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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 11.03.2004
Aktenzeichen: 9 UF 123/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 50
ZPO § 51
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 93
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 263
ZPO § 307
ZPO § 313 b Abs. 1
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 540 Abs. 2
BGB § 1629 Abs. 3
BGB § 1629 Abs. 3 Satz 1
GKG § 27
BRAGO § 13 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Teilanerkenntnis- und Schlussurteil

9 UF 123/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 11.3.2004

Verkündet am 11.3.2004

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ...

im Wege des schriftlichen Verfahrens

am 5. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers zu 2.) wird die Beklagte in teilweiser Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Juni 2003, Az.: 31 F 190/02, verurteilt, an den Kläger zu 2.) über den zuerkannten Unterhalt hinaus weiteren rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum Juli 2001 bis einschließlich März 2002 in Höhe von 665,06 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. November 2002 zu zahlen.

2. Der Kläger zu 1.) hat seine außergerichtlichen Kosten erster Instanz selbst zu tragen. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben der Kläger zu 1.) und die Beklagte je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2.) werden der Beklagten auferlegt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstrE.bar.

4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf einen Gebührenwert bis 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 b Abs. 1 ZPO, soweit das Urteil auf dem Anerkenntnis der Beklagten beruht, abgesehen.

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Feststellungen werden dahingehend ergänzt, dass in der Klageschrift vom 26. Juli 2002, eingegangen am 21. August 2002, als Kläger das "minderjährige Kind T... E..., vertreten durch den Kindesvater S... E..." angegeben worden ist. Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2002 hat die Beklagte den Antrag auf Klageabweisung angekündigt und im Folgenden ausgeführt, dass sie bereit sei, ab ihrer Vollzeitbeschäftigung, also ab April 2002, den Unterhalt in Höhe von 260 EUR anzuerkennen. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2002 (früher erster Termin) hat das Gericht den Klägervertreter sodann darauf hingewiesen, dass das Kind nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht aktiv legitimiert, sondern dies allein der Kindesvater sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerseite hat daraufhin die entsprechende Rubrumsberichtigung beantragt, worauf das Gericht durch Beschluss "das Klägerrubrum" geändert hat (Bl. 74 d.A.). Sachanträge sind nicht gestellt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2003 haben sich die Parteien dahingehend verständigt, dass der Rückstand für die Zeit von April 2002 bis November 2002 in Höhe der zugestandenen 481,12 EUR durch Raten beglichen wird. Der Klägervertreter hat sodann auf seine Anträge in der Klageschrift Bezug genommen.

Das Amtsgericht Oranienburg hat die Beklagte durch "Urteil" vom 19. Juni 2003 verurteilt, den anerkannten Rückstand von 481,12 EUR für die Zeit von April 2002 bis Juli 2002 nebst Zinsen sowie ab August 2002 den laufenden Unterhalt in Höhe von 260 EUR an den Kläger zu 2.) zu zahlen. Die weitergehende Klage - und damit insbesondere den Unterhaltsanspruch für den Zeitraum von Juli 2001 bis März 2002 - hat es abgewiesen.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger zu 2.) mit der Berufung. Er verfolgt den Unterhaltsanspruch für den Zeitraum von Juli 2001 bis März 2002 weiter und rügt, dass ihm die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden seien. Das Amtsgericht habe fehlerhaft ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO angenommen.

Der Kläger zu 2.) beantragt,

1. die Beklagte unter Abänderung des am 19. Juni 2003 zur Geschäftsnummer 31 F 190/02 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Oranienburg zu verurteilen, weiteren rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum Juli 2001 bis einschließlich März 2002 in Höhe von 665,06 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. November 2002 zu zahlen, sowie

2. der Beklagten unter Abänderung des im Klageantrag zu 1.) näher bezeichneten Urteils die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte hat den Berufungsantrag zu 1.) mit Schriftsatz vom 5. Februar 2004 anerkannt und beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung ist auch begründet.

1.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 517, 519, 520 ZPO. Die Beschwer übersteigt 600 EUR. Sie ist auch gegen die sich auf das Teilanerkenntnis beziehende Kostenentscheidung das statthafte Rechtsmittel (Zöller-Herget, ZPO, 24. Auflage, § 99, Rn. 11). Es ist einheitlich Berufung einzulegen, wenn die Entscheidung auch zur restlichen Hauptsache mit der Berufung angefochten wird und zulässigerweise angefochten werden kann (OLG Hamm, MDR 1974, 1023; OLG Karlsruhe, Justiz 84, 360; Zöller-Herget, a.a.O., § 99 Rn. 7). Dies gilt unabhängig davon, ob im Schlussurteil die Kosten für das Teilanerkenntnis gesondert begründet wurden (Zöller-Herget, a.a.O., § 99, Rn. 11 m.w.N.).

2.

Die Berufung ist auch begründet.

a.

Soweit der Kläger zu 2.) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von weiteren 665,06 EUR nebst Zinsen begehrt, ist die zulässige Berufung begründet. Die Beklagte war unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung infolge ihres Anerkenntnisses gemäß § 307 ZPO antragsgemäß zu verurteilen.

b.

Auch soweit sich der Kläger zu 2.) mit der Berufung im Übrigen gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung wendet, hat seine Berufung Erfolg, da ihm keine erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen waren.

aa.

Eine Anwendung des § 93 ZPO und damit die alleinige Kostentragungspflicht des Klägers zu 2.) hinsichtlich des anerkannten Teils des Streitgegenstandes kommt nicht in Betracht, da die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat. Die Anwendung von § 93 ZPO ist an zwei Voraussetzungen geknüpft: Es muss ein sofortiges Anerkenntnis vorliegen und der Anerkennende darf keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben haben. Letztere Voraussetzung ist nicht gegeben.

Das erstinstanzliche (Teil-)Anerkenntnis der Beklagten bezieht sich auf den Unterhaltszeitraum ab April 2002 und erfasst damit rückständigen Unterhalt, der selbst in Höhe des anerkannten Betrages nicht vollständig beglichen war. Auch nach Ansicht der Beklagten bestanden Rückstände in Höhe von 481,12 EUR. Erbringt der Schuldner jedoch nur Teilleistungen, gibt er bei Unterhaltssachen in der Regel Veranlassung zur Klage auf die Differenz zu dem vollen Unterhaltsbetrag (OLG Köln, NJW-RR 1998, 1703; OLG Düsseldorf, FamRZ 1991, 1207; OLG Koblenz, FamRZ 1986, 826). Nur bei vollständiger Erbringung des geschuldeten Unterhalts bietet der Unterhaltspflichtige zunächst keine Veranlassung zur Klageerhebung (vgl. OLG Frankfurt am Main, FamRZ 1998, 445). Im Einklang damit wird bei Geldschulden - die mit rückständigem Unterhalt vergleichbar sind - bei der Frage der Veranlassung zur Klageerhebung gefordert, dass diese sogleich mit dem Anerkenntnis beglichen werden (Zöller-Herget, a.a.O., § 93 Rn. 6 Stichwort Geldschulden m.w.N.). Diese Anforderungen können nur hinsichtlich künftig fällig werdender (Unterhalts-) Forderungen nicht aufgestellt werden, um die es vorliegend jedoch nicht geht.

Die verbleibende Differenz von 2,10 EUR zum erstinstanzlichen Zahlungsantrag ist nach § 92 Abs. 2 ZPO unbeachtlich.

bb.

Der Kläger zu 2.) ist an den erstinstanzlich angefallenen Kosten des Rechtsstreits auch nicht infolge des Klägerwechsels neben der Beklagten zu beteiligen. Aufgrund des Klägerwechsels ist vielmehr der Kläger zu 1.) an den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu beteiligen.

(1)

Bei der "Berichtigung" des Rubrums auf Klägerseite handelt es sich nicht lediglich um die Korrektur einer fehlerhaften Parteibezeichnung, sondern um einen Parteiwechsel. Das Prozessrechtsverhältnis ist nicht bereits von Anfang an zwischen den Kindeseltern entstanden. Nur unrichtige oder ungenaue Parteibezeichnungen sind unschädlich und können jederzeit von Amts wegen ohne Einfluss auf das Prozessrechtsverhältnis berichtigt werden. Ist die Identität der Partei (OLG Düsseldorf, Rechtspfleger 1997, 32; OLG Koblenz, NJW-RR 1997, 1352) nicht gewahrt, liegt hingegen eine subjektive Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO vor.

Wer Kläger ist, bestimmt sich danach, wer das Verfahren in Gang gesetzt hat (Zöller-Vollkommer, a.a.O., vor § 50 Rn. 6); dabei ist die Bezeichnung auslegungsfähig (BGH, NJW 1987, 1947; BGH, NJW 1988, 1587; BGH, NJW 1999, 1871). Zur Auslegung können insbesondere Angaben zum Klagegrund und die übrige Parteibezeichnung herangezogen werden. Die Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift vom 26. Juli 2002 deutet eindeutig auf das Kind als Kläger hin. Minderjährige sind parteifähig, § 50 ZPO, und werden grundsätzlich von dem Sorgeberechtigten vertreten, § 51 ZPO. § 1629 Abs. 3 BGB regelt demgegenüber einen Ausnahmefall für den Fall der Trennung der Kindeseltern. Die Vorschrift lässt eine gesetzliche Prozessstandschaft nur unter besonderen Voraussetzungen zu; wenn ein Elternteil der miteinander noch verheirateten Kindeseltern für das bei ihm lebende minderjährige Kind gegen den anderen Elternteil geltend machen will, um das Kind aus dem Konflikt zwischen den Eltern herauszuhalten. Da in allen anderen Fallkonstellationen das Kind selbst aktivlegitimiert ist, kann ohne nähere Anhaltspunkte nicht von einer bloß falschen bzw. ungenauen Parteibezeichnung ausgegangen werden, zumal ausdrücklich auf das Vertretungsverhältnis durch den Kindesvater Bezug genommen wird. Auch die im vorausgegangenen Schreiben enthaltene Anzeige der Vertretungsmacht des Kindesvaters durch den Prozessbevollmächtigten reicht nicht aus, von der Klage des Kindesvaters auszugehen, da sich der Prozessbevollmächtigte gleichzeitig als Bevollmächtigter im anstehenden Scheidungsverfahren legitimierte.

Selbst bei mehrdeutiger äußerer Parteibezeichnung ist schließlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll (BGH, NJW 1987, 1947; BGH, NJW-RR 1995, 764; OLG Brandenburg, NJW-RR 1996, 1214; OLG Stuttgart, NJW-RR 1999, 217). Die formale Parteibezeichnung in der Klageschrift nimmt auf das Kind als Kläger Bezug.

(2)

In welchem Umfang der ursprüngliche Kläger an den bis zum Parteiwechsel angefallenen Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen ist, wird unterschiedlich beurteilt.

Soweit in den Fällen des Klägerwechsels teilweise dem ursprünglichen Kläger nur die bis zu seinem Ausscheiden entstandenen (unnützen) Mehrkosten auferlegt werden, die die Klageänderung verursacht hat (OLG Düsseldorf, MDR 1974, 147 und OLG Stuttgart, NJW 1973, 1756 unter Hinweis auf § 271 Abs. 3 ZPO, der nicht mehr existiert), schließt sich der Senat dieser Auffassung nicht an. Als solche Mehrkosten würde nach dieser Meinung nur die 3/10-Erhöhungsgebühr von diesem zu tragen sein, da die übrigen Gerichts- und Anwaltsgebühren aufgrund der Einheitlichkeit des Rechtszuges nicht doppelt anfallen, § 27 GKG, § 13 Abs. 2 BRAGO. Kostenrechtlich sei eine Anhängigkeit des neuen Anspruchs als von Anfang an bestehend zu fingieren, wodurch der bisherige Anspruch gebührenrechtlich seine Bedeutung verliere. An der Höhe der erhobenen allgemeinen Verfahrensgebühr ändere sich durch die Klageänderung nichts, wenn der neue Klageanspruch wertmäßig dem alten Anspruch entspreche (Zöller-Greger, a.a.O., § 263 Rn. 32, OLG Celle, MDR 1999, 1348; LG Hagen, JurBüro 1988, 919; OLG Karlsruhe, Justiz 1999, 102). Da der Rechtsstreit im Falle der Anspruchs-auswechslung dieselbe Angelegenheit bleibe, könne der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit die Gebühren nur einmal fordern, § 13 Abs. 2 BRAGO. Auch die Prozessgebühr verdiene der Anwalt nur einmal, wenn er im Falle des Parteiwechsels die alte und die neue Partei vertrete (OLG München, RPfl 1996, 261 = AGS 1997, 113 unter Aufgabe von MDR 1994, 950; OLG Schleswig, JurBüro 1997, 584; OLG Köln, JurBüro 1998, 589).

Vorzugswürdiger ist demgegenüber die Auffassung, dass der Ausscheidende von den bis dahin entstandenen Gesamtkosten die seinem Kopfteil entsprechende Quote zu tragen habe (Zöller-Herget, a.a.O., § 91 Rn. 13, LG Frankfurt, MDR 1987, 591; LG Hagen, JurBüro 1988, 919). Die volle Haftung des ursprünglichen Klägers für die bis dahin entstandenen Gebühren würde ihn unangemessen benachteiligen. Seine Belastung nur mit Mehrkosten würde hingegen bedeuten, dass er fast ohne Kostennachteil aus dem Prozess ausscheiden könnte und der ihm gegenüber im Kern gegebene Kostenerstattungsanspruch der Beklagten leer laufen würde.

Es ist daher die aus dem Tenor zu 2.) ersichtliche Kostenaufteilung nach § 100 Abs. 1 ZPO vorzunehmen, da sämtliche Gebühren wertmäßig bis zum Ausscheiden des Klägers zu 1.) - dem Sohn - angefallen waren.

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ergibt sich aus § 91 ZPO. § 93 ZPO findet mangels sofortigen Anerkenntnisses der Beklagten keine Anwendung.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 17 Abs. 4 GKG zuzüglich des erstinstanzlichen Kosteninteresses.

Ende der Entscheidung

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