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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.01.2005
Aktenzeichen: 9 UF 219/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB VI, VAÜG


Vorschriften:

ZPO § 621 e
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a Abs. 1 S. 1
BGB § 1587 b Abs. 5
BGB § 1587 b Abs. 6
SGB VI § 76 Abs. 2 S. 3
SGB VI §§ 79 ff.
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 UF 219/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die als befristete Beschwerde auszulegende Beschwerde der Bundesknappschaft vom 29. Oktober 2004 gegen die zum Versorgungsausgleich in dem am 17. August 2004 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Zehdenick getroffene Regelung durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 14. Januar 2005

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird zu Ziffer 2. des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Es bleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Beschwerdewert beträgt 1.000 €.

Gründe:

Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete Beschwerde der B... hat Erfolg. Ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich findet wegen der in §§ 1587 b Abs. 5 BGB, 76 Abs. 2 S. 3 SGB VI getroffenen Regelung nicht statt.

1.

Die Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB ist die Zeit vom 1. Oktober 1989 (Eheschließung am 20. Oktober 1989) bis zum 28. Februar 2003 (Zustellung des Scheidungsantrags am 21. März 2003). In dieser Zeit haben die Parteien beiderseits ausschließlich angleichungsdynamische Anwartschaften erworben. Der Antragsteller hat nach Auskunft der Bundesknappschaft vom 9. Februar 2004 (Bl. 27 VA-Heft) 761,37 € monatliche angleichungsdynamische Anrechte erworben. Dem stehen angleichungsdynamische Anrechte der Antragsgegnerin von insgesamt 799,25 € monatlich gegenüber, beruhend auf den nach Auskunft der B... vom 25. März 2004 (Bl. 38 VA-Heft) bestehenden 305,60 € monatlich sowie weiterer, aus einer Beamtenversorgung sich nach Auskunft der Oberfinanzdirektion ... vom 11. Mai 2004 (Bl. 51 VA-Heft) ergebenden 493,65 € monatlich.

2.

Da die Antragsgegnerin hiernach die höheren Anwartschaften erworben hat, ist sie gem. § 1587 a Abs. 1 S. 1 BGB ausgleichsverpflichtet. Die Differenz der beiderseitigen Anwartschaften beträgt 37,88 €, die Hälfte hiervon als Ausgleichsbetrag 18,94 €.

Dem öffentlich-rechtlichen Ausgleich des vorgenannten Betrages steht aber die in § 1587 b Abs. 5 BGB getroffene Regelung entgegen, da der sich aus § 76 Abs. 2 S. 3 SGB VI ergebende Höchstbetrag bei Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs überschritten wird. Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs dürfen die dem Ausgleichsberechtigten zustehenden Rentenanwartschaften nicht den Wert überschreiten, den ein Versicherter auf Grund Beitragszahlung günstigstenfalls in der Rentenversicherung der Arbeiter bzw. der Angestellten erwerben kann, § 1587 b Abs. 5 BGB i. V. m. § 76 Abs. 2 S. 3 SGB VI.

a.

Für die Ermittlung des Höchstbetrages ist gemäß § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB VI die Zahl der auf die Ehezeit entfallenden Kalendermonate durch 6 zu teilen. Auf die Ehezeit (1. Oktober 1989 bis 28. Februar 2003) entfallen insgesamt 161 Monate, sodass sich eine höchstmögliche Anzahl von Entgeltpunkten von 26,8333 (161 Monate : 6) ergibt, wie die am Verfahren beteiligten Versorgungsträger auch zutreffend mitgeteilt haben.

Sodann ist der zuvor ermittelte Wert mit dem im Zeitpunkt des Ehezeitendes maßgebenden aktuellen Rentenwert zu vervielfältigen. Bei Beteiligung von angleichungsdynamischen Anrechten ist zu beachten, dass die Regelung über den Höchstbetrag auch für die Durchführung des Versorgungsausgleiches nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VAÜG gilt. Insoweit ist im Einzelnen streitig, ob der Höchstbetrag dann unter Berücksichtigung des aktuellen Rentenwertes (West) (so OLG Naumburg, FamRZ 2004, 1649, 1650 mit ablehnender Anmerkung Kemnade; OLG Dresden, FamRZ 2000, 962; OLG Brandenburg/1. Familiensenat - Beschluss vom 31. Mai 2000, 9 UF 184/99 -; Götsche, Die Praxis des Versorgungsausgleichs in den neuen Bundesländern, FamRZ 2002, 1235, 1243) oder unter Berücksichtigung des aktuellen Rentenwertes (Ost) (so OLG Thüringen, FamRZ 2002, 397; OLG Dresden, FamRZ 2002, 397 f.; OLG Brandenburg - 3. Familiensenat - FamRZ 2002, 1256 mit zustimmender Anmerkung Kemnade; Staudinger/Rehme, BGB, Neubearbeitung Stand 2004, § 1587 b Rn. 133; Wick, Der Versorgungsausgleich 2004, Rn. 189; Brudermüller/Klattenhoff, Tabellen zum Familienrecht, 24. Aufl., August 2003, S. 369) zu ermitteln ist.

Die streitige Frage kann hier aber dahinstehen, da nach beiden Ansichten der Höchstbetrag überschritten ist. Bei Berücksichtigung des Rentenwertes (West) ergeben sich maximale monatliche Anwartschaften von 693,91 € (26,8333 Entgeltpunkte x 25,86), bei Zugrundelegung des aktuellen Rentenwertes (Ost) dagegen maximal monatlich 609,12 € (26,8333 Entgeltpunkte x 22,70). Der bei der B... erworbene Ehezeitanteil des Antragstellers beträgt jedoch 761,37 € monatlich (vgl. oben) und überschreitet daher beide Beträge. Hierauf hat die B... bereits im Rahmen ihrer unter dem 9. Februar 2004 in erster Instanz erteilten Auskunft zutreffend hingewiesen.

b.

Unzutreffend ist es dagegen, bei der Bemessung des Höchstbetrages nach § 1587 b Abs. 5 BGB allein auf die während der Ehezeit erworbenen und die maximal während der Ehezeit zu erwerbenden Entgeltpunkte abzustellen, wie es das Amtsgericht getan hat.

Diese Betrachtungsweise widerspricht bereits dem Wortlaut des § 1587 b Abs. 5 BGB, der auf den Monatsbetrag der zu übertragenden/begründenden Rentenanwartschaften abstellt, nicht aber an die zu Grunde liegenden Entgeltpunkte anknüpft. Im Übrigen käme die Berechnungsweise des Amtsgerichts zu verzerrten Ergebnissen dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - knappschaftliche Rentenversicherungen beteiligt sind. Insoweit ist es auch ungenau, wenn im Allgemeinen angeführt wird, dass sich für Anwartschaften aus der knappschaftlichen Rentenversicherung kein besonderer Höchstbetrag ergibt (so aber Schmeiduch, FamRZ 1991, 377, 387; Schmidtbauer, Der Versorgungsausgleich bei Ehescheidung, 6. Aufl. 1991; unklar insoweit auch Soergel/Lipp, BGB, 13. Aufl. 2000, § 1587 b, Rz. 286). Dies liegt an der besonderen Berechnungsweise knappschaftlicher Renten.

Zwar sind die den zu errechnenden Rentenanwartschaften zu Grunde liegenden Rentenwerte und Entgeltpunkte bei allen gesetzlichen Rentenversicherungen gleich. Jedoch ist bei der Berechnung knappschaftlicher Rentenversicherungsanwartschaften ein anderer Rentenartfaktor als bei den übrigen gesetzlichen Rentenversicherungen zu Grunde zu legen. Bei der knappschaftlichen Altersrente beträgt der sogenannte Rentenartfaktor 1,3333 (§ 82 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), während er für eine Altersrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten 1,0 beträgt (§ 67 Nr. 1 SGB VI). Entgeltpunkte, die auf Beitragszeiten oder beitragsfreien Zeiten der knappschaftlichen Rentenversicherung beruhen, erbringen somit höhere Leistungen als gleich hohe Entgeltpunkte zur Arbeiter- bzw. Angestelltenrentenversicherung.

Dem ist auch beim Versorgungsausgleich dahingehend Rechnung zu tragen, dass die fiktive Vollrente wegen Alters aus der knappschaftlichen Rentenversicherung und deren Ehezeitanteil unter Anwendung der §§ 79 ff. SGB VI zu berechnen ist, also ebenfalls der Rentenartfaktor 1,3333 zu Grunde zu legen ist (allgemeine Ansicht, vgl. nur Maier/Michaelis, Versorgungsausgleich in der gesetzlichen Rentenversicherung, 7. Aufl. 2004, § 1587 a BGB, Anm. 3.10). Dem ist auch hier bei Ermittlung der bei der B... zu Gunsten des Antragstellers bestehenden Rentenanwartschaften Rechnung getragen worden. Sein ehezeitbezogener Anteil an Entgeltpunkten beträgt 25,1561 (vgl. auch Bl. 28 VA-Heft). Bei Zugrundelegung des Rentenartfaktors von 1,3333 der knappschaftlichen Rentenversicherung sowie eines aktuellen Rentenwerts (Ost) von 22,70 ergibt sich nach erfolgter Multiplikation eine monatliche Rente von 761,37 €, wie sie die B...auch in ihrer erstinstanzlich erteilten Auskunft mitgeteilt hat. Wird dann aber der Höchstbetrag des § 1587 b Abs. 6 BGB ermittelt, so muß bei der Rückrechnung der erhöhte Rentenartfaktor ebenfalls berücksichtigt werden. Dies kann entweder durch Aufwertung der während der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte erfolgen (25,1561 x 1,3333) oder durch Rückrechnung der monatlichen Anwartschaft auf Entgeltpunkte (761,37 € : 22,70), in beiden Fällen ist das Ergebnis (rund) 33,5406 Entgeltpunkte in der Ehezeit. Dieser Betrag liegt oberhalb des Höchstbetrages von 26,8333, weshalb ebenfalls erkennbar ist, dass die Überschreitung des Höchstbetrages erfolgt. Darauf hat die Beschwerdeführerin zutreffend hingewiesen. Dem gemäß ist bei der Bestimmung des Höchstbetrages bei Beteiligung knappschaftlicher Rentenversicherungen der besondere knappschaftliche Rentenartfaktor zu beachten (so wohl auch Soergel/Lipp, a.a.O.).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 FGG, die Entscheidung zum Beschwerdewert aus § 49 Nr. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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