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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: Verg W 2/09
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 118 Abs. 1 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 19. Dezember 2008 (VK 40/08) bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, sich binnen drei Wochen zu erklären, ob die sofortige Beschwerde zurückgenommen wird.

Gründe:

I.

Die Auftraggeberin ist der Verkehrsbetrieb der Landeshauptstadt ... und betreibt dort den öffentlichen Personennahverkehr. Sie betreibt zurzeit 16 niederflurige Straßenbahnwagen vom Typ Combino und 38 hochflurige Straßenbahnen vom Typ Tatra KT4D. Durch eine Ersatzbeschaffung von behindertengerechten Niederflurfahrzeugen sollen die KT4D Straßenbahnen vollständig ersetzt werden.

Zu diesem Zweck schrieb die Auftraggeberin im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Dezember 2007 den Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Niederflurstraßenbahnen mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb im Verhandlungsverfahren nach der EG-Sektorenrichtlinie (3. Abschnitt der VOL/A) in zwei Losen europaweit aus. Los 1 umfasst den wagenbaulichen Teil, Los 2 den elektrischen Teil. Der geschätzte Gesamtauftragswert der Beschaffungsmaßnahme liegt bei 45,6 Mio. EUR (netto). Varianten/Alternativangebote waren zugelassen.

Um die Teilnahme am Wettbewerb bewarben sich zehn Unternehmen. Mit Schreiben vom 5. Februar 2008 forderte die Auftraggeberin alle 10 Bewerber zur Abgabe eines Angebotes auf.

Nebenangebote/Änderungsvorschläge über umweltverträgliche Lieferungen/Leistungen sowie sonstige Nebenangebote/Änderungsvorschläge waren auch ohne Hauptangebot zugelassen. Dem Aufforderungsschreiben waren Erläuterungen für die Angebotsabgabe und besondere Vertragsbedingungen beigefügt. Nach deren Ziff. 2 - Allgemeine Vertragsbedingungen - war u. a. das Lastenheft ... - Bearbeitungsstand: 14. Januar 2008 - (Lastenheft) dem Angebot als Vertragsbestandteil zugrunde zu legen.

In Teil A des Lastenheftes, das die technischen Leistungsspezifikationen enthält, heißt es:

2.1

... Der AN muss über ausreichende Erfahrungen in der Herstellung von Straßenbahn- bzw. Stadtbahnfahrzeugen verfügen. Es müssen mindestens 20 Fahrzeuge des angebotenen Typs bereits in Eigenfertigung hergestellt sein. ...

Ziff 3.3 Antriebskonzept mechanisch und elektrisch

... Fahrwerke aus Einzel-Achsen oder nicht gekoppelten Einzelradpaaren sind nicht zugelassen. ... Zwecks Minimierung der unabgefederten Massen sind die Fahrmotoren mit dem Fahrwerksrahmen kraftschlüssig verbunden. ...

Ziff. 6.2 Lastannahmen

... Der Nachweis, dass alle tragenden Teile des Wagenkasten-Rohbaues und der Fahrwerke bezüglich der auf sie wirkenden Beanspruchungen den Lastannahmen der VDV-Schrift 152 und der DIN EN 12 663 entsprechen, ist zu erbringen. ... Ein entsprechender Betriebsfestigkeitsnachweis ist mit Angebotsabgabe vorzulegen. ...

Ziff. 8.3 Wagenbauliche Daten

...

Gangbreite

im Fahrwerksbereich > 600 mm

im übrigen Bereich 750 mm > 750 mm

Mit Bieterrundschreiben der Auftraggeberin vom 22. Februar 2008 wurde die in Ziff. 2.1 des Lastenheftes enthaltene Eigenfertigungsanforderung von Fahrzeugen wie folgt ergänzt:

"Angebote werden im weiteren Verfahren nur dann zugelassen, wenn die genannten 20 Referenzfahrzeuge weitgehend in Bauart, Länge und Hauptbaugruppen mit den geforderten Kapazitäten (Sitz- und Stehplätze) übereinstimmen und bereits in Eigenfertigung hergestellt wurden."

Durch Bieterinformation vom 31. März 2008 wurde mitgeteilt, dass Nebenangebote (Alternativlösungen) die Mindestbedingungen des Lastenheftes erfüllen müssten. Darüber hinaus wurde klargestellt, dass es sich bei der Vorgabe, wonach mindestens 20 Fahrzeuge des angebotenen Typs bereits in Eigenfertigung hergestellt sein müssen, nicht um ein Eignungskriterium, sondern eine produktbezogene Mindestvoraussetzung handele. Die Formulierung "in Eigenfertigung" sei daher nicht so zu verstehen, dass der Bieter die 20 Fahrzeuge des angebotenen Typs in seinem eigenen Unternehmen hergestellt haben muss.

Im Submissionstermin am 26. Mai 2008 lagen drei Angebote vor. Die Antragstellerin hatte Nebenangebote ("Combino") für Los 1 und Los 2 sowie ein Nebenangebot für die gemeinsame Vergabe von Los 1 und Los 2 abgegeben. Die Beigeladene hatte ein Hauptangebot ("Tango") für Los 1 und Los 2, ein Nebenangebot ("Variobahn") für Los 1 und Los 2, und jeweils ein Nebenangebot für die gemeinsame Vergabe von Los 1 und Los 2 zum Haupt- und zum Nebenangebot eingereicht. Ein dritter Bieter hatte ein Hauptangebot und zwei Nebenangebote ausschließlich für Los 2 unterbreitet.

Die formelle Auswertung der Angebote ergab, dass sie die Mindestvoraussetzungen nach den Vergabeunterlagen, einschließlich der produktbezogenen Mindestanforderung gemäß Ziff. 2.1 des Lastenheftes ("20 Fahrzeuge") in Gestalt der Präzisierungen vom 22. Februar 2008 und 31. März 2008 erfüllen.

Gegenstand des anschließenden Verhandlungsverfahrens war ein von der Auftraggeberin vorbereiteter Entwurf eines Rahmenvertrages, in dem die von den Bietern zu berücksichtigenden Mindestbedingungen in Qualität und Leistung beschrieben wurden. In der ersten Gesprächsrunde verständigte man sich bezüglich des Betriebsfestigkeitsnachweises auf die Abgabe einer Konformitätserklärung. Der Vertragsentwurf wurde den in zwei Verhandlungsrunden erzielten Ergebnissen angepasst und den Bietern übersandt, die bis zum 5. September 2008 ein weiteres Angebot abgeben sollten. Alle drei Bieter gaben fristgerecht ein Angebot ab.

In der 3. Verhandlungsrunde, die mit der Antragstellerin am 9. September 2008 stattfand, wurde den Bietern ein weiterer Vertragsentwurf übergeben, auf dessen Basis sie bis Freitagabend, 12. September 2008, Angebote unterbreiten sollten. Dieser einheitliche Entwurf sollte ausweislich des Protokolls die Vergleichbarkeit im Vergabeverfahren sicherstellen. Abweichungen vom übergebenen Vertragsentwurf sollten "kommerziell" bewertet werden.

Die Beigeladene gab ihr Angebot mit Telefax-Sendedatum vom 12. September 2008, 10.05 Uhr ab. Der dritte beteiligte Bieter übersandte sein Angebot mit Telefax-Sendedatum vom 12. September 2008, 16:55. Die Antragstellerin übermittelte ihr Angebot vorab mit einer E-Mail, die als Absendezeitpunkt Samstag, den 13. September 2008, 0.00 Uhr angibt. Das Nachtragsangebot der Antragstellerin, das sie per Telefax übersandte, weist ein Telefax-Sendedatum vom 13. September 2008, 00.30 Uhr auf.

Im Vergabevermerk vom 17.10.2008 ist festgehalten, dass das Angebot der Antragstellerin die Auftraggeberin erst am 13.9.2008 erreichte. Da die Bewertung ergeben habe, dass das Angebot nicht das wirtschaftlichste sei, sei vorläufig davon abgesehen worden, die Gründe für die verspätete Angebotsabgabe weiter aufzuklären. Es sei auch nicht geprüft worden, ob das Angebot schon wegen der Verfristung ausgeschlossen werden müsse. Im Rahmen der Angebotsauswertung anhand der vorgegebenen Bewertungskriterien und Gewichtungen erzielten die auf den Fahrzeugtyp Variobahn bezogenen Angebote der Beigeladenen hinsichtlich der Loskombination (M- und E-Teil) die höchste Punktzahl.

Mit auf den 16. Oktober 2008 datierten Schreiben teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin im Rahmen einer Vorabinformation nach § 13 VgV mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag hinsichtlich M- und E-Teil auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Hinsichtlich des M-Teil-Angebotes sei das Angebot der Beigeladenen vor allem beim Kriterium Technik/Umwelt besser bewertet worden. Beim E-Teil-Angebot wurden vor allem preisliche Gründe angeführt.

In ihrem Rügeschreiben vom 22. Oktober 2008 beanstandete die Antragstellerin, dass die Beigeladene mit ihren öffentlich bekannten Angebotskonzepten über keine ausreichenden Erfahrungen in der Herstellung von Straßenbahn- bzw. Stadtbahnfahrzeugen verfüge und mindestens 20 Fahrzeuge des angebotenen Typs in Eigenfertigung hergestellt habe. Die angebotene Variobahn der Beigeladenen erfülle auch nicht die Forderung des Lastenheftes, dass die Einzelradpaare in den Fahrwerken gekoppelt sein müssten. Darüber hinaus seien zwecks Minimierung der unabgefederten Massen die Fahrmotoren mit dem Fahrwerksrahmen nicht kraftschlüssig verbunden. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, sie halte an ihrer Entscheidung fest. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2008 rügte die Antragstellerin, dass die von der Beigeladenen angebotenen Fahrzeuge nicht die geforderten Gangbreiten von 600 mm im Fahrwerksbereich und 750 mm im übrigen Bereich aufweisen würden. Auch die im Lastenheft unter Lastannahmen aufgestellte Forderung nach Vorlage einer Betriebsfestigkeitsprüfung werde nicht erfüllt.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2008 hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg einen Nachprüfungsantrag gestellt und diesen im Wesentlichen mit den Ausführungen in ihren Rügeschreiben begründet. Sie hat gemeint, das Angebot der Beigeladenen sei zwingend auszuschließen.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 5. November 2008 darüber hinaus beanstandet, dass die Klarstellung im Bieterrundschreiben der Auftraggeberin vom 31. März 2008, der Bieter müsse die 20 Referenzfahrzeuge nicht in seinem eigenen Unternehmen hergestellt haben, mit dem Ziel erfolgt sei, der Beigeladenen den Verbleib im Vergabeverfahren zu ermöglichen. Dies habe sie aus der Ausgabe der Berliner Morgenpost vom 30. Oktober 2008 erfahren. Der nachträgliche Verzicht der Auftraggeberin auf die Anforderung, dass der Bieter mindestens 20 Fahrzeuge des angebotenen Typs bereits in Eigenfertigung hergestellt haben müsse, wie auch die hierauf basierende Berücksichtigung von Referenzfahrzeugen der Beigeladenen, die nicht von dieser selbst, sondern von den Firmen ABB/Adtranz bzw. Bombardier gebaut wurden, stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar und sei daher rechtswidrig.

Die Antragstellerin hat gemeint, bei der im Ergebnisprotokoll vom 9. September 2008 festgelegten Terminvorgabe für die Angebotsabgabe habe es sich nicht um eine Ausschlussfrist, gehandelt. Im Übrigen wäre ein Ausschluss ihres aktualisierten Angebotes vom 12. September 2008 unschädlich, denn in diesem Fall habe ihr ursprüngliches Angebot vom 26. Mai 2008 mit der ersten Aktualisierung vom 5. September 2008 weiterhin Bestand. Selbst wenn ihr Angebot ausgeschlossen werden müsste, könne sie nach dem Beschluss des BGH vom 26. September 2006 - X ZB 14/06 - verlangen, dass auch ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen unterbleibe. Denn außer der Antragstellerin habe nur noch die Beigeladene ein Angebot abgegeben, das jedoch wegen Änderungen an den Verdingungsunterlagen auszuschließen sei.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. der Auftraggeberin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen und sie anzuweisen, das Angebot dieses Bieters von der Angebotswertung auszuschließen,

2. die Auftraggeberin anzuweisen, die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,

hilfsweise,

der Auftraggeberin zu untersagen, auf Basis der vorliegenden Angebote einem Bieter im Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen.

Die Auftraggeberin hat beantragt,

den Antrag zu verwerfen (hilfsweise: den Antrag zurückzuweisen),

Die Vergabekammer hat die Beigeladene zum Verfahren hinzugezogen. Die Beigeladene hat keinen Antrag in der Sache gestellt.

Die Auftraggeberin hat gemeint, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil das Angebot der Antragstellerin verspätet am 13. September 2008, 00.30 Uhr, eingegangen sei. Die E-Mail der Antragstellerin vom 13.9.2008 0.00 Uhr sei ebenfalls verspätet. Sie sei auch nicht mit einer elektronischen Signatur versehen gewesen. Sie, die Auftraggeberin habe keine elektronische Übermittlung von Angeboten zugelassen. Auf den Beschluss des BGH vom 26. September 2006 könne sich die Antragstellerin nicht berufen.

Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin unbegründet. Die kraftschlüssige Verbindung der Fahrmotoren mit dem Fahrwerksrahmen sei keine Mindestanforderung entsprechend der Bieterinformation der Auftraggeberin vom 31. März 2008. Unabhängig davon halte das Angebot der Beigeladenen die Vorgabe der kraftschlüssigen Verbindung ein. Bei den im Lastenheft genannten Gangbreiten handele es sich ebenfalls nicht um Mindestanforderungen, sondern um Wertungskriterien, die unter Ziff. 4.1 der Bewertungsmatrix zum M-Teil - Fahrgastraum (Kapazität, Ausstattung, Gestaltung) - Berücksichtigung fänden. Die Vorgabe der Koppelung der Einzelräder sei eine Mindestanforderung, die durch das Angebot der Beigeladenen erfüllt werde.

Hintergrund der Vorgabe, dass mindestens 20 Fahrzeuge des angebotenen Typs bereits in Eigenfertigung hergestellt sein müssten, sei der Umstand gewesen, dass ... als weltweit erste Kommune im Jahre 1997 den Fahrzeugtyp Combino angeschafft und damit schlechte Erfahrungen gemacht habe. Ihr, der Auftraggeberin, sei es darum gegangen, im Rahmen der vorliegenden Ausschreibung ein Fahrzeug anzuschaffen, das erprobt und bewährt sei. Es habe sich bei der Vorgabe deshalb nicht um ein Eignungskriterium, sondern um eine produktbezogene Mindestanforderung gehandelt. In ihrer Bieterinformation vom 31. März 2008 habe sie klargestellt, dass mit der Formulierung "in Eigenfertigung" keine Herstellereigenschaft des Bieters gefordert worden war. Das Angebot der Beigeladenen erfülle auch diese Voraussetzung, denn es würden in Chemnitz 24 Fahrzeuge eingesetzt, die in Bauart, Fahrzeuglänge und Hauptbaugruppe mit dem angebotenen Fahrzeugtyp "Variobahn" übereinstimmten.

Zwar habe die Beigeladene entgegen Ziff. 6.2 Seite 9 des Lastenheftes keinen Betriebsfestigkeitsnachweis vorgelegt. Das gleiche gelte jedoch auch für die Antragstellerin. Die Auftraggeberin habe wegen der hohen Kosten für diesen Nachweis die Vorgabe dahingehend präzisiert, dass eine Konformitätserklärung genüge, die erst in der Phase der Auftragsdurchführung vorgelegt werden müsse.

Die Beigeladene ist der Ansicht, der Nachprüfungsantrag sei weder zulässig noch begründet. Die Antragstellerin habe nach ihrem eigenen Vortrag bereits lange vor ihren Rügeschreiben vom 22. und 30. Oktober 2008 Kenntnis von den geltend gemachten etwaigen Vergaberechtsverstößen gehabt. Der Antragstellerin fehle auch die Antragsbefugnis, weil ihr Angebot wegen Fristversäumnis zwingend auszuschließen sei. Im Übrigen hat sich die Beigeladene im Wesentlichen den Ausführungen der Auftraggeberin angeschlossen.

Die Entscheidungsfrist wurde durch Verfügung des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 2. Dezember 2008 bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.

Die Vergabekammer hat durch Beschluss vom 19.12.2008 den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zulässig, aber unbegründet, denn das auf den 12.9.2008 datierte Angebot der Antragstellerin sei auszuschließen, weil es verspätet eingegangen sei. Das Angebot der Beigeladenen sei auch nicht wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Gleichbehandlungsgebot auszuschließen. Es begegne keinen Bedenken, dass die Auftraggeberin auf ihre Forderungen verzichtet habe, dass die 20 Referenzfahrzeuge im eigenen Unternehmen hergestellt sein müssten und dass ein Betriebsfestigkeitsnachweis vorgelegt werden müsse. Da das Angebot der Antragstellerin auszuschließen sei, könne offen bleiben, ob das Angebot die Mindestanforderungen - Kopplung der Einzelradpaare in den Fahrwerken, kraftschlüssige Verbindung der Fahrmotoren mit dem Fahrwerksrahmen und Gangbreiten - erfülle.

Gegen diesen Beschluss, ihr zugestellt am 22.12.2008, hat die Antragstellerin durch bei Gericht am 5.1.2009 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels zu verlängern.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel zu verlängern, war zurückzuweisen. Die Beschwerde hat keine Erfolgsaussichten, § 118 Abs. 2 GWB.

Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, weil sie fristgelegt eingelegt und begründet worden ist. Sie ist jedoch in der Sache unbegründet. Die Vergabekammer hat im Ergebnis zu Recht den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

Der Nachprüfungsantrag dürfte schon in vollem Umfang unzulässig sein. Er ist jedenfalls aber unbegründet.

1.) Der Nachprüfungsantrag ist wenigstens teilweise, wenn nicht in vollem Umfang unzulässig, weil die Antragstellerin die von ihr artikulierten Rügen nicht unverzüglich gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt hat.

Die Antragstellerin hat nicht unverzüglich beanstandet, die Auftraggeberin habe in unzulässiger Weise nachträglich die Mindestanforderung, es müssten 20 Fahrzeuge im eigenen Betrieb hergestellt worden sein, mit dem Ziel geändert, der Beigeladenen einen Verbleib im Vergabeverfahren zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, wann die Antragstellerin erfahren hat, dass gerade auch die Beigeladene von der Klarstellung in der Bieterinformation vom 31.3.2008 profitiert hat, dass die Formulierung "in Eigenfertigung" nicht so zu verstehen sei, dass der Bieter die 20 Fahrzeuge des angebotenen Typs in seinem eigenen Unternehmen hergestellt haben müsse. Mit Zugang dieser Bieterinformation war die Antragstellerin darüber informiert, dass sich aufgrund dieser Präzisierung der Vorgaben der Bieterkreis erweitern konnte und dass davon einzelne Bieter profitieren könnten. Unterstellt, darin läge ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, hätte sie dies zum Anlass nehmen müssen, im April 2008 eine entsprechende Rüge anzubringen.

2.) Es spricht auch viel dafür, dass die Rüge, das Angebot der Beigeladenen erfülle in verschiedener Hinsicht nicht die Mindestanforderungen, nicht unverzüglich erfolgt ist.

Dabei braucht nicht aufgeklärt zu werden, welche Erkenntnisquellen Bieter auf einem übersichtlichen Markt haben, um zu erfahren, wer in einem Vergabeverfahren die übrigen Wettbewerber sind. Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren eine E-Mail der Auftraggeberin vom 30.7.2008 vorgelegt, mit der diese mit offenem Verteiler ("CC") an alle drei im Wettbewerb verbliebenen Bieter den zwischen Auftraggeberin und Bietern zu verhandelnden Vertragsentwurf in Dateiform versandt hat, aus der für die Beigeladene ersichtlich war, dass die Antragstellerin am Vergabeverfahren beteiligt war. Umgekehrt war damit auch für die Antragstellerin zu erkennen, dass dieselbe E-Mail auch an die Beigeladene versandt worden ist. Die Betriebszugehörigkeit des im vorgelegten Ausdruck namentlich genannten Sachbearbeiters der Beigeladenen dürfte branchenintern bekannt sein. Die Ermittlung seines Arbeitgebers dauert im Internet nur wenige Momente. Dass die Antragstellerin die Identität des dritten Bieters kennt, ergibt sich im Übrigen aus der Vergabeakte, weil sie die Auftraggeberin am 25.9.2008 darauf angesprochen hat, ob sie nicht gemeinsam mit diesem Bieter ein gemeinsames Angebot abgeben könne.

Wenn die Antragstellerin bereits Ende Juli 2008 wusste, dass die Beigeladene zu den am Vergabeverfahren verbliebenen Bietern gehörte, hätte sie die mangelnde Vereinbarkeit der von dieser angebotenen Fahrzeuge mit den Anforderungen im Lastenheft bereits im August 2008 rügen können. Die maßgeblichen Informationen hierfür standen im Internet zur Verfügung. Sie dürften der Antragstellerin indes unabhängig hiervon ohnehin bekannt gewesen sein.

Zwar hat die Beigeladene die E-Mail der Auftraggeberin mit dem offenen Verteiler, der die Identität aller Bieter erkennen lässt, erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt. Die Antragstellerin hat sich hierzu bisher nicht äußern können. Auch ist der Vermerk des Geschäftsführers der Auftraggeberin vom 25.9.2008 über das Gespräch mit einem Mitarbeiter der Antragstellerin, aus dem sich ergab, dass die Antragstellerin jedenfalls die Identität der dritten Bieterin kannte, bisher nicht im Verfahren erörtert worden. Es war jedoch nicht erforderlich, der Antragstellerin hierzu noch rechtliches Gehör zu gewähren. Denn der Nachprüfungsantrag ist jedenfalls vollständig unbegründet.

2.) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist unbegründet, weil das Angebot der Antragstellerin verspätet eingegangen ist und deshalb nicht berücksichtigt werden kann.

a.) Das Angebot der Antragstellerin ist auszuschließen, weil es verspätet eingegangen ist, § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. e VOL/A-SKR. Bei Vorliegen der Voraussetzungen dieser Norm ist der Ausschluss des Angebotes zwingend. Der Vergabestelle steht kein Ermessensspielraum zu. Es ist deshalb unschädlich, dass die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin in Kenntnis seines verspäteten Eingangs gewertet hat. Dabei hat es sich ersichtlich um eine hypothetische Wertung gehandelt. Denn die Auftraggeberin hat sich ausweislich des Vergabevermerks die Prüfung der Frage offen gehalten, ob das Angebot nicht deswegen auszuschließen ist, weil es verspätet eingegangen ist.

Das Angebot der Antragstellerin ist verspätet eingegangen. Es ist nicht am Freitag, dem 12.9.2008, sondern am Samstag, den 13.9.2008, bei der Auftraggeberin eingegangen.

Die Frist war eine Ausschlussfrist. Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, es habe sich um eine unpräzise, eher umgangssprachlich-unverbindliche Zeitangabe gehandelt.

Die Zeitangabe war präzise. Sie enthielt zum einen die Angabe des Wochentages, zum anderen das Datum. Darüber hinaus ist die Tageszeit mit "Abend" angegeben". Außerdem heißt es in dem Ergebnisprotokoll der 3. Gesprächsrunde ausdrücklich, dass das Angebot "bis" Freitagabend, 12.09.2008, 24.00 Uhr, unterbreitet werden soll. Ein Eingang nach diesem Zeitpunkt führt dazu, dass weder der Wochentag, noch das Datum noch die Tageszeit mit den Auftraggebervorgaben übereinstimmt. Denn sowohl das Telefax als auch die E-Mail der Antragstellerin gingen nicht Freitagabend, 12.9.2008, ein, sondern Samstagmorgen, 13.09.2008.

Die Zeitangabe war auch verbindlich. Aus Empfängersicht war unzweifelhaft, dass eine Frist bis 24.00 Uhr gesetzt war.

Dabei wäre es ohne Bedeutung, wenn die Auftraggeberseite im Gespräch für die Fristsetzung freundliche Worte gefunden hätte. Selbst wenn der Geschäftsführer der Auftraggeberin geäußert hätte, dass es gut bzw. schön wäre, wenn das Angebot der Antragstellerin bis Freitag, den 12. September 2008, übermittelt würde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei lediglich um eine Präferenz und keine verbindliche Ausschlussfrist handeln sollte. Dem steht schon der Inhalt des zeitgleich erstellten und von der Antragstellerin unterschriebenen Gesprächsprotokolls entgegen. Dort ist als "Termin" angegeben: "Freitag abend". Für die Annahme einer verbindlichen Fristsetzung sprechen im Übrigen die Umstände. Das Vergabeverfahren zog sich bereits über einen längeren Zeitraum hin. Es war für die nach dem Teilnahmewettbewerb verbliebenen Bieter ersichtlich, dass das einzureichende erneut überarbeitete Angebot dasjenige sein würde, das der abschließenden Wertung der Auftraggeberin zugrunde gelegt werden würde. Für die ersten beiden Angebotsrunden waren Fristen gesetzt worden, die von allen noch im Wettbewerb verbliebenen Bieter eingehalten worden sind. Davon, dass ausgerechnet die Angabe des Abgabetermins für das alles entscheidende letzte überarbeitete Angebot nur eine unverbindliche, ungefähre Zeitbestimmung darstellen sollte, konnte kein Bieter ernstlich ausgehen.

Diese Auslegung vom Empfängerhorizont benachteiligt die Antragstellerin nicht. Denn sie hat die Zeitangabe ersichtlich selbst als eine verbindliche Frist angesehen. Anders kann nicht erklärt werden, dass sie in der Nacht von Freitag auf Samstag gegen Mitternacht sowohl eine E-Mail mit einem Angebot und ein Telefax an die Auftraggeberin versandt hat. Eine solche Handlungsweise ist nur dadurch erklärlich, dass die Antragstellerin verstanden hat, dass ihr eine verbindliche Frist gesetzt worden ist, die sie unbedingt einzuhalten hatte. Nur wenn ein verbindlicher Abgabetermin unbedingt eingehalten werden muss, werden für ein Angebot an einem Freitag gegen Mitternacht noch Unterschriften eingeholt.

Weder die E-Mail der Antragstellerin noch ihr Telefax haben die Frist gewahrt. Denn die E-Mail ist am 13.09.2008 um 0.00 Uhr gesendet worden, das Telefax um 0.30 Uhr.

Auch eine am 13.09.2008 um 0.00 Uhr gesendete E-Mail konnte die Frist nicht wahren. Zutreffend hat die Vergabekammer ausgeführt, dass zur Wahrung einer Frist das fristwahrende Schriftstück bis zum Ablauf des Fristtages eingegangen sein muss. Das war hier Freitag, der 12. September 2008 bis 24.00 Uhr. Das Angebot der Antragstellerin hätte mithin vor Beginn des Folgetages 0.00 Uhr abgesandt und bei der Auftraggeberin eingegangen sein müssen. Dies war ausweislich des Versendezeitpunktes am Samstag, 13.09.2008, 0.00 Uhr nicht der Fall.

Es musste deshalb nicht näher aufgeklärt werden, ob die E-Mail möglicherweise nach 0.00 Uhr gesendet worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die E-Mail später gesendet worden ist, ergeben sich allerdings aus ihren Anlagen. Der E-Mail waren drei Anlagen beigefügt, zwei davon waren Telefaxe in Form von TIF-Dateien. Diese Telefaxe sind offenbar zwischen mehreren Niederlassungen der Antragstellerin hin- und hergefaxt worden und weisen in der Kopfzeile den Namen der Antragstellerin, das Datum vom 13.09.2008 und Uhrzeiten zwischen 00:03 und 00.23 aus. Angesichts dieser Zeitangaben und im Hinblick darauf, dass das Telefax der Antragstellerin erst um 00.30 Uhr eingegangen ist, muss bezweifelt werden, dass der angegebene Sendezeitpunkt von 00.00 Uhr im vom Auftraggeber vorgenommenen Ausdruck der E-Mail der Antragstellerin zutreffend ist. Es spricht vielmehr vieles dafür, dass die E-Mail frühestens um 00.21 Uhr gesendet worden ist, weil ihr anderenfalls kein Telefax, das erst zu diesem Zeitpunkt gesendet worden ist, angehängt worden sein kann. Dies würde auch zu der Mitteilung der Antragstellerin in dieser E-Mail passen, dass die Auftraggeberin die Unterlagen "umgehend" per Telefax erhalte.

Auf die Frage, ob das Angebot eine elektronische Signatur hätte tragen müssen, kommt es deshalb nicht an.

Der Ausschluss des aktualisierten Angebots der Antragstellerin kann auch nicht dazu führen, dass auf das ursprüngliche Angebot vom 26.5.2008 mit der ersten Aktualisierung vom 5.9.2008 zurückgegriffen werden kann. Das letzte Angebot der Bieter, das bis zum 12.9.2008 abgegeben werden sollte, bezog sich auf einen erst in der dritten Gesprächsrunde übergebenen Vertragsentwurf, der bei der Angebotsaktualisierung vom 5.9.2008 nicht bekannt war. Im Übrigen sollte der allen verbliebenen Bietern in der dritten Gesprächsrunde übergebene einheitliche Entwurf dazu dienen, die Vergleichbarkeit der Angebote im Vergabeverfahren sicherzustellen. Bei einer derartigen Sachlage verbietet sich, auf ein Angebot zurückzugreifen, dass als noch nicht mit den Angeboten der übrigen Bieter vergleichbar angesehen worden ist.

b.) Der Nachprüfungsantrag kann schließlich nicht trotz des Ausschlusses des Angebots der Antragstellerin Erfolg haben, weil auch das Angebot der Beigeladenen ausgeschlossen werden müsste.

Zwar hat der Bundesgerichtshof in einer Konstellation, in der alle im Wettbewerb verbliebenen Angebote wegen Unvollständigkeit auszuschließen sind, angenommen, dass auch der Bieter, dessen Angebot an einem weiteren Ausschlussgrund leidet, verlangen könne, dass ein Zuschlag auf das Angebot des bevorzugten Bieters unterbleiben müsse. Damit hat der Bundesgerichtshof dem Bieter, der ein mängelbehaftetes Angebot abgegeben hat, einen Anspruch auf Eintritt in eine Sachprüfung im Nachprüfungsverfahren zugesprochen, wenn alle anderen Angebote ebenfalls einem Ausschluss unterliegen könnten.

Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den vorliegenden Fall deshalb nicht anzuwenden, weil im Falle einer verspäteten Angebotsabgabe das verspätete Angebot nicht nur mangelhaft, sondern überhaupt nicht existent geworden ist.

Ohne weiteres einsichtig ist dies, wenn ein Angebot Tage, Wochen oder Monate nach dem vorgegebenen Abgabezeitpunkt den Auftraggeber erreicht. Nichts anderes kann gelten, wenn das Angebot wie hier weniger als eine Stunde verspätet eingeht.

Die Nichteinhaltung des Abgabetermins hat im Vergabeverfahren zur Folge, dass der Bieter mit seinem Angebot nicht bzw. nicht mehr gemäß § 97 Abs. 2 GWB am Wettbewerb teilnimmt. Ein am Vergabeverfahren nicht teilnehmendes Unternehmen hat auch keinen Anspruch nach § 97 Abs. 7 GWB darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Im Vergabenachprüfungsverfahren hat die Fristversäumung zur Konsequenz, dass der Bieter, der sein Angebot nicht fristgerecht einreicht, genauso wenig eine Sachprüfung der von ihm geltend gemachten Vergaberechtsverletzungen herbeiführen kann wie ein verspätetes eingelegtes Rechtsmittel eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung oder eine nach einer Ausschlussfrist eingegangenen Klageschrift die Prüfung des geltend gemachten Anspruchs ermöglicht.

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Sie ergeht zusammen mit der Hauptsacheentscheidung.

Ende der Entscheidung

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