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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.01.2004
Aktenzeichen: 9 WF 229/03
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 12 Abs. 2 S. 3
GKG § 25 Abs. 3
ZPO § 160 Abs. 1 Nr. 9
ZPO § 162 Abs. 1
ZPO § 162 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 162 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 229/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 9. Dezember 2003 gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 13. November 2003 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 8. Januar 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss teilweise dahingehend abgeändert, dass der Gegenstandswert auf 4.000 € festgesetzt wird.

Gründe:

I. Mit seiner gegen die beiden minderjährigen, am 26. September 1997 bzw. am 12. Januar 2001 geborenen Beklagten gerichteten Klage hat der Kläger die Feststellung seiner Nichtvaterschaft begehrt. Mit am 15. September 2003 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht antragsgemäß diese Feststellung getroffen und neben der Aufhebung der Kosten gegeneinander zugleich den Streitwert auf 2.000 € festgesetzt. Im Anschluss hieran heißt es im Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 27 d. A.) wie folgt:

Es erfolgt die Rechtsmittelbelehrung. Die Beteiligten erklären Rechtsmittelverzicht.

Mit seiner Beschwerde begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung des Streitwertes auf einen Streitwert von 2.000 € je Kind, insgesamt daher 4.000 €. Mit Beschluss vom 13. November 2003 hat das Amtsgericht unter Hinweis auf den erklärten Rechtsmittelverzicht der Beschwerde nicht abgeholfen. Mit weiterem Schriftsatz vom 9. Dezember 2003 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dazu erklärt, die Erklärung des Rechtsmittelverzichts habe sich unter Berücksichtigung dessen, dass die erfolgte Rechtsmittelbelehrung sich lediglich auf das erlassene Urteil bezogen habe, allein auf das Urteil, nicht aber auf den Streitwert bezogen.

II.

1.

Die gemäß § 25 Abs. 3 GKG statthafte Beschwerde ist zulässig.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht der in der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2003 erklärte Rechtsmittelverzicht nicht entgegen.

a.

Zwar bestehen keine Bedenken an der (formellen) Wirksamkeit eines Verzichts auf die Einlegung einer Streitwertbeschwerde.

So ist der in mündlicher Verhandlung erklärte Verzicht auf Rechtsmittel gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 9 ZPO in das Protokoll aufzunehmen, sodann den Beteiligten bei vorläufiger Aufzeichnung auf ein Tonband gemäß § 162 Abs. 1 ZPO vorzuspielen und die Erklärung von dem Verzichtenden genehmigen zu lassen, was ebenfalls im Protokoll zu vermerken ist, § 162 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 ZPO. Feststellungen zu einem Vorspielen und einer Genehmigung des erklärten Rechtsmittelverzichts enthält das Protokoll aber nicht.

Ob diese die Rechtsbehelfe (Berufung, Revision, Einspruch) der ZPO betreffenden Vorschriften auf die einfache Beschwerde gem. § 25 Abs. 3 GKG überhaupt Anwendung finden, kann hier aber dahinstehen, da ein eventueller Verstoß für die formelle Wirksamkeit des Verzichts folgenlos bliebe. Ein Verstoß gegen die vorgenannten Formvorschriften der ZPO hat nicht die Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts zur Folge, vielmehr fehlt dem Protokoll dann die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (BGH NJW 1984, 1465; Zöller-Stöber, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 162, Rn. 6), was möglicherweise zu Problemen bei der Feststellung der Abgabe einer (bestrittenen) Verzichtserklärung führen kann. Dass hier die Beteiligten und damit auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers einen Rechtsmittelverzicht erklärt haben, ist unstreitig.

b.

Die Frage formeller Wirksamkeit kann aber im Ergebnis dahinstehen, da jedenfalls mit dem erklärten Rechtsmittelverzicht kein Verzicht hinsichtlich der Möglichkeit der Einlegung einer Streitwertbeschwerde erklärt worden ist.

Als prozessuale Erklärung ist die Verzichtserklärung möglichst eindeutig zu fassen. Bei einem Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist daher zu erkennen zu geben, auf welches konkrete Rechtsmittel verzichtet wird. Ist die abgegebene Erklärung insoweit nicht eindeutig, ist durch Auslegung der objektive Sinn der abgegebenen Erklärung zu ermitteln, um feststellen zu können, auf welches Rechtsmittel verzichtet werden soll. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Verzicht zwar nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden, er aber in der Erklärung, aus der er hergeleitet werden soll, eindeutig zum Ausdruck kommen muss (BGH NJW 1999, 3564, 3565). Mit Blick auf die Unwiderruflichkeit und Unanfechtbarkeit der prozessualen Gestaltungserklärungen ist zudem für die Auslegung einer Erklärung als Rechtsmittelverzicht Zurückhaltung geboten (BGH NJW 2002, 2108, 2109).

Für die Ermittlung des objektiven Sinnes ergibt sich aus dem Protokoll unmittelbar nichts. Es ist mangels einer klarstellenden Ergänzung nicht erkennbar, hinsichtlich welcher gerichtlicher Entscheidung - der Hauptsache, der Kosten oder der Festlegung des Streitwertes - der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittel erklärt werden sollte.

Auch die wörtliche Auslegung der Erklärung Rechtsmittelverzicht ist nicht eindeutig. Der Begriff des Rechtsmittels im prozessualen Sinne erfasst solche Rechtsbehelfe, die eine Entscheidung vor ihrer Rechtskraft zur Nachprüfung einer höheren Instanz gestellt werden, die also einen Devolutiveffekt und einen Suspensiveffekt beesitzen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004, Grundzüge § 511, Rn. 1 f.; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl. 2004 Vor § 511, Rn. 4). Beide Merkmale (Effekte) treffen auch auf die einfache Beschwerde gem. § 25 Abs. 3 GKG zu, welche nur binnen 6 Monaten nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingelegt werden kann (§ 25 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 GKG) und über die die nächsthöhere Instanz zu entscheiden hat, weshalb diese ein Rechtsmittel im oben genannten Sinne darstellt (vgl. auch die Begriffsverwendung bei Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl. 2004, § 25 GKG, Rn. 56 ff.).

Gleichwohl ist der erklärte Rechtsmittelverzicht so zu verstehen, dass lediglich auf die Rechtsmittel der ZPO und damit auf die die verkündete Hauptsacheentscheidung betreffenden Rechtsmittel verzichtet werden sollte. Dafür spricht der Umstand, dass im Anschluss an die durch das Gericht überflüssigerweise erteilte Rechtsmittelbelehrung, die nach dem unbestrittenen Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme zur Beschwerde vom 9. Dezember 2003 (Bl. 45 d. A.) allein die Rechtsmittel zur Hauptsache, nicht aber zu der Festsetzung des Streitwerts, betraf. Dann kann aus dem Zusammenhang der Erklärung aber nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller neben den soeben erörterten Rechtsmitteln zur Hauptsache auch auf das Rechtsmittel, das die von der Hauptsache getrennt erlassenen Nebenentscheidungen zum Streitwert betraf, verzichten wollte. Erst recht gilt dies unter Berücksichtigung des bereits geschilderten Gebotes, bei der Annahme eines Rechtsmittelverzichtes Zurückhaltung zu üben.

2.

Auch in der Sache selbst hat die Beschwerde Erfolg. Der Wert ist je betroffenes Kind auf 2.000 €, insgesamt daher 4.000 €, festzusetzen.

In Kindschaftssachen beträgt der Ausgangswert gem. § 12 Abs. 2 S. 3 GKG 2.000 €. Wenn in einem Verfahren die Vaterschaft hinsichtlich mehrerer Kinder betroffen ist, liegen mehrere Ansprüche gem. § 5 ZPO vor, die dann zusammenzurechnen sind (Hartmann, a.a.O., § 12 GKG, Rn. 44 für die - überholten - Ehelichkeitsanfechtungsverfahren; Zöller-Herget, a.a.O., § 3 Stichwort Vaterschaftsanfechtung m. w. N.). Besondere Gründe, von dem Ausgangswert je Kind in Höhe von 2.000 € abzuweichen, sind nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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