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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: 8 U 18/03
Rechtsgebiete: InsO, GmbHG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 143
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 2
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
GmbHG § 32 a
GmbHG § 32 a Abs. 1
GmbHG § 32 a Abs. 2
GmbHG § 32 a Abs. 3
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 U 18/03

Verkündet am 26. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2003 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ..., des Richters am Oberlandesgericht ... und des Richters am Landgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Januar 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Verwalterin in der Insolvenz über das Vermögen der D... W...handelsgesellschaft mbH I... E... V... - P... & Er... d.. B... (im folgenden: Schuldnerin).

Die Schuldnerin betrieb ein Unternehmen zum Import, Export und Vertrieb von Möbeln und der zur Herstellung der Möbel notwendigen Materialien. Zu der Beklagten unterhielt sie eine langjährige Geschäftsbeziehung.

Auf dem bei der Beklagten geführten Kontokorrentkonto der Schuldnerin mit der Konto-Nummer 6... kam es im Laufe des Jahres 2000 mehrfach zu Sollständen, die eine Größenordnung von bis zu 75.881,97 DM erreichten. Die Schuldnerin führte diese Sollstände jeweils innerhalb des laufenden Kalendermonats vollständig zurück.

Am 28. September 2000 trat die Schuldnerin der Beklagten mit einem im Hinblick auf einen unmittelbar bevorstehenden Gesellschafterwechsel abgeschlossenen Zessionsvertrag zur Sicherung aller bestehenden, künftigen, auch bedingten Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen die Wa...-M... G... GmbH & Co. KG (im folgenden: Wa... M...) ab.

Ebenfalls am 28. September 2000 übertrugen die drei Gesellschafter der Schuldnerin Bu..., Rü... und Pr ihre Geschäftsanteile an L... J..., der am folgenden Tag als neuer Alleingesellschafter und -geschäftsführer der Schuldnerin einen Insolvenzantrag stellte. Auf diesen Insolvenzantrag eröffnete das Amtsgericht Cottbus mit Beschluß vom 1. März 2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin.

Nach dem Eröffnungsantrag wies das bei der Beklagten geführte Kontokorrentkonto der Schuldnerin mit der Konto-Nummer 6... zunächst einen Sollstand von 91.040,84 DM auf. Am 9. Oktober 2000 verbuchte die Beklagte zugunsten dieses Kontos eine Zahlung der Wa... M... in Höhe von 15.547,24 DM, am 12. Oktober 2000 eine Zahlung des ehemaligen Gesellschafters Pr... in Höhe von 19.286,- DM und am 20. Oktober 2000 eine Zahlung der ehemaligen Gesellschafterin Rü... in Höhe von 55.449,90 DM. Nach Gutschrift dieser Zahlungen wies das Konto einen Habenstand von 200,- DM auf.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Verrechnung der drei Gutschriften sei als inkongruente Deckung anfechtbar, da der Beklagten ein Rückzahlungsanspruch erst nach Kündigung des - zumindest konkludent eingeräumten - Kontokorrentkredits zugestanden habe. Ferner hat sie die Verrechnungen auch als kongruente Deckungen für anfechtbar gehalten und dazu behauptet, die Beklagte habe den Insolvenzantrag und die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zur Zeit der Verrechnungen gekannt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 46.161,04 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, hinsichtlich des Kontokorrentkontos 6... habe es keine auch nur konkludente Kreditvereinbarung zugunsten der Schuldnerin gegeben. Sie habe die Überziehung des Kontos lediglich geduldet. Von dem Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe die Beklagte erst am 13. Oktober 2000 aus der Presse erfahren. Die ehemaligen Gesellschafter Rü... und Pr... hätten mit ihren Zahlungen eigene Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten erfüllt, die sie freigiebig zugunsten der Schuldnerin eingegangen seien.

Das Landgericht hat der Klage entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in Höhe von 15.547,24 DM stehe der Klägerin ein insolvenzrechtlicher Rückgewähranspruch zu, weil die Beklagte mit der Zession vom 28. September 2000 eine inkongruente Sicherung erlangt habe und an der gemäß § 143 InsO geschuldeten Rückabtretung in der bezeichneten Höhe infolge eines Erlöschens der Forderung durch die Zahlung der Wa... M..., die auf die Abtretung hin gezahlt habe, gehindert sei. Die Verrechnung des Betrages von 19.286,- DM sei nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO und die Verrechnung weiterer 55.449,90 nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, wobei die objektive Benachteiligung der Gläubiger jeweils daraus folge, daß die Überweisungen der ehemaligen Gesellschafter der Schuldnerin eigenkapitalersetzenden Darlehen entsprächen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie hält das angefochtene Urteil für verfahrensfehlerhaft zustandegekommen und rügt die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung des Landgerichts, die Wa... M... habe auf die Zession gezahlt. Ferner wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht ein insolvenzrechtlicher Rückgewähranspruch (§ 143 Abs. 1 InsO) nicht zu.

I.

Zwar handelt es sich bei den am 9., 12. und 20. Oktober 2000 vorgenommenen Verrechnungen auf dem Konto der Schuldnerin um Rechtshandlungen. Von diesen Rechtshandlungen hat aber nur die Gutschrift der Zahlung der Wa... M... über 15.547,24 DM zu einer objektiven Benachteiligung der Gläubiger geführt (§ 129 Abs. 1 InsO), während die Gutschrift der Zahlungen der ehemaligen Gesellschafter Pr... in Höhe von 19.286,- DM und Rü... in Höhe von 55.449,90 DM die Insolvenzmasse nicht geschmälert, sondern zu einer Verringerung der Schuldenmasse geführt haben.

Bei den Zahlungen von Pr... und Rü... handelt es sich um Zahlungen Dritter an die Beklagte als eine Gläubigerin der Schuldnerin. Pr... und Rü... zahlten, wie das Landgericht - insoweit von den Parteien nicht angegriffen - festgestellt hat (Bl. 196 d.A.), aufgrund eigener Vereinbarungen mit der Beklagten an diese, nicht an die Schuldnerin. Die Beklagte hat diese Zahlungen sodann mit dem Sollstand des Kontos der Schuldnerin verrechnet, ohne daß dieser jedoch aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf die Gutschrift der Beträge auf dem Konto 6... zustand. Die Gutschrift war vielmehr nur die buchungstechnische Folge der Zahlungen der ehemaligen Gesellschafter an die Beklagte.

Durch Leistungen eines Dritten an den Gläubiger des Schuldners wird dessen Aktivmasse aber nur dann geschmälert, wenn der Schuldner damit gleichzeitig einen Anspruch gegen den Dritten verliert. Das wiederum setzt voraus, daß der Dritte dem Schuldner verpflichtet ist und durch die Leistung dem Schuldner gegenüber von einer Leistungspflicht frei wird. Nur bei dieser Fallgestaltung kann die Leistung des Dritten an den Gläubiger zu einer Minderung des Schuldnervermögens führen, die darin besteht, daß der Schuldner einen eigenen Anspruch verliert, der der Höhe nach der Leistung des Dritten an den Gläubiger entspricht (vgl. Senat, Urteil vom 27. Februar 2003, Az.: 8 U 91/02).

Eine solche Verpflichtung der ehemaligen Gesellschafter gegenüber der Schuldnerin bestand im Streitfall nicht. Insbesondere läßt sich eine derartige Verpflichtung nicht aus § 32 a Abs. 1 GmbHG ableiten.

a) Diese Vorschrift ordnet bereits die vom Landgericht angenommene Rechtsfolge nicht an.

§ 32 a Abs. 1 GmbHG verpflichtet einen Gesellschafter nicht dazu, der Gesellschaft Eigenkapital zuzuführen. Vielmehr bestimmt diese Vorschrift, daß der Gesellschafter, der der GmbH in der Krise statt Eigenkapital lediglich ein Darlehen überläßt, seinen Rückgewähranspruch in der Insolvenz der Gesellschaft nur als nachrangiger Insolvenzgläubiger geltend machen kann.

Besonders deutlich wird der rechtsfehlerhafte Ansatz der Argumentation des Landgerichts anhand der Vorschrift des § 32 a Abs. 2 GmbHG. Dessen Voraussetzungen liegen im Streitfall zwar unzweifelhaft nicht vor. Die Situation des Streitfalls ist aber der dort geregelten zumindest vergleichbar. Danach muß der dritte Kreditgeber, dem sich der Gesellschafter verbürgt hat, sich an den Bürgen verweisen lassen und kann von der Insolvenzmasse nur das verlangen, womit er bei dem Bürgen ausfällt. Zahlt nun der Gesellschafter-Bürge an den Kreditgeber, so darf dieser das Erlangte behalten. § 32 a GmbHG ordnet gerade nicht an, daß der Kreditgeber etwa erst den Bürgen verklagen müsse und dann das Erstrittene an die Insolvenzmasse herauszugeben hätte.

b) Darüber hinaus liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 a Abs. 1 und 3 GmbHG nicht einmal vor.

Es kann bereits nicht festgestellt werden, daß Pr... und Rü... zum Zeitpunkt der Zahlungen im Oktober 2000 noch Gesellschafter der Schuldnerin waren. Beide hatten ihre Geschäftsanteile bereits am 28. September 2000 an einen Dritten abgetreten.

Die Zahlungen stellen auch keine der Schuldnerin gewährten Darlehen dar, weil es an einer dahingehenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen den ehemaligen Gesellschaftern und der Schuldnerin fehlt. Ebensowenig stehen die Zahlungen einer Darlehensgewährung gemäß § 32 a Abs. 3 GmbHG gleich. Es fehlt nämlich jeder Anhaltspunkt dafür, daß die ehemaligen Gesellschafter der Schuldnerin mit den Zahlungen Kapital zur zeitweisen Nutzung, d.h. verbunden mit einem Rückforderungsanspruch, überlassen wollten. Pr... und Rü... haben vielmehr Verbindlichkeiten der Schuldnerin beglichen, ohne einen Rückzahlungsanspruch zu begründen. Sie haben zudem nicht an die Schuldnerin, sondern an die Beklagte gezahlt. Hierdurch haben sie die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gemindert, ohne der Masse Mittel zu entziehen; ihre Zahlungen benachteiligen die übrigen Gläubiger also nicht, sondern begünstigen sie.

c) Das von der Klägerin zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung herangezogene Urteil des BGH vom 7. Februar 2002 (NJW 2002, 1574; vgl. Bl. 265 d.A.) verhält sich nicht zu eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall ist auch im übrigen mit dem Streitfall nicht zu vergleichen. Insbesondere hat im Streitfall nicht - wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall - die Schuldnerin mit darlehensweise in Anspruch genommenen Mitteln eine Forderung der Beklagten erfüllt. Die Beklagte hat nicht der Schuldnerin ein Darlehen zur Verfügung gestellt, sondern allein den - bereits ausgeschiedenen - Gesellschaftern.

II.

Die Gutschrift der Zahlung der Wa... M... ist ebenfalls nicht anfechtbar.

1. Eine auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO gestützte Anfechtung kommt nicht in Betracht, weil die Verrechnung der Beklagten keine inkongruente Befriedigung gewährt hat. Vielmehr hat die Beklagte mit der Gutschrift erhalten, was ihr zustand.

a) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Sicherungszession vom 28. September 2000 der Beklagten eine inkongruente Sicherung gewährt hat.

aa) Die Klägerin begehrt nicht die Rückabtretung der gesamten mit dieser Zession an die Beklagte abgetretenen Forderungen. Sie meint vielmehr, ihren Zahlungsanspruch nicht nur auf die Anfechtbarkeit der Verrechnung der Zahlung der Wa... M..., sondern auch auf die Anfechtbarkeit der Zession und den daraus folgenden Sekundäranspruch auf Wertersatz stützen zu können.

bb) Die Zahlung der Wa... M... hat mit der Sicherungsabtretung jedoch nichts zu tun. Die Wa... M... hat ersichtlich nicht "auf die Forderungsabtretung", also an die Beklagte, gezahlt, wie das Landgericht meint, sondern ohne Kenntnis von dieser Abtretung an die Schuldnerin geleistet.

Eine Offenlegung der Zession gegenüber der Wa... M... hat keine der Parteien auch nur sinngemäß behauptet. Der Vortrag der Beklagten, die Sicherungszession sei "vollzogen" worden (Bl. 104 d.A.), läßt den vom Landgericht gezogenen Schluß auf eine Leistung auf die Abtretung nicht zu. Anhaltspunkte dafür, daß damit eine Offenbarung der Abtretung gegenüber der Wa... M... gemeint gewesen sein könnte, sind nicht zu erkennen.

b) Die Verrechnung selbst war kongruent, weil der Beklagten in dieser Art und zu dieser Zeit ein fälliger Anspruch gegen die Schuldnerin auf Rückführung des Soll-Saldos aus einer Verletzung des Kontoführungsvertrages zustand. Der vorherigen Kündigung eines Kreditvertrages bedurfte es nicht, weil ein solcher, das Kontokorrentkonto Nr. 6... betreffender Kreditvertrag zwischen der Schuldnerin und der Beklagten nicht zustande gekommen ist.

Der Kontoeröffnungsantrag beinhaltet gerade nicht die Einräumung eines Kontokorrentkredits. Konkrete Anhaltspunkte für eine nach der Kontoeröffnung getroffene ausdrückliche Abrede der Vertragsparteien über die Einräumung eines Kontokorrentkredits, ggf. bis zu einer bestimmten Höhe, lassen sich dem Vortrag der Parteien nicht entnehmen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht im Streitfall auch nichts für eine nachträgliche konkludent getroffene Kreditvereinbarung. Insbesondere kann auf eine solche Vereinbarung nicht aus der Duldung von Überziehungen des Kontos geschlossen werden.

Die - nicht rechtsgeschäftliche und einen Darlehensvertrag nicht begründende - bloße Duldung einer Kontoüberziehung ist von der Einräumung eines Kredits zu unterscheiden. Maßgeblich ist, ob die Bank mit der Einräumung (oder Erhöhung) einer Kreditlinie einverstanden ist und durch die Tolerierung der Kontobelastung das Angebot des Bankkunden auf Abschluß eines Darlehensvertrages annimmt (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 75 Rn. 15), wobei immer auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen ist (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski a.a.O., § 75 Rn. 14).

Nach den im Streitfall erkennbaren Umständen kann von einem derartigen Einverständnis der Beklagten mit der Einräumung eines Kredits nicht ausgegangen werden. Auf den vorgelegten Kontoauszügen findet sich kein Hinweis auf einen Kreditrahmen. Während der Überziehung hat die Beklagte der Schuldnerin nicht Kreditzinsen, sondern Überziehungszinsen berechnet. Das Konto war im Jahr 2000 ausweislich der Kontoverdichtung zwar mehrfach in unterschiedlicher Höhe im Soll, ist aber bis zum August 2000 in jedem Kalendermonat in den Bereich "Haben" zurückgeführt worden. Aus dem Verhalten der Beklagten, die stets kurzfristig wieder zurückgeführten Überziehungen zuzulassen, kann daher noch nicht geschlossen werden, die Beklagte habe der Schuldnerin einen vertraglichen Anspruch auf die Überziehung des Kontos einräumen wollen. Ebensowenig kann danach angenommen werden, die Beklagte habe die Rückführung der Sollstände von einer Kündigung abhängig machen wollen.

Dementsprechend fehlt auch für die Höhe eines derartigen Anspruchs der Schuldnerin auf Einräumung eines Überziehungskredits und für die Dauer der Überlassung der Mittel jeder Anhaltspunkt. Selbst nach dem Vortrag der Klägerin kann nicht angenommen werden, daß die Beklagte der Schuldnerin Kredit in beliebiger Höhe einräumen wollte. Das Zulassen der verschiedenen Überziehungen gibt für die Höhe eines zu gewährenden Darlehens keinen Aufschluß, weil die Schuldnerin diese Überziehungen in ganz unterschiedlicher Höhe in Anspruch genommen hat.

Schließlich hat die Schuldnerin für die Rückführung der Überziehungen stets aus eigenen Stücken gesorgt, ohne daß jemals eine - nach der Vorstellung der Klägerin den Rückzahlungsanspruch erst begründende - Kündigung ausgesprochen worden wäre.

Damit sprechen entgegen der Ansicht der Klägerin alle maßgeblichen Umstände dafür, daß die Beklagte der Schuldnerin keinen Kredit in einer bestimmten Höhe gewähren wollte, sondern mit der Ausführung der Zahlungsanweisungen der Schuldnerin jeweils nur im Einzelfall eine - kurzfristige - Kontoüberziehung geduldet hat, wobei den Parteien des Kontovertrages stets bewußt war, daß die Beklagte jederzeit ohne weiteres die sofortige Rückführung etwaiger Sollstände verlangen konnte.

2. Die Klägerin kann die Anfechtung auch nicht mit Erfolg auf § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO stützen, da sie die subjektiven Voraussetzungen dieses Anfechtungstatbestands nicht dargetan hat.

a) Die Klägerin hat nicht substantiiert dazu vorgetragen, daß die Beklagte zur Zeit der Verrechnung am 9. Oktober 2000 den Eröffnungsantrag kannte. Auch auf den Hinweis in der Prozeßleitenden Verfügung vom 2. April 2003 (Bl. 251 d.A.), der dies impliziert, hat die Klägerin nicht näher dargetan, wann und auf welche Weise die Beklagte von dem Antrag vor dem 13. Oktober 2000 Kenntnis erlangt haben soll. Ihr Vortrag läßt sich nicht einmal mit Bestimmtheit erkennen, daß die ehemaligen Gesellschafter Kenntnis von diesem Vorgang hatten und der Beklagten darüber hätten berichten können.

b) Ebensowenig läßt sich dem Vortrag der Klägerin entnehmen, daß die Beklagte am 9. Oktober 2000 die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin positiv kannte. Bereits zur Zahlungsunfähigkeit selbst - vor dem Eröffnungsantrag - fehlt näherer Tatsachenvortrag; die Klägerin hat die Vermögensentwicklung der Schuldnerin vor dem Eröffnungsantrag nicht dokumentiert. Die Zahlungseinstellung liegt zwar dann in der Stellung des Eigenantrages am 29. September 2000; diesen Eröffnungsantrag kannte die Beklagte aber nicht (s.o.).

c) Auch zu der Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen (§ 130 Abs. 2 InsO), hat die Klägerin weder in erster noch - trotz des Hinweises in der Prozeßleitenden Verfügung - in zweiter Instanz näher vorgetragen.

Die Kenntnis dieser besonderen Umstände reicht nur aus, wenn sich ein redlich und vernünftig Denkender angesichts der ihm bekannten Tatsachen der Einsicht nicht verschließen konnte, daß der Schuldner zahlungsunfähig war oder den Eröffnungsantrag gestellt hatte (vgl. Heidelberger Kommentar zur InsO/Kreft, 2. Aufl., § 130 Rn. 26).

Im Streitfall wußte die Beklagte zwar um den Stand der bei ihr geführten Konten, kannte also den Soll-Stand des hier interessierenden Kontokorrentkontos. Dieser lag aber Anfang Oktober 2000 mit 91.040,84 DM nur unwesentlich über den Soll-Ständen, die das Konto im Laufe des Jahres 2000 mehrfach aufgewiesen und die die Schuldnerin jeweils kurzfristig wieder vollständig zurückgeführt hatte. Er läßt daher für sich allein gesehen keinen Rückschluß der Beklagten auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu.

Einen solchen Rückschluß erlaubt auch nicht das am 28. September 2000 geführte Gespräch zwischen Vertretern der Beklagten und Gesellschaftern der Schuldnerin. Zum näheren Inhalt dieses Gesprächs hat die Klägerin nämlich nicht vorgetragen. Das während dieses Gesprächs geäußerte Verlangen der Beklagten nach einer Rückführung des Sollstandes läßt einen Rückschluß auf die Zahlungsunfähigkeit nicht zu. Auch die Sicherungszession zwang zu diesem Schluß nicht.

Ebensowenig erzwangen der Gesellschafterwechsel und die von der Klägerin nicht näher substantiierte, von der Beklagten aber auch nicht in Abrede gestellte "Betreuung" der von den ehemaligen Gesellschaftern der Schuldnerin neu gegründeten GmbH durch die Beklagte den Schluß auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin am 9. Oktober 2000. Diese ist nämlich nicht der einzige oder auch nur naheliegendste Anlaß für einen Gesellschafterwechsel.

Auch eine Kollusivität des Zusammenwirkens von Schuldnerin und Beklagter erschließt sich daraus noch nicht. Das Ziel, eine schnelle Rückführung des Sollstandes zu erreichen, gibt entgegen der Ansicht der Klägerin hierfür nichts her, weil die Beklagte auf diese schnelle Rückführung einen Anspruch hatte. Maßgeblich ist vielmehr die für die Beklagte erkennbare Vermögenslage der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Verrechnung vom 9. Oktober 2000. Hierzu hat die Klägerin indes trotz des ihr erteilten Hinweises nicht näher vorgetragen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert im Berufungsrechtszug, zugleich Beschwer der Beklagten: 46.161,04 €.

Ende der Entscheidung

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