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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 9 W 8/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2
BGB § 426 Abs. 1
BGB § 1357
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 W 8/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 29. Mai 2006 gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 7. April 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Götsche als Einzelrichter

am 1. August 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die Prozesskostenhilfe für die Klage im Wesentlichen versagt. Bis auf den durch das Landgericht zuerkannten Teil mangelt es der Klage an den notwendigen Erfolgsaussichten gemäß § 114 ZPO.

Ansprüche des Antragstellers insbesondere aus Gesamtschuldnerausgleich, § 426 Abs. 1 BGB, kommen nicht in Betracht.

1.

Nach § 1357 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen - insbesondere soweit diese aus dem Charakter des Geschäftes herrühren - etwas anderes ergibt. Wie weit der Lebensbedarf der Familie reicht, bestimmt sich familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten. Da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben, ist entscheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie abzustellen, wie er nach außen in Erscheinung tritt. Zu den Umständen, die bei der Anwendung des § 1357 BGB von Bedeutung sein können, gehören daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Bezug zu den Kosten, die durch die jeweils in Rede stehende Geschäftsbesorgung ausgelöst werden. Auch insoweit ist die Sicht eines objektiven Beobachters nach dem Erscheinungsbild der Ehegatten, wie es für Dritte allgemein offen liegt, entscheidend (vgl. BGH NJW 2004, 1593; BGHZ 116, 184, 188 f.).

2.

Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die hier im Einzelnen geltend gemachten Ausgaben/Verpflichtungen nicht jeweils als ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs angesehen hat.

a.

Zunächst hat der Antragsteller seiner insoweit bestehenden Darlegungslast nicht ausreichend Genüge getan. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Familie sind ebenso wenig ausreichend dargetan wie der Lebenszuschnitt überhaupt.

Insoweit kann hier allein nach den allgemeinen, nicht aber nach den individuellen Lebensverhältnissen der Ehegatten beurteilt werden, inwieweit der Lebensbedarf von den Anschaffungen betroffen ist bzw. das Geschäft angemessen im Sinne des § 1357 BGB ist. Diese allgemeine Beurteilung ist nach vorstehenden Ausführungen aber gerade nicht vorzunehmen.

Gleichwohl soll hieran nachfolgend angeknüpft werden. Dabei legen die allerdings schon die vorliegenden Rechnungen nach dem weiteren Vortrag der Beklagten die Annahme nahe, dass die angemessene Bedarfsdeckung in dem abgerechneten Zeitraum weit überschritten ist.

b.

Zutreffend hat das Landgericht hinsichtlich des Abschlusses der diversen Mietverträge Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie verneint.

aa.

Dass mit einem solchen Vertrag ein Dauerschuldverhältnis begründet wird, steht der Einordnung als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs zwar nicht grundsätzlich entgegen (BGH, NJW 2004, 1593). In diesen Fällen wird die Frage, ob ein Geschäft der angemessenen Deckung des Lebensbedarfs dient, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beantworten sein.

bb.

So genannte Grundlagengeschäfte gehören allerdings nicht zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfes. Dazu zählen regelmäßig auch alle Geschäfte, die das Anmieten und Kündigen einer Wohnung betreffen (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1357, Rn. 14). Auch von dem Lebenszuschnitt der Eheleute, soweit dieser hier bekannt ist, kann nicht von einer Mietverpflichtung der Antragsgegnerin ausgegangen werden. Diese verfügte scheinbar über nahezu keinerlei laufende Einkünfte, vielmehr stellte das Einkommen des Antragstellers den Lebensbedarf sicher. Insoweit ist es auch aus wirtschaftlicher Betrachtung nachvollziehbar, dass er die Mietverträge allein abgeschlossen hat.

Selbst wenn aber eine gesamtschuldnerische Haftung der Eheleute in Frage käme, könnte der Antragsteller insoweit keine Ansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend machen.

cc.

Vor der Trennung von Eheleuten findet ein Ausgleich im Innenverhältnis regelmäßig nicht statt. Dies gilt besonderes in Fällen so genannter Alleinverdienerehen, d. h., der Ehegatte, der Verbindlichkeiten der Familie bedient, kann nach Trennung die vor Trennung ausgeglichenen Schulden nicht hälftig von dem anderen Ehegatten erstattet verlangen. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Begründung und Erfüllung der Verbindlichkeit letztendlich an das alleinige Einkommen des Ehegatten angeknüpft hat und daher diesem im Innenverhältnis jedenfalls bis zur Trennung zuzurechnen ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft überlagert insoweit die gesamtschuldnerische Haftung der Eheleute.

dd.

Gleiches gilt auch, soweit dies Schulden betreffen, die aus der Ehezeit herrühren. Die durch den Antragsteller hier geltend gemachten Verbindlichkeiten sind allesamt Mietschulden der Eheleute, die aus dem laufenden Einkommen des Antragstellers gemäß den ehelichen Lebensverhältnissen - soweit diese bekannt sind - beglichen werden sollten. Hierzu hätte es zumindest eines weitergehenden Vortrags bedurft, weshalb es zu diesem Ausgleich aus seinem Einkommen nicht gekommen ist. Näherer Vortrag dazu fehlt.

c.

Vergleichbares gilt hinsichtlich der Verbindlichkeiten aus dem Premiere P-TV-Vertrag. Insoweit handelt es sich nicht mehr um die üblicherweise angemessene Bedarfsdeckung der Familie. Die Versorgung mit Medien zählt zwar grundsätzlich zum allgemeinen Lebensbedarf einer Familie (vgl. auch BGH, NJW 2004, 1593). Premiere TV stellt aber bereits ein dem Luxusbereich zuzuordnendes Mediengut dar, da hier nicht der allgemeine Fernseh- und Rundfunkverkehr betroffen ist. Insoweit wird der Rahmen des § 1357 BGB gesprengt. Eine Mitverpflichtung der Antragsgegnerin scheidet aus.

d.

Zuletzt kann auch nicht der bei der ...bank AG aufgenommene Kredit als Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfes gemäß § 1357 BGB verstanden werden. Kreditgeschäfte fallen dann unter § 1357 BGB, wenn sie den übrigen Voraussetzungen dieser Norm unterfallen. Soweit einzelne Haushaltsgegenstände bzw. Hausrat angeschafft wird, unterfällt dies grundsätzlich den Regelungen des § 1357 BGB, wobei aber die Angemessenheit insbesondere an dem Anschaffungspreis im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Familie zu beurteilen ist. Wird dagegen die gesamte Wohnungseinrichtung angeschafft, so handelt es sich nicht mehr um ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfes, da dies in finanzieller Hinsicht regelmäßig den finanziellen Rahmen der Familie erheblich belasten wird (vgl. auch Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1357, Rn. 13). Erst recht muss dies dann gelten, wenn die gesamte Wohnungseinrichtung kreditfinanziert wird. Ausgehend von dem Nettokreditbetrag von 30.000 DM dürften die - hier aber nicht näher dargetanen - finanziellen Verhältnisse der vormaligen Eheleute erheblich belastet worden sein. Eine Zurechnung zu den Geschäften der angemessenen Deckung des Lebensbedarfes scheidet daher aus.

3.

Nichts anderes gilt unter Berücksichtigung des neuen Sachvortrages des Antragstellers im Rahmen seiner Beschwerdebegründung. Soweit die Antragsgegnerin seinen Behauptungen nach in der Vergangenheit gegenüber Dritten bekundet habe, dass beide die kreditfinanzierten Wohnungsgegenstände abzahlen würden, spricht dies nicht dafür, dass sie eine eigene Verpflichtung zur Rückzahlung des Kredites eingehen wollte. Insbesondere der Umstand, dass sie in diesem Zusammenhang auch mitteilte, "das klappt, weil M... gut verdient", zeigt, dass die Kreditfinanzierung durch das eigene Einkommen des Antragstellers sichergestellt werden sollte. Allein der Umstand, dass sie davon ausging, dass an den Gegenständen Miteigentum der Ehegatten begründet worden ist, widerspricht dem nicht.

Ob dagegen bei der Beurteilung der Eigentumsverhältnisse an den angeschafften Gegenständen bzw. bei der Verteilung dieser Gegenstände nach der Hausratverordnung die Alleinverpflichtung des Antragstellers aus dem Kreditvertrag ein berücksichtigungsfähiger Umstand ist, kann für das hiesige Verfahren dahinstehen.

Ende der Entscheidung

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