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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.04.2001
Aktenzeichen: 8 W 92/01
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 104
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 91
ZPO § 689 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
RPflG § 11
RPflG § 21
BRAGO § 53
BRAGO § 33 Abs. 3
BRAGO § 78
BRAGO § 28
BRAGO § 28 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

8 W 92/01 8 O 27/00 Landgericht Potsdam

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Beilich, des Richters am Oberlandesgerichts Fischer und des Richters am Landgericht Hänisch

am 19. April 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 15. März 2001 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Potsdam vom 23. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Gründe:

Die gemäß §§ 104 ZPO, 11, 21 RPflG zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

I.

Die Klägerin hat zur Erstattung angemeldet die Gebühren ihrer in Braunschweig ansässigen Prozessbevollmächtigten (nämlich die Prozessgebühr, eine 3/10-Gebühr gemäß § 33 Abs. 3 BRAGO - jeweils nach dem Gebührensatz von 100 % - nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer), die Gebühren der in Potsdam ansässigen Unterbevollmächtigten (Terminsvertreter) gemäß § 53 BRAGO (nach dem ermäßigten Gebührensatz von 90 %, ebenfalls nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) sowie die verauslagten Gerichtskosten. Die Rechtspflegerin hat mit der Begründung, die Beauftragung von Unterbevollmächtigten hätte vermieden werden können, als außergerichtliche Kosten nur die Gebühren eines Anwalts (nach dem Gebührensatz von 100 %) festgesetzt und dabei anstelle der Gebühr nach § 33 Abs. 3 BRAGO eine 5/10-Gebühr für eine nicht streitige Verhandlung berücksichtigt.

Gegen die Absetzung wendet sich die Klägerin. Sie verweist darauf, dass sie mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid nicht habe zu rechnen brauchen. Sie habe sich also kostensparend verhalten, indem sie ihre Potsdamer Rechtsanwälte nicht als Prozessbevollmächtigte, sondern nur als Unterbevollmächtigte bestellt habe. Auch wenn ihre Braunschweiger Prozessbevollmächtigten den Termin wahrgenommen hätten, wären die Kosten nicht niedriger gewesen, da dann Reisekosten entstanden wären.

II.

Die angefochtene Entscheidung ist - jedenfalls im Ergebnis - nicht zum Nachteil der Klägerin falsch.

1. Nach der eindeutigen Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Anwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Anwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Wie die Rechtspflegerin richtig erkannt hat, war ein Anwaltswechsel nicht notwendig im Sinne dieser Bestimmung, weil - nach dem Wegfall des Lokalisierungsprinzips zum 1.1.2000 (§ 78 ZPO n. F.) - die Braunschweiger Prozessbevollmächtigten auch vor dem Landgericht Potsdam postulationsfähig waren. Die Bestimmungen des § 91 ZPO sind nicht geändert worden.

2. Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde auf die (frühere) ständige Rechtsprechung des Senats, wie sie u. a. auch in der die Klägerin betreffenden Beschwerdeentscheidung vom 1.9.1997 - 8 W 258/97 - eingehend begründet worden ist. Diese Rechtsprechung ist jedenfalls auf den vorliegenden Streitfall, der sich nach der Neuregelung des § 78 BRAGO richtet, nicht übertragbar.

Die frühere Rechtsprechung des Senats ging - mit dem ganz überwiegenden Teil der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte - davon aus, dass ein Anwaltswechsel (i. S. d. § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO) dann eintreten musste, wenn der Kläger das Mahnverfahren - wie es das Gesetz in § 689 Abs. 2 ZPO befiehlt - an seinem allgemeinen Gerichtsstand (unter Beauftragung eines dort ansässigen Rechtsanwalts) betrieb, mit einem Widerspruch (und damit mit einer späteren Abgabe an ein anderes Streitgericht) nicht rechnen musste und nach Abgabe an das Streitgericht genötigt war, einen anderen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, weil der Mahnanwalt bei dem Streitgericht nicht postulationsfähig (§ 78 ZPO a. F.) war. Dagegen hat auch der Senat die Erstattungsfähigkeit der Kosten mehrerer Anwälte stets verneint, wenn ein Anwaltswechsel deshalb nicht notwendig war, weil der Mahnanwalt auch beim Streitgericht postulationsfähig war, oder wenn mit einem Widerspruch zu rechnen war. Für letzteren Fall hat der Senat angenommen, der Kläger sei auch dann nicht gezwungen, vom Mahnverfahren Abstand zu nehmen, aber gehalten, dem zu erwartenden Widerspruch und damit der Abgabe an das Streitgericht dadurch Rechnung zu tragen, dass er sogleich - auch für das Mahnverfahren - einen Anwalt beauftrage, der auch vor dem Streitgericht postulationsfähig war.

Da nunmehr alle bei einem Amts- oder Landgericht zugelassenen Anwälte vor allen Landgerichten postulationsfähig sind (§ 78 Abs. 1 ZPO n. F.) und dies - nach Abgabe an das Landgericht Potsdam - auch im Streitfall so war, liegen die Voraussetzungen vor, unter denen der Senat bisher schon die Erstattungsfähigkeit der Kosten mehrerer Anwälte stets verneint hat.

3. Ohne Erfolg meint die Beschwerde - so versteht der Senat sie -, es müssten dann aber die Anwaltsreisekosten (nach fiktiver Berechnung) mit festgesetzt werden.

Nach der insoweit ebenfalls eindeutigen Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind Anwaltsreisekosten grundsätzlich nicht erstattungsfähig, wenn nicht die Zuziehung (des auswärtigen Anwalts) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Auf die Entfernung des Sitzes der Partei und/oder ihres Anwalts vom Sitz des Prozessgerichts kommt es dabei nicht an. Soweit andere Gerichte in diesem Punkt eine andere Auffassung vertreten, folgt der erkennende Senat ihnen angesichts des klaren und eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht (so auch ohne jeden weiteren Kommentar: Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., § 28 BRAGO Rn. 43). Die Voraussetzungen der in § 91 Abs. 2 Satz 1 geregelten Ausnahme liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor.

Allerdings trägt der erkennende Senat - ebenfalls in ständiger Rechtsprechung - der seit dem 1.7.1994 geltenden Neufassung des § 28 BRAGO dadurch Rechnung, dass er die Anwaltsreisekosten unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Höhe fiktiver Parteireisekosten als erstattungsfähig anerkennt. § 28 Abs. 1 Satz 2 BRAGO bestimmt nunmehr - im Gegensatz zum früheren Recht -, dass eine Geschäftsreise vorliegt, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet. Während der Anwalt nach früherem Recht Reisekosten zum Prozessgericht seinem Auftraggeber nicht in Rechnung stellen konnte, wenn er seine Kanzlei (oder Wohnung) nicht am Sitz des Prozessgerichts hatte, bei dem er zugelassen war, kann sich der Auftraggeber heute einer solchen Forderung seines Anwalts nicht entziehen. Das allein bedeutet aber noch nicht, dass die Anwaltsreisekosten "notwendig" i. S. d. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind. Die Partei könnte nämlich unter Wahrung ihrer Pflicht zur kostenschonenden Prozessführung einen Anwalt beauftragen, der seine Kanzlei (oder Wohnung) am Sitz des Prozessgerichts hat. Sie müsste dann allerdings (regelmäßig) selbst diesen am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt aufsuchen, um ihn zu beauftragen und zu informieren. Die Aufwendungen, die sie für eine solche Reise (von ihrem Wohn- bzw. Geschäftssitz aus) hätte, erspart sie durch die Beauftragung des nicht am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Anwalts. Es ist deshalb gerechtfertigt, die - ersparten - Kosten einer (fiktiven) Parteiinformationsreise als "notwendig" i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzuerkennen und deshalb die (an sich nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erstattungsfähigen) Anwaltsreisekosten bis zur Höhe der fiktiven Parteireisekosten als erstattungsfähig festzusetzen.

Das gilt allerdings dann nicht, wenn eine (fiktive) Parteireise nicht (einmal) "notwendig" i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist. Das ist dann der Fall, wenn die Partei ihren Anwalt nicht mündlich informieren muss, sondern eine schriftliche Information - ggf. mit fernmündlicher Erläuterung - ausreicht. So liegt es namentlich dann, wenn der Rechtsstreit einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall aus dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Partei betrifft. Insbesondere der Streitfall liegt so. Der Klage Liegt ein notleidend gewordener Darlehensvertrag zugrunde. Das Darlehen hatte die Klägerin als Bank im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit ausgereicht. Für ihre Darlehensforderung hatte sich die Klägerin von der Beklagten eine Bürgschaft geben lassen. Alle die Klage begründenden Tatsachen sind urkundlich belegt. Die Klägerin hätte einem am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt nur die betreffenden Urkunden zu übersenden brauchen, um ihn zuverlässig und vollständig zu informieren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 643,34 DM.

Ende der Entscheidung

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