Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: Verg W 12/06
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A, GWB, BGB, VgV


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 2
GWB § 107 Abs. 3
GWB § 107 Abs. 3 Satz 1
GWB § 116
GWB § 117
GWB § 118 Abs. 1 Satz 3
GWB § 123 Satz 2 2. HS
VOB/A § 4 Nr. 2
VOB/A § 4 Nr. 3
VOB/A § 10 Nr. 5 Abs. 4 S. 1
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3
VOB/A § 21 Nr. 4
VOB/A § 25 Nr. 3
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b)
VOB/A § 25 Nr. 1 b)
VOB/A § 25 Nr. 3
VOB/A § 25 Nr. 5
VOB/A § 25 Nr. 5 S. 1
GWB § 128 Abs. 3 Satz 1
GWB § 128 Abs. 4 Satz 1
GWB § 128 Abs. 4 Satz 2
BGB § 121
VgV § 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 12/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 20.03.2007

Verkündet am 20.03.2007

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend: Bau und Erschließung des Hafens Güterverkehrszentrum B...: Los 3 - Erschließung und Straßenbau

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Eberhard und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 17.11.2006 - 1 VK 47/06 - aufgehoben.

Der Auftraggeberin wird aufgegeben, im Vergabeverfahren betreffend Bau und Erschließung des Hafens Güterverkehrszentrum B... die Angebotswertung betreffend das Los 3 - Erschließung/Straßenbau - unter Einschluss des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer werden der Auftraggeberin auferlegt. Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig.

Die im Verfahren der Beschwerde und des Verfahrens über den Antrag nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB entstandenen gerichtlichen Kosten und außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin werden der Auftraggeberin auferlegt. Die Auftraggeberin und die Beigeladene tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Juli 2006 die Hafenerschließung für das Güterverkehrszentrum B... im Offenen Verfahren europaweit aus. In der Ausschreibung heißt es: "Aufteilung in Lose: Ja. Sollten die Angebote wie folgt eingereicht werden: für alle Lose". Außerdem enthält die Ausschreibung folgenden Hinweis: "Die Verdingungsunterlagen werden nur im Paket mit allen Losen versandt." Der Auftrag umfasst in Los 1 die Geländeumgestaltung, in Los 2 Spundwand und Verankerung sowie in Los 3 Erschließung und Straßenbau. Nebenangebote waren zulässig. Der geschätzte Auftragswert für Los 3 liegt nach der von der Auftraggeberin in Auftrag gegebenen Kostenberechnung bei 2.179.000,00 EUR (brutto).

Als alleiniges Zuschlagskriterium, benannte die Auftraggeberin gemäß Punkt 5.3 der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 24. Juli 2006 den Preis. In Ziffer 5.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe heißt es, dass sich die Auftraggeberin die Vergabe nach Losen vorbehalte und dass Angebote für alle Lose abzugeben seien. In Ziffer 5.2 wies die Auftraggeberin darauf hin, dass Nebenangebote die im Beiblatt EVM Erg EG Neb - 247EG genannte Mindestanforderungen erfüllen müssen. In diesem Beiblatt vermerkte die Auftraggeberin zu Mindestanforderungen: "gleichwertig den beiliegenden Technischen/Ergänzenden Vertragsbedingungen und der Leistungsbeschreibung. Vom AN ist der Nachweis der Gleichwertigkeit zum Hauptangebot zu erbringen." Das Verzeichnis der Zusätzlichen/Ergänzenden Technischen Vertragsbedingungen verweist auf eine Reihe von weiteren Technische Vorschriften und Richtlinien für die Durchführung der ausgeschriebenen Arbeiten.

Im von der Auftraggeberin vorgegebenen Angebotsvordruck war von den Bietern ein zusätzlicher prozentualer Preisnachlass unter der Bedingung der Zusammenfassung aller oder einzelner Lose anzugeben. Außerdem war zu erklären, ob der Preisnachlass auf das Hauptangebot auch auf etwaige Nebenangebote gewährt wird.

Die Antragstellerin gab am 18. August 2006 ein Hauptangebot für sämtliche Lose ab, ebenso wie die Beigeladene. Die Beigeladene reichte vier Nebenangebote ein, die Antragstellerin keines. Die Beigeladene bot in einem ihrer Nebenangebote einen Preisnachlass für den Fall des Zuschlags auf zwei Lose und einen weiteren Nachlass für den Fall der Beauftragung mit allen Losen an. Diesen Preisnachlass vermerkte sie nicht an der im Angebotsvordruck vorgesehenen Stelle, sondern benannte lediglich die Zahl ihrer Nebenangebote.

Im Submissionsprotokoll des Submissionstermins vom 29. August 2006 sind die von den Bietern angegeben Preise für die drei Lose vermerkt. Dort ist ausgehend von den Angebotsvordrucken festgehalten, dass die Beigeladene keinen Nachlass für den Fall der Beauftragung mehrerer Lose gewährt. Ausweislich des Submissionsprotokolls war das Angebot der Antragstellerin für das Los 3 das preisgünstigste.

Am 21. September 2006 fand ein Bietergespräch mit dem Ziel der Aufklärung offener Punkte mit der Antragstellerin statt. Dabei wurde festgestellt, dass zwar zu allen Positionen Preise angegeben waren, in einzelnen Positionen des Angebotes der Antragstellerin für das Los 3 jedoch der Materialeinsatz teilweise unberücksichtigt geblieben ist. Dennoch erklärte die Antragstellerin, ihr Angebot in der angebotenen Höhe aufrecht erhalten zu wollen.

Mit Schreiben vom 12.10.2006, bei der Antragstellerin per Telefax eingegangen am 13.10.2006, informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass ihr Angebot nach § 25 Nr. 3 VOB/A nicht in die engere Wahl komme, weil das Verhältnis zwischen Preis und Leistung unangemessen sei. Durch den teilweise nicht berücksichtigten Materialeinsatz in aufzuklärenden Einheitspreisen enthalte das Angebot nicht alle geforderten Preise für die betreffende Leistung. Es sei beabsichtigt, der Beigeladenen B.../Q... am 30. Oktober 2006 als Gesamtvergabe, Los 1 - 3 den Zuschlag zu erteilen.

Mit von ihr selbst verfasstem Schreiben vom 20.10.2006, bei der Auftraggeberin eingegangen am selben Tag, rügte die Antragstellerin, dass ihr Angebot nicht in die engere Wahl komme. Es enthalte alle geforderten Leistungen und Preise. Dies habe sie im Rahmen der Angebotsaufklärung ausdrücklich bestätigt. Zudem rügte die Antragstellerin einen Verstoß gegen § 4 Nr. 2 und 3 VOB/A, da eine nachvollziehbare Erklärung für die beabsichtigte Vergabe aller Lose an die beigeladene Bietergemeinschaft fehle und die Submission ergeben habe, dass die Angebote anderer Bieter, bezogen auf eines oder mehrere Lose, preislich deutlich günstiger lägen. Eine getrennte Vergabe der Lose sei deshalb wirtschaftlicher.

Die Auftraggeberin wies die Rüge der Antragstellerin mit Schreiben vom 25.10.2006 zurück. Die Antragstellerin hat daraufhin mit am 25. Oktober 2006 bei der Vergabekammer eingegangenem Schriftsatz einen Nachprüfungsantrag gestellt.

Die Antragstellerin hat gemeint, sie habe die gemäß § 107 Abs. 3 GWB geforderte Rüge rechtzeitig erhoben. Dabei sei zu berücksichtigen, dass aufgrund der Struktur der Antragstellerin als Bietergemeinschaft zunächst eine kommunikative Abstimmung des Vorabinformationsschreibens an alle drei Bieter sicher zu stellen gewesen sei. Darüber hinaus handle es sich bei den aufgeworfenen Fragen, etwa inwieweit die Auftraggeberin überhaupt berechtigt gewesen sei, eine Gesamtvergabe an einzelne Bieter durchzuführen, um schwierige rechtliche Fragen, sodass die Antragstellerin zunächst einen Rechtsanwalt zur Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinzugezogen habe und habe hinzuziehen dürfen.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, die von ihr angebotenen Preise deckten alle mit dieser Position abgefragten Leistungen ab. Das Angebot der Antragstellerin sei auch nicht unangemessen niedrig. Der Zuschlag für das Los 3 müsse somit zwingend auf das preisgünstigste Angebot der Antragstellerin erfolgen, woran auch die Berücksichtigung von Nebenangeboten anderer Bieter nichts ändere, da die Auftraggeberin hierfür die Mindestbedingungen nicht klar definiert habe. Eine Gesamtvergabe sei aufgrund der Abfassung der Vergabebekanntmachung unzulässig und aufgrund des Wertungskriteriums "Preis" nicht möglich. Selbst bei Anwendung dieses Kriteriums sei eine Kombination, die eine Vergabe des Loses 3 zu Gunsten der Antragstellerin vorsehe, stets preisgünstiger als eine Gesamtvergabe zu Gunsten der Beigeladenen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. der Auftraggeberin aufzugeben, den Zuschlag für das Los 3 nicht im Wege einer Gesamtvergabe an die Beigeladene zu erteilen, sondern stattdessen das Vergabeverfahren unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin fortzusetzen und über die Zuschlagserteilung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu befinden,

2. hilfsweise, das Vergabeverfahren aufzuheben,

Die Auftraggeberin hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag zu verwerfen bzw. zurückzuweisen.

Die Auftraggeberin hat gemeint, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig und auch unbegründet.

Die Antragstellerin habe ihre Rüge gegen die angekündigte Nichtberücksichtigung ihres Angebotes nicht unverzüglich erhoben. Der Umstand, dass sich die Auftraggeberin mit der Frage der Behandlung nicht angegebener und damit nicht berücksichtigter Materialkosten im Angebot der Antragstellerin auseinander setzte, sei der Antragstellerin bereits seit dem am 21. September 2006 geführten Aufklärungsgespräch bekannt gewesen. Die Möglichkeit der Gesamtvergabe sei bereits aus Bekanntmachung und Angebotsaufforderung ersichtlich gewesen, sodass eine Rüge bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsaufforderung hätte erfolgen müssen. Dies gelte auch für die behauptete unzureichende Festlegung von Mindestanforderungen an Nebenangebote. Zudem sei die Antragstellerin nicht antragsbefugt, da auch die Einbeziehung ihres Angebotes in die Wertung nicht zu einer Einzellosvergabe geführt hätte. Die Beauftragung der Beigeladenen sei preislich günstiger.

Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin sei zu Recht erfolgt, da sie nicht ihre wahren Preise erklärt habe. Im Falle einer Mengenänderung müsse die Auftraggeberin so ohne preisliche Anhaltspunkte auskommen. Die Gesamtvergabe sei vor dem Hintergrund physikalisch-technischer Verzahnungen und Verbindungen der Leistungsbereiche, der Vermeidung von Schnittstellenkonflikten und zur Einhaltung der Ausführungsfristen und damit zur Vermeidung von Subventionskürzungen gerechtfertigt. Durch das Kriterium der Gleichwertigkeit habe sie eine Mindestanforderung an Nebenangebote gestellt; weitere Anforderungen hätten den Zweck der Zulassung von Nebenangeboten vereitelt.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 17.11.2006 den Nachprüfungsantrag auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Antragstellerin habe die von ihr erkannten Vergaberechtsverstöße nicht rechtzeitig gerügt. Zum einen sei die Rüge nicht innerhalb von ein bis drei Tagen erfolgt. Zum anderen stelle das Schreiben der Antragstellerin auch inhaltlich keine Rüge dar. Die Vergabekammer hat in diesem Beschluss außerdem die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin für notwendig erklärt.

Gegen diesen Beschluss, ihr zugestellt am 20.11.2006, hat die Antragstellerin durch bei Gericht am 30.11.2006 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin meint, die Vergabekammer habe die Zulässigkeit ihres Nachprüfungsantrages zu Unrecht verneint. Hierzu behauptet sie, sie habe vor Abfassung des Rügeschreibens vom 20.10.2006 einen Rechtsanwalt hinzugezogen. Die Frage der Zulässigkeit einer Gesamtvergabe bei einer Ausschreibung nach Losen sei rechtlich schwierig und bisher in der Rechtsprechung nicht ausreichend geklärt. Das Rügeschreiben sei von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin formuliert und auf dem Briefpapier der Antragstellerin der Auftraggeberin übermittelt worden. Dies habe die Vergabekammer nicht berücksichtigt.

Im Übrigen beanstandet die Antragstellerin, dass die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin für notwendig erklärt hat. Dies stehe im Widerspruch zur Sachentscheidung der Vergabekammer. Die Vergabekammer könne nicht einerseits die Sache als derart unproblematisch ansehen, dass eine Rüge innerhalb von drei Tagen erhoben werden müsse, andererseits aber dem Auftraggeber wegen einer schwer zu erkennenden Verfristung der Rüge die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zubilligen.

In der Sache wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr Vorbringen vor der Vergabekammer.

Sie trägt vor, es sei davon auszugehen, dass die Beigeladene keine Nebenangebote abgegeben habe, sondern Nachlässe in vergaberechtlich unzulässiger Weise in Nebenangeboten versteckt habe.

Der Senat hat auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 14.12.2006 die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlängert. Außerdem hat er die Beigeladene zum Verfahren beigeladen.

Die Antragstellerin beantragt,

I) den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Brandenburg - 1 VK 47/06 - aufzuheben,

II) das Nachprüfungsverfahren an die Vergabekammer zurückzuverweisen und die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden,

III) die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären,

hilfsweise,

IV) in der Sache selbst wie folgt zu entscheiden:

a) der Antragsgegnerin aufzugeben, den Zuschlag für das Los 3 nicht im Wege einer Gesamtvergabe an die Beigeladene zu erteilen, sondern stattdessen das Vergabeverfahren unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin fortzusetzen und über die Zuschlagserteilung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu befinden,

b) hilfsweise, das Vergabeverfahren aufzuheben,

Die Auftraggeberin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Die Auftraggeberin hält die Entscheidung der Vergabekammer für richtig. Die Beigeladene beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene meint, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Sie liege mit ihrem Angebot für alle Lose abgeschlagen auf Rang 6. Dies sei maßgeblich, weil der Auftraggeber eine Gesamtvergabe beabsichtigt habe. Im Übrigen fehle es an einer rechtzeitigen Rüge der Antragstellerin. Nicht rechtzeitig gerügt habe die Antragstellerin auch die von der Auftraggeberin beabsichtigte Wertung von Nebenangeboten. Die Existenz von Nebenangeboten sei aus dem Submissionsprotokoll ersichtlich, deren Wertung aus der Bieterbenachrichtigung der Auftraggeberin.

Die Beigeladene meint weiter, der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet, weil der Auftraggeber Angebote für Einzellose nicht zugelassen habe. Die Gesamtauftragsvergabe sei rechtmäßig. Zwar habe sich die Auftraggeberin die losweise Vergabe vorbehalten. Dies habe jedoch nur für den Fall gelten sollen, dass mehrere Angebote über einzelne Lose zusammen das wirtschaftlichste Angebot bildeten. Nur in dieser Konstellation sei zu entscheiden, ob es zur Einzelvergabe der Lose oder zur Paketvergabe komme. Dabei werde kein weiteres Kriterium als der Preis herangezogen. Auch seien ausreichende Kriterien für die Wertung von Nebenangeboten angegeben. Im Übrigen sei die Antragstellerin zu Recht ausgeschlossen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die Vergabeakten Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie ist gemäß den §§ 116, 117 GWB zulässig, weil sie fristgerecht eingelegt und begründet worden ist. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet ist.

Der Senat erachtet es wegen der besonderen Eilbedürftigkeit von Nachprüfungsverfahren nicht für sachdienlich, das vorliegende Nachprüfungsverfahren nach dem Hauptantrag der Antragstellerin gemäß § 123 Satz 2 2. HS GWB an die Vergabekammer zurückzuverweisen. Die Sache ist zur Entscheidung reif. Deshalb hat der Senat selbst in der Sache entschieden.

Auf den Hilfsantrag IV a) war die Auftraggeberin zu verpflichten, über die Vergabe des Loses 3 unter Einbeziehung des Angebots der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenates neu zu befinden.

I. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

1.) Insbesondere hat sie Vergaberechtsverstöße des Auftraggebers rechtzeitig gemäß § 107 Abs. 3 GWB gerügt.

Die Antragstellerin wendet sich gegen ihren Ausschluss durch die Auftraggeberin, gegen eine ihrer Auffassung nach unzulässige Gesamtvergabe des Auftrages an einen Bieter bei einer Ausschreibung nach Losen und gegen die Wertung von Nebenangeboten.

Alle diese Rügen sind inhaltlich ausreichend als Rüge erkennbar. Die Antragstellerin hat, soweit es ihren Ausschluss angeht, nicht lediglich das Informationsschreiben der Auftraggeberin zitiert und im Anschluss daran erklärt: "Wir rügen dies als vergaberechtswidrig". Sie hat vielmehr im Anschluss daran Bezug nehmend auf das Bietergespräch die Auffassung vertreten, ihr Angebot enthalte alle geforderten Leistungen und Preise. Soweit es die beanstandete Gesamtvergabe angeht, hat sie ebenfalls zum Ausdruck gebracht, warum sie dies für vergaberechtswidrig hält. Sie hat in dem Rügeschreiben ausdrücklich erklärt, eine getrennte Vergabe der Lose sei wirtschaftlicher. Soweit es die Wertbarkeit von Nebenangeboten angeht, ist im Nachprüfungsverfahren hierzu von der Antragstellerin dezidiert vorgetragen, warum die Wertung von Nebenangeboten unzulässig sein soll.

a.) Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles war die von der Antragstellerin am 20.10.2006 erhobene Rüge, mit der sie sich gegen die ihr am 13.10.2006 zugegangene Benachrichtigung von ihrem Ausschluss von der Wertung wendet, gerade noch rechtzeitig.

Die von der Rechtsprechung unter Heranziehung von § 121 BGB im Einzelfall eingeräumte Frist von zwei Wochen ist eine Höchstfrist. Unverzüglich i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist die Rüge nur dann erhoben, wenn ohne schuldhaftes Zögern gerügt worden ist. Bei überschaubaren und einfach zu bewertenden Sachverhalten kann danach im Einzelfall eine Rügefrist von 1 bis 3 Tagen in Betracht kommen. In der Regel sind mindestens 3-5 Tage als Rügefrist einzuräumen. Hier ist, weil die Antragstellerin einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat, eine Frist von einer Woche noch gerechtfertigt.

Die Antragstellerin hatte nicht bereits in dem Bietergespräch vom 21.9.2006 Kenntnis davon, dass die Auftraggeberin sie wegen des teilweise nicht berücksichtigten Materialeinsatzes vom Vergabeverfahren ausschließen würde. Sie wusste aus dem Bietergespräch zwar, dass die Auftraggeberin insoweit Aufklärungsbedarf gesehen hat. Es lässt sich dem Protokoll des Bietergesprächs jedoch nicht entnehmen, dass sie deswegen mit dem Ausschluss ihres Angebotes rechnen musste. Die Antragstellerin konnte nach ihrer Erklärung, es liege ein Kalkulationsfehler vor, den sie jedoch nicht zum Anlass für eine Korrektur der Preise nehmen wolle, nicht damit rechnen, mit ihrem Angebot ausgeschlossen zu werden.

Kenntnis von dem Ausschluss erlangte die Antragstellerin deshalb erst am 13.10.2006 mit Zugang des Vorabinformationsschreibens. Ihre Rüge datiert vom 20.10.2006 und ist bei der Auftraggeberin am selben Tag eingegangen. Zwischen dem Zugang des Schreibens nach § 13 VgV und dem Rügeschreiben liegt mithin eine Woche.

Der Auffassung der Vergabekammer, dass eine Woche für die Erstellung des Rügeschreibens zu lang gewesen sei, folgt der Senat nicht. Zutreffend weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Entscheidung der Vergabekammer widersprüchlich ist. Die Vergabekammer meint einerseits, der Inhalt des Informationsschreibens werfe keine umfangreichen und schwierigen Sach- oder Rechtsfragen auf, so dass der Antragstellerin eine Rügefrist von nur zwei bis drei Tagen zur Verfügung gestanden habe. Andererseits gesteht die Vergabekammer der Auftraggeberin jedoch zu, im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer wegen der besonderen verfahrensrechtlichen Problematik einen Verfahrensbevollmächtigten hinzuzuziehen. Wenn die Rechtsfragen wirklich einfach gewesen wären, hätte die Auftraggeberin sich vor der Vergabekammer auch selbst vertreten können. Die Rechtsfragen sind jedoch komplex, so dass sowohl die Antragstellerin als auch die Auftraggeberin gute Gründe hatten, sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen.

Allerdings kann es der Antragstellerin nicht zugute kommen, dass sie nicht ein Einzelbieter, sondern eine Bietergemeinschaft ist, in der ein höherer Abstimmungsbedarf herrscht.

Jedoch hatte die Antragstellerin aufgrund des Informationsschreibens gemäß § 13 VgV Anlass, anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Hierfür muss ihr ein Zeitraum von einer Woche für die Erhebung der Rüge zugebilligt werden.

Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bestand hier Veranlassung, weil das Informationsschreiben der Auftraggeberin gemäß § 13 VgV nicht mit Sicherheit erkennen ließ, warum ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin erfolgt ist. Es war darin zunächst angegeben, das Angebot sei nicht in die engere Wahl gekommen, weil das Verhältnis zwischen Preis und Leistung unangemessen sei. Dies ist ein Ausschluss gemäß § 25 Nr. 3 VOB/A. Ein solcher Ausschluss ist möglich, wenn das Angebot einen unangemessen niedrigen Preis ausweist. Die Erläuterung der Auftraggeberin, durch den teilweise nicht berücksichtigten Materialeinsatz in aufzuklärenden Einheitspreisen enthalte das Angebot nicht alle geforderten Preise für die betreffende Leistung, weist - wie im Übrigen die Angebotsprüfung in den Vergabeakten der Auftraggeberin auch - auf einen anderen Ausschlussgrund hin, nämlich denjenigen wegen Unvollständigkeit der Preise gemäß den §§ 25 Nr. 1 b) i. V. m. 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A. Da die Antragstellerin alle Angebote verpreist hatte, musste sie nach dem Informationsschreiben damit rechnen, wegen einer sog. Mischkalkulation ausgeschlossen worden zu sein. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach Mischkalkulationen unzulässig sind und den Ausschluss des Bieters nach sich ziehen müssen (BGH NJW-RR 2004, 1626), hat zu einer erheblichen Verunsicherung von Auftraggebern und Bietern geführt, weil es immer eine Frage des Einzelfalles ist, ob ein Bieter wegen einer unzulässigen Mischkalkulation zu Recht ausgeschlossen werden kann oder nicht. Hier ergab sich für die Antragstellerin Bedarf an anwaltlicher Beratung.

Selbst wenn man hier nur eine Rügefrist von fünf Tagen für angemessen halten wollte, wäre die Rüge im vorliegenden Fall wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles als rechtzeitig zu behandeln. Wie die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, hat sie sich zunächst an die späteren Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen mit der Bitte um anwaltliche Beratung gewandt. Diese haben das Mandat aus Gründen der Interessenkollision abgelehnt. Deshalb musste der Antragstellerin nicht nur einmal, sondern zwei Mal nach anwaltlichen Vertretern suchen.

b.) Rechtzeitig erhoben ist auch die Rüge, dass eine Gesamtvergabe an die Beigeladene erfolgen soll, obwohl die Angebote anderer Bieter, bezogen auf eines oder mehrere Lose preislich deutlich günstiger liegen. Auch hier führt die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts dazu, dass die Rügefrist eine Woche beträgt.

c.) Auch das Fehlen von Mindestbedingungen für Nebenangebote konnte die Antragstellerin nach Angebotsabgabe noch im Nachprüfungsverfahren rechtzeitig rügen.

Da sie selbst kein Nebenangebot abgegeben hat, bestand für sie vor Angebotsabgabe keine Veranlassung, sich mit dem die Abgabe von Nebenangeboten betreffenden Teil der Ausschreibung näher zu befassen und seinen Inhalt auf seine vergaberechtliche Zulässigkeit zu untersuchen. Dies änderte sich erst, als sie von der beabsichtigten Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen erfuhr. Aus der Bieterbenachrichtigung gemäß § 13 VgV, die die Antragstellerin erhalten hat, ergab sich nicht, dass die Auftraggeberin Nebenangebote gewertet hätte. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin darin lediglich mitgeteilt, dass ihr Angebot gemäß § 25 Nr. 3 VOB/A nicht in die engere Wahl komme. Dass ein wirtschaftlicheres Nebenangebot vorliege, ergibt sich daraus nicht. Die Antragstellerin hat vielmehr erst im Laufe des Verfahrens vor der Vergabekammer eine entsprechende Kenntnis erlangt. Erst dann war sie gehalten, eine Rüge zu erheben (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 31.5.2006, NZBau 2006, 600, zitiert nach Juris). Dies hat sie auch getan.

2.) Die Antragstellerin ist in Bezug auf das Los 3 des ausgeschriebenen Auftrages antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Für dieses Los hat sie das günstigste Angebot abgegeben.

Für die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist nicht darauf abzustellen, welchen Rang sie bezogen auf die Gesamtbauleistung belegen würde, wenn ihr Angebot gewertet worden wäre. Das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin bezieht sich allein auf das Los 3. Nur auf dieses Los bezogen kann ihre Antragsbefugnis bewertet werden. Ob eine Einzelvergabe zulässig ist oder ob demgegenüber die Bauleistung nur insgesamt vergeben werden kann, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Nachprüfungsantrages

II. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

1.) Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen.

a.) Ein Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A, d.h. in der ersten Wertungsstufe, ist nicht gerechtfertigt.

Gegenstand der ersten Wertungsstufe ist allein die formelle und rechnerische Prüfung der Angebote; sie endet mit dem Ausschluss derjenigen Angebote, die sich schon wegen offensichtlicher formeller Mängel nicht für einen Vergleich mit anderen Angeboten eignen. In dieser Prüfungs- und Wertungsstufe erfolgt noch keine inhaltliche Bewertung der Angebote, diese ist erst Gegenstand der dritten und vierten Wertungsstufe.

Im Hinblick auf die Preisangaben verlangt § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A die Vollständigkeit der angegebenen Preise unter Berücksichtigung des durch die Verdingungsunterlagen vorgegebenen Anforderungsprofils. Der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2004, 1626) hat nur entschieden, dass eine Preisangabe auch dann unvollständig ist, wenn sie trotz des Verlangens der Angabe eines Einheitspreises für jede konkrete Leistungsposition dort nicht den kompletten intern kalkulierten Einheitspreis des Bieters ausweist, sondern statt dessen beim Bieter anfallende und für die Preisbildung relevante Kosten für die Ausführung einer bestimmten Leistungsposition teilweise oder ganz in anderen Leistungspositionen "versteckt" werden (Mischkalkulation). Eine Ausschlussentscheidung nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A wegen einer unzulässigen Mischkalkulation setzt die Feststellung von derart unvollständigen Preisangaben durch die Vergabestelle voraus. Diese Feststellung kann darauf beruhen, dass der Bieter die Preisverlagerung selbst offen legt (BGH a. a. O.). Sie kann auch auf einem nicht erklärbaren Widerspruch zwischen der Preisangabe und den Angaben zur internen Preisermittlung beruhen.

Im vorliegenden Fall können Verlagerungen von Preisbestandteilen in eine oder mehrere andere Leistungspositionen nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin hat ausdrücklich erklärt, dass sie einem Kalkulationsirrtum erlegen und Material teilweise nicht kalkuliert hat, dass sie sich jedoch an ihren im Angebot angegebenen Preisen festhalten lassen will. Im Angebot der Antragstellerin werden mithin keine Preisbestandteile verschoben worden, vielmehr sind Preisbestandteile vergessen worden. Darin liegt keine unzulässige Mischkalkulation.

b.) Die von der Antragstellerin angebotenen Preise sind zwar teilweise wegen der unterbliebenen Kalkulation von Material sehr niedrig. Dies führt jedoch auch nicht dazu, dass deswegen ihr Angebot für das Los 3 auf der dritten Wertungsstufe gemäß § 25 Nr. 3 VOB/A ausgeschlossen werden müsste.

Denn für die Beantwortung der Frage, ob ein Preis unangemessen niedrig ist oder nicht, kommt es nicht auf die Einzelpreise, sondern auf den Gesamtpreis an. Die Antragstellerin ist zwar mit 3.144.000 € (brutto mit 16 % Mehrwertsteuer) mit Abstand die günstigste Bieterin für das Los 3. Jedoch liegt der zweitgünstigste Bieter bei 3.328.000 € und die Beigeladene bei 3.323.000 €. Die Differenz zum nächstplazierten Bieter liegt damit unter 10 %. Dies rechtfertigt einen Ausschluss wegen unangemessen niedriger Preise nicht. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil nach der Kostenschätzung der Auftraggeberin die Kosten für das Los 3 noch erheblich unter dem von der Antragstellerin angebotenen Preis liegt.

2.) Der unberechtigte Ausschluss der Antragstellerin führt dazu, dass die Angebotswertung durch den Auftraggeber bezogen auf das Los 3 nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Der Auftraggeber wird deshalb insoweit eine Neuwertung unter Einbeziehung des Angebotes der Antragstellerin vorzunehmen haben.

a.) Einer solche Neuwertung nur des Loses 3 steht nicht der Umstand entgegen, dass der Auftraggeber sich dahingehend festgelegt hätte, den Auftrag nur insgesamt zu vergeben. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Auftraggeberin die Bauleistung nur formal in Lose unterteilt und eine getrennte Vergabe nach Losen an verschiedene Bieter ausgeschlossen hat.

Zwar hat die Auftraggeberin von allen Bietern Komplettangebote für alle drei Lose verlangt. Daraus kann jedoch nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass sie die Lose nur insgesamt vergeben wollte. Dem steht der Umstand entgegen, dass der Gesamtauftrag überhaupt in Lose unterteilt worden ist. Insofern sind die Vergabebedingungen in sich widersprüchlich. Ob dies vergaberechtlich zu beanstanden ist, kann dahin stehen. Denn diese Widersprüchlichkeit hat kein Bieter beanstandet.

Bei einer derartigen Sachlage müssen die Vergabebedingungen vom Bieterhorizont aus ausgelegt werden. Wegen der Aufteilung in Lose muss ein Bieter davon ausgehen, dass die Auftraggeberin gerade nicht zwingend eine Gesamtvergabe vornehmen, sondern sich die Option offen halten wollte, die Lose an verschiedene Bieter zu vergeben. Dass diese Auslegung zutreffend ist, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass mehrere Bieter, darunter auch die Beigeladene, Preisnachlässe für den Fall angeboten haben, dass ihnen mehr als ein Los zugeschlagen wird. Solche Preisnachlässe machen keinen Sinn, wenn die Bieter davon ausgegangen wären, dass die Auftraggeberin den Auftrag ohnehin nur insgesamt vergeben will.

b.) Die Neuwertung für das Los 3 hat sich an dem bekannt gegebenen Wertungskriterium des Preises zu orientieren. Weitere Kriterien sind nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht bekannt gegeben worden sind.

Dabei ist ausschlaggebend nicht der Preis für alle Lose zusammen, sondern der für das Los 3 angebotene Preis. Zu werten sind deshalb nicht die angebotenen Gesamtpreise, sondern die von den Bietern angebotenen Einzelpreise für das Los 3.

Dies ergibt sich aus den vorstehenden Überlegungen, wonach die Auftraggeberin gegenüber den Bietern zum Ausdruck gebracht hat, sie werde die Aufträge nach Losen und nicht insgesamt vergeben. Dann kann für eine Wertung nur der jeweils für ein Los abgegebene Preis ausschlaggebend sein, nicht der für alle Lose angebotene Preis.

c.) Bei der Neuwertung des Loses 3 hat die Auftraggeberin die Nebenangebote der Beigeladenen außer Betracht zu lassen. Sie dürfen nicht berücksichtigt werden.

aa.) Soweit die Beigeladene in einem Nebenangebot einen Preisnachlass angeboten hat, darf dieser schon deshalb nicht gewertet werden, weil es sich dabei der Sache nach nicht um ein Nebenangebot handelt, sondern um einen an versteckter Stelle angebrachten Preisnachlass.

Zwar verbieten die §§ 21 Nr. 4, 25 Nr. 5 VOB/A nur die Wertung von unbedingten Preisnachlässen, die vom Bieter nicht an der vom Auftraggeber vorgesehenen Stelle aufgeführt sind. Der Preisnachlass, den die Beigeladene angeboten hat, ist dagegen ein bedingter. Er wird nämlich nur für den Fall angeboten, dass sie den Zuschlag für mehrere Lose erhält.

Dennoch ist hier der Ausschluss der Preisermäßigung von der Wertung gerechtfertigt. Hier hat die Auftraggeberin zum Ausdruck gebracht, dass sie für den Fall der Preisermäßigung bei der Beauftragung von mehreren Losen ausdrückliche Angaben der Bieter schon im Angebotsschreiben verlangt. Diese Angaben hat die Beigeladene nicht gemacht. Damit fehlt es insoweit an den von der Auftraggeberin geforderten Erklärungen. Aus § 21 Nr. 4 VOB/A ergibt sich, dass das Fehlen solcher Erklärungen nicht zum Ausschluss des Angebots insgesamt, sondern nur zum Ausschluss der Wertung dieser Preisnachlässe führt.

bb.) Auch das weitere Nebenangebot der Beigeladenen, das das Los 3 betrifft, darf nicht gewertet werden.

Zwar sind Nebenangebote in der Ausschreibung nicht ausgeschlossen worden (§ 10 Nr. 5 Abs. 4 S. 1 VOB/A), so dass abgegebene Nebenangebote gemäß § 25 Nr. 5 S. 1 VOB/A grundsätzlich zu werten sind. Die nationalen Vorschriften werden jedoch überlagert von der für Vergabeverfahren oberhalb der Schwellenwerte geltenden Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (VKR), die, nachdem eine Umsetzung in das deutsche Recht nicht erfolgt und die Umsetzungsfrist (§ 80 Abs. 1 S. 1 VKR) abgelaufen ist, ab dem 1. Februar 2006 mit dem hier entscheidungsrelevanten Teil unmittelbar gilt und in Vergabeverfahren - ohne eine Übergangsregelung für laufende Verfahren, die vom nationalen Gesetzgeber zu erlassen gewesen wäre - zwingend zu beachten ist. Diese stellt zusätzliche Voraussetzungen für die Wertbarkeit von Nebenangeboten auf. Unter dem Oberbegriff "Varianten" ist dort in Art. 24 zu Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen geregelt, dass die öffentlichen Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen anzugeben haben, welche Mindestanforderungen die Varianten erfüllen müssen und in welcher Art und Weise sie einzureichen sind. Sie dürfen nur Varianten berücksichtigen, die die von ihnen verlangten Mindestanforderungen erfüllen. Diese Regelung entspricht inhaltsgleich Art. 19 der inzwischen aufgehobenen Baukoordinierungsrichtlinie 93/37 EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (BKR), die in der VOB/A nicht umgesetzt worden ist.

Nach Art. 19 der Baukoordinierungsrichtlinie 93/37 EWG muss der Auftraggeber, der Nebenangebote zulässt, den Bietern dazu in den Verdingungsunterlagen bestimmte Vorgaben an die Hand geben und darf Nebenangebote in der Wertung nur berücksichtigen, wenn sie diesen Vorgaben gerecht werden. Erfüllt die Ausschreibung schon die erste Voraussetzung nicht, kann die daran anknüpfende Wertungsbedingung nicht eintreten mit der Folge, dass abgegebene Nebenangebote dann nicht gewertet werden dürfen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie nicht, wie in § 10 Nr. 5 Abs. 4 S. 1 VOB/A vorgesehen, für unzulässig erklärt worden sind (EuGH VergabeR 2004, 50, 53 - Traunfellner). Diese Grundsätze gelten wegen ihres mit der BKR identischen Wortlauts auch für die VKR.

Eine solche zum Wertungsausschluss von Nebenangeboten führende Fallkonstellation liegt hier vor. Die Verdingungsunterlagen enthalten keine Mindestanforderungen im Sinne der europarechtlichen Vorschriften. Der Wortlaut der Richtlinien-Bestimmungen unterscheidet hinsichtlich der in die Verdingungsunterlagen aufzunehmenden Vorgaben zwischen der "Art und Weise", in der Nebenangebote einzureichen sind, und den "Mindestanforderungen, die Varianten (Änderungsvorschläge) erfüllen müssen". Diese Differenzierung zeigt, dass das Aufstellen rein formaler Wertungsvoraussetzungen für Nebenangebote nicht ausreichend sein kann, denn sie beträfen nur die "Art und Weise" der Einreichung solcher Angebote. Fordern die Richtlinien darüber hinaus Mindestanforderungen, so können damit nur leistungsbezogene, d.h. sachlich-technische Vorgaben gemeint sein.

Der mit den nationalen Vorschriften verfolgte Zweck der Nebenangebote, den technischen Sachverstand, die praktische Erfahrung und das Innovationspotential der Unternehmen zur Erzielung des bestmöglichen Ausschreibungsergebnisses mit zu nutzen, wird dadurch zwar erheblich beeinträchtigt. Die Zielvorstellung des nationalen Rechts ist jedoch nicht die der europäischen Vergaberichtlinie. Ihr geht es vielmehr um die Verpflichtung zur Transparenz und die Gewährleistung der Gleichbehandlung aller Bieter. Diese Bestrebung ist als vorrangig zu akzeptieren. Entscheidend ist daher der Gesichtspunkt, dass alle an der Abgabe von Nebenangeboten interessierten Bieter mit denselben Vorgaben umgehen und nur diejenigen Berücksichtigung finden sollen, die mit ihren Angeboten die aufgestellten Anforderungen erfüllen (OLG Koblenz, Beschluss vom 31.5.2006, 1 Verg 3/06, zitiert nach Juris).

Die Vorgaben in den Verdingungsunterlagen enthalten keine auf den konkreten Auftrag bezogene sachlich-technischen Mindestanforderungen. Die Vielzahl der Vertragsbedingungen, technischen Vorschriften und Richtlinien, die in dem Verzeichnis der Zusätzlichen/Ergänzenden Technischen Vertragsbedingungen genannt sind, stellen ersichtlich einen Qualitätsstandard dar, der für jeden vergleichbaren Auftrag gelten soll, nicht jedoch eine Mindestanforderung für irgend eine konkrete Alternativlösung zum Hauptauftrag.

Mangels Vorgabe technischer Mindestanforderungen dürfen die abgegebenen Nebenangebote der Beigeladenen daher nicht gewertet werden.

d.) Soweit die Auftraggeberin im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt hat, die unterbliebene Kalkulation von Material führe zu Unwägbarkeiten bei Mengenänderungen, kann dies nicht nachvollzogen werden.

Die Antragstellerin hat ausdrücklich erklärt, dass sie sich trotz eines Kalkulationsfehlers an den von ihr angegebenen Preisen festhalten lassen will. Deshalb bereitet die Berechnung des von der Auftraggeberin bei Mengenänderungen geschuldeten Preises keine Schwierigkeiten.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 Satz 1 sowie Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB sowie auf § 91 ZPO.

Auf Seiten der Antragstellerin war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten vor der Vergabekammer notwendig, weil im vorliegenden Vergabeverfahren eine Reihe von schwierigen Rechtsfragen zu beantworten ist.

Der Umstand, dass der Senat dem Hauptantrag der Antragstellerin nicht gefolgt ist, führt nicht dazu, dass sie anteilig mit Kosten des Verfahrens zu belasten ist. Sie hat mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. Dieser geht weiter als der Hauptantrag.

Ende der Entscheidung

Zurück