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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.06.2001
Aktenzeichen: 7 U 208/00
Rechtsgebiete: VVG, AKB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 1 Abs. 1
VVG § 1 Abs. 1 Satz 1
AKB § 12 Nr. 1 Abs. 1 b)
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 208/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 06.06.2001

Verkündet am 06.06.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 02.05.2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 07.09.2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 130.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht mit der Klage einen Kaskoversicherungsanspruch wegen Diebstahls ihres Kraftfahrzeugs geltend. Die Beklagte hält den Diebstahl für nur vorgetäuscht.

Die Klägerin war Eigentümerin und Halterin des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen. Dieses im Jahr 1980 erstmals zugelassene Fahrzeug hatte ihr Ehemann 1988 erworben. Nach dem Kaufvertrag (Bl. 104 d.A.) betrug der Gesamtpreis für das Fahrzeug 11.000,00 DM. Die Klägerin schloß mit der Beklagten unter dem 28.03.1989 einen Versicherungsvertrag, der eine Haftpflicht-, eine Vollkasko-, eine Teilkasko mit 300.00 DM Selbstbeteiligung sowie eine Unfallversicherung umfaßte.

1989 ließ die Klägerin erstmals ein Gutachten über den Verkehrswert des Fahrzeugs anfertigen; das von dem Sachverständigen C unter dem 19.03.1989 erstellte Gutachten (Bl. 106 ff. d.A.) ermittelte einen Wert von 60.100,00 DM. Ein weiteres Gutachten gab die Klägerin am 21.03.1996 in Auftrag; der wiederum tätige Sachverständige C ermittelte nunmehr - gestützt auf den guten Zustand und den Liebhaberwert des Fahrzeugs - einen Marktwert von 130.000,00 DM (Bl. 20 ff. d.A.). Mit Datum vom 15.03.1996 wurde für das Fahrzeug eine Ersatzausfertigung des Fahrzeugscheins (Bl. 11 d.A.) ausgestellt.

Am Freitag, dem 16.08.1996 teilte der Ehemann der Klägerin der Beklagten mit, daß das Fahrzeug am Vormittag gestohlen worden sei; nachdem er von einer Dialysebehandlung, der er sich in dem Klinikum im W unterzogen habe, um ca. 14.00 Uhr wieder zu dem Abstellort des Fahrzeugs zurückgekommen sei, habe er feststellen müssen, daß das Fahrzeug nicht mehr dort gestanden habe. Der Ehemann der Klägerin hat dann bei dem Polizeipräsidium B, Direktion unter der Vorgangsnummer Anzeige wegen Fahrzeugdiebstahl erstattet. Die Anzeige weist 18.00 Uhr als Zeitpunkt der Anzeigeerstattung auf. Das Verfahren wurde bei der Staatsanwaltschaft B unter dem Az. geführt. In der Diebstahlsanzeige wurde als Tatort die in der Nähe des Klinikums gelegene, als Tatzeit der 16.08.1996 zwischen 7.30 Uhr und 14.30 Uhr sowie als Wert des entwendeten Gutes ein Betrag von ca. 4.000,00 DM aufgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Strafanzeige wird auf Bl. 176 d.A. verwiesen.

Bei der Schadensabwicklung ergaben sich sodann bei der Beklagten Zweifel, ob sich tatsächlich ein Diebstahl ereignet hat. In dem anläßlich der Schadensabwicklung von der Klägerin und ihrem Ehemann ausgefüllten undatierten Fragebogen (Bl. 84 ff. d.A.) gab die Klägerin den Kaufpreis des Fahrzeugs mit 36.000,00 DM an. Mit Schreiben vom 05.03.1997 (Bl. 99 d.A.) begehrte die Beklagte die Beantwortung einiger im Zusammenhang mit den Angaben des Ehemanns der Klägerin bei der Anzeige des Diebstahls aufgeworfener Fragen. Hierauf reagierte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, der vorprozessual zunächst mit der Schadensregulierung beauftragt war, mit Schreiben vom 10.03.1997 (Bl. 100 f. d.A.), in dem er der Beklagten mitteilte, daß sich der Ehemann der Klägerin nach der Dialyse einige Stunden habe erholen müssen und deswegen der Diebstahl erst angezeigt worden sei, nachdem es dem Patienten wieder gut gegangen sei. Die Polizeistelle am N sei gewählt worden, weil der Ehemann der Klägerin nach der Dialysebehandlung durchweg von einem Familienmitglied oder aber einem Freund abgeholt werde, der ihn fahre. Mit Schreiben des Herrn Rechtsanwalt H vom 30.11.1998 (Bl. 97 f.), der sodann mit der weiteren Bearbeitung des Schadensfalles beauftragt worden war, wurde demgegenüber der Beklagten nunmehr mitgeteilt, daß der Ehemann der Klägerin mit der U-Bahn nach Hause gefahren sei, von wo aus er das zuständige Polizeirevier angerufen habe, um zu erfragen, ob das Fahrzeug abgeschleppt worden sei. Eine Auskunft habe er aber nicht erlangen können, so daß er zum Polizeirevier N gefahren sei, wo er letztlich die Diebstahlsanzeige erstattet habe. In der Folgezeit übernahm wieder der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin das Mandat. Mit dessen Schreiben vom 22.03.1999 (Bl. 29 ff. d.A.) wurde diese Sachdarstellung korrigiert. Der Ehemann der Klägerin sei am Tattage von seinem Sohn abgeholt worden und nicht mit der U-Bahn gefahren. Die abweichende Darstellung sei auf Mißverständnisse zwischen Herrn R und Herrn Rechtsanwalt H zurückzuführen. Der Ehemann der Klägerin sei jedenfalls nicht mit der U-Bahn nach Hause gefahren.

Die Klägerin hatte sowohl vor, als auch nach dem streitgegenständlichen Diebstahlsereignis weitere drei Versicherungsfälle gemeldet, darunter den Diebstahl zweier Motorräder und den eines Busses. Der Ehemann der Klägerin ist im Zusammenhang mit 40 Diebstählen von Fahrzeugen als Geschädigter aufgetreten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 130.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26.01.2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Diebstahlsvorgang insgesamt und macht geltend, daß der Diebstahl vorgetäuscht sei, wofür mehrere Beweisanzeichen sprächen. So sei der Ehemann der Klägerin unstreitig bereits in 40 Diebstahlsfällen als Geschädigter beteiligt gewesen. Die Darstellung zu den Geschehnissen nach dem angeblichen Diebstahl seien wechselhaft. Im Rahmen der Diebstahlsanzeige und des Schreibens vom 30.11.1998 sei beispielsweise von dem Sohn der Klägerin noch keine Rede gewesen. Daneben sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb eine Diebstahlsanzeige ausweislich der Darstellung der Klägerin erst Stunden später erstattet worden sei. Für ein Vortäuschen des Diebstahls spreche auch, daß nur zwei Monate vor dem Ereignis ein Wertgutachten eingeholt, eine Ersatzausfertigung des Fahrzeugscheins angefertigt und lediglich zwei von vier Originalschlüsseln vorgelegt worden seien.

Im Übrigen sei eine Ersatzpflicht der Beklagten auch deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht den ihr obliegenden Pflichten nachgekommen sei. Der Diebstahl sei nicht binnen Wochenfrist angezeigt worden; in Abweichung zu der Strafanzeige - Wert: ca. 4.000,00 DM - werde nunmehr der Wert des Fahrzeugs mit 130.000,00 DM angegeben. In der Schadensanzeige sei der Kaufpreis des Fahrzeugs zudem wider besseres Wissen mit 36.000,00 DM angegeben worden, obwohl der tatsächliche Kaufpreis 1988 nur 11.000,00 DM betragen habe.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen. Das Wertgutachten für den M aus dem Jahre 1996, der als Liebhaberfahrzeug nicht nach der Schwacke-Liste bewertet werden könne, sei angesichts der umfangreichen Investitionen, die - mit Ausnahme einer im März 1996 eingebauten Alarmanlage - in den Jahren 1989 und 1990 vorgenommen worden seien, eingeholt worden. Zudem habe die Beklagte selbst die Erstellung dieses weiteren Wertgutachtens gefordert. Sie - die Klägerin - habe regelmäßig, auch schon im Jahr 1989, Wertermittlungsgutachten für das Fahrzeug erstellen lassen. Die Erstellung einer Ersatzausfertigung für den Kraftfahrzeugschein sei nichts Ungewöhnliches; hierfür könne es zahlreiche Gründe geben. Schließlich liege auch keine Obliegenheitsverletzung vor. Der in dem Kaufvertrag von 1988 genannte Kaufpreis habe nicht dem tatsächlichen Kaufpreis entsprochen. Es sei auf Wunsch des Verkäufers lediglich ein Kaufpreis von 11.000,00 DM schriftlich festgehalten worden; die Differenz von 25.000,00 DM sei dem Verkäufer seinerzeit in bar übergeben worden. Darüber hinaus sei gegenüber der Polizei bei der Diebstahlsanzeige auch nicht der Wert des Fahrzeugs mit lediglich 4.000,00 DM angegeben worden. Dieser Betrag habe sich auf den Wert der zum Zeitpunkt des Diebstahls im Fahrzeug befindlichen Gegenstände, einer Lederjacke und einer Kamera, bezogen.

Das Landgericht Potsdam hat die Klage mit Urteil vom 07.09.2000 (Bl. 272 ff. d.A.) abgewiesen. Es hat aufgrund verschiedener konkreter Tatsachen angenommen, daß mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ein vorgetäuschter Versicherungsfall gegeben sei.

Gegen das ihr am 15.09.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.10.2000 - einem Montag - Berufung eingelegt, die sie am 02.01.2001 innerhalb der verlängerten Frist begründet hat.

Die Klägerin trägt unter Berufung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen vor:

Es lägen keine hinreichenden, auf einen vorgetäuschten Versicherungsfall deutenden Tatsachen vor. Sie habe nur zwei Originalschlüssel besessen, die sie der Beklagten auch übersandt habe. Ihr Ehemann habe den Diebstahl als schwer kranker Mensch nicht sofort anzeigen können. Er habe eine gewisse Zeit Ruhe gebraucht, um den Diebstahl zu verarbeiten und dann richtig zu reagieren. Wegen der Beteiligung ihres Ehemanns an 40 Diebstahlsfällen müsse man von Pech ausgehen. Die verschiedenen Darstellungen zu der Heimfahrt des Ehemanns der Klägerin beruhten auf einem Mißverständnis. Der Ersatzkraftfahrzeugschein sei benötigt worden, um die technischen Änderungen im Vorfeld der Untersuchung für März 1996 aufzuführen. Das Gutachten kurz vor dem Fahrzeugdiebstahl sei zur Marktbeobachtung eingeholt worden und sei auch im Zusammenhang mit der Untersuchung zu sehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 07.09.2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 130.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26.01.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt unter Hinweis auf ihr bisheriges Vorbringen vor:

Die Klägerin habe vier Originalschlüssel besessen, wovon nur einer an die Beklagte übersandt worden sei. Im Übrigen sei das Auto zum Zeitpunkt des angeblichen Diebstahls weit unter 130.000,00 DM wert gewesen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 11.04.2001 (Bl. 352 d.A.) durch Vernehmung des Zeugen M R. Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 02.05.2001 (Bl. 367 f. d.A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Versicherungssumme in Höhe von 130.000,00 DM nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 VVG, 13 Abs. 5, 12 Abs. 1 Ziff. 1 1 b) AKB im Zusammenhang mit der von ihr vorgetragenen Entwendung eines PKW.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß betreffend des Fahrzeugs M mit dem amtlichen Kennzeichen, dessen Eigentümerin und Halterin die Klägerin war, ein Versicherungsvertrag gemäß § 1 Abs. 1 VVG besteht. Der Versicherungsvertrag umfaßt eine Haftpflicht-, eine Voll- und Teilkasko- sowie eine Unfallversicherung. Die Teilkaskoversicherung beinhaltet eine Selbstbeteiligung von 300,00 DM.

Zur Überzeugung des Senats steht allerdings nicht fest, daß ein kaskoversichertes Ereignis in Form eines Diebstahls gemäß § 12 Nr. 1 Abs. 1 b) AKB eingetreten ist. Die Klägerin hat zwar das äußere Bild eines Diebstahls vorgetragen. Jedoch hat die Beklagte Umstände dargetan, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die Vortäuschung eines Diebstahls nahelegen. Den Vollbeweis des Diebstahls hat die Klägerin nicht führen können.

Für den Diebstahl eines versicherten Fahrzeugs hat die Rechtsprechung ein abgestuftes System von Darlegungs- und Beweisregeln aufgestellt (Einzelheiten: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., AKB § 12 Rn. 19 ff; Römer NJW 1996, 2329 ff). Ausgangspunkt ist, daß der Versicherungsnehmer sich regelmäßig in Beweisschwierigkeiten befindet, wenn er den Vollbeweis für den Diebstahl des versicherten Fahrzeugs erbringen muß. Der Versicherungsnehmer genügt daher grundsätzlich seiner Darlegungspflicht, wenn er den Diebstahl seines versicherten Fahrzeugs anzeigt. Dabei muß das äußere Bild für eine bedingungsgemäße Entwendung sprechen; es muß also ein Mindestmaß an Tatsachen dargetan sein, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluß auf die Entwendung gegen den Willen des Versicherungsnehmers zulassen (BGH NJW 1996, 993; 1995, 2196).

Diesen Anforderungen hat die Klägerin im vorliegenden Fall genügt. Das äußere Bild eines Diebstahls liegt vor. Der Ehemann der Klägerin hat den M an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und ihn später dort - nach dem Vortrag der Klägerin - nicht mehr vorgefunden. Mehr braucht ein Versicherungsnehmer nicht vorzutragen (Römer, a.a.O. S. 2330). Diese Umstände erscheinen zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat das entsprechende Feststellungen enthaltende erstinstanzliche Urteil insoweit als zutreffend bezeichnet. Soweit die Beklagte dennoch vorträgt, die Angaben der Klägerin seien hinsichtlich des Abstellortes des PKW vor dem behaupteten Diebstahl widersprüchlich, ist dies nicht stichhaltig. Die Beklagte kann insoweit allenfalls rügen, daß die Angaben ungenau gewesen sind.

Demgegenüber hat die Beklagte allerdings konkrete Tatsachen dargelegt, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen (hierzu: BGH NJW 1996, 993 mwN.). Insoweit wird nunmehr, nachdem der Geschädigte zunächst nur das äußere Bild eines Diebstahls darlegen und beweisen muß, dem Versicherer eine Beweiserleichterung gewährt. Die Begründung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung eines Diebstahls erfordert allerdings mehr als bloße Zweifel an dem Vorliegen eines Diebstahls; es müssen vielmehr erhebliche Anhaltspunkte für ein Vortäuschen eines Diebstahls gegeben sein (Römer, a.a.O. S. 2332).

Der dem Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt enthält in mehrfacher Weise erhebliche Merkwürdigkeiten und widersprüchliches Vorbringen auf der Klägerseite. Im einzelnen ist das Nachfolgende festzustellen:

1. Die Erstellung eines Ersatzkraftfahrzeugscheines im März 1996 (Bl. 11 d.A.), wenige Monate bevor das Fahrzeug am 16.08.1996 als gestohlen gemeldet worden ist, ist von der Klägerin mit einer bevorstehenden Untersuchung und der Eintragung von Arbeiten, die im Jahr 1989 am Fahrzeug vorgenommen worden seien, erklärt worden. Letztlich hat die Klägerin jedoch nicht darlegen können, warum die Eintragungen nicht in dem Originalkraftfahrzeugschein vorgenommen werden konnten.

2. Auffällig ist ferner, daß noch im März 1996, wenige Monate bevor das Fahrzeug am 16.08.1996 als gestohlen gemeldet worden ist, zu dem Wert des Fahrzeugs ein Gutachten von dem Ehemann der Klägerin in Auftrag gegeben worden ist. Dies hat die Klägerin zunächst mit einer allgemeinen Marktbeobachtung erklärt, dann aber auch mit der bevorstehenden Untersuchung in Zusammenhang gebracht. Es fällt auf und ist von der Klägerin nicht näher begründet, daß unterschiedliche Erklärungen unterbreitet werden. Es erscheint im Übrigen nur schwer verständlich, daß ein Kosten verursachendes Gutachten ohne einen überzeugenden konkreten Anlaß in Auftrag gegeben worden ist. Die bevorstehende Untersuchung kann der zeitliche Anlaß für die Begutachtung sein, jedoch nicht der Grund für diese.

3. Der Ehemann der Klägerin hat den behaupteten Diebstahl erst erhebliche Zeit nach seiner Entdeckung angezeigt. Angesichts des von der Klägerin vorgetragenen weit überdurchschnittlichen Wertes des Fahrzeugs von 130.000,00 DM ist das zögerliche Erstatten der Diebstahlsanzeige nur schwer verständlich. Zu den Einzelheiten der Anzeige hat der Zeuge M R bei seiner Vernehmung vor dem Senat am 02.05.2001 ausgesagt. Er hat bekundet, daß er den Diebstahl gegen 14.00 oder 14.15 Uhr bemerkt habe. Danach habe er unter der Nummer 110 mit dem Handy bei der Polizei angefragt, ob das Fahrzeug abgeschleppt worden sei. Dies sei ihm gegenüber verneint worden. Dann habe er die U-Bahn genommen und sei zu dem für seinen Wohnort zuständigen Polizeirevier gefahren, das er gegen 15.00 oder 16.00 Uhr erreicht habe. Entsprechend seinem Zeitgefühl habe er dort etwa eine Stunde verbracht. Er könne sich nicht erklären, daß auf der Anzeige die Uhrzeit 18.00 Uhr angegeben sei. Eine Uhr habe er nicht bei sich gehabt. Die Aussage des Zeugen ist ungenau und steht zu der polizeilichen Anzeige hinsichtlich der Uhrzeit der Anzeigenerstattung in deutlichem Widerspruch. Es kann aber letztlich dahinstehen, ob die Angaben des Zeugen im einzelnen zutreffen. Selbst wenn die Angaben wahr sind, hat der Zeuge von der vorgetragenen Entdeckung des Diebstahls bis zu seiner Anzeige bei der Polizei mehr als zwei Stunden verstreichen lassen. Der Diebstahl eines Gegenstandes im Wert von 130.000,00 DM, dem von der Klägerin zudem ein schriftsätzlich mehrfach dargestellter erheblicher Liebhaberwert zugeschrieben wird, sollte einen durchschnittlichen Bürger eigentlich dazu veranlassen, unverzüglich - auch telefonisch mit dem ihm zur Verfügung stehenden Handy - eine Diebstahlsanzeige zu erstatten. Dabei muß jedem Bestohlenen bewußt sein, daß die Chancen des Auffindens des Fahrzeuges durch die Polizei, zumal wenn es so markant ist, wie das Fahrzeug der Klägerin, um so besser ist, je schneller die Anzeige erfolgt und die Fahndung eingeleitet wird. Ein Verstreichenlassen von auch nur zwei Stunden ist vor diesem Hintergrund unverständlich. Nicht erklärbar ist ebenfalls, daß der Zeuge M R nicht zumindest ein Taxi zum nächstgelegenen Polizeirevier genommen hat, statt zeitraubend mit der U-Bahn zu dem Polizeirevier an seinem Wohnort zu fahren. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, ihr Ehemann sei aufgrund der - von der Beklagten zwischenzeitlich wohl zugestandenen - Dialysebehandlung nicht ohne eine mehrstündige Erholung in der Lage gewesen, unverzüglich eine Anzeige des Diebstahls vorzunehmen, hat der Zeuge M R selber hierzu keine entsprechenden Äußerungen getan. Seiner Aussage war eher zu entnehmen, daß er möglichst schnell und zielstrebig gehandelt haben will. Sie steht damit in Widerspruch zu dem Vorbringen der Klägerin.

4. Daneben ist von der Klägerin zu dem Geschehen nach dem Entdecken des Diebstahls in auffälliger Weise wechselhaft vorgetragen worden. Über ihren Rechtsanwalt Herrn J teilte die Klägerin der Beklagten zunächst mit Schreiben vom 10.03.1997 (Bl. 101 d.A.) mit, daß ihr Ehemann nach der Behandlung durchweg von einem Familienmitglied oder aber einem Freund abgeholt werde, der ihn fahre, weswegen der Polizeiabschnitt am N gewählt worden sei. Mit Schreiben des Rechtsanwalts Herrn H vom 30.11.1998 (Bl. 97 d.A.) wurde der Beklagten mitgeteilt, der Ehemann der Klägerin sei mit der U-Bahn nach Hause gefahren, um von dort aus nochmals das für seinen Bezirk zuständige Polizeirevier anzurufen. Später sei er zum Polizeirevier N gefahren, habe dort den M als abgeschlepptes Fahrzeug nicht vorgefunden und dann Anzeige erstattet. Frau Rechtsanwältin B als amtlich bestellte Vertreterin des Rechtsanwalts J wiederum wies im Schriftsatz vom 22.03.1999 (Bl. 31 f. d.A.) daraufhin, daß der Ehemann der Klägerin sich aufgrund der anstrengenden Dialysebehandlung nachher von einem Familienmitglied oder Freund habe abholen lasse, wie es auch am Tag der Entwendung des Fahrzeugs geschehen sei; sein Sohn T R habe ihn abgeholt. In dem Schriftsatz wird von gravierenden Mißverständnissen bei der Sachverhaltsdarstellung berichtet. Dann heißt es auch, eine Fahrt mit der U-Bahn habe nicht stattgefunden. Der Zeuge M R selber hat diese Darstellung erneut umgekehrt, indem er ausgesagt hat, er sei doch mit der U-Bahn gefahren. Es fällt schwer, diese wechselnde Sachverhaltsdarstellung, die sich zudem um die Dauer zwischen dem Zeitpunkt der Entdeckung des vorgetragenen Fahrzeugdiebstahls und der Anzeigenerstattung bewegt, mit Mißverständnissen zu erklären. Das gilt auch dann, wenn die Erklärung des Zeugen R einbezogen wird, er habe den Sachverhalt möglicherweise mit dem bei der Entwendung eines anderen Fahrzeugs verwechselt.

5. Daneben bestehen auch Glaubwürdigkeitsbedenken hinsichtlich der Klägerin und ihres Ehemannes. So ist die Klägerin in der jüngeren Vergangenheit bereits dreimal Opfer von Fahrzeugdiebstählen geworden. In zwei Fällen ist der geborenen Klägerin auch ein Motorrad gestohlen worden. Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge M R, ist - unstreitig - in 40 Fällen als Geschädigter in Diebstahlsfällen in Erscheinung getreten. Die Klägerin hat dies damit kommentiert, daß er eben Pech gehabt habe.

Schließlich hat die Klägerin zur Höhe des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises wechselnde Angaben gemacht. Der Kaufpreis beträgt gemäß dem Kaufvertrag 11.000,00 DM plus MWSt. (Bl. 109 d.A.). Gegenüber der Versicherung hat sie in der Schadensanzeige einen Kaufpreis von 36.000,00 DM angegeben (Bl. 86 d.A.). Dabei kann offenbleiben, welche Angabe nun tatsächlich zutrifft. Jedenfalls liegt auch darin eine auffällige Ungereimtheit. In der Diebstahlsanzeige gegenüber der Polizei dagegen ist der Wert des entwendeten Gutes mit nur 4.000,00 DM von dem Zeugen M R angegeben worden. Letzteres erklärt die Klägerin damit, daß die sich im Fahrzeug befindlichen Gegenstände einen entsprechenden Wert gehabt hätten. Auch hier fällt auf, daß eine eindeutige Frage in der polizeilichen Diebstahlsanzeige unzutreffend beantwortet ist. Bei der Angabe des Wertes von 130.000,00 DM wären voraussichtlich energische polizeiliche Maßnahmen eingeleitet worden, mit denen bei einer Wertangabe von nur 4.000,00 DM aber kaum zu rechnen ist. Objektiv begünstigt die Falschangabe des Wertes diejenigen, die das Fahrzeug weggenommen haben. Um so unverständlicher ist die unrichtige Angabe, zumal bei dem Diebstahl eines hochwertigen Gutes nach allgemeiner Lebenserfahrung von einer besonderen Sorgfalt des Bestohlenen bei der Anzeigenerstattung auszugehen ist.

Ob das Vorbringen der Beklagten, die Klägerin habe nicht alle Schlüssel des Fahrzeugs abgegeben, zutrifft, kann dahinstehen. Einer entsprechenden Beweisaufnahme bedarf es nicht. Denn die Summe der von der Beklagten vorgetragenen Indizien ist - anders als jeder einzelne Umstand alleine - bereits geeignet, die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines vorgetäuschten Diebstahls zu begründen. Die Vielzahl der Auffälligkeiten und Ungereimtheiten in der Sachverhaltsdarstellung ist - auch mit einem Wechsel von Anwälten - sachlich nicht mehr erklärbar. Erklärbar wären sie, wenn der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt sich so nie ereignet hätte, weil er erfunden ist. Die verspätete Anzeige erschwert objektiv eine Fahndung der Polizei; die Angabe des unrichtigen Fahrzeugwertes verhindert ein sofortiges Tätigwerden der Polizei. Das unmittelbar vor der vorgetragenen Entwendung erstellte Gutachten erleichtert die Schadensabwicklung zu einem Wert von 130.000,00 DM, der deutlich über dem von der Klägerin behaupteten Einkaufswert von 36.000,00 DM liegt.

Die Klägerin hat die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines vorgetäuschten Diebstahls ihrerseits nicht wiederlegen können; den Vollbeweis für einen Diebstahl des Fahrzeugs hat sie nicht erbracht. Der Senat hat hierzu den Zeugen M R vernommen. Der Zeuge konnte seinerseits jedoch nur den äußeren Anschein eines Diebstahls bestätigen. Dies aber genügt gerade nicht für die Erbringung des Vollbeweises des Diebstahls, da eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen vorgetäuschten Diebstahl besteht. Der Zeuge hat keine Aussagen zum konkreten Hergang eines Diebstahls machen können; insbesondere die Wegnahme des Fahrzeugs hat er nicht beobachtet.

Ohne daß es noch eines Eingehens auf die Frage einer Obliegenheitsverletzung durch die Klägerin wegen einer verspäteten Schadensanzeige bedarf, ist das Vorliegen eines Versicherungsfalles im Ergebnis nicht bestätigt; ein Anspruch der Klägerin auf die Versicherungssumme besteht demzufolge nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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