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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: Verg W 4/08
Rechtsgebiete: ZPO, GWB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 516 Abs. 3
GWB § 98 Nr. 6
GWB §§ 116 ff.
GWB § 118 Abs. 1 Satz 3
GWB § 124 Abs. 2
GKG § 50 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verg W 4/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend die Veräußerung eines Grundstückes in der ...-Straße in der Stadt B...

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schwonke und den Richter am Oberlandesgericht Kuhlig

am 27. Juni 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens zur Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde einschließlich der der Beigeladenen entstandenen Kosten, nachdem sie ihre sofortige Beschwerde vom 29.2.2008 gegen den Beschluss der Vergabekammer vom 15.2.2008 - VK 2/08 - zurückgenommen hat.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.050.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin beabsichtigte, ein in ihrem Eigentum stehendes, im Stadtzentrum gelegenes Grundstück an einen Investor zu veräußern, der dort auf eigenes wirtschaftliches Risiko ein Einkaufs- und Dienstleistungszentrum errichten und betreiben sollte. Die Antragsgegnerin führte zunächst im Jahre 2005 ein Investorenauswahlverfahren durch. Eine europaweite Bekanntmachung dieses Vorhabens erfolgte jedoch nicht. Im Jahre 2006 leitete die Antragsgegnerin ein Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes ein. Der Entwurf eines Grundstückskaufvertrages aus dem Sommer 2007 enthält eine von dem ausgewählten Investor zu erfüllende Investitionsverpflichtung.

Wegen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13.7.2007 (VII Verg 2/07 -Fliegerhorst A...), das einen mit einem städtebaulichen Vertrag verbundenen Grundstückskaufvertrag zwischen der öffentlichen Hand und einem Investor als vergabepflichtige Baukonzession ansah, beschloss die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin, das Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans einzustellen und das Grundstück ohne Bauverpflichtung an die von dem ausgewählten Investor gegründete Beigeladene zu veräußern.

Die Antragstellerin, die ein Einkaufszentrum in örtlicher Nähe betreibt, hat die Veräußerung des Grundstücks als vergabepflichtige Baukonzession angesehen, deren Vergabe europaweit hätte ausgeschrieben werden müssen. Ihr Nachprüfungsantrag ist vor der Vergabekammer erfolglos geblieben. Dagegen hat sie sofortige Beschwerde zum Vergabesenat beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt.

Da der sofortigen Beschwerde nicht ohne weiteres die Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden konnte, hat der Vergabesenat mit Beschluss vom 13.3.2008 auf Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde verlängert und zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes der Antragsgegnerin aufgegeben, sicherzustellen, dass auf dem veräußerten Grundstück bis zur Entscheidung über die Beschwerde keinerlei bauliche Maßnahmen auf Veranlassung der Beigeladenen vorgenommen werden.

Die Antragstellerin hat die sofortige Beschwerde am 19.5.2008 zurückgenommen, nachdem der Vergabesenat sie darauf hingewiesen hat, dass die sofortige Beschwerde deshalb keinen Erfolg haben könne, weil im vorliegenden Fall die öffentliche Hand aufgrund der vertraglichen Gestaltung keine Möglichkeit hatte, auf die Entscheidung des Käufers Einfluss zu nehmen, eine Bautätigkeit zu entfalten oder nicht.

II.

Nach Rücknahme der sofortigen Beschwerde hatte der Senat über die Kosten zu entscheiden und den Streitwert festzusetzen.

1.) Die Kostenfolge bei Rücknahme der sofortigen Beschwerde ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 516 Abs. 3 ZPO.

Zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens gehören die durch den Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB verursachten Kosten. Die Antragstellerin hat auch die der Beigeladenen entstandenen Kosten zu erstatten (BGH, Beschluss vom 9.2.2004, X ZB 44/03, zitiert nach Juris, Rn 41).

2.) Nach § 50 Abs. 2 GKG beträgt der Streitwert in Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen der Vergabekammer 5 Prozent der Bruttoauftragssumme. Hilfsweise ist die Bruttoangebotssumme des die Nachprüfung beantragenden Bieters anzusetzen.

a.) Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin geltend gemacht, die Antragsgegnerin habe faktisch eine Baukonzession vergeben.

Dabei kann nicht, wie die Antragstellerin meint, darauf abgestellt werden, dass die Antragsgegnerin vorgetragen hat, sie habe die Beigeladene nicht zu einer Bauleistung verpflichtet, der Wert der Bauverpflichtung betrage 0 Euro. Dies lässt das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin außer Betracht.

Das Nachprüfungsverfahren hat den Zweck, Bietern den Zugang zu öffentlichen Aufträgen, die für sie von Interesse sind, zu eröffnen. Deshalb bestimmt ihre Perspektive nicht nur, ob der maßgebliche Auftrag den Schwellenwert erreicht (EuGH, VergabeR 2007, 183, 190 -Stadt Roanne), sondern auch den Auftragswert. Geht der die Nachprüfung beantragende Bieter davon aus, dass eine Baukonzession vergeben wird, muss der Streitwert nach diesem behaupteten vergabepflichtigen Vorgang bemessen werden. Es kommt dann nicht darauf an, ob im Nachprüfungsverfahren das Vorliegen einer solchen Baukonzession festgestellt wird oder nicht.

b.) Der Wert der behaupteten Baukonzession ist auch nicht deshalb mit 0 Euro anzusetzen, weil der Auftraggeber für die Bauleistung selbst kein Entgelt zahlt.

Wesentliches Merkmal der öffentlichen Baukonzessionsverträge ist es, dass die "Gegenleistung" für die Arbeiten des Baukonzessionärs zur Gänze oder wenigstens zum Teil von Dritten stammt. Dabei handelt es sich im Regelfall nicht um eine direkte Vergütung für die Bauleistung, sondern um ein Entgelt für die Nutzung des Bauwerks, aus dem der Konzessionär die Aufwendungen für die Bauleistungen erwirtschaftet.

Es entspricht dem Ziel und System der dem Vergaberecht zugrunde liegenden europäischen Vorgaben, dass auch die von Dritten stammenden Beträge bei der Berechnung des Auftragswertes berücksichtigt werden (EuGH, a. a. O.). Diese Argumentation muss einheitlich für die Berechnung des Schwellenwertes und diejenige des Streitwertes in Beschwerdeverfahren gelten.

c.) Allerdings ergeben sich im Falle der Vergabe einer Baukonzession wegen des Fehlens einer vom Auftraggeber in Geld entrichteten Vergütung und wegen der nicht unmittelbar für die Erstellung des Bauwerks von Dritten gezahlten Vergütung besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Beschwerdewertes.

Bei einer Baukonzession erhält der Baukonzessionär vom Auftraggeber statt einer Vergütung das Recht zur Nutzung des von ihm errichteten Bauwerkes ggfs. zuzüglich der Zahlung eines Preises, § 98 Nr. 6 GWB. Das Nutzungsrecht stellt damit die "Vergütung" des Konzessionärs dar. Bei einem Nachprüfungsverfahren, das eine Baukonzession zum Gegenstand hat, bemisst sich der Beschwerdewert deshalb am Wert dieses Nutzungsrechts, der nur geschätzt werden kann.

Bei der Schätzung kann mangels anderweitiger Anhaltspunkte auf den Wert der vom Konzessionär zu erbringenden Bauleistungen zurückgegriffen werden. Denn das wirtschaftliche Volumen der Bauleistungen ist das, was der Konzessionär mindestens von den Nutzern erwirtschaften muss, damit sich die Investition in Form von Bauleistungen rentiert.

Dabei stellt allerdings der Wert der Bauleistung nur die Untergrenze des Wertes des Nutzungsrechts dar, weil ein wirtschaftlich denkender Konzessionär auch eine angemessene Gewinnmarge erzielen will. Da im Regelfall zur Bemessung der Gewinnmarge keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen werden, gilt es, auch diese Gewinnmarge zu schätzen. § 50 Abs. 2 GKG liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Bieter in seinem Angebot einen angemessenen Gewinn einkalkuliert, der sein eigentliches Interesse am Auftrag ausmacht. Dieses Interesse hat der Gesetzgeber pauschalisiert mit 5 % bemessen.

Den Wert einer Baukonzession bemisst der Senat deshalb am Wert der Bauleistung zuzüglich einer zu kalkulierenden Gewinnspanne von 5 %. Aus der Summe dieser Beträge ist gemäß § 50 Abs. 2 GKG der Beschwerdewert zu ermitteln.

d.) Den Wert der Bauleistung bemisst der Senat mit 20 Mio. Euro brutto. Die Gewinnerwartung der Antragstellerin beträgt 5 % von 20 Mio. €, mithin 1 Mio. €. Der Wert der Baukonzession macht damit 21 Mio. € auf. Hieraus ergibt sich ein Beschwerdewert von 1.050.000,00 €.

aa.) Eine als solche ausdrücklich bezeichnete Schätzung des Auftragswertes durch die Antragsgegnerin liegt dem Senat nicht vor. Die Antragsgegnerin hat sich auch nicht zur Bemessung des Beschwerdewertes geäußert. Eine Schätzung war für die Antragsgegnerin auch nicht von Interesse, weil der Investor die geplante Bebauung auf eigene Kosten und eigenes Risiko durchführen sollte.

Es kommt mithin maßgeblich darauf an, in welchem Umfang die Antragstellerin ihrerseits der Antragsgegnerin Bauleistungen angeboten hätte. Ohne Bedeutung ist dagegen, welche Investitionen die Beigeladene plant.

Den Wert der Bauleistung hat die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag vom 8.1.2008 selbst mit rund 20 Mio. € angegeben. In Presseveröffentlichungen, die sie ihrer Beschwerdeschrift beigefügt hat, ist das Investitionsvolumen mit mindestens 20 Mio. € beziffert. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Antragstellerin, wenn sie sich um die von ihr behauptete Baukonzession beworben hätte, für von ihr zu erbringende Bauleistungen einen derartigen Bruttobetrag kalkuliert hätte.

bb.) Soweit es den Grundstückskaufpreis angeht, ist dieser im Rahmen des Beschwerdewertes nicht zu berücksichtigen, genauso wenig wie Planungs-, Vermietungs- und weitere Kosten.

Es existieren divergierende Entscheidungen zu der Frage, inwieweit bei Baukonzessionen in Form von Grundstückskaufverträgen mit Bauverpflichtungen der Kaufpreis für das Grundstück bei der Bemessung des Beschwerdewertes zu berücksichtigen ist. Das OLG Düsseldorf hat in einem Verfahren den Streitwert am Wert der allein vergabepflichtigen Bauleistung bemessen und weitere mit den Verträgen verbundene, nicht vergabepflichtige Elemente bei der Streitwertbemessung nicht berücksichtigt, insbesondere nicht den Grundstückskaufpreis (VII-Verg 2/07, Beschluss vom 27.9.2007, nicht veröffentlicht - Fliegerhorst A...). In seiner Entscheidung vom 6.2.2008 (VII-Verg 37/07, zitiert nach Juris Rn 59) hat es dagegen bei der Streitwertfestsetzung von Planungs- und Erstellungskosten Erstehungskosten abgesetzt. Das OLG Karlsruhe hat in einem vergleichbaren Fall (Beschluss vom 13.6.2008, 15 Verg 3/08, zitiert nach Juris, Rn 49) die Kosten für den Grundstückserwerb mit einbezogen.

Der Senat hält es für sachgerecht, den Streitwert des Nachprüfungsverfahren allein nach dem Wert des vergabepflichtigen Vorgangs zu bemessen. Dies hat zur Folge, dass der von der Antragstellerin mit E-Mail vom 21.12.2007 angebotene Grundstückskaufpreis von wenigstens 4 Mio. € nicht in die Streitwertberechnung einzubeziehen ist.

3.) Eine Vorlage an den BGH gemäß § 124 Abs. 2 GWB ist nicht veranlasst. Soweit der erkennende Senat in diesem Beschluss von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte abweicht, betrifft dies die Frage der Bemessung des Streitwertes. Streitwertfestsetzungen der Vergabesenate in Beschwerdeverfahren gemäß §§ 116 ff. GWB sind stets nur Nebenentscheidungen und keine Entscheidung zur Hauptsache. Divergenzen bei Nebenentscheidungen begründen keine Pflicht zur Vorlage an den Bundesgerichtshof.

Ende der Entscheidung

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