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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.12.2004
Aktenzeichen: 9 UF 209/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VAÜG


Vorschriften:

ZPO § 621 e
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 3
BGB § 1587 a Abs. 4
BGB § 1587 b Abs. 1
VAÜG § 2 Abs. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 2
VAÜG § 3 Abs. 2 Nr. 1 a
VAÜG § 3 Abs. 2 Nr. 1 a Satz 3
VAÜG § 3 Abs. 2 Nr. 2 a
VAÜG § 3 Abs. 2 Nr. 2 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 209/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die befristete Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 18. Oktober 2004 gegen die in dem am 20. August 2004 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Oranienburg zum Versorgungsausgleich getroffenen Regelung durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 9. Dezember 2004

im schriftlichen Verfahren

beschlossen:

Tenor:

1.

Das angefochtene Urteil wird zu Ziffer II. des Tenors teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Vom Versicherungskonto 44 170943 Z 503 der Antragstellerin bei der Beteiligten zu 1. werden auf das Versicherungskonto 44 280443 C 008 des Antragsgegners bei der Beteiligten zu 1. angleichungsdynamische Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 26,27 €, bezogen auf das Ehezeitende am 31. Januar 2004, übertragen.

Die zu übertragenden angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen.

2.

Die Kosten erster Instanz und des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben, mit Ausnahme der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren, die niedergeschlagen werden.

3.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde des Beteiligten zu 2. hat in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat bei der Umwertung der bei dem Beteiligten zu 2. durch die Antragstellerin erworbenen Anrechte einen fehlerhaften Barwert zu Grunde gelegt.

1.

Nach Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 27. April 2004 (Bl. 40) hat die Antragstellerin in der Ehezeit, das heißt in der Zeit vom 1. Dezember 1963 bis 31. Januar 2004, angleichungsdynamische Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 988,22 € erworben.

Darüber hinaus hat sie nach Auskunft des Beteiligten zu 2. vom 24. Juni 2004 (Bl. 57), einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, innerhalb der vorgenannten Ehezeit eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 83,68 € erworben. Der Wert dieser Versorgung steigt nicht in nahezu gleicher Weise wie der Wert der aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte. Ab Rentenbeginn steigt der Wert des Anrechts um 1 % jährlich. Eine Realteilung sieht die Satzung des Versorgungsträgers nicht vor.

Der Antragsgegner hat ausweislich der Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 12. März 2004 (Bl. 22) in der gesetzlichen Rentenversicherung innerhalb der Ehezeit eine nichtangleichungsdynamische Vollrente wegen Alters in Höhe von monatlich 150,35 € sowie eine angleichungsdynamische Vollrente wegen Alters in Höhe von monatlich 845,70 € erworben.

2.

Bei der Anwartschaft der Antragstellerin bei dem Beteiligten zu 2. handelt es sich um ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 BGB. Da der Wert dieses Anrechtes auf die Betriebsrente in der Anwartschaftsphase nach Auskunft der Beteiligten nicht in gleicher Weise wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung steigt, ist der Wert sodann gemäß § 1587 a Abs. 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen.

Dafür ist zunächst nach der BarwertVO der Barwert zu berechnen, wobei der Faktor der Tabelle 1 (8,0 bei einem Lebensalter zum Ehezeitende von 60 Jahren, da die Antragstellerin am 28. April 1943 geboren ist), erhöht um 65 vom Hundert (= 8,0 + 65 % = 13,2) gem. Anm. 2 der Tabelle, zu Grunde zu legen ist. Der Senat sieht auf Grund der vorzunehmenden, in die Zukunft gerichteten Betrachtungsweise auch diese Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ab dem Leistungsbeginn auf Grund der Steigerung von jährlich 1 % als volldynamisch an (vgl. zur VBL: BGH FamRZ 2004, 1474 ff. m. Anm. Glockner; ferner Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 8. Juli 2004 - 9 UF 120/04 - sowie Beschluss vom 23. März 2004, 9 UF 33/04 [zur Veröffentlichung vorgesehen]; OLG München, FamRZ 2004, 639). Innerhalb des Zeitraum von 1995 bis 2004 erfolgte eine Anpassung der gesetzlichen Renten von durchschnittlich 1,059 %, so dass insbesondere im Hinblick auf die zu erwartenden geringen Steigerungen auch in den kommenden Jahren eine Anpassung von jährlich 1 % keine nennenswerte Abweichung von der Dynamik der gesetzlichen Renten mehr erwarten lässt.

Es ergeben sich danach 13.254,91 € (12 Monate x 83,68 € = 1.004,16 € x 13,2 Barwert) als Deckungskapital.

Multipliziert mit dem Faktor von 0,0001742628 für die Umrechnung von Beiträgen in Entgeltpunkte sowie multipliziert mit dem für das Ehezeitende geltenden Rentenwert/West von 26,13, um den fiktiven Wert bei Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung zu ermitteln, ergibt sich in Höhe von 60,36 € eine umgewertete nichtangleichungsdynamische Anwartschaft, wie auch die Beteiligte zu 2. im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung (Bl. 87) zutreffend ermittelt hat.

Es ergibt sich damit folgende Gesamtbilanz:

Antragstellerin

gesetzliche Rentenversicherung (Ost) 988,22 € fiktive gesetzliche Rentenversicherung (West) 60,36 € Antragsgegner

gesetzliche Rentenversicherung (Ost) 845,70 € gesetzliche Rentenversicherung 150,35 €

3.

Bei dieser Sachlage ist gemäß § 2 Abs. 1 VAÜG der Versorgungsausgleich durchzuführen.

Nach der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b, Satz 2 VAÜG getroffenen Regelung ist der Versorgungsausgleich zwar grundsätzlich auszusetzen, wenn - wie hier - die Ehegatten in der Ehezeit keine angleichungsdynamischen Anwartschaften minderer Art erworben haben und der Ehegatte mit den werthöheren angleichungsdynamischen Anwartschaften nicht auch die werthöheren nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften erworben hat. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs hat aber trotz des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VAÜG zu erfolgen, wenn aus einem im Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Anrecht aufgrund des Versorgungsausgleichs Leistungen zu erbringen oder zu kürzen wären, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VAÜG. Dies ist hier der Fall, da der ausgleichsberechtigte Antragsgegner eine Rente wegen Alters bezieht.

Wegen der unterschiedlichen Dynamik der von den Parteien erworbenen Anrechte ist eine Bewertung der Anrechte vorzunehmen, die gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 a VAÜG dazu führt, dass die angleichungsdynamischen Anrechte der Parteien mit dem zum Ende der Ehezeit (31. Januar 2004) sowie dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (09. Dezember 2004) geltenden so genannten Angleichungsfaktor zu vervielfältigen sind. Nach der aktuellen Rentenanpassungsverordnung ist dieser Angleichungsfaktor zwar nur für ein Ehezeitende bis 30. Juni 2003 bestimmt; für ein Ehezeitende ab dem 1. Juli 2003 ist kein Angleichungsfaktor bestimmt. Jedoch ist zu beachten, dass zuletzt (d. h. zum 1. Juli 2004, dem üblichen Zeitpunkt der Rentenerhöhungen der letzten Jahre) eine Rentenanpassung nicht stattgefunden hat. Ein Angleichungsfaktor braucht aber nicht angewandt werden, wenn - wie es hier der Fall ist - zwischen dem Ehezeitende (31. Januar 2004) und dem Entscheidungszeitpunkt (09. Dezember 2004) keine Rentenanpassung/Ost stattgefunden hat und eine Angleichung somit nicht erfolgt ist. Nach der Formel des § 3 Abs. 2 Nr. 1 a Satz 3 VAÜG beläuft sich der Angleichungsfaktor in diesen Fällen auf 1,0 (vgl. auch Maier/Michaelis, Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung, 7. Aufl. 2004 § 3 VAÜG Anm. 3.1 - Satz 775 -). Dies hat insoweit zutreffend auch das Amtsgericht erkannt.

Es erfolgt deshalb im Ergebnis ein bloße Addition der erworbenen Anrechte, trotz der grds. gegebenen unterschiedlichen Dynamik. Insgesamt haben daher die Antragstellerin 1048,58 € (988,22 € + 60,36 €) sowie der Antragsgegner 996,05 € (845,70 € + 150,35 €) an nichtangleichungsdynamischen Anrechten erworben.

4.

Gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB hat der Senat dem Antragsgegner, der die niedrigeren Anwartschaften erworben hat, eine Rentenanwartschaft in Höhe der Hälfte des verbleibenden Wertunterschiedes zuzusprechen. Der Wertunterschied der Anwartschaften beträgt 52,53 €, sodass die Hälfte des Wertunterschiedes 26,27 € ausmacht.

Die Anordnung der Umrechnung der zu übertragenden angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte (Ost) beruht auf § 3 Abs. 2 Nr. 2 a VAÜG. Die weitere Anordnung der Vervielfältigung der Entgeltpunkte (Ost) mit dem Angleichungsfaktor nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 b VAÜG kann dagegen unterbleiben, da der Faktor 1 beträgt (vgl. bereits zuvor).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 93 a Abs. 1 ZPO, 8, 49 Nr. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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