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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 7 U 88/07
Rechtsgebiete: GmbHG, ZPO


Vorschriften:

GmbHG § 32 a
GmbHG § 32 a Abs. 1
GmbHG § 32 a Abs. 2
GmbHG § 32 a Abs. 3 Satz 1
GmbHG § 32 b
GmbHG § 32 b Satz 1
GmbHG § 32 b Satz 2
GmbHG § 64 Abs. 1
ZPO § 156
ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 88/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 5.3.2008

Verkündet am 5.3.2008

in dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Boiczenko, den Richter am Oberlandesgericht Hein und den Richter am Oberlandesgericht Werth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 7. März 2007 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Beklagten sind Gesellschafter der F... GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2. und 3. waren. Durch Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 1.4.2003 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Verwalter ernannt.

Am 23.10.2002 valutierte ein Kontokorrentkredit der Schuldnerin bei der Sparkasse ..., für den die Beklagten Bürgschaften übernommen hatten, in Höhe von 6.078,97 €.

Im Hinblick darauf nimmt der Kläger die Beklagten auf die Rückgewähr eigenkapitalersetzender Leistungen in Anspruch.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 6.464,66 € zu zahlen, wobei die Beklagte zu 1. für nicht mehr als 6.391,15 € und die Beklagten zu 2. und zu 3. für nicht mehr als jeweils 5.112,92 € haften.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 7.3.2007 die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen der §§ 32 a, 32 b GmbHG lägen vor. Mit dem Kontokorrentkredit sei der Schuldnerin ein Darlehen gewährt worden, das die Beklagten als deren Gesellschafter durch die Bürgschaften besichert hätten. Das Vorliegen eines nur kurzzeitigen Überbrückungskredits lasse sich den Vertragsurkunden sowie dem schriftsätzlichen Vortrag der Parteien nicht entnehmen; dagegen spreche, dass der Vertrag tatsächlich erst nach zwei Jahren beendet bzw. umgewandelt worden sei. Die Schuldnerin sei im Oktober 2002 kreditunwürdig gewesen. Aus den Jahresabschlüssen zum 31.1.2002 und zum 31.1.2003 sei zu ersehen, dass ihr Stammkapital bis auf einen Restbetrag in Höhe von 1.271,66 € verbraucht gewesen sei. Aus den Jahresabschlüssen gehe weiter hervor, dass dem Anlage- und Umlaufvermögen der Schuldnerin in Höhe von insgesamt 55.062,52 € Verbindlichkeiten in Höhe von 112.001,59 € gegenübergestanden hätten. Diese rechnerische Überschuldung und Aufzehrung des Stammkapitals indiziere die Kreditunwürdigkeit. Stille Reserven der Schuldnerin seien nicht dargetan. Die Rückzahlung des Kontokorrentkredits sei im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Die Krise der Schuldnerin sei den Beklagten bekannt gewesen. Zulasten des Gesellschafters sei grundsätzlich von der Kenntnis über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft auszugehen; diese zu ihren Lasten gehende Vermutung hätten die Beklagten nicht entkräftet.

Gegen dieses Urteil, das den Beklagten zu 2. und zu 3. am 5.4.2007 und der Beklagten zu 1. am 13.4.2007 zugestellt worden ist, haben die Beklagten zu 2. und zu 3. am 4.5.2007 und die Beklagte zu 1. am 10.5.2007 Berufung eingelegt. Die Beklagten zu 2. und zu 3. haben die Berufung am 4.6.2007 begründet. Die Beklagte zu 1. hat nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 13.7.2007 die Berufung am 9.7.2007 begründet.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 7.3.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten aus §§ 32 b Satz 1, 2, 32 a Abs. 2, 3 Satz 1 GmbHG auf Zahlung von 6.464,66 € können nicht erkannt werden. Denn es kann nicht angenommen werden, dass die Bürgschaften der Beklagten in der Krise der Gesellschaft erteilt oder stehengelassen worden sind.

Die Krise der Gesellschaft ist gemäß § 32 a Abs. 1 GmbHG gegeben, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder wenn sie einen für ihre Fortführung notwendigen Kapitalbedarf nicht durch einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen decken kann (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl., § 32 a, Rn. 48, m.w.N.). Allerdings stellen kurzfristig rückzahlbare Überbrückungskredite, auf die die Gesellschaft für kurze Zeit dringend angewiesen ist und für die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage mit der fristgerechten Rückzahlung gerechnet werden kann, keinen Eigenkapitalersatz dar, da dann keine Leistung vorliegt, an deren Stelle der Gesellschafter als ordentlicher Kaufmann der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätte (BGH NZI 2007, 63; NJW 1995, 457, 459; 1984, 1893, 1896; 1980, 592). Die zeitliche Grenze dafür ist durch die in § 64 Abs. 1 GmbHG enthaltende Frist gesetzt und beträgt drei Wochen (BGH NZI 2007, 63; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 32 a, b, Rn. 35; Goette, Die GmbH, 2. Aufl., § 4, Rn. 48; vgl. auch: Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 32 a, Rn. 72).

Nach diesen Grundsätzen können eigenkapitalersetzende Leistungen an die Schuldnerin nicht angenommen werden.

Für die Gewährung des Kontokorrentkredits am 2.1.2001 (Bl. 20 d.A.) und den Abschluss der Bürgschaftsverträge am 2.1.2001 und 15.1.2001 (Bl. 22 - 24 d.A.) ist deren Krise nicht dargetan. Das Vorbringen des Klägers über ihre Zahlungsunfähigkeit und Kreditunwürdigkeit bezieht sich nur auf die Zeit ab Oktober 2002, nicht aber auf die Zeit davor. Für Januar 2001 lässt sich eine Krise der Schuldnerin auch nicht aus dem Jahresabschluss zum 31.1.2001 (Bl. 255 ff. d.A.) herleiten, der einen dafür nicht ausreichenden Jahresfehlbetrag in Höhe von nur 6.380,90 DM ausweist (Bl. 275 d.A.).

Für Oktober 2002 kann dahinstehen, ob mit dem Kläger eine Zahlungsunfähigkeit oder Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin anzunehmen ist. Aus der im nachgelassenen Schriftsatz vom 12.2.2008 (Bl. 645 ff. d.A.) vorgetragenen Kontoentwicklung erschließt sich, dass der Kontokorrentkredit der Sparkasse ... lediglich als kurzfristiger Überbrückungskredit in Anspruch genommen worden ist. Danach ist nämlich das Konto erst am 17.10.2002 ins Soll geraten und hat bereits am 25.10.2002 wieder eine positive Deckung aufgewiesen; mithin hat ein nur kurzfristiger Finanzbedarf vorgelegen, der in weit weniger als drei Wochen nicht nur ausgeglichen worden ist, sondern von einem Guthaben in nicht unerheblicher Höhe abgelöst worden ist. Das Konto ist, wie sich aus der Auflistung des Klägers ersehen lässt, sodann bis 27.11.2002 im Haben geführt worden, bevor erneut für einige Tage bis 2.12.2002 ein Sollstand zu verzeichnen ist. Weitere Sollstände ergeben sich für die Zeit ab 9.12.2002 bis 19.12.2002, ab 20.12.2002 bis 9.1.2003 und ab 15.1.2003 bis 23.1.2003. Damit ist das Konto niemals für einen Zeitraum von mehr als drei Wochen im Soll geführt worden, sodass die Inanspruchnahmen des Kontokorrentkredits sich durchweg als nichts anderes als kurzfristige Überbrückungen eines Finanzbedarfs darstellen. Ist aber dergestalt die Darlehensvaluta kein Eigenkapitalersatz gewesen, so kann auch das Stehenlassen der Bürgschaften in den entsprechenden Zeiträumen nicht eigenkapitalersetzend gewesen sein.

Nach alledem führt der Inhalt des Schriftsatzes vom 12.2.2008 nicht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden ist, dass nach der nur unvollständigen vorgetragenen Kontenentwicklung ein nur kurzfristiger Überbrückungskredit anzunehmen sein könnte und sich aus dem Inhalt des Schriftsatzes nichts anderes ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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