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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 21.10.2009
Aktenzeichen: 9 WF 84/09
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 181
BGB §§ 1600 ff.
BGB § 1628
BGB § 1628 Abs. 1
BGB § 1628 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1629 Abs. 2 Satz 1
BGB § 1795 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 1909
BGB § 1909 Abs. 1
FGG § 19
FGG § 57 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 640 e
ZPO § 640 e Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 18. Dezember 2008 abgeändert und das Jugendamt der Stadt Cottbus zum Ergänzungspfleger des minderjährigen Kindes B... R..., wohnhaft ..., mit dem Wirkungskreis "Vertretung des Kindes in dem von ihm anzustrengenden gerichtlichen Verfahren wegen Anfechtung der Vaterschaft des Antragstellers" bestellt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Verfahrensbeteiligten zu 1. und 2. sind inzwischen geschiedene Eheleute. Die Beteiligte zu 2. ist die Mutter des noch in der Ehezeit mit dem Antragsteller am .... April 1995 geborenen Kindes B... R..., für das beide im Grundsatz weiterhin gemeinsam sorgeberechtigt sind. Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist oder war weiter unstreitig, dass mit Blick auf die Trennung zum Jahreswechsel 1993/94 der Antragsteller nicht der Vater des Kindes ist.

Mit einem im November 2006 angestrengten Verfahren bei dem Amtsgericht Cottbus, Az. 53 F 252/06, beantragte der Kindesvater, ihm gemäß § 1628 Abs. 1 Satz 1 BGB die alleinige Entscheidung zu übertragen, ob die Vaterschaft im Namen des Kindes angefochten werden soll. Im Termin am 9. Juni 2008 haben die Beteiligten zu 1. und 2. insoweit eine familiengerichtlich genehmigte Vereinbarung dahin geschlossen, dass dem Antragsteller die Entscheidungsbefugnis darüber übertragen wird, ob B... R... gegen den Antragsteller eine Klage auf Anfechtung der Vaterschaft erheben kann (vgl. Bl. 188 ff/191 des Vorverfahrens des Amtsgerichts Cottbus zum Az. 53 F 252/06).

Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2008 hat der Beteiligte zu 1. mitgeteilt, dass er die zuvor beschriebene Entscheidungsbefugnis dahin ausübe, dass das Kind Vaterschaftsanfechtungsklage erheben solle, und zugleich auf Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind mit dem Wirkungskreis der Vertretung im Rahmen der Erhebung und Führung von dessen beabsichtigter Klage auf Anfechtung der Vaterschaft gegen ihn, den rechtlichen Vater, angetragen.

Die Stadt C... hat mit Schreiben vom 25. und 31. Juli 2008 (Bl. 7 und 13 d.A.), 27. August 2008 (Bl. 29 d.A.) und 1. September 2008 (Bl. 30 d.A.) erklärt, das Jugendamt sei zur Übernahme der Ergänzungspflegschaft für das Vaterschaftsanfechtungsverfahren des Kindes bereit.

Die Kindesmutter ist dem Antrag entgegen getreten und hat gemeint, die Vaterschaftsanfechtungsklage sei schon unzulässig, jedenfalls aber fehle es an einem hinreichend substantiierten Vorbringen von Gründen, die gegen die Vaterschaft des Antragstellers sprechen sollten.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2008 hat das Amtsgericht Cottbus den Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass mit Blick auf die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Erhebung der Vaterschaftsanfechtungsklage auf den Antragsteller die Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungspflegers insoweit entfallen seien, weil der Antragsteller gerade nicht an der Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gehindert sei. Vielmehr sei der Antragsteller als insoweit alleiniger Sorgerechtsinhaber klagebefugt im Namen des minderjährigen Kindes.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller am 14. Januar 2009 (sofortige) Beschwerde eingelegt. Er verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrages aus erster Instanz seinen Antrag weiter.

Die Kindesmutter hat unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen auf Zurückweisung des Rechtsmittels angetragen.

II.

Die Rechtsmittel des Antragstellers ist als einfache Beschwerde gemäß §§ 19, 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache selbst führt die Beschwerde zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft mit dem Aufgabenkreis der Erhebung der Vaterschaftsanfechtungsklage und der Führung des entsprechenden Verfahrens für das Kind.

Das Amtsgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antragsteller nicht im Sinne von § 1909 BGB gehindert sei, namens des Kindes die Vaterschaftsanfechtungsklage zu erheben. Tatsächlich sind im Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft beide Kindeseltern nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehindert, das Kind zu vertreten. Der Bundesgerichtshof hatte bereits mit Urteil vom 27. März 2002 (Az. XII ZR 203/99, abgedruckt u.a. in FamRZ 2002, 880) ausgeführt, dass selbst für das im Anfechtungsverfahren der Kindesmutter gegen den rechtlichen Vater nur nach § 640 e ZPO beteiligte Kind nach § 1909 Abs. 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist. Schon eine solche parteiähnliche prozessuale Rolle rechtfertige die analoge Anwendung des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB, die den Ausschluss des Vormundes von der Vertretung des Mündels für die dort genannten Fälle ausdrücklich vorsehe. Durch die Beteiligung nach § 640 e Abs. 1 ZPO solle das Kind, um dessen Status es gehe, so der BGH in der zitierten Entscheidung weiter, in die Lage versetzt werden, seine Interessen unabhängig von seiner allein sorgeberechtigten Mutter, zu vertreten. Die Interessen der Mutter und die Interessen des Kindes könnten durchaus voneinander abweichen. Das beizuladende Kind stehe in einem von seiner allein sorgeberechtigten Mutter angestrengten Statusverfahren der Mutter in einer eigenständigen Position gegenüber, die es ihm ermöglichen solle, eigene Interessen auch gegen die Mutter geltend zu machen. Dies entspreche der Interessenkonstellation, für die § 17965 Abs. 1 Nr. 3 die Vertretungsbefugnis ausschließt.

Diese Grundsätze beanspruchen Geltung erst recht für den hier vorliegenden Fall, in dem das Kind gegen den sorgeberechtigten Vater ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren einleiten und führen soll (vgl. auch OLGR Stuttgart 2002, 107, die die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für den Fall der Anfechtungsklage des rechtlichen Vaters gegen das Kind). Aus guten Gründen hat deshalb der Senat bereits in dem die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Erhebung der Vaterschaftsanfechtungsklage dem Grunde nach betreffenden Verfahren in seinem Beschluss vom 26. September 2007 (Az. 9 WF 279/07) auf das Vertretungsverbot des Antragstellers und die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers für ein etwaiges Verfahren nach §§ 1600 ff. BGB hingewiesen.

Das Amtsgericht hat verkannt, dass zwischen der Ausübung des materiellen Gestaltungsrechts auf Anfechtung einerseits und der prozessualen Verfahrenshandlung der Erhebung einer entsprechenden Klage andererseits strikt zu unterscheiden ist. Der Antragsteller als rechtlicher Vater ist - selbstverständlich - schon deshalb gehindert, das Kind in einem Anfechtungsprozess zu vertreten, weil er den Prozess namens des Kindes gegen sich selbst führen müsste. Dies gilt aber nicht für die - im vorliegenden Fall im Ergebnis des zum Az. 53 F 252/06 des Amtsgerichts Cottbus geführten Verfahrens nach § 1628 BGB - dem Antragsteller allein obliegende Entscheidung darüber, ob die Vaterschaft im Namen des Kindes angefochten werden soll. Insoweit handelt es sich nämlich weder um ein Rechtsgeschäft mit dem Kind im Sinne von § 181 BGB noch um einen Teil des Anfechtungsrechtsstreits (vgl. BGH FamRZ 2009, 861 mit weiteren Nachweisen).

Entgegen der Auffassung der Kindesmutter kann vorliegend auch ein Bedürfnis für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nicht verneint werden. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 26. September 2007 ausgeführt, dass im Regelfall davon auszugehen ist, dass ein natürliches Interesse des Kindes an der Feststellung seiner wirklichen Abstammung besteht, d.h. die Anfechtung der Vaterschaft sogar aus sorgerechtlichen Erwägungen vielfach geboten ist. An diesen Ausführungen ist ohne jede Einschränkung festzuhalten. Greifbare Anhaltspunkte, dass im Streitfall besondere Umstände vorlägen, die eine vom Regelfall abweichende Einschätzung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ebenso wenig finden sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der beabsichtigte Anfechtungsprozess offenbar aussichtslos oder mutwillig ist. Die Auffassung der Kindesmutter, der Antragsteller (Kindesvater) müsse schon im Verfahren nach § 1909 BGB die für eine gegen ihn selbst gerichtete Vaterschaftsanfechtung durch das Kind notwendigen Tatsachen vortragen, findet im Gesetz erkennbar keine Stütze.

Der Senat sieht sich mit Blick auf die Darstellung des Amtsgerichts im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (dort Seite 3 unten, Bl. 80 d.A.) im Übrigen veranlasst festzustellen, dass nach Lage der hier vorliegenden zum Az. 53 F 252/08 geführten Akten bislang tatsächlich keine Klage des Kindes, vertreten durch den Antragsteller, gegen den (rechtlichen) Kindesvater (= Antragsteller) geführt wird. Aus den vorstehenden Gründen wäre eine solche Klage unzulässig. Die im hiesigen Verfahren ausschließlich erstrebte Anordnung der Ergänzungspflegschaft ist vielmehr Voraussetzung für die - nachfolgende - Erhebung der Statusklage durch das Kind.

Die Stadt C... hat mehrfach ihr Einverständnis erklärt, dass das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt wird. Soweit mit Schreiben vom 30. September 2008 (Bl. 40 d.A.) - getragen ganz offensichtlich von der tatsächlich rechtsirrigen Annahme, die nach § 1628 Abs. 1 BGB vom Antragsteller im Vorverfahren erstrittene Entscheidungsbefugnis dem Grunde nach decke zugleich auch die Vertretung des Kindes im Statusverfahren - die Erforderlichkeit der Anordnung der Ergänzungspflegschaft in Zweifel gezogen wird, liegt darin nach Auffassung des Senates kein Widerruf der vorangegangenen Einverständniserklärungen für den hier eingetretenen Fall, dass die aufgeworfene Rechtsfrage abweichend beantwortet wird.

III.

Das Beschwerdeverfahren ist nach § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei; jedenfalls wäre nach § 21 GKG von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 13a FGG.

Ende der Entscheidung

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