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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.11.2008
Aktenzeichen: 9 WF 312/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 93
ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 275
ZPO § 276
ZPO § 415
ZPO §§ 567 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird die Kostenentscheidung in dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 24. Juli 2008 - Az. 53 F 211/06 - dahin abgeändert, dass die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beklagten auferlegt.

Der Klägerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... bewilligt.

Der Beschwerdewert wird auf bis 3.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die am 11. August 2008 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Kostenentscheidung in dem ihr am 28. Juli 2008 zugestellten Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Cottbus vom 24. Juli 2008 ist gemäß §§ 99 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sind den Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen, weil der Abänderungsantrag der Klägerin in der Hauptsache erfolgreich war. Die Klägerin wäre ungeachtet ihres Erfolges in der Sache gemäß § 93 ZPO nur dann mit den Kosten des Rechtsstreits zu belasten gewesen, wenn die Beklagten den Klageanspruch sofort anerkannt und keine Veranlassung zur gerichtlichen Rechtsverfolgung gegeben hätten. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar haben die Beklagten unbestritten keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Sie haben allerdings auch nicht "sofort" im Sinne von § 93 ZPO anerkannt.

Für die Frage eines sofortigen Anerkenntnisses kommt es entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht darauf an, dass die beklagte Partei bei der ersten sich bietenden Gelegenheit, nachdem die klagende Partei ihren Anspruch nachgewiesen hat, das Anerkenntnis erklärt. Die Ansicht würde dazu führen, dass ein Beklagter eine erfolgreiche Beweisführung des Klägers abwarten und danach noch nach einer weiteren Überlegungsfrist mit der ihm günstigen Kostenfolge des § 93 ZPO "sofort" anerkennen könnte. Entscheidend für die Frage, ob ein sofortiges Anerkenntnis vorliegen könnte, ist nicht erst der Nachweis des Klageanspruchs, sondern schon ein schlüssiges, den Klageanspruch rechtfertigendes Vorbringen (vgl. dazu BGH FamRZ 2004, 1021). Die Klägerin hatte unter Beweisantritt behauptet, erwerbsunfähig und damit leistungsunfähig zu sein. Dieses Vorbringen hat das Amtsgericht - mit Recht - als so schlüssig betrachtet, dass es die Erfolgsaussichten für die Klage bejaht und demgemäß uneingeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt hat. In gleicher Weise genügte dieses Vorbringen, um - eine sachgerechte Prozessführung durch das Gericht vorausgesetzt - die "Fristen" für ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO in Gang zu setzen.

Zwar hat das Amtsgericht den Rechtsstreit nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin nicht so stringent nach der Zivilprozessordnung geführt, wie dies aus Gründen der Klarheit wünschenswert gewesen wäre (1). Gleichwohl kann gemessen am Normzweck der Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO im Streitfall festgestellt werden, dass kein sofortiges Anerkenntnis vorliegt (2).

(1) Das Gericht hat nach Abschluss des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens durch den Beschluss vom 1. November 2007 die Klage (erstmals) förmlich zugestellt und dabei mit Verfügung vom selben Tage (Bl. 78 d.A.) lediglich allgemein "vor Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und ggf. Durchführung einer Beweisaufnahme" um Stellungnahme binnen drei Wochen gebeten. Das Gericht hat damit weder einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung gemäß § 275 ZPO anberaumt noch das schriftliche Vorverfahren gemäß § 276 ZPO angeordnet. Ungeachtet der in Rechtsprechung und Literatur seit langem umstrittenen Frage, bis zu welchem Zeitpunkt bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens ein Anerkenntnis noch sofort im Sinne von § 93 ZPO erklärt werden kann (bis zum Ablauf der Notfrist für die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft oder bis zum Ablauf der anschließenden Frist zur Klageerwiderung, vgl. zum Streitstand statt aller Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 93 Rdnr. 4), lassen sich im Streitfall mangels eindeutiger richterlicher Anordnungen zur Verfahrensweise die sonst üblichen Feststellungen dazu, bis wann spätestens das Anerkenntnis der Beklagten hätte erklärt werden müssen, auf der Basis der gesetzlichen Fristen nicht so ohne Weiteres treffen.

(2) Bei Heranziehung genereller Überlegungen ist jedoch davon auszugehen, dass die Beklagten im Streitfall mit ihrem am 4. Februar 2008 eingegangenen Schriftsatz nicht mehr "sofort" im Sinne von § 93 ZPO haben anerkennen können.

Die Kostenregelungen der deutschen Verfahrensgesetze werden von dem Gedanken der Billigkeit beherrscht, insbesondere dem Veranlasserprinzip. Der Grundsatz, dass bei streitigen Verfahren die Prozesskosten regelmäßig von dem unterlegenen Teil zu tragen sind, ist daraus abgeleitet, denn wer unterliegt, hat die Vermutung gegen sich, zum Streit Anlass gegeben zu haben. Dies zeigt insbesondere die Bestimmung des § 93 ZPO, welche die Regelung des § 91 ZPO aus Billigkeitsgründen durchbricht. Sie dient damit dem Schutz des Beklagten vor übereilten Klagen und der Vermeidung unnötiger Prozesse. Auch die zweite Voraussetzung dieser Ausnahmevorschrift für eine Kostenbelastung des in der Sache obsiegenden Klägers, das Anerkenntnis müsse ein sofortiges sein, ist an diesem Zweck zu messen. Der Bundesgerichtshof hat selbst für den hier nicht vorliegenden Fall der Anberaumung eines frühen ersten Termins ausgeführt, dass ein "sofortiges" Anerkenntnis in der Regel bereits in der Klageerwiderung abgegeben werden muss. Es heißt dort weiter: "Selbst wenn man dem nicht folgt und an der bisherigen Auffassung festhält, steht aber im Verfahren mit frühem ersten Termin dem Beklagten die gesetzte Klageerwiderungsfrist zur Verfügung, um zu entscheiden, ob und wie er sich gegen die Klage verteidigen oder den Klageanspruch anerkennen will. (...) Die Billigkeitsentscheidung, die nach § 93 ZPO zu treffen ist, kann nicht davon abhängen, ob ein Anerkenntnis in der Frist zur Abgabe der Verteidigungserklärung oder in der anschließenden Frist zur Klageerwiderung abgegeben wird." (BGH, Beschluss vom 30. Mai 2006, Az. VI ZB 64/05 - zitiert nach juris). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird danach maßgeblich darauf abgestellt, ob dem Beklagten ein hinreichend langer Prüfungszeitraum für seine Entscheidung, ob er den Klageanspruch anerkennen will oder nicht, gewährt worden ist.

Überträgt man diesen Grundsatz auf den vorliegenden Fall, so stand der Beklagtenseite mit der am 1. November 2007 gesetzten 3-Wochen-Frist zur Erwiderung auf die Klage und zur Vorbreitung des Verhandlungstermins ein ausreichend langer Prüfungszeitraum zur Verfügung, den die Beklagten allerdings und sogar noch über den Verhandlungstermin am 30. Januar 2008 hinaus haben verstreichen lassen. Sie haben vielmehr, dies ergibt sich aus dem Protokoll der Sitzung vom 30. Januar 2008, das nach § 415 ZPO den Vollbeweis des beurkundeten Vorganges begründet und deshalb von den Beklagten nicht durch einfaches Bestreiten in Zweifel gezogen werden kann, noch im Verhandlungstermin bestritten, dass die Voraussetzungen des Abänderungsbegehrens vorliegen. Sie haben nämlich ausdrücklich erklärt, (weiterhin) nicht gewillt zu sein, "hier den Argumenten der Klägerin zu folgen" (Bl. 111 d.A.). Die Erklärung des Anerkenntnisses erst nach Durchführung eines Verhandlungstermins hat demnach tatsächlich nicht nur einen vermeidbaren höheren prozessualen Aufwand verursacht, sondern insbesondere auch zu höheren Verfahrenskosten geführt. Dieser Umstand rechtfertigt es jedenfalls, die Voraussetzungen des § 93 ZPO im vorliegenden Fall zu verneinen und die Verfahrenskosten den allgemeinen Grundsätzen des Obsiegens und Unterliegens folgend insgesamt den Beklagten aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht ebenfalls auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO und berechnet sich aus der ermittelten Summe der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszuges.

Ende der Entscheidung

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