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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.04.2006
Aktenzeichen: Kart U 4/05
Rechtsgebiete: BGB, GWB


Vorschriften:

BGB § 141
BGB § 141 Abs. 1
BGB § 145
BGB § 315
GWB § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Kart U 4/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 18.04.2006

Verkündet am 18.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.06.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 2 O 377/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung aus dem Tenor zu 1. des angefochtenen Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.466.500 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt in B... ein Zementwerk, in welchem sie aus Klinker verschiedene Zementsorten herstellt und vertreibt.

Das Klinkermaterial muss die Klägerin bei anderen Unternehmen beziehen. Zementklinker entsteht beim Brennen von Kalkstein.

Die Beklagte, welche nunmehr unter C... GmbH firmiert, ist eine Tochter des weltweit agierenden R...-Konzerns. Die Beklagte stellt Zementklinker her, vertreibt jedoch zugleich selbst Zement. Aufgrund der geringen örtlichen Entfernung B... - R... bezieht die Klägerin wesentliche Mengen Zementklinker von der Beklagten.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Belieferung mit Zementklinker (50.000 t für 2003).

Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2005 vor dem Landgericht erklärt, der Preis von 29,33 €/t Klinker sei für das Jahr 2003, bezogen auf 50.000 t, akzeptabel.

Das Landgericht Potsdam hat die Beklagte unter Abweisung im übrigen entsprechend dem äußerst hilfsweise gestellten Antrag verurteilt, an die Klägerin 50.000 t Zementklinker Zug um Zug gegen Zahlung von 29,33 €/t zu liefern.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahin stehen, ob der Liefervertrag der Parteien von 1998 in Ausführung einer kartellrechtswidrigen Absprache nichtig sei. Jedenfalls hätten die Parteien dieses nichtige Rechtsgeschäft durch Abschluß des Vergleiches vor dem Kammergericht bestätigt. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten soll das Zementkartell nur bis Ende 2001 bestanden haben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedenfalls der Nichtigkeitsgrund entfallen, so dass eine Bestätigung nach § 141 Abs. 1 BGB rechtlich möglich gewesen sei. Eine Bestätigung sei ferner darin zusehen, dass die Parteien für das Jahr 2002 den Vergleich tatsächlich durch Ausführung der vereinbarten Lieferung erfüllt hätten.

Die begehrte Lieferung habe zu einem Preis von 29,33 €/t zu erfolgen. Auf diesem Preis hätten die Parteien sich letztlich geeinigt.

Gegen dieses ihr am 27.06.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.07.2005 bei Gericht eingegangene Berufung der Beklagten, welche sie innerhalb der bis zum 29.09.2005 verlängerten Frist mit dem am 27.09.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte meint, die Voraussetzungen des § 141 BGB seien nicht erfüllt. Bei Vergleichsabschluß vor dem Kammergericht hätten die Parteien jedenfalls Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Vertrages haben müssen. Daran fehle es. Die Klägerin, die ohnehin jede Kartellabsprache bestreite, wolle nach ihrem eigenen Vortrag keine Kenntnis von der Nichtigkeit des Liefervertrages gehabt haben. Auch sie selbst, die Beklagte, habe erst nach Vergleichsabschluß eine rechtliche Überprüfung des Vertrages in Betracht gezogen und dann auch eingeleitet. Dies sei im Zusammenhang mit der Entscheidung ihrer Muttergesellschaft betreffend eine Kooperation mit dem Bundeskartellamt im Spätsommer 2002 geschehen.

Ihre Beteiligung an dem Kartell habe sei erst durch Versendung des Berichtes (Anlage B 7; Bl. 288 d. A.) an das Bundeskartellamt im August oder September 2002 deutlich gemacht worden.

Auch habe der nach § 141 BGB erforderliche Bestätigungswille der Parteien gefehlt. Sie, die Beklagte, habe mit dem Vergleichsabschluss lediglich der einstweiligen Verfügung entgehen wollen. Zudem könne ein gegen ein Verbotsgesetz verstoßendes Rechtsgeschäft nur dann wirksam bestätigt werden, wenn das Verbotsgesetz nachträglich entfallen sei. Daran fehle es. Ihre Berufung auf die Nichtigkeit des kartellrechtswidrigen Vertrages könne auch nicht treuwidrig sein, da die Einhaltung des Kartellverbotes im öffentlichen Interesse liege. Jedenfalls fehle eine Einigung der Parteien über den Lieferpreis. In den vorprozessualen Erklärungen der Parteien bzw. der Beklagten könne kein Angebot auf Preiseinigung gesehen werden. Nur hilfsweise für den Fall der Wirksamkeit des Liefervertrages habe sie, die Beklagte, diese Angebote abgegeben. Jedenfalls fehle es an einer wirksamen Annahme durch die Klägerin. Schließlich fehle ein wirksamer Lieferabruf der Klinkermengen durch die Klägerin.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie stellt weiterhin in Abrede, an einer Kartellabsprache beteiligt gewesen zu sein. Hilfsweise beruft sie sich auf eine Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts. Die Voraussetzungen des § 141 BGB seien erfüllt, da die die Nichtigkeit begründenden Umstände Ende des Jahres 2001 entfallen seien und die Parteien jedenfalls bei Vergleichsabschluß vor dem Kammergericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rechtsgeschäftes gehegt hätten. Dabei genüge Argwohn; Kenntnis von der Nichtigkeit sei nicht erforderlich. Die Beklagte sei über kartellrechtswidrige Umstände bereits Ende 2001/Anfang 2002 informiert gewesen. In ihrer "Zuarbeit" an das Bundeskartellamt (Anlage B 7) habe die Beklagte selbst bestätigt, eine kartellrechtswidrige Vereinbarung spätestens ab Januar 2002 aufgegeben zu haben. Demzufolge sei auch das Ermittlungsverfahren des Bundeskartellamtes gegen die Beklagte spätestens im Mai 2002 eingeleitet worden. Danach habe auch die von der Beklagten behauptete Quotenanabsprache nicht mehr bestanden, so dass auch sie, die Klägerin mit dem Vergleichsabschluß nicht habe gegen § 1 GWB verstoßen können.

Die Berufung auf die Nichtigkeit des Liefervertrages durch die Beklagte verstoße gegen Treu und Glauben. Sie, die Klägerin, habe nach dem Verhalten der Beklagten, nämlich den Preisverhandlungen im Jahre 2002, dem Vergleichsabschluß und der anschließenden Vornahme der Lieferungen davon ausgehen dürfen, der Klinkerliefervertrag werde zwischen den Parteien insgesamt durchgeführt werden. Ihr sei es nicht möglich, ihren gesamten Klinkerbedarf über andere Anbieter zu decken, zumal in dem räumlich relevanten Markt Berlin/Brandenburg außer der Beklagten kein anderer Anbieter für Zementklinker zur Verfügung stehe. Die Beklagte verfolge das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Klägerin durch eine Blockade in der Rohstoffzulieferung zu schwächen um das Verschwinden der Klägerin vom Markt zu erreichen.

Aus den vom Bundeskartellamt übersandten Aktenauszügen (Az.: B 1-100/02-2 und 2 a) ergibt sich, dass am 04.07.2002 das Bundeskartellamt eine groß angelegte Durchsuchungsaktion vorgenommen hat. Dabei wurden u.a. die Geschäftsräume der Klägerin im Beisein ihres Geschäftsführers K... und des Rechtsanwaltes W... durchsucht. Der Durchsuchungsbeschluss datiert vom 05.07.2002. Mit Beschluss vom 23.07.2002 hat das Amtsgericht Bonn die Beschlagnahme der sichergestellten Geschäftsunterlagen der Klägerin angeordnet mit der Begründung, diese sei an der Durchführung ordnungswidriger Preisabsprachen beteiligt. Auch die Räume der Beklagten sind am 04.07.2002 durchsucht worden.

Aus den Unterlagen des Bundeskartellamtes ergibt sich ferner (Schreiben des Bundeskartellamtes vom 03.11.2005), dass die R... AG im Anschluss an die Durchsuchungsaktion vom 04.07.2002 mit anwaltlichem Schreiben vom 30.07.2002 ihre volle Kooperationsbereitschaft gegenüber dem Bundeskartellamt erklärt hat. Im September 2002 hat die R... AG sodann die Einlassung "Wettbewerbssituation Zement" (im Rechtsstreit Anlage B 7) übergeben. Der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes gegen die R... AG betreffend kartellrechtswidriges Verhalten (Werk R...) ist rechtskräftig geworden.

Gegen die Klägerin ist ein Bußgeldbescheid am 02.09.2003 ergangen. Darin wird die Klägerin unter Berufung auf diverse Beweismittel beschuldigt, wettbewerbswidrige Mengenabsprachen seit 1990 praktiziert und bis zum Jahre 2001 fortgesetzt zu haben.

Die Klägerin hat Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt. Die Abgabe der Akten an das zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf ist noch nicht erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akten des Landgerichts Berlin (102 O 39/02 Kart bzw. Kammergericht - 2 U 14/02 Kart) haben als Beiakten vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden, mithin zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht auf den äußerst hilfsweise gestellten Klageantrag die Beklagte zur Lieferung von 50.000 t Zementklinker an die Klägerin Zug um Zug gegen Zahlung von 29,33 €/t für das Jahr 2003 verurteilt.

1.

Der Lieferanspruch der Klägerin für das Jahr 2003 ergibt sich aus §§ 1,2 des Vertrages vom 06.04./ 29.06.1998 jedenfalls in Verbindung mit dem vor dem Kammergericht geschlossenen Vergleich der Parteien.

Es bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung darüber, ob der Liefervertrag der Parteien 1998 im Rahmen einer gegen § 1 GWB verstoßenden Kartellvereinbarung zwischen den Parteien und anderen Herstellern von Zement über feste Liefermengen der Klägerin und anderer Zementhersteller für den ostdeutschen Raum als sogenannter Ausführungsvertrag geschlossen worden und demnach als nichtig zu behandeln ist (§§ 134 BGB, 1 GWB).

Ist der Vortrag der Klägerin zutreffend, wonach diese nicht Mitglied des Quotenkartells war, also der streitgegenständliche Liefervertrag nicht in Zusammenhang mit einer Marktaufteilung der großen vier Zementhersteller und der Festlegung von Lieferquoten steht, so ergibt sich der Belieferungsanspruch der Klägerin unmittelbar aus dem Vertrag.

Ist aber der Vortrag der Beklagten zutreffend, wonach der Liefervertrag aus dem Jahre 1998 eine Vereinbarung darstellt, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken sollte (§ 1 GWB), so stellt der Abschluß des Vergleiches vom 08.08.2002 die rechtswirksame Bestätigung dieses nichtigen Vertrages dar (§ 141 BGB). Der Belieferungsanspruch ergibt sich dann aus dem Liefervertrag in Verbindung mit dem Vertrag vom 08.08.2002.

2.

Der einen Vertrag darstellende Vergleich erfüllt die Voraussetzungen des § 141 BGB. Danach kann ein nichtiges Rechtsgeschäft Wirksamkeit erlangen, wenn die Parteien des Vertrages nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes in Kenntnis der Nichtigkeit oder jedenfalls bei Zweifeln an der Rechtsbeständigkeit des Vertrages einen Bestätigungswillen - auch durch schlüssiges Verhalten - äußern. Ausreichend ist, dass beide Parteien von der möglichen Nichtigkeit ausgehen, wobei der zu bestätigende Vertrag nicht in seinen Einzelheiten noch einmal erklärt werden muß. Es genügt, wenn sich die Parteien in Kenntnis aller Umstände auf den Boden des früher Vereinbarten stellen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65.Aufl., § 141 Rn 6; BGH, NJW 1982, 1981; 1999, 3704).

a.

Der Wegfall des Nichtigkeitsgrundes kann in der Aufhebung des betreffenden Verbotsgesetzes liegen, aber auch darin, dass eine Veränderung der Umstände ein seinerzeit unzulässiges Rechtsgeschäft nun zuläßt. Hier kommt nur Letzteres in Betracht. Die Gründe für die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes haben am 08.08.2002 nicht mehr bestanden.

Ergibt sich die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes allerdings aus einer Gesamtwürdigung einer Mehrzahl von objektiven und subjektiven Einzelumständen, so muß bei Wegfall eines dieser Umstände geprüft werden, ob nicht trotzdem die weiterwirkenden übrigen allein oder in Verbindung mit hinzutretenden neuen Umstände auch das neu vorgenommene Rechtsgeschäft als nichtig erscheinen lassen (BGH, WM 1982, 740). Das ist hier zu verneinen.

Im vorliegenden Falle bezeichnet § 1 GWB diejenigen Umstände, die den Kartellverbotstatbestand ausfüllen.

Danach sind Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten.

Der Liefervertrag der Parteien aus dem Jahr 1998 stellt sich nach der Behauptung der Beklagten als eine eben solche Vereinbarung dar. Zwar ergibt sich der Verstoß nicht unmittelbar aus dem betreffenden Rechtsgeschäft. Der Vertrag regelt ganz allgemein die Lieferung von Klinker über einen Zeitraum von 10 Jahren (bis 31.12.2007), insbesondere unter welchen Modalitäten die Lieferverpflichtung zu erfüllen und wie der Preis zu ermitteln ist. Nach Behauptung der Beklagten stellte der Liefervertrag aber einen "Baustein" innerhalb eines groß angelegten, flächendeckenden Kartells im Bereich der deutschen Zementhersteller dar.

Bei Abschluß des Vergleiches am 08.08.2002 hatten sich die Umstände jedoch derart verändert, dass das von der Beklagten behauptete "Zementkartell" keinen Einfluß mehr auf die Handlungen seiner vormaligen Teilnehmer, soweit diese im vorliegenden Rechtsstreit relevant sind, ausüben konnte, weil nämlich diese Teilnehmer sich an die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen nicht mehr halten wollten. Der vormals nichtige, dann aber von den Parteien bestätigte Liefervertrag stellte in der bestätigten Fassung keinen "Baustein" bzw. kartellrechtswidrigen Ausführungsvertrag mehr dar.

Fest steht, dass die Beklagte am 08.08.2002 nicht mehr Teilnehmerin des Kartells war. Bereits nach ihrem eigenen Vortrag war sie Ende 2001/Anfang 2002 aus dem Kartell ausgeschieden. Im Anschluß an die Durchsuchungsaktion des Bundeskartellamtes vom 04.07.2002 hatte ihre Muttergesellschaft mit anwaltlichem Schreiben vom 30.07.2002 ihre volle Kooperationsbereitschaft erklärt. Der gegen die R... AG erlassene, in Bestandskraft erwachsene Bußgeldbescheid legt ihr im Werk R... ein kartellrechtswidriges Verhalten in der Zeit von September 1997 bis Dezember 2001 zur Last. Folge dieses Ausscheidens war, wie die Beklagte selbst vorträgt, dass sie ab 2002 nur mit Mühe auf dem Markt ihren Zement ansetzen konnte und durch eine radikale Preisabsenkung auf die Gewinnung von Marktanteilen zielte. Dieses Preisangebot hat die Klägerin zum Anlaß genommen, den Rechtsstreit bei dem Landgericht Berlin (AZ 102 O 39/02 Kart) zu führen.

Unklar ist, ob die Klägerin am 08.08.2002 (noch) Mitglied des Kartells war. In dem gegen sie verhängten, nicht in Bestandskraft erwachsenen Bußgeldbescheid des Bundeskartellamtes wird der Klägerin zur Last gelegt, in der Zeit von August 1995 bis Ende 2001 vorsätzlich gegen Vorschriften des GWB verstoßen zu haben. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an.

Die in § 1 GWB genannten Modalitäten setzen begrifflich ein kartellrechtswidriges Verhalten beider Vertragspartner voraus. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen sind nur gegeben, wenn zwischen Unternehmen eine Verständigung über eine wettbewerbsbeschränkende Praxis, d.h. eine Willensübereinstimmung zwischen Unternehmen über ihr gemeinsames Auftreten am Markt besteht (Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl., S. 33). Diese Verständigung kann in Form von Vereinbarungen, Beschlüssen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen erfolgen. Maßgeblich ist das Element der kollektiven Beschränkung. Die Formen nicht koordinierten - bewußten oder unbewußten - Parallelverhaltens werden nicht von § 1 erfaßt (Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 1 Rn 83).

An einer solchen Willensübereinstimmung fehlt es im vorliegenden Falle, da jedenfalls die Beklagte zu wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen nicht mehr bereit war. Aus dem Wortlaut des bestätigten Rechtsgeschäftes selbst ergibt sich nichts anderes.

b.

Das Verhalten der Parteien bei Abschluß des Vergleiches hat dderen uneingeschränkten Wille erkennen lassen, an dem nichtigen Vertrag festhalten zu wollen.

Die Bestätigung nach § 141 BGB setzt einen Bestätigungswillen und damit das Bewußtsein der Unverbindlichkeit des früheren Geschäfts voraus (BGH, NJW-RR 2003, 769).

aa.

Dieser uneingeschränkte Wille kommt in dem Vergleich zum Ausdruck durch den Satz:

"Dieser Vergleich berührt die Berechnungsgrundlage für den Klinkerpreis im kommenden Jahr nicht". Die Regelung kann nur dahin verstanden werden, dass die Parteien sich nicht nur für das im Rechtsstreit vor dem Kammergericht streitgegenständliche Jahr 2002 einigen wollten, sondern auch die Lieferbeziehungen der nachfolgenden Jahre auf der Grundlage des (nichtigen) Vertrages regeln wollten.

Diese Vereinbarung ist für die wirksame Bestätigung ausreichend. Die Parteien müssen nicht über alle einzelnen Abmachungen des ursprünglichen Rechtsgeschäfts erneut eine Willensübereinstimmung herstellen und erklären (BGH, NJW 1999, 3704).

Die Beklagte kann mit ihrem Vortrag, ein Bestätigungswille ihrerseits habe am 08.08.2002 gefehlt, sie habe mit dem Vergleich nur das vom Landgericht Berlin ausgesprochene Unterlassungsgebot (Abschluß von Rahmenverträgen mit Dritten zu "Dumpingpreisen") aus der Welt schaffen wollen, nicht gehört werden.

Weder aus dem Vergleich selbst noch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.08.2002 ergibt sich derartiges. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Parteien im Verfahren der einstweiligen Verfügung vor dem Kammergericht auch um die Frage des angemessenen Lieferpreises für Klinker in 2002 gestritten haben. Den Verfügungsantrag der hiesigen Klägerin, der Beklagten zu untersagen, von der Klägerin für Klinkerlieferungen im Kalenderjahr 2002 mehr als 24,68 € zu verlangen, hatte das Landgericht Berlin zwar zurückgewiesen. Hiergegen hatte die hiesige Klägerin jedoch Berufung zum Kammergericht eingelegt, so dass sich die Beklagte am 08.08.2002 mit einer Preisforderung konfrontiert sah, die weit unter ihrer Vorstellung angesiedelt war.

bb.

Beide Parteien haben bei Vergleichsabschluß auch von der möglichen Nichtigkeit des Liefervertrages wegen Kartellrechtswidrigkeit gewußt. Jedenfalls hatten sie Zweifel an der Wirksamkeit des Vertrages, dies ist ausreichend (BGH, NJW 1995, 2290).

Bereits am 04.07.2002 waren die Geschäftsräume der Klägerin im Beisein ihres Geschäftsführers und ihres Anwaltes durchsucht worden. Der Durchsuchungsbeschluß lautete auf Verdacht der Durchführung wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Die Durchsuchungsaktion bzw. die im Durchsuchungsbescheid enthaltenen Vorwürfe reichen zur Auslösung besagter Zweifel aus. Gleiches gilt für die Geschäftsräume der Beklagten.

Zudem hatte ihre Muttergesellschaft nach der Durchsuchung im Werk R... ihre volle Kooperationsbereitschaft gegenüber dem Bundeskartellamt mit Schreiben vom 30.07.2002 erklärt. Der Vortrag der Beklagten, erst im Spätsommer 2002 seien ihr rechtliche Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit des Liefervertrages gekommen, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hatte nach eigenem Vortrag aktiv an diesem Kartell mitgewirkt, die Durchsuchungsaktion vom 04.07.2002 führte ihr die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens vor Augen. Bei objektiv gebotener, verständiger Betrachtungsweise mußte sich ihr der Verdacht der Nichtigkeit der von ihr mit anderen Kartellmitgliedern geschlossener Verträge bereits vor August 2002 aufdrängen.

3.

Nach den Bestimmungen des Liefervertrages muß die Beklagte die ihr vertraglich obliegenden Pflichten erfüllen.

Danach hat die Beklagte an die Klägerin jährlich maximal 100.000 t pro Kalenderjahr zu liefern und zwar nach entsprechendem Abruf durch die Klägerin und entsprechender Preiseinigung der Parteien (§§ 1, 2, 4 des Vertrages).

a.

Die Parteien haben den Lieferpreis für 2003 festgelegt.

Der Preis für jedes Kalenderjahr sollte bis zum 30.11. des Vorjahres zwischen den Parteien vereinbart werden, andernfalls der Preis nach einer vertraglich festgelegten Formel abzuändern war (§ 4). Da eine Einigung nicht erzielt werden konnte, war der Preis nach der vertraglich bestimmten Methode zu ermitteln, wobei der Beklagten kein einseitiges Leistungsbestimmungrecht mit der Folge der Anwendbarkeit des § 315 BGB vertraglich zugestanden war.

Die Beklagte hat sodann den Preis von 29,33 €/t gefordert mit der Behauptung, dieser entspreche den Berechnungsvorgaben des Vertrages. Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht mit diesem Preis einverstanden erklärt. Damit ist die vertraglich vorgesehene "Abänderung" des Preises wirksam erfolgt.

Soweit die Beklagte in der Berufung vorträgt, es fehle an einer Einigung der Parteien über den Preis, die Klägerin habe kein Angebot über 29,33 €/t abgegeben und habe auch das zu einem früheren Zeitpunkt abgegebene Angebot der Beklagten nicht mehr annehmen können ( §§ 150 Abs. 2, 146 BGB), greift dies aus rechtlichen Gründen nicht.

Nach den Regelungen des Liefervertrages ist in der Behauptung der Beklagten, der nach § 4 ermittelte Preis belaufe sich auf 29,33 €/t, kein Angebot iSv § 145 BGB zu sehen, sondern vielmehr das Verlangen, den Lieferpreis auf diesen ermittelten Betrag abzuändern, also quasi dessen rechnerische Richtigkeit anzuerkennen. Dies hat die Klägerin letztlich getan.

Unerheblich ist dabei, dass die Beklagte sich lediglich hilfsweise auf diesen "richtigen Preis" berufen und in erster Linie die Nichtigkeit des Liefervertrages eingewendet hat. Ob der Vertrag nichtig ist oder die Klägerin daraus Lieferansprüche ableiten kann, ist eine rein rechtliche Frage. Steht die Wirksamkeit des Vertrages fest, ist es rechtlich unerheblich, ob die Beklagte zur Belieferung zu einem bestimmten Preis "bereit" ist. Sie ist dann zur Lieferung auf Grund wirksamen Vertrages verpflichtet und zwar zu dem einvernehmlich abgeänderten Preis.

b.

Der Lieferanspruch der Klägerin ist fällig.

Sie hat die Leistungen der Beklagten abgerufen mit Schreiben vom 17.01. und 12.06.2003.

Zu weiterem Tätigwerden war die Klägerin nicht verpflichtet, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 07.02.2003 die Belieferung aus dem Vertrag unter Berufung auf § 1 GWB abgelehnt hatte.

Abgesehen davon kann in der Klageerhebung ein Lieferabruf über 50.000 t zu sehen sein.

Der Anspruch der Klägerin auf die Klinkerlieferung für 2003 ist auch nicht untergegangen, wie die Beklagte meint. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (dort S. 13 u.).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Entscheidend sind hier die Umstände des Einzelfalles. Unter welchen Voraussetzungen die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes erfolgen kann, ist höchstrichterlich bereits durch die oben zitierten Urteile entschieden worden.

Ende der Entscheidung

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