.8.2006 verkündeten Urteils der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer Verletzung im Rahmen eines Fußballspiels am 1.10.2005 - gegen 13.30 Uhr - in Anspruch. Es handelte sich um ein Spiel des SC P... e. V. gegen den 1. FC F... II, wobei der Kläger für den erstgenannten und der Beklagte für den letztgenannten Verein spielten. Der Kläger hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.400,00 € für angemessen gehalten. Er hat überdies die Erstattung von 278,05 € für vorgerichtliche Kosten beantragt.

Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.8.2006 Beweis zu dem Unfallgeschehen durch Vernehmung der jeweils zwei von beiden Parteien hierzu benannten Zeugen erhoben.

Mit dem am 30.8.2006 verkündeten Urteil hat das Landgericht dem Kläger ein Schmerzensgeld von 750,00 € zuerkannt und dem Beklagten außerdem zur Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 72,21 € verurteilt.

Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Parteien frist- und formgerecht Berufung eingelegt, mit denen sie jeweils ihr erstinstanzliches Verfahrensziel in vollem Umfang weiterverfolgen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird unter Bezugnahme auf §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 1 und 2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die ebenfalls zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Die Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld aus § 253 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 223 Abs. 2 StGB.

Unstreitig sind die Parteien während des Fußballspiels des SC P... e. V. gegen den 1. FC F... II am 1.10.2005 gegen 13.30 Uhr an der Torauslinie neben dem Tor des SC P... e. V. zusammengestoßen und gestürzt. Aus diesem Sachverhalt ergibt sich jedoch kein Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegen den Beklagten. Dabei kann offen bleiben, ob der Zusammenstoß der Parteien zu der vom Kläger behaupteten Verletzung eines Rippenbruchs führte. Diese Verletzung bzw. die Kausalität zwischen dieser Verletzung und den Zusammenstoß der Parteien unterstellt, läge gleichwohl kein haftungsbegründender Sachverhalt vor. Gegebenenfalls wäre eine kausale Verletzungshandlung des Beklagten zu Lasten des Klägers zwar - wie vom Landgericht angenommen -rechtswidrig. Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts fehlt es im vorliegenden Fall jedoch an einem Verschulden des Beklagten.

Zu den Voraussetzungen der Haftung für eine im Rahmen eines Fußballspiels verursachte Verletzung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen. Die vom Landgericht aufgezeigte Rechtslage führt unter Berücksichtigung des vom Landgericht auf der Grundlage der Beweisaufnahme festgestellten Sachverhalts nicht zu einer Haftung des Beklagten.

Das Landgericht hat den vom Kläger behaupteten Sachverhalt, wonach der Beklagte bewusst mit dem Knie voran in den Rücken gesprungen sei, im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bestätigt gefunden. Es führt hierzu in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils unter Würdigung der Angaben der Zeugen M... und G... aus, ein Anspringen des Klägers habe sich nicht feststellen lassen. Der Beklagte habe seine Verfolgung des Balls lediglich nicht rechtzeitig stoppen können.

Diese Würdigung der Zeugenaussagen durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers, die er mit Schriftsatz vom 19.1.2007 ausführt, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Beklagte den Kläger aus Frust, den Ball nicht zu erreichen, mit dem Knie umgestoßen habe. Der Beweisaufnahme kann auch nicht entnommen werden, dass der Beklagte zu dem Zeitpunkt, als der Kläger stehen blieb, weil der Ball über die Torauslinie gegangen war, noch so weit von dem Kläger entfernt war, dass er jederzeit hätte ausweichen oder sogar stehen bleiben können.

Nach der Aussage des Zeugen M... befand sich der Beklagte zu dem Zeitpunkt, als der Kläger stehen blieb, weil der Ball im Aus war, etwa 1 1/2 m hinter dem Kläger. Nach Aussage des Zeugen kam der Beklagte aus dem Lauf und hatte nochmals angezogen, um den Ball zu erreichen. Der Zeuge hat diese Aussage dadurch unterstrichen, dass er auf Befragen der Beklagtenvertreter erneut aussagte, der Beklagte sei auf den Ball zugelaufen und er gehe davon aus, dass der Beklagte noch einen Sprint hingelegt habe, um den Ball zu kriegen. Da sich auch der Kläger nach Aussagen des Zeugen "in Bewegung" befand, blieb dem Beklagten nur eine sehr kurze Reaktionszeit, als der Kläger plötzlich stehen blieb.

Auch die Sachverhaltsdarstellung des Zeugen G... bestätigt den vom Zeugen M... geschilderten Sachverhalt. Der Zeuge hat zwar davon gesprochen, dass "zwischen dem Kläger und dem Beklagten.... zunächst sechs bis acht Meter" Entfernung gewesen sei. Ob diese Entfernungsangabe noch für den Zeitpunkt gelten sollte, als der Kläger stehen blieb, ergibt sich aus der Aussage nicht. Der Zeuge spricht jedoch davon, dass der Kläger schon kurze Zeit stehen blieb, als der Ball über die Linie ging. Er sei dann nicht mehr weiter dazu gekommen, da der Beklagte in ihn reingelaufen sei. Das sei eine kurze Abfolge von wenigen 10tel Sekunden gewesen.

Aus den Aussagen beider Zeugen ergibt sich mithin, dass der Beklagte allenfalls eine sehr kurze Reaktionszeit hatte, als der Kläger vor ihm stehen blieb. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Stehenbleibens des Klägers noch jederzeit hätte ausweichen können oder sogar - aus den von beiden vorgenannten Zeugen bestätigten raschen Lauf - hätte stehen bleiben können.

Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Erörterung des Geschehensablaufs nunmehr behauptete, der Kläger sei nicht seinerseits aus dem Lauf heraus stehen geblieben, sondern sei zuvor nicht gelaufen, ist dieser Vortrag unerheblich, weil er in Widerspruch zu seinem bisherigen schriftsätzlichen Vortrag steht. So hat der Kläger auf Seite 3 der Klageschrift ausgeführt: "Der Kläger war ein abwehrender Spieler aus dem SC P..., er lief zu dem Ball und deckte den Ball so ab, dass der Ball über die Torauslinie zwischen Tor und Eckfahne laufen würde". Wäre der zitierte Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht unerheblich, so wäre er jedenfalls verspätet, weil er in Widerspruch zu dem Vortrag des Beklagten steht und somit streitig ist. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.8.2006 vorgetragen, beide Spieler seien hinter dem Ball hergelaufen.

Schließlich wäre der Kläger für seine nunmehrige Sachverhaltsdarstellung jedenfalls beweisfällig, nachdem sowohl der Zeuge M... als auch der Zeuge G... bekundeten, der Kläger sei seinerseits auf den Ball zugelaufen, der letztendlich über die Linie ins Aus ging. Die Aussage des Zeugen E... ist zwar weniger ergiebig als die der vorgenannten beiden Zeugen. Gleichwohl ergibt sich auch aus dessen Aussage, dass die Parteien sich vor dem Zusammenstoß in einer "Zweikampfsituation" befanden. Er hat ferner bekundet: "Beide Spieler bewegten sich zum Ball". Gegenteiliges ergibt sich schließlich auch nicht aus der Aussage des Zeugen W..., der zumindest von einem "Kampf um den Ball" sprach.

Das vom Landgericht somit ohne Erkenntnisfehler festgestellte "Rempeln" stellte sich mithin als Rempeln im Sinne der Regel 12 des Deutschen Fußballbundes dar. Eine hierdurch begangene Verletzungshandlung war deshalb rechtswidrig. Entgegen der rechtlichen Bewertung des festgestellten Sachverhalts kann jedoch nicht angenommen werden, dass der Beklagte die etwaige Verletzungshandlung fahrlässig, das heißt schuldhaft vornahm. Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, wird ein Verschulden nicht bereits durch einen Regelverstoß indiziert. Es entfällt vielmehr in einer "normalen Zweikampfsituation".

Dem Landgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es annimmt, der Beklagte könne sich auf eine "normale Zweikampfsituation" nicht berufen, weil er keine Chance hatte, den Ball noch auf dem Spielfeld zu erreichen und dies hätte erkennen müssen.

Wie vorstehend bereits ausgeführt, ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen M... und G..., dass sich der Beklagte dicht hinter dem Kläger befand, als dieser stehen blieb. Dabei ist zu Gunsten des Beklagten von der Entfernungsangabe des Zeugen M... von 1 1/2 Metern auszugehen. Die anders lautende Entfernungsangabe durch den Zeugen G... bezieht sich nicht eindeutig auf die Situation unmittelbar vor dem Stehenbleiben des Klägers. Jedenfalls spricht auch dieser Zeuge davon, dass zwischen dem Stehenbleiben des Klägers und dem Zusammenstoß der Parteien nur 10tel Sekunden vergingen. Dem Beklagten kann nicht mit haftungsbegründender Folge vorgeworfen werden, dass er verkannte, dass der Ball für ihn vor Überschreiten der Spielfeldlinie nicht mehr erreichbar sein würde. Mit hinreichender Sicherheit war dies auch für den Kläger erst erkennbar, als er seinerseits auf der Spielfeldlinie stehen blieb. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beklagte im Zweifel nur Sekundenbruchteile und möglicherweise nur etwa 1 1/2 Meter hinter dem Kläger. Nur einen geringfügig längeren Zeitraum zuvor war der Ball nach Angaben des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht ein oder zwei Meter an dem Kläger vorbei über die Spielfeldlinie gegangen. Der Kampf des Beklagten um den Ball war deshalb keineswegs so aussichtslos, wie das Landgericht annimmt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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