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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 01.07.2003
Aktenzeichen: 1 ABR 20/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbZG, ZPO, MTV


Vorschriften:

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7
BetrVG § 90
BetrVG § 91
ArbZG § 4
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Manteltarifvertrag für Arbeiter der Deutschen Post AG vom 20. Oktober 2000 Anlage 2 a § 1 Abschn. IV
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bei der Festlegung der zeitlichen Lage vergütungspflichtiger tariflicher Kurzpausen mitzube-stimmen.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 20/02

Verkündet am 1. Juli 2003

In dem Beschlußverfahren

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 1. Juli 2003 durch den Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft als Vorsitzenden, die Richter am Bundesarbeitsgericht Linsenmaier und Dr. Wolter sowie die ehrenamtlichen Richter Spiegelhalter und Brunner für Recht erkannt:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 6. Dezember 2001 - 3 TaBV 5/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht bei der zeitlichen Festlegung bezahlter Kurzpausen.

Die Arbeitgeberin ist ein Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost. In ihren Betrieben gilt für gewerbliche Beschäftigte der Manteltarifvertrag für Arbeiter vom 20. Oktober 2000 (MTV-Arb). Dessen Anlage 2 a enthält "Bestimmungen über die Gewährung einer Erholungszeit, einer Zeit für persönliche Bedürfnisse und eines personengebundenen Zeitzuschlags". Nach deren § 1 Abschn. I erhält jeder Arbeiter eine Erholungszeit im Umfang von 3 1/2 Minuten je Arbeitsstunde. Nach § 1 Abschn. IV Abs. 1 "sind Erholungszeiten ... zu Kurzpausen zusammenzufassen und im Dienstplan auszuweisen". Ferner heißt es: "Diese Kurzpausen beginnen und enden am Arbeitsplatz".

Im August 2000 legte der Leiter der Niederlassung "Produktion BRIEF B" dem für diese Niederlassung gewählten Betriebsrat mehrere Dienstpläne vor und bat um Zustimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Dienstpläne wiesen die zu Kurzpausen zusammengefaßten tariflichen Erholungszeiten jeweils am Ende einer Dienstschicht aus. In einem solchen Fall konnten die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz entsprechend früher verlassen. Der Betriebsrat lehnte seine Zustimmung unter Hinweis auf die fehlende Erholungswirkung so gelegener Kurzpausen ab. Die Arbeitgeberin leitete ein Einigungsstellenverfahren ein. Mit den Stimmen aller Beisitzer beschloß die Einigungsstelle, ihr Verfahren bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung darüber auszusetzen, ob dem Betriebsrat bei der Festlegung der Lage der Erholungszeiten ein Mitbestimmungsrecht zustehe. Dementsprechend machte die Arbeitgeberin im Oktober 2000 das vorliegende Beschlußverfahren anhängig.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Mitbestimmungstatbestand sei nicht gegeben. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erstrecke sich nur auf die zeitliche Lage unbezahlter Pausen. Die Erholungszeiten nach Anlage 2 a zum MTV-Arb seien dagegen - dies steht außer Streit - vergütungspflichtig.

Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Lage der sich aus § 1 der Anlage 2 a des MTV-Arb ergebenden bezahlten Kurzpausen zusteht, soweit sie nicht jeweils beabsichtigt, solche Erholungszeiten zum Bestandteil der Ruhepausen gemäß § 4 ArbZG zu machen, so daß dadurch die Dauer der unbezahlten Pausen entsprechend reduziert wird.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat gemeint, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht sowohl nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG als auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und §§ 90, 91 BetrVG zu.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und angenommen, der Antrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr Feststellungsbegehren weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Zwar trägt die Begründung des Landesarbeitsgerichts seinen Beschluß nicht. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als zutreffend (§ 563 ZPO aF, § 561 ZPO nF). Dem Betriebsrat steht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der zeitlichen Lage der tariflichen Kurzpausen zu.

I. Der Antrag bedarf der Auslegung. Nach seinem Wortlaut ist er auf die Fälle beschränkt, in denen die Arbeitgeberin "nicht beabsichtigt", die bezahlten Kurzpausen in die Zeit der Ruhepausen nach § 4 ArbZG zu legen. Wenn die Arbeitgeberin dieser Formulierung entsprechend auf das (Nicht-)Vorliegen einer solchen Absicht, also einer bestimmten inneren Tatsache hätte abstellen wollen, ergäben sich erhebliche Bedenken an der nötigen Bestimmtheit und Unbedingtheit des Antrags. Ein solches Verständnis des Antrags ist aber nicht zwingend. Anträge sind möglichst so auszulegen, daß sie eine erstrebte Sachentscheidung zulassen (BAG 17. Juni 1997 - 1 ABR 10/97 - mwN). Der Antrag der Arbeitgeberin erlaubt es, ihn so zu verstehen, daß es nicht allein auf ihre Absicht ankommen soll, sondern darauf, ob diese Absicht sich nach außen manifestiert hat; der Ort dafür sind die Dienstplanentwürfe. Der Antrag der Arbeitgeberin ist deshalb dahin auszulegen, daß die betreffende Feststellung nur begehrt wird, soweit nicht die tariflichen Erholungszeiten nach Maßgabe der jeweiligen Dienstplanentwürfe zeitlicher Bestandteil der gesetzlichen Ruhepausen sind.

II. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig. Der gegenteiligen Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu folgen. Dieses hat seine Entscheidung - so hat der Senat die Beschlußgründe verstanden - darauf gestützt, daß das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts in einer bestimmten Angelegenheit dann nicht selbständiger Gegenstand eines Beschlußverfahrens sein könne, wenn diese Angelegenheit nur ein Detail eines umfassend zu regelnden Sachverhaltskomplexes darstelle und zusammen mit diesem ohnehin geregelt werde. Die Betriebsparteien müßten dann - ggf. mit Hilfe der Einigungsstelle - zunächst die umfassende Regelung treffen. Von dieser werde das betreffende Detail entweder miterfaßt oder es werde jedenfalls zum bloßen Gegenstand des Ermessens der Einigungsstelle, unabhängig davon, ob es isoliert betrachtet mitbestimmungspflichtig sei.

1. Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO verkannt. Die Vorschrift gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren. Danach ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, daß das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dieses ist für einen negativen Feststellungsantrag des Arbeitgebers regelmäßig gegeben, wenn der Betriebsrat sich eines Mitbestimmungsrechts ernsthaft berühmt, das der Arbeitgeber bestreitet (BAG 13. Oktober 1987 - 1 ABR 10/86 - BAGE 56, 197). Dabei kann das Bestehen, der Inhalt oder die Reichweite eines Mitbestimmungsrechts losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Angelegenheit, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen oder bestritten wird, häufiger auftritt und sich auch zukünftig jederzeit wiederholen kann (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 35/01 - AP ZA-NATO-Truppenstatut Art. 56 Nr. 23, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe mwN). Streitige Angelegenheit kann auch der Umfang eines bestimmten Mitbestimmungsrechts und damit die Mitbestimmungspflichtigkeit bestimmter Detailregelungen sein, ohne daß eine umfassende und endgültige Regelung der Angelegenheit schon getroffen sein müßte (vgl. BAG 13. September 1983 - 1 ABR 32/81 - BAGE 43, 278, 280 f., zu B I 2 der Gründe für die Dynamisierung einer Leistungsprämie; 16. März 1982 - 1 ABR 63/80 - BAGE 38, 148, 151, zu B I 1 der Gründe für die Bestellung des Beauftragten für das betriebliche Vorschlagswesen, die Entscheidung über die Annahme eines einzelnen Verbesserungsvorschlags und die Höhe der Prämie im Einzelfall).

So liegen die Dinge hier. Die Beteiligten sind sich zwar einig, daß die Dienstplangestaltung für die Arbeitnehmer des Betriebs mitbestimmungspflichtig ist. Sie streiten aber darüber, ob eine bei der Dienstplangestaltung zu klärende Detailfrage, nämlich die Lage der bezahlten Kurzpausen, vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gedeckt ist. Dies können sie vorab zur gerichtlichen Entscheidung stellen.

2. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß eine Einigungsstelle zur Aufstellung von Dienstplänen im Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Beschlußverfahrens schon errichtet war und ihre Verhandlungen aufgenommen hatte. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats läßt dies ein rechtliches Interesse an der gesonderten Feststellung der Reichweite des Mitbestimmungsrechts nicht entfallen (BAG 2. April 1996 - 1 ABR 47/95 - BAGE 82, 349, 355, zu B II 1 a der Gründe; 6. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - BAGE 44, 285, 290, zu B I der Gründe mwN). Die rechtskräftige Entscheidung in einem solchen Vorabentscheidungsverfahren bindet sowohl die Betriebsparteien als auch die zur Herbeiführung einer Einigung zwischen ihnen gebildete Einigungsstelle. Die Bindungswirkung erfaßt auch ein mögliches späteres Verfahren über die Berechtigung einer Anfechtung des Einigungsstellenspruchs. Im Umfang der Rechtskraft der Vorabentscheidung ist das mit dem Anfechtungsverfahren befaßte Gericht gebunden und kann das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nicht eigenständig und ggf. abweichend beurteilen.

Ob dies auch dann gilt, wenn die Einigungsstelle ihr Verfahren ohne Rücksicht auf die Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens fortsetzt - wozu sie im Interesse der schnellen Herbeiführung einer betrieblichen Regelung aufgerufen ist -, bedarf keiner Entscheidung. Im Streitfall hat die Einigungsstelle ihr Verfahren zur Ermöglichung des Vorabentscheidungsverfahrens ausgesetzt. Jedenfalls unter dieser Voraussetzung kann der Arbeitgeberin ein rechtliches Interesse an der begehrten Vorabfeststellung nicht versagt werden.

3. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat oder der Arbeitgeber diejenige Maßnahme oder denjenigen betrieblichen Vorgang, für den ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen bzw. geleugnet wird, so genau zu bezeichnen, daß mit der Entscheidung über den Antrag zweifelsfrei feststeht, für welche Maßnahmen oder Vorgänge das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist. Nur so können der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis nach § 308 ZPO und Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft nach § 322 ZPO festgestellt werden (BAG 15. Januar 2002 - 1 ABR 13/01 - BAGE 100, 173, 180, zu B II 2 a der Gründe mwN). Diesen Erfordernissen wird der Antrag der Arbeitgeberin gerecht. Die Teilregelung, für die das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts festgestellt werden soll, ist eindeutig bezeichnet.

III. Der Antrag der Arbeitgeberin ist nicht begründet. Dem Betriebsrat steht bei der Festlegung der zeitlichen Lage der bezahlten Kurzpausen nach § 1 Abschn. IV Abs. 1 der Anlage 2 a zum MTV-Arb ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht zu.

1. Ein solches Mitbestimmungsrecht folgt allerdings weder aus § 90 BetrVG noch aus § 91 BetrVG. § 90 BetrVG sieht für seinen Anwendungsbereich lediglich Beratungsrechte des Betriebsrats vor, verlangt aber nicht dessen - ggf. durch die Einigungsstelle zu ersetzende - Zustimmung. § 91 BetrVG setzt voraus, daß die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung in besonderer Weise belastet werden und diese Änderungen den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen. Im Streitfall sind weder Änderungen in Sinne dieser Vorschrift festgestellt, noch ist ersichtlich, daß die Zusammenfassung aller tariflichen Erholungszeiten und Kurzpausen jeweils am Ende der Dienstzeit die geforderten offensichtlichen Widersprüche zur Folge hätte.

2. Der Betriebsrat hat sich für ein Mitbestimmungsrecht zudem auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG berufen. Ob ein solches Mitbestimmungsrecht besteht, erscheint fraglich. Der Mitbestimmungstatbestand setzt voraus, daß eine betriebliche Regelung im Rahmen einer gesetzlichen Vorschrift oder einer Unfallverhütungsvorschrift ergehen soll. Es muß also eine Vorschrift vorliegen, die Maßnahmen der Unfallverhütung oder des Gesundheitsschutzes fordert, dabei aber einen ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Rahmen vorgibt, innerhalb dessen den Betriebsparteien ein Regelungsspielraum verbleibt (BAG 16. Juni 1998 - 1 ABR 68/97 - BAGE 89, 139, 143, zu B I 2 der Gründe). Hier ist schon nicht sicher, daß es sich bei der tariflichen Anordnung von Erholungszeiten und ihrer Zusammenfassung zu Kurzpausen überhaupt um Maßnahmen des Arbeitsschutzes handelt. Offenbar ging es der Gewerkschaft nicht um Gesundheitsschutz, als sie den Umfang der Verteil- und Erholungszeiten und ihre Zusammenfassung zu Kurzpausen zu tariflichen Verhandlungszielen erklärte, sondern um eine Einflußnahme auf den Personalbedarf der Arbeitgeberin (vgl. Graunke ZTR 1992, 372). Ferner fehlt es an Vortrag und Feststellungen dazu, daß von Arbeitsräumen, Arbeitsmitteln oder Arbeitsstoffen objektiv eine Gefahr für die Arbeitnehmer ausginge, zu deren Beseitigung die staatlichen Rahmenvorschriften den Arbeitgeber verpflichteten (vgl. dazu BAG 16. Juni 1998 - 1 ABR 68/97 - aaO; Richardi BetrVG 8. Aufl. § 87 Rn. 555). Auch hat der Senat bisher offengelassen, ob es sich bei der in Frage kommenden gesetzlichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 ArbZG um eine Rahmenvorschrift iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG handelt (vgl. BAG 16. Juni 1998 - 1 ABR 68/97 - aaO). Ob die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG vorliegen, bedarf hier keiner abschließenden Prüfung. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist unabhängig davon gegeben.

3. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen.

a) Inwieweit Beginn und Ende der Arbeitszeit durch die Lage der bezahlten Kurzpausen betroffen sind, kann dahinstehen. Im Falle festliegender Schichten würde dieser Mitbestimmungstatbestand durch die vom Betriebsrat gerade nicht gewünschte Verlegung der Kurzpausen an das Ende der Dienstschichten verbunden mit der Möglichkeit, bei Pausenbeginn den Arbeitsplatz zu verlassen, überhaupt erst eröffnet. Einer derartigen Regelung wiederum dürfte § 1 Abschn. IV Abs. 1 Satz 3 der Anlage 2 a zum MTV-Arb entgegenstehen. Danach beginnen und enden die Kurzpausen am Arbeitsplatz. Mit dieser Bestimmung ist eine Verlegung an das Ende - oder den Beginn - der Dienstschicht, die mit der Berechtigung zum früheren Verlassen des Arbeitsplatzes - oder zum späteren Dienstantritt - einhergeht, schwer zu vereinbaren.

b) Betroffen ist der Mitbestimmungstatbestand der Festlegung von Beginn und Ende der Pausen. Zu den Pausen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zählen auch die vergütungspflichtigen tariflichen Kurzpausen; mitbestimmungspflichtig ist die Festlegung ihrer zeitlichen Lage. Dies folgt aus Wortlaut, Systematik und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

aa) Der Begriff der Pause ist in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht definiert; er wird dort vorausgesetzt. Danach umfaßt das Mitbestimmungsrecht zunächst Beginn und Ende der Ruhepausen iSd. § 4 ArbZG. Dies sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Unterbrechungen der Arbeitszeit von bestimmter Dauer, die der Erholung dienen (BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 603/01 - AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 11 = EzA ArbZG § 4 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 3 b aa der Gründe; 28. September 1972 - 5 AZR 198/72 - AP AZO § 12 Nr. 9 = EzA AZO § 12 Nr. 1). Solche Ruhepausen zählen arbeitszeitrechtlich nicht zur Arbeitszeit und stellen dementsprechend regelmäßig auch schuldrechtlich keine vergütungspflichtige Arbeitszeit dar (BAG 28. Juli 1981 - 1 ABR 65/79 - BAGE 36, 138, 143 f., zu B II 1 a der Gründe).

Das Fehlen einer Vergütung gehört aber nicht zum Begriff der Pause. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind Pausen kürzere Unterbrechungen einer bestimmten Tätigkeit, die der Erholung dienen (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 1994 Bd. 5). Vergütungsrechtliche Folgen der Tätigkeitsunterbrechungen spielen demnach für die Begriffsbedeutung keine Rolle (so auch DKK-Klebe 8. Aufl. § 87 Rn. 79). Auch arbeitszeitrechtlich ist entscheidendes Merkmal der Pause nicht die fehlende Vergütung, sondern die Freistellung von jeglicher Arbeitsverpflichtung, einschließlich der Verpflichtung, sich zur Arbeit bereitzuhalten (BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 603/01 - AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 11 = EzA ArbZG § 4 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 3 b aa der Gründe; Wiese GK-BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 344). Ist die Zeit einer solchen Freistellung - ungewöhnlicherweise - auf Grund besonderer vertraglicher oder tariflicher Bestimmungen zu vergüten, handelt es sich gleichwohl um eine Pause, im arbeitszeitrechtlichen Sinne allerdings nur bei einer gewissen Mindestlänge (vgl. dazu Schliemann/Meyer Arbeitszeitrecht 2. Aufl. Rn. 297).

Vom Wortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG werden deshalb auch die vergütungspflichtigen tariflichen Kurzpausen nach § 1 Abschn. IV Abs. 1 der Anlage 2 a zum MTV-Arb erfaßt. Auch sie sind Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit zum Zwecke der Erholung. Dies wird daraus deutlich, daß sie die Zusammenfassung von tariflich ausdrücklich als "Erholungszeiten" bezeichneten Arbeitsunterbrechungen darstellen. Sie sind außerdem nach § 1 Abschn. IV Abs. 1 Satz 1 der Anlage 2 a zum MTV-Arb "im Dienstplan auszuweisen" bzw. nach Abs. 5 c der Ausführungsbestimmungen zu § 8 der Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten in der Fassung vom 30. April 1990, auf die § 1 Abschn. IV Abs. 2 der Anlage verweist, nach "Dauer und zeitlicher Lage ... genau festzulegen und als solche im Dienstplan auszuweisen". Die genaue zeitliche Festlegung und die mit ihr verbundene Vorhersehbarkeit der Arbeitsunterbrechung kennzeichnet auch den Begriff der Ruhepause nach § 4 ArbZG (BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 603/01 - AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 11 = EzA ArbZG § 4 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 3 b aa der Gründe mwN). Die Tarifvertragsparteien haben damit die Funktionsähnlichkeit der Kurzpausen und der gesetzlichen Ruhepausen besonders verdeutlicht.

bb) Auch unter systematischen Gesichtspunkten steht die Vergütungspflichtigkeit der tariflichen Kurzpausen einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht entgegen. Allerdings ist das Mitbestimmungsrecht bei vergütungspflichtigen Pausen auf die bloße Festlegung ihrer zeitliche Lage beschränkt.

(1) Ein uneingeschränktes Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift, das ein Initiativrecht des Betriebsrats auch bezüglich Einführung und Dauer der Pausen einschließt, setzt voraus, daß es um Beginn und Ende unbezahlter Pausen geht. Für ein Initiativrecht zur Einführung vergütungspflichtiger Pausen und der Festlegung ihrer Dauer gibt § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG keine Rechtsgrundlage her. Andernfalls könnte der Betriebsrat über die Durchsetzung entsprechend langer Pausenzeiten den Umfang der Vergütungspflicht des Arbeitgebers beeinflussen. Ein solches Mitbestimmungsrecht besteht hinsichtlich der Dauer einer vergütungspflichtigen Pause ebensowenig wie hinsichtlich des wöchentlichen Umfangs der vom Arbeitnehmer schuldrechtlich zu leistenden Arbeitszeit. Dementsprechend hat der Senat weder bezahlte Lärmpausen noch bezahlte Unterbrechungen der Arbeit an Bildschirmgeräten als Pausen iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG angesehen, deren Einführung der Betriebsrat verlangen könnte (BAG 28. Juli 1981 - 1 ABR 65/79 - BAGE 36, 138, 143 f., zu II 1 a der Gründe; 6. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 87 Bildschirmarbeitsplatz Nr. 1, zu C II 3 der Gründe).

(2) Im Streitfall geht es jedoch nicht um die Ausübung eines Initiativrechts zur Einführung bezahlter Kurzpausen. Daß Arbeitnehmern Erholungszeiten bestimmter Länge zu gewähren, diese zu Kurzpausen zusammenzufassen und zu vergüten sind, steht vielmehr tariflich bereits fest. Regelungsbedürftig und -fähig ist allein die zeitliche Lage dieser Arbeitsunterbrechungen. Dementsprechend will der Betriebsrat auch nicht über das Ob und die Dauer einer solchen Pause und auf diese Weise über den Umfang der Vergütungspflicht der Arbeitgeberin mitentscheiden, sondern ausschließlich über die zeitliche Lage der Pause. In diesem begrenzten Umfang besteht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auch für vergütungspflichtige Pausen.

Der mit der Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts einhergehende Eingriff in die grundsätzlich dem Arbeitgeber vorbehaltene Arbeitsorganisation ist durch die gesetzliche Regelung gedeckt. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats insoweit zurücktreten müssen, als durch sie die Organisation des Arbeitsablaufs berührt wird (BAG 24. November 1987 - 1 ABR 12/86 - AP BetrVG 1972 Akkord Nr. 6 = EzA BetrVG 1972 § 87 Leistungslohn Nr. 15, zu B II 1 d der Gründe mwN).

cc) Dieses Ergebnis entspricht Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dient dazu, bei der Festlegung des Beginns und des Endes von Pausen die Interessen der Arbeitnehmer an einer Erholungswirksamkeit der Arbeitsunterbrechungen und einem möglichst effektiven Ermüdungsabbau zur Geltung zu bringen. Dies wird nicht nur durch Dauer der Pausen, sondern auch durch deren Lage innerhalb der Arbeitszeit beeinflußt.

c) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist nicht nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG ausgeschlossen. Die tariflichen Bestimmungen in § 1 Abschn. IV der Anlage 2 a zum MTV-Arb bestimmen bezüglich der zeitlichen Lage der Kurzpausen nur, daß diese am Arbeitsplatz beginnen und enden. Weitergehende tarifliche Vorgaben bestehen nicht. Den Betriebsparteien verbleibt damit ein entsprechender Regelungsspielraum.

Ende der Entscheidung

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