Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.05.2006
Aktenzeichen: Verg W 2/06
Rechtsgebiete: GWB, HOAI, GRW 95, VgV, VOF


Vorschriften:

GWB §§ 97 ff.
GWB § 107
GWB § 115 Abs. 1
GWB § 118 Abs. 1 Satz 3
GWB § 118 Abs. 2
HOAI § 7
HOAI § 10 Abs. 1
HOAI § 10 Abs. 2
HOAI § 10 Abs. 3a
HOAI § 15
HOAI § 16
HOAI § 17
HOAI § 18
HOAI § 24 Abs. 1
GRW 95 § 5
VgV § 1
VgV § 2 Nr. 3
VgV § 2 Nr. 5
VgV § 3 Abs. 1
VOF § 2 Abs. 2 Satz 1
VOF § 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

Verg W 2/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend: Offener zweiphasiger Realisierungswettbewerb - Verwaltungskonzentration am Marktplatz - Umgestaltung des ehemaligen Arbeiterwohnheimes am Marktplatz S...

hier: Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke

am 8. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde vom 21.4.2006 bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin schrieb im Ausschreibungsblatt des Landes Brandenburg vom 22. August 2005 einen offenen zweiphasigen Realisierungswettbewerb nach den Grundsätzen und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaues und des Bauwesens (GRW 1995 - novellierte Fassung vom 22. Dezember 2003) aus. Eine europaweite Ausschreibung erfolgte nicht. Die Auftraggeberin gab auch weder in der Bekanntmachung noch in den Auslobungsunterlagen eine zur Nachprüfung zuständige Vergabekammer oder eine Vergabeprüfstelle an.

Ziel des Wettbewerbs ist es, ein am Marktplatz in der Altstadt der ausschreibenden Stadt im Jahre 1974 errichtetes, mit Keller insgesamt fünfgeschossiges Gebäude, das als Arbeiterwohnheim genutzt wurde, in das vorhandene, kleinteilig bebaute Marktplatzensemble zu integrieren. Nach der Vorstellung der Auftraggeberin sollen die beiden oberen Geschosse des Gebäudes abgetragen und das Dach neu gestaltet werden. Weiter sollen im Wohnquartier ein Wohngebäude zurückgebaut und die umliegenden Freiflächen neu gestaltet werden.

In der Ausschreibung der Auftraggeberin war der voraussichtliche Zeitplan des Wettbewerbs aufgeführt. Danach sollte die Preisgerichtssitzung für die erste Phase des Wettbewerbs am 12.1.2006 stattfinden. In der zweiten Phase des Wettbewerbs sollte die Zahl der Teilnehmer auf 12 begrenzt werden. Das Verfahren sollte in beiden Phasen anonym sein. Nach der Entscheidung des Preisgerichts über die Zulassung der eingereichten Entwürfe und Beurteilung der zugelassenen Arbeiten sollte dieses die Teilnehmer an der zweiten Wettbewerbsphase bestimmen und in dieser Phase die Arbeiten abschließend und verbindlich beurteilen. Aufgrund einer schriftlichen Empfehlung des Preisgerichtes beabsichtigte die Auftraggeberin, einen Preisträger mit der weiteren Bearbeitung der Leistungsphasen 2 - 8 nach § 15 HOAI zu beauftragen, wobei das Preisgeld auf das Honorar für bereits erbrachte Leistungen angerechnet werden sollte.

Unter Ziff. 3.10 der Auslobungsunterlagen wurde auf den in Abstimmung mit dem Fördermittelgeber für die Maßnahme maximal zur Verfügung stehenden Förderbetrag von 1.650.000,00 EUR ohne nutzungsspezifische Baukosten und Ausstattung hingewiesen. Hinzukommen sollten die Kosten für die Neugestaltung der umliegenden Freiflächen, die dem Gebäude nicht unmittelbar zuzuordnen sind, wobei nach der Fördermittelrichtlinie 75 DM/qm zur Verfügung stehen. Die Einhaltung des Kostenrahmens war von den Teilnehmern in der zweiten Wettbewerbsphase nachzuweisen.

Dieser Kostenrahmen beruht auf einem sog. Grobcheck der B... mbH (B...) vom 18. Mai (Bl. 212-216 VK 3/06) und 8. Juni 2005 (Vergabeakten, 1 Blatt). Danach ergeben sich Bruttobaukosten von 615.000 € für die Gebäudehülle, 678.300 € für den Rohausbau, 87.700 € für zum Gebäude gehörende Außenanlagen und 118.000 € für den Rückbau, insgesamt 1.499.000 €. In Abstimmung mit dem Fördermittelgeber wurde der Planansatz um einen städtebaulichen Zuschlag von 10 % auf 1.650.000 € erhöht.

Die Auftraggeberin führte keine Ermittlung des Architektenhonorars für die ausgelobten Architektenleistungen nach der HOAI durch. Sie schätzte es auf der Grundlage von Baukosten von 1.207.000 € netto bei Honorarzone III Mittelsatz unter Verwendung einer Vorlage aus Baden-Württemberg auf 105.800 € netto und ermittelte daraus das ausgelobte Preisgeld von 30.000 €.

Die Auftraggeberin übersandte interessierten Teilnehmern die Auslobungsunterlagen. Danach waren in der ersten Bearbeitungsphase Entwürfe bis zum 18. November 2005 bis spätestens 11 Uhr bei der Stadtverwaltung abzugeben. Im Rückfragenkolloquium am 12.10.2005 wurde diese Regelung dahingehend ergänzt, dass als Zeitpunkt der Ablieferung im Falle der Einlieferung bei Post oder anderen Transportunternehmen das auf dem Einlieferungsschein angegebene Datum unabhängig von der Uhrzeit gelte (Protokoll Bl. 103-106 VK 3/06).

Der Antragsteller gab am 18. November 2005 seinen Beitrag in einer Rolle bei der Post als Paket auf (Einlieferungsbeleg Bl. 107 VK 3/06). Entsprechend den Anonymitätsanforderungen der Auftraggeberin gab er als Absender die Anschrift der Auftraggeberin an. Ein Entgelt von 1,50 EUR als Rollenzuschlag erhob die Post nicht von ihm. Am 23.11.2005 versuchte die Post, die Sendung bei der Auftraggeberin zuzustellen, verlangte dafür aber von ihr ein Nachentgelt von 1,50 €. Die Auftraggeberin verweigerte die Annahme der Sendung, nahm sie dann aber bei einem weiteren Zustellversuch am 13.12.2006 nach Zahlung des Nachentgelts entgegen. Diese Rolle bewahrte sie ungeöffnet auf. Das Preisgericht befasste sich in seiner ersten Sitzung mit den übrigen eingegangenen Entwürfen, nicht jedoch mit demjenigen des Antragstellers.

Da er keine Nachricht von der Auftraggeberin erhielt, fragte der Antragsteller bei der Auftraggeberin telefonisch nach dem Ergebnis der ersten Sitzung des Preisgerichts und erfuhr dabei, dass die Teilnehmer für die 2. Runde bereits am 12. Januar 2006 und ausgeschiedene Teilnehmer am 20. Januar 2006 benachrichtigt worden seien. Mit E-Mail vom 31. Januar 2006 wandte sich der Antragsteller an die von der Auftraggeberin mit der Durchführung des Verfahrens beauftragten Architekten. Er fragte darin an, wie er erfahren könne, ob seine Wettbewerbsarbeit die zweite Runde erreicht habe oder nicht bzw. ob seine Arbeit überhaupt gewertet worden sei (Bl. 217-218 VK 3/06).

Mit Schreiben vom 7. Februar 2006 teilte die Auftraggeberin dem Antragsteller mit, dass am 13. Dezember 2005 eine unzureichend frankierte Rolle, als Wettbewerbsbeitrag gekennzeichnet, deren Entgegennahme am 23. November 2005 verweigert worden war, angenommen worden sei. Nach Rücksprache mit dem Wettbewerbsausschuss der Architektenkammer und dem Vorsitzenden des Preisgerichtes sei die Entscheidung der Auftraggeberin, die Wettbewerbsarbeit nicht anzunehmen, rechtskonform mit den Vorschriften der GRW 95 getroffen worden. Durch den Vorsitzenden des Preisgerichtes sei eine Nachbewertung der Arbeit abgelehnt worden. Ob es sich dabei um die Arbeit des Antragstellers handele, könne nicht gesagt werden.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 rügte der Antragsteller gegenüber der Auftraggeberin,

dass seine rechtzeitig und auf seine Kosten eingelieferte Arbeit vom Wettbewerbsverfahren ausgeschlossen worden sei. Darüber hinaus sei gegen den Grundsatz der Anonymität verstoßen worden, weil die Auftraggeberin die Verfassererklärungen nach der ersten Preisgerichtssitzung geöffnet habe. Der Anteil von Vorprüfern, die nicht Fachpreisrichter oder Angestellte des Auslobers seien, sei unangemessen hoch. Vor der ersten Preisgerichtssitzung seien Informationen aus der Vorprüfung an die Öffentlichkeit gelangt. Die Fristen zur Bewerbung und Bearbeitung seien zu kurz gewesen. Seine Rückfragen zur zweiten Phase seien nicht beantwortet worden. In den Auslobungsunterlagen fehle die Angabe der zuständigen Nachprüfstelle. Der Wettbewerb sei nicht auf der Homepage der zuständigen Architektenkammer veröffentlicht worden. Die bautechnischen Angaben in den Auslobungsunterlagen seien fehlerhaft.

Der Antragsteller hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. Februar 2006 einen Nachprüfungsantrag gestellt.

Der Antragsteller hat gemeint, das zu erwartende Honorar für den Auftrag liege über dem maßgeblichen Schwellenwert von 200.000,00 EUR. Der in den Auslobungsunterlagen vorgesehene Kostenrahmen sei nach seiner Einschätzung nicht zu halten. Danach betrage die Summe der anrechenbaren Kosten 2.400.000,00 EUR (netto). Unter Berücksichtigung der Honorarzone IV und eines Umbaukostenzuschlages liege das Honorar für die Leistungsphasen 2 - 8 bei 259.946,00 EUR (netto). Hinzu komme für die Freianlagenplanungen ein Honorar von 17.947,00 EUR (netto).

Bei der Honorarermittlung sei bei den anrechenbaren Kosten zu den objektiven Baukosten ein fiktiver Wert für die vorhandene Bausubstanz hinzuzusetzen. Wenn man nur 2.300.000 € anrechenbare Kosten bei der Honorarzone III ansetze bzw. 1.800.000 € bei Honorarzone IV, sei der Schwellenwert überschritten.

Der Antragsteller hat weiter gemeint, seine Rüge sei unverzüglich, denn er habe erstmals am 13. Februar 2006 erfahren, dass die auslobende Stelle das Verfahrensrecht rechtswidrig anwenden wolle. Es sei rechtswidrig, einen rechtzeitig versandten Entwurf wegen einer Nachnahme von 1,50 € nicht zu berücksichtigen. Sein Antrag sei auch begründet, denn der Auftraggeber habe gegen § 5 GRW 95 verstoßen.

Der Antragsteller hat beantragt,

1. die Auftraggeberin zu verpflichten, ihren offenen zweiphasigen Realisierungswettbewerb "Verwaltungskonzentration am Marktplatz/ Umgestaltung des ehemaligen Arbeiterwohnheims" aufzuheben und neu auszuloben,

2. hilfsweise:

die Auftraggeberin zu verpflichten, den offenen zweiphasigen Realisierungswettbewerb "Verwaltungskonzentration am Marktplatz / Umgestaltung des ehemaligen Arbeiterwohnheims" in die erste Bewertungsphase zurückzuversetzen und den Entwurf des Antragstellers, eingegangen beim Auftraggeber am 13. Dezember 2005 mit Post-Identitätscode 01.170.348.346.7, in die Bewertung mit einzubeziehen.

Die Auftraggeberin hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag abzuweisen.

Die Auftraggeberin hat gemeint, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Das Honorar für die ausgelobte Leistung liege unter dem Schwellenwert von 200.000,00 EUR. Der Höchstbetrag für die Maßnahme, der den Auftrag für die Freiflächen und den Abriss mit umfasse, liege bei 1.650.000 € für die Maßnahme am Gebäude und bei 27.200 € für zusätzliche Freiflächen, insgesamt bei 1.677.200 EUR (brutto). Die B... nehme die Baunebenkosten, deren Bestandteil u. a. das Architektenhonorar sei, mit 15 % der Bruttobaukostensumme an. Für die Anwendung der Honorarzone III spreche, dass es sich um einen Umbau von Verwaltungs- zu Verwaltungsgebäude handele.

Die Unverzüglichkeit der Rüge sei nicht gegeben, denn der Antragsteller habe ausweislich seiner E-Mail vom 31. Januar 2006 Informationen über die Umstände der Rollenübergabe und die Benachrichtigung der Teilnehmer durch die Auftraggeberin gehabt. Der Antrag sei auch unbegründet, denn eine Anweisung der Auftraggeberin untersage ihren Mitarbeitern die Annahme nicht ausreichend frankierter Postsendungen.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 5.4.2006 den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss, ihm zugestellt am 8.4.2006, einem Samstag, hat der Antragsteller durch bei Gericht am 21.4.2006 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Zugleich hat er beantragt, gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern.

Der Antragsteller bezieht sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen in dem Verfahren vor der Vergabekammer. Für die Durchführung des Projektes gebe es keine Eile, denn es sei bereits seit dem Jahre 1998 Bestandteil der Planung der Auftraggeberin.

Die Auftraggeberin ist dem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung entgegengetreten. Sie wiederholt ihr Vorbringen vor der Vergabekammer. Außerdem behauptet sie, für eine vom Antragsteller begehrte erneute Durchführung des Wettbewerbs stünden keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Es sei auch nicht zu erwarten, dass der Fördermittelgeber das Vorhaben weiter als Modellprojekt fördern werde, wenn die Ausschreibung erneut aufgehoben werde. Bei dem vorliegenden Wettbewerb handele es sich bereits um die zweite Auslobung, weil ein erstes Wettbewerbsverfahren wegen veränderter Realisierungsbedingungen habe aufgehoben werden müssen. Auch die hilfsweise beantragte Einbeziehung des Antragstellers in das Verfahren würde den rechtzeitigen Beginn des Vorhabens gefährden.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die Vergabeakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern, war zurückzuweisen. Die Beschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, § 118 Abs. 2 GWB.

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist zulässig. Der Umstand, dass im vorliegenden Verfahren zweifelhaft ist, ob die §§ 97 ff. GWB anwendbar sind und der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen eröffnet ist, weil der Auftraggeber in Abrede stellt, dass der Schwellenwert erreicht ist, steht der Zulässigkeit des Antrages gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB nicht entgegen. Denn dadurch, dass die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag des Antragstellers der Auftraggeberin zugestellt hat, ist das für den Auftraggeber bindende Zuschlagsverbot gemäß § 115 Abs. 1 GWB ausgelöst worden.

Die Verlängerung der aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde kann nicht angeordnet werden. Dabei kann offen bleiben, ob unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen. Denn die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat keine Erfolgsaussichten.

Dem Senat ist es verwehrt, über die Frage zu entscheiden, ob die Auftraggeberin in rechtswidriger Weise den Beitrag des Antragstellers in dem von ihr ausgeschriebenen Wettbewerb nicht berücksichtigt hat. Er darf sich auch nicht mit der Frage beschäftigen, ob das Vergabeverfahren im Übrigen unter Mängeln leidet. Denn der gemäß § 107 GWB gestellte Nachprüfungsantrag des Antragstellers ist unzulässig.

Der von der Auftraggeberin ausgeschriebene Auftrag erreicht den Schwellenwert nicht. Da die von der Auftraggeberin beabsichtigte Auslobung zu einer Vergabe von Architektenleistungen führen soll, beträgt der Schwellenwert gemäß § 2 Nr. 5 i. V. m. Nr. 3 VgV 200.000 €. Das Netto-Architektenhonorar einschließlich Nebenkosten für die von der Auftraggeberin geplante Baumaßnahme liegt unter dieser Summe.

Für die Erreichung des Schwellenwertes ist maßgeblich die Schätzung des Auftraggebers, die er zu Beginn eines Vergabeverfahrens in eigener Verantwortung und mit der gebotenen Sorgfalt vorzunehmen hat, § 3 Abs. 1 VgV. Dies muss er tun, um zu ermitteln, ob die beabsichtigte Vergabe unter das Vergaberechtsregime des vierten Buchs des GWB fällt oder nicht.

Nach § 3 Abs. 1 VOF ist bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Auftragsleistung auszugehen. Wenn eine Honorarordnung existiert, ist die Gesamtvergütung danach zu berechnen. Die Umsatzsteuer ist gemäß den §§ 2 Abs. 2 Satz 1 VOF, 1 VgV bei der Ermittlung des Auftragswertes nicht zu berücksichtigen. Weiterhin sind Nebenkosten gemäß § 7 HOAI bei der Berechnung des Auftragswertes zu berücksichtigen (Müller-Wrede, VOF, 2. Aufl. 2003, § 3 Rn 6).

Die hier maßgebliche Honorarordnung ist die HOAI. Wie die Auftraggeberin im Verfahren vor der Vergabekammer selbst vorgetragen hat, hat sie das Architektenhonorar nicht danach ermittelt. Sie hat vielmehr eine Arbeitsgrundlage aus Baden-Württemberg verwendet, um die Höhe der Wettbewerbssumme zu ermitteln. Dabei ist sie von Baukosten von 1.400.000 € brutto ohne Nebenkosten ausgegangen, d. h. von 1.207.000 € netto. Aus der Tabelle aus Baden-Württemberg hat sie ein Architektenhonorar von rund 105.800 € ermittelt.

Diese Berechnung ist ersichtlich für eine Ermittlung des Auftragswertes ungeeignet. Zum einen orientiert sie sich nicht direkt an der HOAI. Zum anderen betragen die geschätzten Gesamtkosten für die geplante Maßnahme auch nach dem Vortrag der Auftraggeberin nicht 1.207.000 € netto, sondern 1.677.200 € brutto = ca. 1.445.862 € netto.

Fehlt wie hier eine ordnungsgemäße Schätzung des Auftragswerts durch die Vergabestelle, kann diese durch die Vergabekammer oder den Vergabesenat erfolgen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 30.3.2004, 6 Verg 1/03, SchlHA 2004, 279, zitiert nach Juris).

Die Vergabekammer hat eine ausführliche Auftragswertberechnung nach der HOAI nicht durchgeführt. Sie hat dies ersichtlich für nicht erforderlich gehalten, weil sie bei überschlägiger Berechnung bei anrechenbaren Kosten von 1.650.000 € brutto = 1.422.410 € netto auch unter Zugrundelegung von Honorarzone IV und des vom Antragsteller gewählten Berechnungsmodells zu einem weit unter 200.000 € liegenden Auftragswert gelangt. Offenbar hat die Vergabekammer den Auftragswert für die Architektenleistungen am Gebäude und an den Außenanlagen mit rund 157.000 € veranschlagt (94 % des Honorars zuzüglich 20 % Umbauzuschlag) und die Freianlagen nicht besonders berücksichtigt. Wenn man Nebenkosten in Höhe von 3 % hinzurechnet, ergibt sich ein Betrag von rund 162.000 €.

Schon diese Schätzung kann als ordnungsgemäß angesehen werden. Sie stammt immerhin von einer Nachprüfungsinstanz, die eine entsprechende Schätzung der Auftraggeberin in dieser Form akzeptiert hätte. Sobald der Wert des beabsichtigten Auftrags ordnungsgemäß geschätzt worden ist, bestimmt dieser Schätzwert über die Geltung oder Nichtgeltung des Vergaberechts (Byok/Jäger, Vergaberecht, § 3 VgV Rn 1500). Dies würde hier dazu führen, dass der Antragsteller Rechtsschutz nach den §§ 97 ff. GWB nicht für sich in Anspruch nehmen kann.

Der Senat hat diese Schätzung überprüft und eine weitere Schätzung vorgenommen, die dem Vorbringen des Antragstellers in weitergehendem Umfang Rechnung trägt. Auch dies führt jedoch nicht dazu, dass der Schwellenwert überschritten wird.

Grundsätzlich wird das Architektenhonorar nach der HOAI auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten und der Honorarzone mit Hilfe der Honorartafeln der §§ 16 und 17 HOAI unter Berücksichtigung der erbrachten Leistungen ermittelt, § 10 Abs. 1 HOAI. Die anrechenbaren Kosten sind gemäß § 10 Abs. 2 HOAI unter Zugrundelegung der Kostenermittlungsarten nach DIN 276 zu ermitteln.

Grundsätzlich müsste mithin zunächst eine Ermittlung der anrechenbaren Kosten stattfinden. Der Antragsteller hat eine Kostenschätzung vorgenommen, bei der er von anrechenbaren Kosten für die Architektenleistung in Bezug auf das Gebäude in Höhe von 2.677.850 € brutto = 2.308.491,40 € netto ausgegangen ist. Diese Ermittlung der anrechenbaren Kosten ist jedoch erheblich überhöht und kann für die Auftragswertschätzung nicht herangezogen werden.

Grund hierfür ist, dass in bestimmten Fällen ausnahmsweise die anrechenbaren Kosten nicht nach DIN 276 ermittelt werden. Einer der anerkannten Ausnahmefälle ist der Fall, dass der Auftragnehmer eine Baukostengarantie abgibt. Eine solche Baukostengarantie will die Auftraggeberin bei der Vergabe des ausgeschriebenen Auftrages vereinbaren.

Wie sich aus den Auslobungsunterlagen ergibt, soll die von der Auftraggeberin geplante Baumaßnahme mit Fördermitteln realisiert werden. Unter der Überschrift "Kostenrahmen" heißt es wörtlich: "In Abstimmung mit dem ... Fördermittelgeber stehen für die Maßnahme maximal 1.650 TEuro ohne nutzungsspezifische Ausbaukosten und Ausstattung zur Verfügung". Daraus, aus dem wenig später folgenden Satz, dass die "Einhaltung des Kostenrahmens" in der zweiten Wettbewerbsphase nachzuweisen ist, und aus dem Protokoll des Rückfragenkolloquiums am 12.10.2005 ergibt sich zweifelsfrei, dass die Auftraggeberin für die Baumaßnahme nicht mehr als 1.650.000 € ausgeben will und dass sie beabsichtigt, mit einem Teilnehmer des Wettbewerbs einen Vertrag abzuschließen, in dem die Einhaltung dieses Kostenrahmens vereinbart wird.

Wird in einem Architekten- oder Ingenieurvertrag eine Bausumme als Beschaffenheit des geschuldeten Werkes vereinbart, dann bildet diese Summe die Obergrenze der anrechenbaren Kosten für die Honorarberechnung (BGH, Urteil vom 23.1.2003, VII ZR 362/01, NJW-RR 2003, 593, zitiert nach Juris; OLG München, Urteil vom 11.10.1995, 27 U 12/95, LS 6, zitiert nach Juris). Das Architektenhonorar soll das vertragsgerecht erstellte Werk entgelten. Ist die Architektenleistung deshalb mangelhaft, weil die vereinbarten Kosten überschritten werden, kann der Architekt die Differenz, um die die tatsächlichen die vereinbarten Kosten übersteigen, nicht zusätzlich als anrechenbare Kosten seiner Honorarberechnung zu Grunde legen. Dies würde dazu führen, dass der Architekt aufgrund der Mangelhaftigkeit seiner Leistung eine höhere Vergütung erhalten würde als sie ihm für eine vertragsgerechte Leistung zustehen würde.

An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn sich der von den Parteien vorgegebene Standard der Planung mit den vereinbarten Baukosten nicht realisieren lässt (BGH, Urteil vom 23.1.2003, VII ZR 362/01, NJW-RR 2003, 593, zitiert nach Juris). Dies gilt nicht nur im Honorarprozess, sondern auch bei der Auftragswertschätzung. Für den vergaberechtlichen Auftragswert kann nur maßgeblich sein, welchen Auftrag der Auftraggeber vergeben will. Hier ist erkennbar, dass der Auftraggeber einen Architektenvertrag abschließen will, der dazu führen soll, dass ein Bauvorhaben mit Kosten in Höhe von 1.650.000 € brutto durchgeführt wird. Einen Vertrag mit einer höheren Bausumme will er gerade nicht abschließen.

Der Senat legt deshalb die für die Baukosten in Aussicht stehenden Fördermittel von 1.650.000 € als Höchstbetrag der anrechenbaren Kosten zu Grunde. Allerdings hält er es mit dem Antragsteller für richtig, das Honorar bezüglich Gebäude und Freianlagen getrennt zu berechnen, weil die anrechenbaren Kosten für die Freianlagen 7.500 € überschreiten, § 18 HOAI. Dabei hat er die im geänderten Grobcheck der B... vom 8.6.2005 aufgeführten Baukosten, erhöht um 10 % und um die Mehrwertsteuer gekürzt herangezogen. Dies ergibt Nettobeträge für die Baumaßnahme am Gebäude von 1.338.301,70 € und für die Freianlagen von 83.163,79 €, insgesamt rund 1.422.000 €.

Ob zu dem Betrag an dem Gebäude noch gemäß § 10 Abs. 3a HOAI ein Betrag für vorhandene Bausubstanz, die technisch oder gestalterisch mitverarbeitet wird, hinzuzurechnen ist oder nicht, ist nicht eindeutig zu beantworten. Soweit ersichtlich, ist die Frage, ob bei Vereinbarung einer Baukostenobergrenze zwingend vorhandene Bausubstanz zu dem vereinbarten Baukostenbetrag hinzuzurechnen ist oder nicht, bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Es spricht nach der Entscheidung des BGH vom 27.2.2003 (VII ZR 11/02 - NJW 2003, 1667) allerdings einiges dafür, dass der Bundesgerichtshof auch im Falle der Vereinbarung eines Kostenlimits eine Hinzurechnung befürworten würde.

Der Senat hat deshalb zu Gunsten des Antragstellers unterstellt, dass die vorhandene Bausubstanz hinzuzurechnen ist.

Der Antragsteller ist in seiner Ermittlung des Wertes der zu verarbeitenden Bausubstanz von einem Betrag von zunächst 319.600 € brutto ausgegangen. Dabei ist er von einem Bruttoraummaß des verbleibenden Altbestandes von 6.800 cbm ausgegangen. Der Auftraggeber geht demgegenüber von 5.800 cbm aus. Außerdem hält er die Wertberechnung des Antragstellers für nicht zutreffend. Im weiteren Verlauf des Verfahrens vor der Vergabekammer hat der Antragsteller den von ihm ermittelten Betrag auf 300.000 € netto "abgerundet". Dieser Betrag ist allerdings rechnerisch nicht zutreffend. 319.600 € brutto sind 275.517,24 € netto.

Wenn man das vom Antragsteller zu Grunde gelegte Raummaß als richtig annimmt, deshalb die Beträge des Antragstellers übernimmt, den Betrag um die Mehrwertsteuer kürzt (§ 9 Abs. 2 HOAI) und ihnen den Höchstbetrag der Baukosten in Höhe von 1.338.301,70 € netto hinzurechnet, ergeben sich anrechenbare Kosten für das Gebäude in Höhe von 1.613.818,90 € netto. Der Antragsteller geht von der Honorarzone IV aus, der Auftraggeber hält Honorarzone III für einschlägig. Geht man zu Gunsten des Antragstellers davon aus, dass die Gebühren der Honorarzone IV zu entnehmen sind, ergibt sich ein Honorar von 100 % in Höhe von rund 153.000 €. Beauftragt werden sollen die Leistungsphasen 2-8, die gemäß § 15 HOAI mit einem Honorarsatz von insgesamt 94 % zu vergüten sind. Dies ergibt einen Honorarbetrag von 143.820 €. Hinzu kommt der Zuschlag gemäß § 24 Abs. 1 HOAI in Höhe von 20 %, so dass sich ein Betrag von 172.584 € ergibt.

Diesem Betrag hinzuzurechnen sind die Gebühren für die Leistungen in Bezug auf die Freianlagen.

Der Antragsteller hat zunächst für die Freianlagen ein Honorar von 17.947,33 € errechnet. Er ging dabei im Nachprüfungsantrag zunächst von anrechenbaren Kosten von 106.400 € brutto = 91.724,14 € netto aus, wobei er 2.800 qm mit 38 €/qm multipliziert und die Architektenleistung in die Honorarzone III eingeordnet hat. Dabei ist ihm allerdings der Fehler unterlaufen, dass er nicht die Beträge für die Honorarzone III, sondern diejenigen für die Honorarzone IV in seinen Berechnungen angesetzt hat. Nachdem die Auftraggeberin vorgetragen hat, dass die zum Gebäude gehörenden Außenanlagen eine Fläche von 2.286 qm haben und hierzu 710 qm für die angrenzenden Freiflächen hinzuzurechnen seien, hat der Antragsteller im weiteren Verlauf des Vergabenachprüfungsverfahren seine Honorarberechnung für die Freianlagen modifiziert. Dabei hat er den von der B... ermittelten Förderbetrag für die Außenanlagen in Höhe von 87.000 € zu Grunde gelegt, hierauf 10 % aufgeschlagen, und einen Betrag von 27.842,10 € (Freiflächen von 726 qm multipliziert mit dem Fördermittelbetrag von 75,00 DM = 38,35 €/qm) hinzugerechnet und ist nunmehr zu anrechenbaren Kosten von 123.542,10 € brutto = 103.775,36 € gekommen. Daraus hat er einen Honorarbetrag von 15.554,89 € in Honorarzone III ermittelt.

Diese Berechnungen sind im Grundsatz richtig. Die anrechenbaren Kosten sind mit dem För-dermittelhöchstbetrag anzusetzen. Dabei ist zunächst der von der B... für die Außenanlagen vorgesehene Förderbetrag in Höhe von 83.163,79 € netto anzusetzen. Hinzu kommt der Fördermittelbetrag für die zusätzlichen Freiflächen von 710 qm. Dieser liegt bei 27.228,50 € brutto (710 qm x 38,35 €/qm) = 23.472,84 € netto. Bei anrechenbaren Kosten von insgesamt 106.636,63 € beträgt das Honorar von 100 % in Honorarzone III für Freianlagen rund 17.000 €, beauftragt werden sollen 94 %, das macht rund 16.000 €.

Rechnet man dieses Honorar mit dem Honorar für die Architektenleistung in Bezug auf das Gebäude zusammen, ergibt sich ein Gesamtnettohonorarbetrag von 188.584 €. Einschließlich der vom Antragsteller für zutreffend erachteten Nebenkosten von 3 % des Nettohonorars ergibt sich ein Gesamtnettohonorar von 194.241,52 €.

Auch dieser Betrag liegt unterhalb des Schwellenwerts.

Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB nicht veranlasst, sie hat vielmehr zusammen mit der abschließenden Entscheidung im Beschwerdeverfahren zu ergehen.

Ende der Entscheidung

Zurück