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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 8 U 104/03
Rechtsgebiete: InsO, GVG, AO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 96 Abs. 1 Nr. 3
InsO § 96 Nr. 3
InsO § 129
InsO § 130 Abs. 1
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 133
GVG § 17 a Abs. 5
AO § 149
AO § 150
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 U 104/03

Verkündet am 25. März 2004

in dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzender Richters am Oberlandesgericht ... sowie der Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 29. Oktober 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurück- gewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Auf den am 30.05.2001 eingegangenen Eigenantrag der Firma A... GmbH ... (demnächst: Schuldnerin) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin am 04.10.2001 eröffnet und der Kläger zum Verwalter bestellt.

Die Schuldnerin meldete für den Monat April 2001 eine in Höhe von 11.076,89 € zu entrichtende Lohnsteuer bei dem Finanzamt des beklagten Landes an. Die Schuldnerin zahlte diese Lohnsteuer, die am 15.05.2001 fällig wurde, am 31.05.2001 an das Finanzamt des Beklagten. Für den Monat Mai 2001 meldete die Schuldnerin einen zum 15.06.2001 fälligen Lohnsteuerbetrag in Höhe von 9.937,04 € an, zahlte jedoch hierauf am 29.06.2001 lediglich einen Teilbetrag von 3.885,82 €.

Der Kläger reichte am 09.01.2002 für die Monate April und Mai 2001 korrigierte Lohnsteueranmeldungen beim Finanzamt ein. Daraufhin setzte das Finanzamt die Steuern für den Monat April 2001 auf einen Betrag in Höhe von 1.281,19 € und für den Monat Mai 2001 auf 179,20 € fest. Nach entsprechender Saldierung ergab sich für den Monat April 2001 eine Überzahlung von 9.765,70 € und für den Monat Mai 2001 eine Überzahlung von 3.706,62 €. Das Finanzamt verrechnete diese Überzahlung von insgesamt 13.502,32 € - außer weiteren Erstattungsbeträgen - durch Umbuchungsmitteilung vom 14.03.2002 (Bl. 7 d.A.) auf für den Monat April 2001 zu entrichtende und im Folgemonat fällige Umsatzsteuerforderungen. In der Umbuchungsmitteilung vom 14.03.2002 sind Erstattungsansprüche der Schuldnerin in Höhe von insgesamt 14.985,75 € erfasst. Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 04.07.2002 (Bl. 8 d.A.) der Umbuchung des Steuerguthabens und forderte das Finanzamt zur Auskehrung des Betrages von 14.985,75 € auf.

Der Kläger hat zunächst jene 14.985,75 € mit seiner Klage geltend gemacht und dazu die Auffassung vertreten, das Finanzamt habe im Wege einer unzulässigen Aufrechnung (§ 96 Nr. 3 InsO) eine inkongruente Deckung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) erlangt.

Nach teilweiser Klagerücknahme unter Verwahrung gegen die Kostenlast

hat der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 13.522,31 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2002 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Finanzamt sei zur Aufrechnung befugt gewesen; die Aufrechnung sei nicht gemäß § 96 Nr. 3 InsO unzulässig gewesen, weil das Finanzamt die Möglichkeit der Aufrechnung aufgrund der korrigierten Steuerfestsetzung und damit nicht aufgrund einer anfechtbaren Rechtshandlung erlangt habe.

Der Kläger hat Berufung eingelegt.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem erstinstanzlichem Antrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht den mit der Klage verfolgten Anspruch für unbegründet erachtet.

I.

Als Rechtsgrundlage für den Klageanspruch kommt nur ein Steuererstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO) in Betracht. Dieser wäre nämlich noch nicht erfüllt, wenn - wie der Kläger geltend macht - die nach Insolvenzeröffnung erklärte Aufrechnung des Finanzamtes des Beklagten nicht zum Erlöschen des Anspruchs des Verwalters auf Steuerrückerstattung geführt hätte.

1.

An sich ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet. Vielmehr haben die Finanzgerichte über den Steuererstattungsanspruch zu entscheiden. Gleichwohl ist die Zuständigkeit des Senats gegeben. Dies folgt aus § 17 a Abs. 5 GVG. Nach dieser Vorschrift prüft das Rechtsmittelgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Das Landgericht ist in ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß § 17 a Abs. GVG nicht eingetreten und hat es auch nicht unter Missachtung einer Rüge (§ 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) versäumt.

2.

Die Voraussetzungen des Steuererstattungsanspruchs (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO) - wegen Wegfall des rechtlichen Grundes durch abweichende Festsetzung - sind nicht streitig. Der Steuererstattungsanspruch ist indessen durch die vom Finanzamt des beklagten Landes erklärte Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB). Dabei ist die Umsatzsteuerforderung, mit der das Finanzamt aufgerechnet hat, ebenfalls nicht streitig.

3.

Entgegen den Ausführungen des Klägers ist die Aufrechnung nicht gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig. Das Finanzamt des beklagten Landes hat die Möglichkeit der Aufrechnung nämlich nicht durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt.

Die aus Umsatzsteuer hergeleitete Insolvenzforderung hat der Beklagte nicht in anfechtbarer Weise erworben. Diese Steuerforderung ist kraft Gesetzes entstanden, und zwar ohne Mitwirkung der Schuldnerin bzw. des Finanzamtes.

Auch die Begründung der Steuererstattungsforderung beruht nicht auf einer anfechtbaren Rechtshandlung. Zwar sind die Lohnsteueranmeldungen der Schuldnerin wie auch die von ihr bewirkten Zahlungen als Rechtshandlungen im Sinne des § 129 InsO zu qualifizieren. Die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes liegen jedoch nicht vor.

a)

Der vom Kläger - allein - angeführte Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist nicht erfüllt. Das Finanzamt hat eine inkongruente Deckung nicht erlangt.

Die Schuldnerin war gemäß §§ 149, 150 AO zur Abgabe der Steuererklärungen verpflichtet, das Finanzamt hatte folglich darauf einen Anspruch. Die Schuldnerin hat durch die Steueranmeldungen die Rechtswirkungen ausgelöst, die bei einer Vorbehaltsfestsetzung (§ 168 AO) eintreten. Der Steuerpflichtige wird durch die Steueranmeldung in gleicher Weise verpflichtet, wie in dem Fall, in dem die Steuer durch die Finanzbehörde festgesetzt worden wäre (Rüsken in: Klein, AO, 8. Aufl., § 168 AO, Rdnr. 1). Durch die Anmeldungen der Schuldnerin und die entsprechend hierauf geleisteten Zahlungen sind die Steuerforderungen, die das Finanzamt zu beanspruchen hatte, begründet und ausgeglichen worden.

Zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führt die - an sich zutreffende - Erwägung des Klägers, das Finanzamt habe keinen Anspruch auf Abgabe "unrichtiger" Steuererklärungen. Auch im Falle einer "unrichtigen" Steuererklärung ist die auf diesem Weg vorläufig festgesetzte Steuer zu entrichten, weil sie als solche geschuldet ist (§ 168 Satz 1 AO). Die Leistung dieser so begründeten Steuerschuld ist mit Rechtsgrund erfolgt, mit der Folge, dass sie nicht zu einer inkongruenten Deckung geführt haben kann. Die Rückforderung der zuviel gezahlten kann der Steuerpflichtige nicht von sich aus betreiben; sie setzt vielmehr eine abweichende Festsetzung (§ 168 Satz 2 AO) voraus, die erst den rechtlichen Grund der Leistung nachträglich entfallen lässt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).

b)

Die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO lassen sich nach Lage des Falles nicht feststellen. Der Kläger trägt nämlich zum subjektiven Tatbestand dieser Vorschrift nichts vor, nämlich nichts dazu, dass der Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder den Eröffnungsantrag gekannt habe.

c)

Auch für eine Anfechtung nach § 133 InsO fehlt es an hinreichendem Vortrag des Klägers zu einem anfechtungsrechtlich bedeutsamen Vorsatz der Schuldnerin. Schon gar nicht trägt der Kläger Tatsachen vor, die auf eine Kenntnis der Bediensteten des Finanzamtes von einem solchen Vorsatz bzw. von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen.

II.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug, zugleich Beschwer des Klägers: 13.522,31 €.

Ende der Entscheidung

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