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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: Verg W 11/05
Rechtsgebiete: GWB, VwVfG


Vorschriften:

GWB § 128 Abs. 4 Satz 2
GWB § 128 Abs. 4 Satz 3
VwVfG § 80
VwVfG § 80 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 15/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht Verg W 11/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Nachprüfungsverfahren (Beschwerdeverfahren)

betreffend die Beteiligung an einer zu gründenden gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft für Entsorgungsdienstleistungen im Landkreis U... und in dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in Brandenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

am 29.09.2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Auftraggebers gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg beim Ministerium für Wirtschaft vom 1. Dezember 2004 - VK 34/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Auftraggeber zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.113,02 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Auftraggeber schrieb auf Grund eines entsprechenden Beschlusses seines Kreistages vom 25. September 2002 am 6. März 2003 europaweit im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb die Vergabe einer Beteiligung an einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft für Entsorgungsdienstleistungen (Restabfallbehandlung) mit Mehrheitsbeteiligung des Bieters aus.

Den der Ausschreibung zugrunde liegenden Beschluss hob der Kreistag mit in seiner Sitzung am 28. April 2004 gefassten Beschluss unter Hinweis auf den geänderten politischen Willen der Mitglieder des Kreistages auf. Geplant war nunmehr die kostengünstigere Durchführung durch den Landkreis selbst und hierzu die Beauftragung der 100 %igen Tochtergesellschaft U... mit der Abfallentsorgung ab 2005.

Der Willensbildung des Kreistages lag u. a. eine Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten des Auftraggebers vom 30. März 2004 zugrunde. Diese enthielt zur Ausschreibung neben einer Bewertung der vertraglichen Risiken und möglichen Konsequenzen für den Landkreis u. a. detaillierte Ausführungen zu den Voraussetzungen der Aufhebung der Ausschreibung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung, insbesondere zum Beschluss des BGH vom 18. Februar 2003, sowie zu den Urteilen X ZB 43/02 vom 16. Dezember 2003, X ZR 282/02 und vom 5. November 2002, BauR 2003, 240.

Auf Grund der entsprechenden Empfehlung hob der Landkreis die Ausschreibung auf. Dagegen richtete sich der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin.

Die Vergabekammer hat durch bestandskräftigen Beschluss vom 30. August 2004 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Hauptsacheverfahrens wird auf diesen Beschluss verwiesen.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 7. Oktober 2004 hat der Auftraggeber beantragt, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch ihn für notwendig zu erklären. Außerdem hat er die Festsetzung von Kosten in Höhe von 14.113,02 € beantragt.

Zur Begründung hat der Auftraggeber auf die rechtlich schwierigen Fragen des Verfahrens zur Aufhebung einer Ausschreibung und auf den erheblichen Auftragswert sowie auf das hohe finanzielle Risiko im Falle rechtlicher Fehler hingewiesen.

Die Antragstellerin hat gemeint, die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch den Auftraggeber sei nicht notwendig gewesen. Gegenstand des Verfahrens sei allein die Klärung tatsächlicher Fragen in Bezug auf das endgültige Absehen von der Auftragsvergabe gewesen. Zudem hätte der Auftraggeber behördeninternes juristisches Personal nutzen müssen.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 1. Dezember 2004 die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Auftraggeber für nicht notwendig erklärt und den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen.

Gegen diese den Verfahrensbevollmächtigten des Auftraggebers am 2. Dezember 2004 zugestellte Entscheidung wendet sich der Auftraggeber mit der am 16. Dezember 2004 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Er meint weiterhin, die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes im Verfahren vor der Vergabekammer sei erforderlich gewesen. So habe das dem Nachprüfungsverfahren zugrundeliegende Beschaffungsverfahren schon wegen des prognostizierten Gesamtentgelts der Antragstellerin für den ausgeschriebenen Auftrag von 79.400.738,00 € eine herausragende Bedeutung. Die Antragstellerin habe durch ihren Nachprüfungsantrag Fragen aufgeworfen, die insbesondere durch die erwähnte Stellungnahme der Verfahrensbevollmächtigten des Auftraggebers vorab nur teilweise beantwortet worden seien. Es seien Rechtsfragen aufgeworfen worden, die nicht als schlicht auftragsbezogen zu qualifizieren seien, sondern insbesondere auch durch die Bezugnahme der Antragstellerin auf die Rechtsprechung des EuGH vom 18.06.2002 europarechtliche Bezüge aufgewiesen hätten. Die Vergabekammer sei dementsprechend zu verpflichten, auf seinen Antrag hin über die Höhe der von der Antragstellerin an ihn zu erstattenden Auslagen zu entscheiden.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 117 GWB) ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat die Vergabekammer die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes durch den Auftraggeber im Verfahren vor der Vergabekammer als nicht gemäß § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. § 80 VwVfG notwendig angesehen.

Wann für die Vergabestelle die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig im Sinne des § 80 II VwVfG ist, so dass sie im Fall ihres Obsiegens einen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 128 IV Satz 2 GWB hat, ist in der Literatur und Rechtsprechung umstritten (zum Meinungsstand Byok/Jaeger-Noelle, Vergaberecht, 2. Aufl., Rn. 1438 ff. zu § 128 GWB). Welcher der vertretenen Meinungen zu folgen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls im vorliegenden Fall war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer für den Auftraggeber nicht notwendig.

Der Auftraggeber hat im Rahmen des Vergabeverfahrens von seinen späteren Verfahrensbevollmächtigten u. a. eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen erarbeiten lassen. In der von ihnen erarbeiteten Stellungnahme wurde insbesondere umfangreich erörtert und begründet, dass die Aufhebung der Ausschreibung möglich und rechtlich zulässig ist. Im Ergebnis wurde die Aufhebung der Ausschreibung empfohlen. Letztlich verfuhr der Auftraggeber gestützt auf diese Stellungnahme und entsprechend der ausgesprochenen Empfehlung. Im von der Antragstellerin daraufhin angestrengten Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer bedurfte der Auftraggeber wegen der ihm durch diese Stellungnahme ihrer Bevollmächtigten verschafften Kenntnisse keiner anwaltlichen Vertretung zur angemessenen Wahrung ihrer Interessen. Auf Grund der zur Frage der Aufhebung der Ausschreibung sorgfältig erarbeiteten umfangreichen und mit einem klaren Ergebnis abschließenden Stellungnahme konnte der Auftraggeber davon ausgehen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben würde, weil die Ausschreibung in der Sache rechtlich unangreifbar aufgehoben worden ist. Die Voraussetzungen für ein vergaberechtsfreies In-House-Geschäft waren im Juni 2004 - soweit es dieses Nachprüfungsverfahren darauf ankam - auch durch in der Stellungnahme verarbeitete Rechtsprechung des EuGH und des BGH geklärt. Darauf, ob der Nachprüfungsantrag schon aus dann im Nachprüfungsverfahren angesprochenen weiteren prozessualen oder anderen Gründen (auch) erfolglos bleiben würde, kam es danach nicht entscheidend an.

Vor diesem Hintergrund kann der erhebliche Auftragswert die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Auftraggeber im Verfahren vor der Vergabekammer nicht begründen. Auch ein die Notwendigkeit begründender besonderer Zeitdruck lag angesichts des zweifelsfreien Ergebnisses der Stellungnahme nicht vor.

Der Auftraggeber, ein Landkreis mit eigenem juristisch ausgebildetem Personal, war auch in der Lage und ihm war es ohne weiteres zuzumuten, die mit der Stellungnahme vermittelten Kenntnisse und Argumente im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zur Abwehr des Nachprüfungsantrages einzubringen.

Darauf, wie in dem hypothetischen Fall zu entscheiden wäre, wenn dem Auftraggeber die Stellungnahme während des Vergabeverfahrens nicht vorgelegen und er erst im Nachprüfungsverfahren einen Rechtsanwalt eingeschaltet hätte, kommt es ebenfalls nicht an.

Da die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht notwendig war, hat die Vergabekammer zu Recht auch den Kostenfestsetzungsantrag des Auftraggebers zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 14 I 1 GKG a. F..

Ende der Entscheidung

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