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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2006
Aktenzeichen: 9 WF 345/06
Rechtsgebiete: ZPO, PKH-VordruckVO


Vorschriften:

ZPO § 120 Abs. 4 Satz 2
ZPO § 124 Nr. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1
PKH-VordruckVO § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

9 WF 345/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 9. Oktober 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Schollbach als Einzelrichter

am 14. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 9. Oktober 2006 ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Notfrist von einem Monat gemäß §§ 569 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt und begründet worden.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 124 Nr. 2 ZPO können Bewilligungen von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht abgegeben hat, dem Verlangen des Gerichts, sich darüber zu äußern, ob eine Veränderung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, also nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen waren grundsätzlich gegeben.

Weder auf das Schreiben des Amtsgerichts vom 28. Juni 2006, binnen drei Wochen mitzuteilen, ob eine Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten sei und die hierfür entsprechenden Belege vorzulegen, noch auf das Erinnerungsschreiben des Amtsgerichts vom 11. August 2006 ist eine Reaktion der Antragsgegnerin erfolgt, obgleich sie zugleich auf die Folgen der Nichteinreichung hingewiesen worden ist. Erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung hat die Antragsgegnerin innerhalb des Beschwerdeverfahrens mitgeteilt, dass sie infolge der Begründung eines neuen Wohnsitzes vergessen habe, auf die Aufforderungsschreiben zu reagieren. Darüber hinaus hat sie die Auffassung vertreten, dass sie weiterhin Prozesskostenhilfe berechtigt sei, da sie Leistungen nach dem SGB II empfange.

Die Nichteinhaltung einer Frist im Sinne des § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO stellt für sich betrachtet zwar nicht stets einen Grund für die Aufhebung der Prozesskostenhilfe dar, da es sich hierbei nicht um eine Ausschlussfrist handelt. Die Vorschrift des § 124 Nr. 2 ZPO hat jedoch Sanktionscharakter. Danach kann das Gericht den Umstand, dass die geforderten Unterlagen nicht fristgemäß eingegangen sind, im Rahmen der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung über die Aufhebung berücksichtigen und die Prozesskostenhilfebewilligung insgesamt aufheben, wenn die Nichteinhaltung der Frist zumindest auf grober Fahrlässigkeit beruht (Brandenburgisches Oberlandesgericht FamRZ 2005, 47; 2002, 403).

Das Vorliegen einer solch groben Fahrlässigkeit ist in jedem einzelnen Fall konkret festzustellen; die von der Partei vorgebrachten Entschuldigungsgründe sind einer Würdigung zu unterziehen. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen stellt sich die angefochtene Entscheidung als ermessensfehlerhaft dar, sodass sie der Aufhebung bedurfte.

Zwar ist insoweit zunächst zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin schon nicht mitgeteilt hat, wann sie umgezogen ist und welche konkreten Umstände zu dem Versäumnis geführt haben sollen. Darüber hinaus ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass zwischen Einleitung des Überprüfungsverfahrens und Entscheidung ca. ein Vierteljahr vergangen ist, ohne dass eine Reaktion der Antragsgegnerin erfolgt ist. Gleichwohl ist der mitgeteilte Lebenssachverhalt noch als ausreichend anzusehen, um zumindest eine grobe Nachlässigkeit verneinen zu können, da die mit einem Umzug verbundenen Umstände ein einfaches Verschulden bei der Nichtbeantwortung der Schreiben als plausibel erscheinen lassen.

Soweit das Amtsgericht darauf abstellt, dass die Angaben bis zum heutigen Tag nicht vollständig seien, genügt dies ebenfalls nicht, um eine Aufhebung rechtfertigen zu können, da das Amtsgericht insoweit zunächst auf das Erfordernis der Vervollständigung der Angaben hätte hinweisen müssen. Dies insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch im Bewilligungsverfahren nach § 2 Abs. 2 PKH-VordruckVO zunächst die Übersendung des letzten Bescheides über den Bezug von Sozialleistungen ausreichend ist.

Da somit die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nicht vorliegen, war auf die sofortige Beschwerde die angefochtene Entscheidung aufzuheben, wobei das Amtsgericht das Überprüfungsverfahren fortzusetzen haben wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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