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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.04.2002
Aktenzeichen: 7 W 16/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 404a
ZPO § 407
ZPO § 407a
ZPO § 409
ZPO § 411
ZPO § 411 Abs. 2
ZPO § 412
ZPO §§ 485 ff.
ZPO § 485 Abs. 1
ZPO § 485 Abs. 2
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 569
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 3
ZPO § 1029
ZPO § 1033
BGB § 204 Nr. 7
BGB § 204 Nr. 8
BGB § 317
BGB § 319 Abs. 1
BGB § 641 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

7 W 16/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem selbständigen Beweisverfahren

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts am 19.04.2002

durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bietz, den Richter am Oberlandesgericht Hein und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 28.02.2002 wie folgt abgeändert:

I. Es wird angeordnet, ein schriftliches Sachverständigengutachten einzuholen über die Behauptung der Antragstellerin, daß die nachfolgend aufgelisteten Werkmängel am Objekt B Kraftwerk vorliegen:

1. Gesamtanlage

1.1. Kann die Anlage unter Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen betrieben werden?

1.2. Ist die Anlage nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Bestellung 31. August 1998 ausgeführt?

2. Holzforderung

2.1. Ist die Staubentwicklung am Schubboden zu hoch?

2.2. Wird das Überkorn am Grobstoffsichter nicht ausreichend ausgetragen?

2.3. Ist die Füllung des beigestellten Containers nicht gewährleistet?

2.4. Sind die Antriebszahnräder am Scheibensortierer defekt?

2.5. Frieren die Absperrschieber auf den Vorlagesilos bei niedrigen Temperaturen fest?

2.6. Sind die Führungsschienen am Z-Förderer 1 und 2 defekt?

2.7. Ist die Anzahl der Überlastabschaltungen an den Z-Förderern zu hoch?

2.8. Ist die Förderkapazität der Z-Förderer zu gering?

2.9. Ist die Auslegung der Z-Förderer und der zugehörigen Antriebe zu schwach?

2.10. Entspricht die Fertigungsqualität der Z-Förderer nicht dem üblichen Kraftwerksstandard?

2.11. Frieren die Z-Förderer bei niedrigen Temperaturen fest?

2.12. Besteht beim Übersteigen der Antriebe auf den Brennstoffsilos wegen zu niedriger Geländer Absturzgefahr? Sind die Geländer zu erhöhen?

2.13. Verschmutzen die Sichtfenster der Fördereinrichtungen im Holzförderweg? Sind diese durch Klappen zu ersetzen?

2.14. Fallen am Sichtfenster am Muldenband nach Vibrorinne Holzspäne an? Sollte es zu Reinigungszwecken als Schurre umgebaut werden?

2.15. Ist die Beschilderung am Z-Förderer nicht komplett? 3. Feuerung und Dampfkessel

3.1. Überschreiten die CO-Emissionen die gesetzlich geforderten Grenzwerte? Kann der Kessel aufgrund fehlender O2-Werte nicht richtig gefahren werden? Ist die O2-Sonde falsch plaziert? Ist zur richtigen Plazierung der O2-Sonde eine Querschnittsmessung erforderlich?

3.2. Kann die Funktionsfähigkeit der Rauchgasrezirkulation nachgewiesen werden?

3.3. Ist der Ausbindepunkt der Rezirkulationsleitung am Rauchgasweg falsch gewählt?

3.4. Ist der Einbindepunkt der Rezirkulationsleitung in die Verbrennungsluftzufuhr falsch gewählt?

3.5. Kann die Rauchgasrezirkulation nicht in ausreichendem Maße geregelt werden?

3.6. Ist die Schlackebildung auf dem Rost zu stark?

3.7. Treten ungewöhnlich häufig Schäden an der Befestigung der Rosttragstangen auf? Ist die Befestigung technisch ungeeignet?

3.8. Treten an den HEL-Brennern beim Anfahren der Kesselanlage Probleme auf?

3.9. Sind die Geländer in Höhe Brennstoffeintritt nicht komplett installiert?

3.10. Ist der Temperaturfühler vor Berührungsüberhitzer defekt?

3.11. Ist die Wasserstandsregelung zu träge? Haben die Speisewasserregelventile einen zu geringen Durchfluß?

3.12. Ist die Heißdampftemperaturregelung nicht auf den zulässigen Temperaturgradienten der Turbine abgestimmt?

3.13. Ist die Rohrleitungskennzeichnung am Dampfkessel unvollständig?

3.14. Ist eine Eichung der O2-Messungen links und rechts am Kesselende notwendig?

4. Entaschungssystem

4.1. Entspricht die Ausführung des Ascheaustrags und des Naßentschlackers nicht dem üblichen Kraftwerksstandard?

4.2. Ist der Knollenbrecher unterdimensioniert?

4.3. Sind Lager und Brecherwalzen am Knollenbrecher defekt?

4.4. Ist der Schieber am Abwurf in Container nicht bedienbar? Muß ein Antrieb nachgerüstet werden?

4.5. Ist der Antrieb des mittleren steigenden Förderers im EGR-Filterraum nicht zugänglich?

4.6. Ist die Spindelmutter am Absperrschieber unter dem Trogkettenförderer defekt?

4.7. Ist die Stocheröffnung an der Ascheabführung am 2. Kesselzug zu klein?

4.8. Ist der Fußboden im Bereich Naßentschlacker/Kesselrückwand nicht trittsicher gestaltet?

5. Rauchgasreinigung

5.1. Ist der Einsatz von Dampf für die Wasserverdüsung im Rauchgaskühler technisch ungeeignet? Ist die Anbindung der Dampfleitung für die Wasserverdüsung an die Rußbläserleitung technisch ungeeignet? Führt dies zu einer Erhöhung des Säuretaupunkts?

5.2. Treten in der Rauchgasreinigungsanlage Kondensationserscheinungen auf?

5.3. Treten im Rauchgaskanal Kondensationserscheinungen auf?

5.4. Sind im Bereich der Rauchgasreinigungsanlage zwischen Elektrofilter und Kamin Anlagenkomponenten durch Korrosion beschädigt oder zerstört? Resultiert die Beschädigung oder Zerstörung der eingesetzten Materialien durch Korrosion aus der Kondensation von Säure aus dem Rauchgas?

5.5. Fehlt eine Beheizung der Förderluft des Adsorbens zur Vermeidung von Kondensationserscheinungen an der Düse?

5.6. Fehlt eine Beheizung der Förderluft des Adsorbensrezirkutats zur Vermeidung von Kondensationserscheinungen an der Düse?

5.7. Wurde die Rezirkulatdüse durch Korrosion zerstört? Ist sie zur gleichmäßigen Verteilung des Rezirkulats im Rauchgasstrom ungeeignet?

5.8. Neigen die Zweistoffdüsen in der Quenche zum Verstopfen? Wird der Betrieb der Rauchgasreinigungsanlage dadurch zerstört?

5.9. Sind starke Anbackungen an Düsen und Quenchinnenseite zu verzeichnen? Können diese zu Betriebsstörungen führen?

5.10. Sind Reststoffaustrag und Brecher für das anfallende Material ungeeignet?

5.11. Ist die Fördertechnik (Sendegefäß) und die Förderleitungen für das anfallende Material ungeeignet?

5.12. Entstehen Anbackungen und Brückenbildung im Trichter unter der Quenche? Müssen Isolierung und Begleitheizung nachgerüstet werden?

5.13. Liegt eine Beschädigung der Filterschläuche vor? Ist die Beschädigung der Filterschläuche auf Kondensationserscheinungen zurückzuführen?

5.14. Wurde die Bypassklappe falsch eingebaut (Drehung um 90°)? Ist sie nicht gangbar?

5.15. Ist eine redundante Druckluftversorgung der Rauchgasreinigungsanlage erforderlich?

5.16. Ist zur sicheren Einhaltung des SO2-Grenzwerts eine SC2-Rohgasmessung erforderlich?

5.17. Ist der Saugzug beim Aufheizbetrieb der Rauchgasreinigungsanlage mit den Vorwärmern verriegelt? Muß die Verriegelung (Hand/Automatik) so gestaltet werden, daß der Saugzug unabhängig von den Vorwärmern in der Drehzahl verändert werden kann?

6. Elektro-, Meß- und Leittechnik

6.1. Fehlt die Einbindung einer Störmeldung aus der Emissionsmessung in der Leittechnik?

6.2. Liegt im Druckluftsteuerteil des 110 kV-Leistungsschalters des Turbosatzes 3 eine Gleichlaufstörung vor?

6.3. Ist keine Sammelquittierung bei Störung der Entaschungsanlagen vorhanden? Ist diese gegebenenfalls erforderlich?

6.4. Fehlt eine Störmeldung bei Ausfall der Schubaufgeber?

6.5. Ist die Beleuchtung der Wasserstände (normale Glühlampe 200 W) zu störanfällig. Ist eine Umrüstung auf HQL notwendig?

6.6. Sind Wasser/Dampf Stellungsvorgabe und Stellungsanzeige in % vom Bedien- und Beobachtungssystem für Anfahrschieber 8 HAK 10 AA 102, Heißdampfschieber 8 HAK 10 AA 102 und Trommelnotablaß 8 HAD 10 AA 101 erforderlich?

6.7. Ist die Regelung der Speisewasser-Mindestmenge zum Schutz des ECO (ohne Strömung) falsch eingestellt. Muß diese auf 15 bis 20 t/h eingestellt werden?

6.8. Sind die Leitungsdurchführungen der örtlichen Steuerungsanlagen zum Kesselaufstellungsraum so abgedichtet, daß mindestens die Schutzart IP 54 erreicht wird?

6.9. Fehlt eine Störmeldung für das Signal "Trafo Übertemperatur Tr. 0618"?

6.10. Fehlt eine Störmeldung für die Auslösung des 0,4-kV-Leistungsschalters?

6.11. Werden die vorgeschriebenen Klimabedingungen für die Hauptschaltanlage nicht erreicht?

6.12. Fehlt ein staubbindender Anstrich des Fußbodens in der Hauptschaltanlage?

7. Turbosatz und Rückkühlanlage

7.1. Kann die Rotordrehvorrichtung gefahrlos bedient werden?

7.2. Muß der Hebel der Rotordrehvorrichtung umgestaltet werden?

7.3. Ist der Tropfenaustrag an der Rückkühlanlage zu hoch?

7.4. Ist die Kühlleistung der Rückkühlanlage bei hohen Außentemperaturen zu gering?

7.5. Ist der Fußboden unterhalb der Kühlwasserleitungen nicht trittsicher hergestellt?

7.6. Ist die Steigleiter an der Rückkühlanlage nicht ordnungsgemäß ausgeführt? Sind Handläufe an der Austrittsstelle installiert? Ist eine regelkonforme Absturzsicherung an der Austrittsstelle angebracht?

8. Sonstiges

8.1. Sind die Korrosionsschutz- und Anstricharbeiten nicht vollständig ausgeführt?

8.2. Sind die Mauerdurchbrüche zum Schaltraum der Kessel und Ölbrenner nicht verschlossen?

8.3. Entspricht der Steigeisengang am Emi-Container nicht der DIN 24 532? Ist die Absturzsicherung auf dem Container unzureichend. Ist ein Geländer erforderlich?

8.4. Entspricht die Dokumentation der Carbaminanlage nicht der endgültigen Ausführung?

9. Vertraglich zugesicherte Eigenschaften

9.1. Ist die Anlage in der Lage, unter Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen, der Emissionsgrenzwerte nach der 17. BimSchV, insbesondere der Grenzwerte für CO und NOX, eine Dampfleistung von 58 t/h zu erreichen?

9.2. Ist diese Leistung gegebenenfalls erst nach Beseitigung bestimmter Mängelpunkte zu erreichen?

9.3. Wird bei einer Dampfleistung von 58 t/h ein Additivverbrauch von 150 kg/h überschritten?

9.4. Wird der Anteil an Unverbranntem in der Asche überschritten?

9.5. Sind die Wasser- bzw. Abwassermengen zur Kühlung des Kesselaufgabeschachts zu hoch?

II. Dem Sachverständigen wird aufgegeben, zu folgenden Fragen hinsichtlich der unter Ziffer I. aufgelisteten Mängel ebenfalls Ausführungen zu machen:

1. Worauf sind die Mängel zurückzuführen?

2. Handelt es sich um planerische oder handwerkliche Mängel bzw. Fehler?

3. Welche baulichen oder technischen Maßnahmen sind erforderlich, um diese Mängel oder Fehler zu beheben?

4. Welche Kosten sind bei einer fachgerechten Beseitigung der Mängel zu erwarten?

III. Zum Sachverständigen wird bestimmt: Herr K

Bei der Begutachtung der Beweisfragen zu 1.1., 1.2., 2.1., 2.2., 2.7., 2.8., 2.9., 3.2., 3.3., 3.4., 3.5., 3.7., 3.11., 3.12., 4.1, 4.2, 5.1, 5.2, 5.3, 5.4, 5.5, 5.6, 5.7, 5.10, 5.11, 5.12, 5.13, 5.15, 5.16, 6.1, 6.4, 6.9, 6.10, 7.3, 7.4, 7.5, 7.6, und 8.1. soll der Sachverständige die Mängelbeschreibung durch die Antragstellerin im Schriftsatz vom 27.02.2002 (Bl. 424 bis 426 d.A.) beachten.

IV. Die Einholung des Gutachtens ist davon abhängig, daß die Antragstellerin einen Auslagenvorschuß von 8.000,- € bei der für das Landgericht Cottbus zuständigen Zahlstelle einzahlt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin beantragt die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Feststellung von Mängeln an einem Bauvorhaben, mit dessen Durchführung sie die Antragsgegnerin beauftragt hatte.

In Ziff. 8 einer Ergänzungssvereinbarung zu einem ursprünglich geschlossenen Vertrag trafen die Parteien folgende Vereinbarung:

"Bestehen zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten über die Abnahmefähigkeit der erbrachten Werkleistung und/oder Mängel bzw. die Einhaltung von Werten und Leistungsparametern gemäß Ziff. 7, so einigen sich die Parteien bereits jetzt darauf, den Streitpunkt durch einen neutralen Sachverständigen als. Schiedsgutachter verbindlich feststellen zu lassen. Können sich die Parteien nicht innerhalb von 14 Tagen auf die Person eines Schiedsgutachter s einigen, so ist dieser auf Antrag vom Vorsitzenden des VGB zu benennen."

Die Parteien streiten vor allem darüber, ob diese Vereinbarung der Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens im Sinne der §§ 485 ff. ZPO entgegensteht.

Das Landgericht Cottbus hat den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens mit Beschluß vom 28.02.2002 als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 06.03.2002 beim Landgericht Cottbus eingelegten sofortigen Beschwerde.

Das Landgericht Cottbus hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht die in Ziff. 8 des zwischen den Parteien unter dem 08.06./13.07.2000 geschlossenen Vertrages getroffene Vereinbarung über die Einholung eines Schiedsgutachtens der Zulässigkeit des Antrages zur Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht entgegen.

Die Frage des Ausschlusses des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten stellt sich hier - anders als bei der Einrede einer Schiedsgerichtsvereinbarung im Sinne der §§ 1029 ZPO - nicht, so daß es keiner Entscheidung bedarf, ob und unter welchen Voraussetzungen gemäß § 1033 ZPO die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens auch im Falle einer solchen Schiedsgerichtsvereinbarung zulässig ist (vgl. dazu nur OLG Frankfurt/M, BauR 1993, 504 ff.). Bei der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung handelt es sich - dies hat das Landgericht auch zutreffend erkannt - nicht um eine Schiedsgerichtsvereinbarung, sondern um eine Schiedsgutachtervereinbarung.

Der Senat vermag sich der Auffassung des Landgerichts nicht anzuschließen, die Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung über die Einholung eines Schiedsgutachtens ergebe, daß sie damit die Einholung eines Gutachtens im gerichtlichen Verfahren nach §§ 485 ff. ZPO für alle Fälle ausschließen wollten. Zwar wird mit einer Schiedsgutachtervereinbarung regelmäßig - zumindest auch - bezweckt, Teilaspekte eines möglichen Rechtsstreits zwischen den Parteien verbindlich zu klären und damit einen Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten insgesamt oder zumindest hinsichtlich dieser Teilaspekte zu vermeiden. Andererseits verbleibt den Parteien bei einem Schiedsgutachten immer die Möglichkeit, das Ergebnis des Schiedsgutachtens in den Grenzen der §§ 317, 319 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt offenbarer Unrichtigkeit durch die ordentlichen Gerichte kontrollieren zu lassen. Kann damit aber nicht ausgeschlossen werden, daß die tatsächlichen Fragen, die Gegenstand der Schiedsgutachtervereinbarung sind, trotz eines vorgelegten Schiedsgutachtens in einem Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten Gegenstand einer weiteren Beweisaufnahme werden, so kann auch die Vereinbarung über die Einholung eines Schiedsgutachtens nicht dahin ausgelegt werden, daß der Wille der Parteien dahin ging, die Durchführung einer Beweisaufnahme durch die ordentlichen Gerichte endgültig zu verhindern. Dies gilt jedenfalls wenn man bedenkt, daß die Parteien sich bei Abschluß einer Schiedsgutachtenabrede regelmäßig keine Gedanken darüber machen werden, daß sie sich in der Folgezeit über die Wirksamkeit der Schiedsgutachtenabrede streiten könnten. Gerade diese Situation ist jedoch hier eingetreten, da die Antragstellerin die Wirksamkeit der Schiedsgutachtenabrede in Zweifel zieht und darüber hinaus die Auffassung vertritt, diese beziehe sich nur auf die Regelungsgegenstände der Ziff. 7 des Vertrages vom 08.06./13.07.2000. Jedenfalls für einen solchen Fall des Streits der Parteien über die Wirksamkeit oder den Umfang einer Schiedsgutachtervereinbarung wird man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Parteien mit der Schiedsgutachtenabrede die Einholung eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren zumindest unter den Voraussetzungen der Besorgnis des Verlustes oder der Erschwernis der Benutzung des Beweismittels im Sinne des § 485 Abs. 1 ZPO nicht ausschließen wollten. Unter diesen Voraussetzungen steht der Zulässigkeit der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens auch nicht entgegen, daß die Schiedsgutachtenabrede im Falle eines späteren Prozesses - dann wenn die Antragsgegnerin eine entsprechende Einrede erhebt und das Gericht die Wirksamkeit der Abrede bejaht - zur Folge haben könnte, daß ein in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholtes Gutachten zunächst durch das Gericht nicht verwertet werden dürfte und die Antragstellerin deshalb gezwungen wäre, jedenfalls auch das Schiedsgutachten einzuholen (zu diesem Gesichtspunkt - für einen Fall des § 485 Abs. 2 ZPO - OLG Düsseldorf, BauR 1998, 1111, 1112).

Die Antragstellerin hat auch - trotz der zwischen den Parteien getroffenen Schiedsgutachtervereinbarung - ein Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens.

Mit der Einholung des Schiedsgutachtens würde der Antragstellerin im Verhältnis zu der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens kein billigerer oder einfacherer Weg zur Erreichung ihres Rechtsschutzziels zur Verfügung stehen. Zwar mag der Antragsgegnerin insoweit zuzustimmen sein, daß im Hinblick auf das von der Antragstellerin postulierte Eilbedürfnis der Sicherung der Beweise bei regelmäßigem Ablauf zwischen der Durchführung der Schiedsgutachtervereinbarung und der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 485 ff. ZPO kein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der Dauer der Bestimmung des Gutachters und der Begutachtung selbst bestehen dürfte. Ebenso dürften die Unterschiede hinsichtlich der Hemmung der Verjährung, die - jeweils in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung des BGB - gemäß § 204 Nr. 7 BGB an die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens und gemäß § 204 Nr. 8 BGB an den Beginn des vereinbarten Begutachtungsverfahrens anknüpft, allein nicht ausreichen, um das selbständige Beweisverfahren als effektiveren Weg erscheinen zu lassen. Zu Recht hat die Antragstellerin jedoch darauf hingewiesen, daß selbst ein eindeutig einfacherer oder billigerer Weg dann nicht beschriften werden muß, wenn dieser Weg verfahrensmäßig unsicherer ist (BGHZ 111,168, 171). Die größere Unsicherheit der Einholung des vereinbarten Schiedsgutachtens im Verhältnis zu der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ergibt sich für die Antragstellerin jedoch schon aus dem bereits erörterten Umstand, daß sich auch nach der Einholung des Schiedsgutachtens in einem späteren Prozeß die Notwendigkeit der Durchführung einer justizförmigen Beweisaufnahme ergeben kann (so wohl auch OLG Köln, IBR 1999, 289; LG München I, NJW-RR 1994, 355, 356). Zwar ist die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme im späteren Prozeß auch im Falle der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens unter den Voraussetzungen des § 412 ZPO nicht gänzlich ausgeschlossen. Allerdings hat das Gericht im Falle der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens aufgrund der Regelungen der §§ 404a, 407, 407a, 409 und 411 ZPO - anders als die Parteien im Falle der Beauftragung eines Schiedsgutachters - deutlich mehr Möglichkeiten, auf eine sachgerechte und zügige Begutachtung hinzuwirken. Dabei ist für diejenige Partei, die ein besonderes Eilbedürfnis im Sinne des § 485 Abs. 1 ZPO geltend machen kann, - jedenfalls dann, wenn abweichend vom regelmäßigen Ablauf Schwierigkeiten auftreten - eine größere Sicherheit der zügigen Durchführung der Begutachtung insbesondere auch durch die nur dem Gericht zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sanktionierung von Verzögerungen durch Verhängung von Ordnungsgeldern gemäß § 411 Abs. 2 ZPO gegeben (dazu auch OLG Frankfurt/M, BauR 1993, 504, 505). Hinzu kommt, daß eine Verweisung auf die Einholung eines Schiedsgutachtens im vorliegenden Fall auch deshalb als ein im Verhältnis zu einem selbständigen Beweisverfahren unsicherer Weg anzusehen ist, weil die Parteien über die Wirksamkeit und die Reichweite der Schiedsgutachtenabrede streiten. Käme jedoch das Prozeßgericht, das über diese Frage ohne Bindung an eine Bewertung im Rahmen der Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens zu entscheiden hätte, zu dem Ergebnis, daß die Schiedsgutachtenabrede unwirksam ist oder sich tatsächlich - wie die Antragstellerin meint - nur auf die Vereinbarungen in Ziff. 7 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages bezieht, so hätte das Schiedsgutachten im Gegensatz zu dem in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten ruf einen Rechtsstreit in der Hauptsache keine Bedeutung (so wohl auch OLG Koblenz MDR 1999, 502, 503).

2. Steht danach die Schiedsgutachtenabrede der Parteien der Zulässigkeit des beantragten selbständigen Beweisverfahrens nicht entgegen, so liegen auch die weiteren Anordnungsvoraussetzungen vor.

Insofern kann dahinstehen, ob ein rechtliches Interesse der Antragstellerin im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO anzunehmen ist. Jedenfalls hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht, daß die Begutachtung durch einen Sachverständigen erforderlich ist, weil zu besorgen ist, daß anderenfalls das Beweismittel verlorengeht bzw. seine Benutzung erschwert wird (§ 485 Abs. 1 ZPO). Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, daß sie zur Vermeidung der mit einem Stillstand des von ihr betriebenen Kraftwerks verbundenen Schäden in Höhe von 400.000,- €/Monat beabsichtigt, die von ihr gerügten und von der Antragsgegnerin bestrittenen Mängel durch ein anderes Unternehmen beseitigen zu lassen. Die mit der Durchführung derartiger Maßnahmen verbundenen Veränderungen des streitgegenständlichen Kessels 8 würden jedoch zu einem Verlust oder jedenfalls zu einer erheblichen Erschwerung der Feststellung der Mängel führen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann der Antragstellerin - angesichts des Umfangs der durch einen Stillstand der Anlage entstehenden Schäden - auch nicht zugemutet werden, mit der Durchführung der beabsichtigten Ersatzvornahme bis zu einem eventuellen Beweisbeschluß in einem Rechtsstreit zur Hauptsache zu warten. Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund der von der Antragsgegnerin vorgelegten Fertigstellungsbescheinigung des Sachverständigen J vom 12.12.2001 im Sinne des § 641 a BGB. Auf S. 7 der Bescheinigung hat der Sachverständige selbst ausgeführt, daß es ihm ohne weitergehende Dokumentation und Einblick in die technische und vertragliche Dokumentation nicht möglich gewesen sei, die erst während einer Besichtigung von der Antragstellerin gerügten Mängel festzustellen. Der Sachverständige hat deshalb lediglich aufgrund des Umstandes, daß die Verweigerung der vorläufigen Abnahme nicht mit dem Bestehen von Mängeln begründet worden war, die Vermutung aufgestellt, daß keine wesentlichen Mängel bestehen. Allein diese Vermutung sowie der Umstand, daß es sich bei den Maßnahmen, die die Antragstellerin beabsichtigt, nach der Auffassung der Antragsgegnerin um Zusatzleistungen handelt, ändert jedoch nichts daran, daß der Vortrag der Antragstellerin glaubhaft ist, daß aufgrund des zumindest zur Durchführung der Maßnahmen wohl unzweifelhaft erforderlichen Stillstandes des Kessels Schäden in Höhe von 400.000,- €/Monat entstehen.

Liegen danach die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO vor, so steht der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens auch nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 07.03.2002 vor dem Landgericht Dortmund Klage auf Zahlung des vereinbarten Werklohns erhoben hat.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der von der Antragstellerin formulierte Beweisantrag - zumindest nach der ergänzenden Beschreibung der jeweils gerügten Mängel zu einzelnen Beweisfragen im Schriftsatz vom 27.02.2002 - auch hinreichend bestimmt.

Der Ausspruch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2, 3 ZPO zuzulassen. Die Sache hat hinsichtlich der Frage der Auswirkungen einer Schiedsgutachtervereinbarung auf die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 ff. ZPO grundsätzliche Bedeutung.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts erfolgt auf der Grundlage des § 3 ZPO nach den Angaben der Antragstellerin.

Ende der Entscheidung

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