Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.08.2007
Aktenzeichen: 7 W 94/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
ZPO § 719 Abs. 2
ZPO § 888 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

7 W 94/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Richter am Oberlandesgericht Hein, die Richterin am Oberlandesgericht Gieseke und den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig

am 15.8.2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam vom 26.10.2006 wird zurückgewiesen.

Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Urteil des 13. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 31.5.2006 ist die Schuldnerin verurteilt worden, dem Gläubiger Auskunft über die Zusammensetzung der am 1.1.1999 und am 1.5.2000 übertragenen Altbestände gegliedert nach Versicherungsnehmern, Versicherungssparten, Beginn der Versicherungsverträge, Versicherungssummen, Versicherungsprämien und über die Daten etwaiger Vertragsbeendigungen zu erteilen sowie darüber, für welche Sachversicherungsverträge aus diesen Altbeständen ausschließlich neuer Versicherungsverträge in welcher Höhe Versicherungsprämien in dem Zeitraum vom 1.7.1999 bis zum 30.6.2004 gezahlt worden sind.

Die Schuldnerin hat gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof erhoben.

Die vorgerichtliche Aufforderung des Gläubigers an die Schuldnerin vom 30.6.2006, ihm Auskunft gemäß dem Berufungsurteil zu erteilen, blieb ohne Erfolg.

Mit Schriftsatz vom 30.8.2006 hat der Gläubiger beantragt, gegen die Schuldnerin zur Erzwingung seines Auskunftsanspruchs aus dem vorgenannten Urteil ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, festzusetzen.

Mit Beschluss vom 26.10.2006 hat das Landgericht Potsdam dem Zwangsmittelantrag des Gläubigers entsprochen. Der Beschluss ist der Schuldnerin am 1.11.2006 zugestellt worden. Sie hat dagegen am 6.11.2006 sofortige Beschwerde erhoben und gleichzeitig angekündigt, die geschuldeten Buchauszüge demnächst zu erstellen.

Mit Beschluss vom 1.12.2006 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Schuldnerin hat mit Schriftsatz vom 23.12.2006 mitgeteilt, sie habe dem Gläubiger gegenüber zwischenzeitlich Auskunft durch Übersendung von zwei von ihr erstellten Excel-Tabellen mit Stand per 27.11.2006 erteilt.

Der Gläubiger beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Er führt aus, die Schuldnerin habe seinem Auskunftsanspruch bislang nicht vollständig entsprochen.

Mit Verfügung vom 18.6.2007 hat der Berichterstatter die Schuldnerin darauf hingewiesen, dass die erteilte Auskunft nicht in allen Punkten dem Tenor des Urteils des Berufungsgerichts vom 31.5.2006 genüge.

Die Schuldnerin hat beantragt, das von der Gläubigerseite betriebene Vollstreckungsverfahren zur Erzwingung der Auskunftserteilung solange auszusetzen, bis der Bundesgerichtshof über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden habe.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin bleibt ohne Erfolg.

1.

Dem Antrag der Schuldnerin auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Nichtzulassungsbeschwerde kann nicht entsprochen werden.

Die Schuldnerin geht bei ihrem auf Aussetzung gerichteten Antrag von der Aussetzungsmöglichkeit des § 148 ZPO, also der Aussetzung bei Vorgreiflichkeit der Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit, aus. Eine Aussetzung des Zwangsvollstreckungsverfahrens unter diesem Gesichtspunkt kommt jedoch nicht in Betracht.

Die Aussetzung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens ist unzulässig. Sie steht nicht in Übereinstimmung mit dem Charakter des Zwangsvollstreckungsverfahrens als eines beschleunigten Verfahrens (Baumbach/Hartmann, ZPO, 65. Auf., § 148, Rn. 3; LAG Köln MDR 1993, 684).

Des Weiteren liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung des Zwangsvollstreckungsverfahrens gemäß § 148 ZPO nicht vor. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Verfahren über die Zulassungsbeschwerde der Schuldnerin bzw. in einem Revisionsverfahren ist der Entscheidung des Senates in dem vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren nicht vorgreiflich. Beide Verfahren haben nicht dasselbe Rechtsverhältnis zum Gegenstand.

Im Rechtsmittelverfahren streiten die Parteien über den Bestand des Auskunftsanspruchs des Gläubigers gegenüber der Schuldnerin. Gegenstand des Zwangsvollstreckungsverfahrens ist das Recht des Gläubigers, aus dem angefochtenen Urteil vorläufig zu vollstrecken. Dieses Recht ist dem Gläubiger gerade für die Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Streits der Parteien über den Auskunftsanspruch eröffnet worden. Es wird von der Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung des vom Berufungsgericht erkannten Auskunftsanspruchs durch den Bundesgerichtshof nicht in Frage gestellt (Baumbach/Hartmann, a.a.O.).

Die Schuldnerin kann ihren Antrag auf Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens auch nicht auf den von ihr herangezogenen Gesichtspunkt einer möglichen Stattgabe der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. das Bedürfnis der Vermeidung "vollendeter Tatsachen" bei stringenter Durchführung der Zwangsvollstreckung stützen. Beide Begründungen rechtfertigen ihren Aussetzungsantrag nicht. Gegebenenfalls ist die Schuldnerin auf § 719 Abs. 2 ZPO bzw. § 717 Abs. 2 ZPO zu verweisen.

2.

Der angefochtene Zwangsmittelbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 26.10.2006 ist aufrechtzuerhalten.

Der Beschluss ist verfahrensfehlerfrei ergangen. Er ist zum Zeitpunkt seines Erlasses auch gerechtfertigt gewesen, da die Schuldnerin bis zu diesem Zeitpunkt keine Auskunft erteilt hatte.

An der Berechtigung des Zwangsmittelbeschlusses hat sich trotz der von der Schuldnerin zwischenzeitlich erteilten Auskunft durch Vorlage der beiden Excel-Tabellen nebst Anlagen nichts geändert. Die Schuldnerin ist dem ausgeurteilten Auskunftsanspruch gleichwohl nicht in vollem Umfang nachgekommen.

Der Gläubiger hat im Nachgang zu der Auskunftserteilung der Schuldnerin umfängliche Beanstandungen zur Auskunftserteilung vorgenommen. So wird geltend gemacht, dass die vorgefundenen Daten für den Gläubiger - teilweise - nicht nachvollziehbar seien. Ebenso wird die Unrichtigkeit bestimmter Daten behauptet. Ob und inwieweit diese Beanstandungen der Annahme einer Erfüllung des Auskunftsanspruches der Schuldnerin entgegenstehen, kann jedoch offen bleiben.

Die Schuldnerin hat dem ausgeurteilten Auskunftsanspruch jedenfalls insoweit nicht entsprochen, als es um Angaben dazu geht, für welche Sachversicherungsverträge aus Altbeständen ausschließlich neuerer Versicherungsverträge in welcher Höhe Versicherungsprämien in dem Zeitraum vom 1.7.1999 bis zum 30.6.2004 bezahlt worden sind. Dass diese Angaben fehlen bzw. unvollständig sind, hat die Schuldnerin auf den Hinweis des Berichterstatters vom 18.6.2007 mit Schriftsatz vom 5.7.2007 bestätigt. Die Schuldnerin sieht in der Ermittlung der ergänzenden Daten eine "Sisyphus-Arbeit", die verzichtbar sei, weil es für die Zwecke des vorliegenden Rechtsstreits und des Gläubigers hierauf nicht ankomme. Diese Argumentation der Schuldnerin befreit sie jedoch nicht von einer ergänzenden Auskunftserteilung.

Wie bereits in dem zitierten Hinweis des Berichterstatters ausgeführt, ist es nicht Gegenstand eines Zwangsvollstreckungsverfahrens, die Berechtigung eines zuerkannten Anspruchs erneut zu prüfen.

Dies gilt auch insoweit, als die Schuldnerin das Bestehen auf einer entsprechenden Auskunft als rechtsmissbräuchlich bezeichnet. Es mag dahinstehen, ob der Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw. der Treuwidrigkeit einer Zwangsvollstreckung im Einzelfall Gehör finden kann. In Ansehung von Umständen, die der Schuldnerin schon im Verlaufe des Berufungsverfahrens bekannt waren, kann dies jedenfalls nicht gelten.

Im Übrigen ist die Entbehrlichkeit der vom Gläubiger geforderten zusätzlichen Angaben zur Prämienhöhe auch keinesfalls evident.

Das ergibt sich zunächst daraus, dass die Schuldnerin den Auskunftsanspruch des Klägers einschließlich der Forderung nach Auskunft darüber, in welcher Höhe Versicherungsprämien in dem Zeitraum vom 1.7.1999 bis zum 30.6.2004 gezahlt worden sind, scheinbar unbeanstandet hingenommen hat. Ebenso hat das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ausdrücklich festgestellt, dem Gläubiger stünde der Auskunftsanspruch gemäß Ziffer 1. seines Antrages zu. Der Gläubiger könne Mitteilung über alle Umstände verlangen, die zur Ermittlung seines Ausgleichsanspruchs und dessen Berechnung wesentlich seien. Das Auskunftsverlangen könne sich auf alle für den Ausgleichsanspruch und dessen Berechnung maßgeblichen Umstände erstrecken, namentlich auf die in den von beiden Parteien einvernehmlich für anwendbar erachteten "Grundsätzen" zur Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89 b HGB)" enthaltenen Berechnungsfaktoren. Das Berufungsgericht hat mithin keinen Zweifel an der Berechtigung des in Rede stehenden (Teil-)Auskunftsanspruchs gehabt. Die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts bleiben in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der Schuldnerin unbeanstandet.

Der Senat sieht auch keinen Anlass, das vom Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss festgesetzte Zwangsgeld bzw. die ersatzweise Zwangshaft herabzusetzen. Der Auskunftsantrag des Gläubigers und die Stellungnahme des Berufungsgerichts dazu in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils legen den Schluss nahe, dass der Gläubiger die ihm zuerkannten Auskunftsansprüche in ihrer Gesamtheit benötigt, um seinen Ausgleichsanspruch der Schuldnerin gegenüber zu berechnen. Deshalb ist bei der Festsetzung der Höhe von Zwangsmitteln nach § 888 Abs. 1 ZPO nicht danach zu differenzieren, in welchem Umfang die Schuldnerin Auskünfte bereits erteilt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über den Beschwerdewert erfolgt gemäß § 3 ZPO, §§ 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück