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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.03.2008
Aktenzeichen: 9 UF 111/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 629 a Abs. 3
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 1569
BGB § 1571
BGB § 1579 Nr. 2 n. F.
BGB § 1579 Nr. 7 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

9 UF 111/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 27.03.2008

verkündet am 27.03.2008

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2008 durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Werr als Vorsitzende sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht Rohrbach-Rödding und Gieseke als beisitzende Richterinnen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Antragstellers wird unter teilweiser Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Senftenberg vom 30.03.2007 - 31 F 313/05 - zu dessen Ziffer 3. die Klage der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt abgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin verlangt vom Antragsteller nachehelichen Unterhalt.

Der am ... 1935 geborene Antragsteller und die am ... 1938 geborene Antragsgegnerin haben am 28. Juni 1990 die Ehe geschlossen. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Trennung erfolgte im Dezember 2003. Der Antragsteller begehrte mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 die Scheidung, der die Antragsgegnerin zustimmte.

Die Antragsgegnerin verlangt unter Bezugnahme auf eine privatschriftliche Vereinbarung der Parteien vom 22. Dezember 2003 nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 120,00 €. Die Vereinbarung lautet wie folgt:

"Ich, H... J..., ziehe mit Wirkung des unteren Datums aus der ehelichen Wohnung in S..., P...-Straße 16, aus.

Meine Ehefrau, E... J..., verbleibt in derselben wohnen.

Mit beiderseitigem Einverständnis zahle ich meiner Frau E..., ab Mai 2004, einen Versorgungsausgleich in Höhe von 120,00 € monatlich."

Diese Vereinbarung hat die Antragsgegnerin anlässlich des Auszugs des Antragstellers gefertigt. Sie ist von beiden Parteien unterschrieben worden.

Beide Parteien sind Altersrentner. Der Antragsteller bezieht seit dem 1. August 1995 Rente, die Antragsgegnerin seit dem 1. Januar 1999. Die monatliche Rente des Antragstellers beläuft sich derzeit auf netto 1.157,27 €, die der Antragsgegnerin auf 689 €. Die Antragsgegnerin verfügt über ein Bankguthaben von 4.467 €. Beiden Parteien steht anteilig die Hälfte eines Sparbriefs im Wert von 6.510 € zu.

Der Antragsteller hat Ratenkredite zu bedienen (monatlich 36 € und 336 €). Die Verträge sind nach der Trennung der Parteien geschlossen worden. Außerdem unterhält er eine Sterbegeldversicherung und zwei Unfallversicherungen.

Der Antragsteller ist an seniler Demenz erkrankt. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Juni 2007 ist ihm für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Körperschaften und Gerichten Frau G... L... als Betreuerin bestellt worden.

Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, die Vereinbarung vom 22. Dezember 2003 betreffe nur Trennungsunterhalt. Er meint, von einer Scheidung sei noch gar nicht auszugehen gewesen. Jedenfalls habe er die Vereinbarung so verstanden. Außerdem macht er geltend, die Antragsgegnerin sei nicht bedürftig, weil ihre eigene Rente durch den noch durchzuführenden Versorgungsausgleich sich erhöhen, während seine Rente verringert werde. Außerdem habe die Antragsgegnerin Vermögen.

Der Antragsteller hat gemeint, ein etwaiger Unterhaltsanspruch sei jedenfalls verwirkt. Seit der Trennung habe die Antragsgegnerin einen Lebensgefährten. Beide verfügten zwar über getrennte Wohnungen. In diesen Wohnungen lebten sie aber abwechselnd gemeinsam. Außerdem wirtschafteten sie gemeinsam und verbrächten auch ihre Urlaube zusammen. Hierfür hat er Beweis angetreten.

Weiter sei nachehelicher Unterhalt jedenfalls zu befristen, da die Antragsgegnerin keine beruflichen Nachteile durch die ohnehin nicht sehr lang dauernde Ehe erlitten habe.

Die Antragsgegnerin hat bestritten, mit einem Lebensgefährten zusammenzuleben. Es sei zutreffend, dass sie einen "Bekannten" habe. Demgegenüber habe aber der Antragsteller eine neue Lebensgefährtin.

Das Amtsgericht Senftenberg hat durch Verbundurteil vom 30. März 2007 die Scheidung der Ehe ausgesprochen, den Versorgungsausgleich durchgeführt und dem Antrag der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt in Höhe von 120,00 € monatlich stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragstellers, der nach wie vor die Klageabweisung begehrt. Er rügt, das Amtsgericht habe die Vereinbarung falsch ausgelegt und sämtliche sonstigen Argumente des Antragstellers kommentarlos übergangen. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, dass er leistungsunfähig sei. Die Betreuerin prüfe derzeit, ob Insolvenz angemeldet werden müsse.

Der Antragsteller beantragt nunmehr,

unter "Aufhebung" des Urteils des Amtsgerichts Senftenberg vom 30. März 2007 den Antrag auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt abzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet. Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller kein Anspruch auf Unterhalt nach der Scheidung zu.

Die Parteien sind seit dem 11.09.2007 rechtskräftig geschieden. Die Rechtskraft ist gemäß § 629 a Abs. 3 ZPO nach Ablauf eines Monats seit Zustellung der Rechtsmittelbegründung eingetreten. Die Berufungsbegründung des Antragstellers ist die Antragsgegnerin am 09.08.2007 zugestellt worden. Da der 09.09.2007 ein Sonntag war, lief die Frist am 10.09.2007 ab.

Die Antragsgegnerin kann einen Anspruch auf Unterhalt nicht aus der privatschriftlichen Vereinbarung vom 22.12.2003 herleiten. Die Vereinbarung ist schon deshalb auslegungsbedürftig, weil die Parteien von "Versorgungsausgleich" gesprochen haben, während sie eine Regelung über Unterhalt treffen wollten. Es gelten die allgemeinen Auslegungsregeln, §§ 133, 157 BGB. Danach ist der wirkliche Wille der Parteien festzustellen, ausgehend vom Wortlaut der Erklärung und unter Heranziehung der Begleitumstände. Außerdem sind vor allem die Interessenlage beider Parteien und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Bei einem Unterhaltsvergleich ist weiter zu beachten, dass dieser für beide Seiten interessengerecht ausgelegt werden muss (BGH, FamRZ 2003, 741). Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Parteien anlässlich ihrer Trennung und des Auszuges des Antragstellers nicht nur die Benutzung der bisherigen Ehewohnung, sondern auch den Trennungsunterhalt regeln wollten. Außer Zweifel steht, dass sie mit "Versorgungsausgleich" monatliche Unterhaltsleistungen gemeint haben. Entsprechende Zahlungen hat der Antragsteller auch geleistet. Die Parteien streiten allerdings darüber, ob nur der Trennungsunterhalt geregelt werden sollte oder auch ein eventueller nachehelicher Unterhalt. Während der Antragsteller dazu ausdrücklich vorträgt, er habe an Scheidung zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht, und er habe den Vergleich als solchen über den Trennungsunterhalt verstanden, trägt die Antragsgegnerin nichts dazu vor, wie sie zum Zeitpunkt der Formulierung der Vereinbarung diese verstanden haben will. Sie stellt lediglich auf deren Wortlaut ab und schließt aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung darauf, es sei auch um nachehelichen Unterhalt gegangen.

Dies kann man aber nach der beiderseitigen Interessenlage und den bekannten Umständen des Zustandekommens der Vereinbarung nicht annehmen. Entscheidend ist insoweit nicht, ob eine ausdrückliche Begrenzung vorgenommen worden ist, sondern für welchen Zeitraum überhaupt ein Unterhaltsanspruch vereinbart werden sollte. Wie es zur Trennung gekommen ist, und wie viel Zeit den Parteien zur Verfügung gestanden hat, sich über die Zahlung von Unterhalt zu vereinbaren, ist nicht vorgetragen worden. Unstreitig ist jedoch, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller die von ihr gefertigte Vereinbarung mit der Bitte um Unterzeichnung vorlegte. Dass es darüber hinaus zu einer Unterhaltung zwischen den Parteien gekommen ist, in der etwa Argumente ausgetauscht worden wären, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist vorgetragen worden, ob bereits absehbar war, dass die Trennung dauerhaft sein würde und in eine Scheidung münden sollte. Der Scheidungsantrag ist jedenfalls nicht direkt nach Ablauf eines Trennungsjahres gestellt worden, sondern erst etwa 10 Monate später. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien eine - sehr weitreichende - Vereinbarung auch über den nachehelichen Unterhalt treffen wollten. Allein das Fehlen einer ausdrücklichen Erwähnung eines Beendigungszeitraumes reicht nicht aus, um auf den Willen beider Parteien zu schließen, eine Regelung auch über den Zeitpunkt einer etwaigen Scheidung hinaus treffen zu wollen. Dem widerspricht auch die Interessenlage des Antragstellers. Das Interesse beider Eheleute war vielmehr darauf gerichtet, unmittelbar die Folgen der räumlichen Trennung zu regeln, wie der Zusammenhang der getroffenen Regelungen zeigt.

Die Tatsache, dass der Antragsteller im Antrag auf Ehescheidung angegeben hat, die Parteien hätten sich im Übrigen einvernehmlich geeinigt, gibt für die Auslegung des Vergleichs ebenfalls nichts her. Während in der Antragsschrift Hausrat, Wohnung und Vermögen ausdrücklich erwähnt werden, ist darin von Unterhalt nicht die Rede. Da der Antragsteller für sich keinen Unterhalt verlangt hat, sagt die Antragsschrift auch nichts darüber aus, ob mit der einvernehmlichen Einigung auch ein etwaiger Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gemeint sein sollte. Angesichts der verbleibenden Zweifel über die Reichweite der Vereinbarung, über die sich beide Parteien möglicherweise gar keine Gedanken gemacht haben, kann nach der Interessenlage beider Parteien nur davon ausgegangen werden, dass lediglich der Trennungsunterhalt erfasst sein sollte.

Der Antragsgegnerin steht auch kein Anspruch auf Unterhalt wegen Alters gemäß §§ 1569, 1571 BGB zu. Allerdings ist die Antragsgegnerin Altersrentnerin, sodass ihr nicht zugemutet werden kann, sich durch Erwerbstätigkeit selbst zu unterhalten. Auch ist ihre Rente eher gering. Ein etwaiger Anspruch ist jedoch gemäß § 1579 Nr. 7 BGB a. F. bzw. § 1579 Nr. 2 BGB n. F. wegen grober Unbilligkeit zu versagen. Die Antragsgegnerin lebt in einer verfestigten neuen Lebensgemeinschaft. Der Antragsteller hat hierzu vorgetragen, die Antragsgegnerin habe bereits seit Dezember 2003 einen Lebensgefährten, mit dem sie lebe und wirtschafte. Er hat hierzu im Einzelnen vorgetragen, in welcher Weise sich die Lebenspartner ihre Wohnungen teilen, miteinander in Urlaub fahren und auch nach außen als Paar auftreten. Nach seinem Vortrag dauerte diese Gemeinschaft bei Rechtskraft der Scheidung bereits seit 3 3/4 Jahren an.

Von einer Verfestigung ist demnach auszugehen. Die Antragsgegnerin hat dem substantiierten Vortrag des Antragstellers lediglich ein schlichtes Bestreiten entgegengesetzt und behauptet, sie habe "einen Bekannten". Dieses Bestreiten reicht jedoch nicht aus. Der Antragsteller hat substantiiert und im Einzelnen vorgetragen, wie die Lebensgemeinschaft ausgestaltet ist. Dem hätte die Antragsgegnerin im Einzelnen gegenübertreten müssen. Auf ein schlichtes Bestreiten durfte sie sich nicht zurückziehen. Was unter einem "Bekannten" zu verstehen ist, ist eine Definitionsfrage, sodass mit diesem Schlagwort kein Sachvortrag ersetzt wird. Das Bestreiten der Antragsgegnerin ist daher mangels Substantiierung unbeachtlich. Auf eine Beweisaufnahme kam es somit nicht an. Auch angesichts der weiteren Umstände ist eine Versagung des Unterhaltsanspruchs angemessen. Die Parteien haben erst im vorgerückten Alter geheiratet. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Sie hat bis zur Trennung 13 Jahre angedauert. Beide Parteien waren über einen längeren Zeitraum ihrer Ehe bereits Altersrentner und der Antragsteller ist nunmehr schwer erkrankt. Ehebedingte Nachteile, etwa in Bezug auf berufliches Fortkommen, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 9 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht. Zwar ist § 1579 BGB durch das Unterhaltsänderungsgesetz abgeändert worden. Zu dem Versagungsgrund der verfestigten nichtehelichen Lebensgemeinschaft besteht jedoch eine gefestigte obergerichtliche Rechsprechung. Eine wesentliche Änderung ist durch die Neuregelung nicht eingetreten. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.440,00 € festgesetzt (12 x 120,00 €; §§ 42 Abs. 1 Satz 1; 48 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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