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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2001
Aktenzeichen: 1 ABR 36/00
Rechtsgebiete: BPersVG, UP, BetrVG
Vorschriften:
BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 1 | |
BPersVG § 75 Abs. 4 | |
UP zu Art. 56 Abs. 9 Zusatzabkommen NATO-Truppenstatut idF der am 29. März 1998 (BGBl. II S 2594) in Kraft getretenen Änderungen nach dem Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S 2594) sowie der am 5. Juni 1998 (BGBl. II S 1568) in Kraft getretenen Änderungen nach dem Abkommen vom 16. Mai 1994 (BGBl. II S 3710) | |
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2 | |
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3 |
Wird für Gruppen von Beschäftigten einer Dienststelle eine Rufbereitschaft außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit eingerichtet, so hat die Personalvertretung insoweit nach § 75 Abs. 4 BPersVG hinsichtlich der Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG bei der Festlegung der regelmäßigen Arbeitszeit bleibt hiervon unberührt.
Aktenzeichen: 1 ABR 36/00 Bundesarbeitsgericht 1. Senat Beschluß vom 23. Januar 2001 - 1 ABR 36/00 -
I. Arbeitsgericht Krefeld - 2 BV 2/00 - Beschluß vom 1. März 2000
II. Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 10 TaBV 33/00 - Beschluß vom 5. Juni 2000
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS
Verkündet am 23. Januar 2001
Schneider, der Geschäftsstelle
In dem Beschlußverfahren
mit den Beteiligten
1.
Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Rechtsbeschwerdeführerin,
2.
hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 23. Januar 2001 durch den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. Wißmann, den Richter am Bundesarbeitsgericht Hauck, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Schmidt, die ehrenamtlichen Richter Kehrmann und Metz beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Betriebsvertretung wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 2000 - 10 TaBV 33/00 - aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde der Betriebsvertretung wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Krefeld vom 1. März 2000 - 2 BV 2/00 - abgeändert.
Es wird festgestellt, daß der Betriebsvertretung bezüglich der Grundsätze für die Einteilung der Rufbereitschaft der Klempner und Elektriker ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht der Betriebsvertretung bei der Einteilung von Arbeitnehmern zur Rufbereitschaft.
Die Beteiligte zu 1) ist die bei der zu 2) beteiligten Dienststelle der Royal Air Force Germany B gewählte Betriebsvertretung. In der Dienststelle sind etwa 300 zivile Arbeitnehmer beschäftigt. Die Dienststelle betreibt bei N einen Flugplatz, für den sie eine Rufbereitschaft für Klempner und Elektriker eingerichtet hat. Die Rufbereitschaft ist freiwillig. Die dafür eingeteilten Arbeitnehmer erhalten eine Zulage nach einem Erlaß des Finanzministeriums NRW.
Mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 leitete die Dienststelle der Betriebsvertretung die Rufbereitschaftspläne für das Jahr 2000 zu. Darin sind die Namen, das Handwerk, die Anschriften sowie die Telefonnummern der für die Rufbereitschaft eingeteilten Arbeitnehmer aufgeführt. Die Rufbereitschaft eines Arbeitnehmers beginnt jeweils nach Beendigung der Dienstzeit an einem Montag und endet mit Beginn der Dienstzeit am darauffolgenden Montag. Die Einzelheiten sind in einer Verwaltungsanweisung der früheren übergeordneten Dienststelle HQ RAFG vom 1. April 1982 geregelt. Entgegen der Übung in den vorangegangenen Jahren verweigerte die Dienststelle die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens unter Hinweis auf das Fehlen eines Mitbestimmungsrechts.
Die Betriebsvertretung hat die Auffassung vertreten, ihr stehe zwar nicht für die Anordnung, jedoch für die Grundsätze der Einteilung der Elektriker und Klempner zur Rufbereitschaft ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Rufbereitschaft sei Arbeitszeit im personalvertretungsrechtlichen Sinne. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtige nicht hinreichend die Funktion des Mitbestimmungsrechts. Sie widerspreche zudem der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG bei der Anordnung von Rufbereitschaft und der Aufstellung von Rufbereitschaftsplänen.
Die Betriebsvertretung hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse, beantragt
festzustellen, daß ihr bezüglich der Einteilung der Rufbereitschaft der Klempner und Elektriker der Beteiligten zu 2) für das Jahr 2000 und weitere Jahre ein Mitbestimmungsrecht zusteht.
Die Dienststelle hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Betriebsvertretung stehe weder ein Mitbestimmungsrecht bei der Anordnung von Rufbereitschaften zu noch ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 4 BetrVG bei den Grundsätzen für die Aufstellung entsprechender Dienstpläne. Im übrigen habe die Hauptbetriebsvertretung den Grundsätzen für die Aufstellung von Rufbereitschaftsplänen nach der seit dem 1. April 1982 geltenden Verwaltungsanordnung bereits zugestimmt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Die Beschwerde der Betriebsvertretung blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Betriebsvertretung ihr ursprüngliches Antragsziel weiter. Die Dienststelle beantragt Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde der Betriebsvertretung ist begründet. Die Vorinstanzen haben verkannt, daß der Betriebsvertretung ein Mitbestimmungsrecht bei den Grundsätzen für die Aufstellung von Dienstplänen für die Einteilung der Klempner und Elektriker zusteht.
I. Der Antrag der Betriebsvertretung ist zulässig.
1. Er bedarf der Auslegung. Die Betriebsvertretung begehrt die allgemeine Feststellung, daß ihr hinsichtlich der Einteilung der Elektriker und Klempner für Rufbereitschaften ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Im einzelnen geht es ihr - wie in der Anhörung vor dem Senat auch ausdrücklich klargestellt worden ist - um die Gleichmäßigkeit und Sachgerechtigkeit der Heranziehung der einzelnen Arbeitnehmer innerhalb einer im Voraus von der Dienststelle bereits angeordneten Rufbereitschaft. Danach ist Inhalt des Antrags die Mitbestimmung über die Grundsätze, nach denen die Dienststelle die Elektriker und Klempner zur Rufbereitschaft einteilt.
Ein auf § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG gestütztes Mitbestimmungsrecht zur Anordnung von Rufbereitschaft und damit zur Einführung von Rufbereitschaft und deren Dauer macht die Betriebsvertretung nicht geltend. Ein so weitgehendes Ziel ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Antrags noch aus dem Vorbringen der Betriebsvertretung in den Vorinstanzen. Soweit das Landesarbeitsgericht auch über ein Mitbestimmungsrecht zur Anordnung von Rufbereitschaft befunden hat, hat es das Antragsziel der Betriebsvertretung verkannt. Das beanstandet die Rechtsbeschwerde zu Recht.
2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag auch hinreichend bestimmt. Er bezeichnet konkret die Maßnahme der Dienststelle, für die ein Mitbestimmungsrecht beansprucht wird. Mit der Entscheidung steht fest, für welchen Vorgang das Mitbestimmungsrecht besteht oder nicht. Das sind vorliegend die abstrakt generellen Grundsätze, die von der Dienststelle der Einteilung der Klempner und Elektriker zur Rufbereitschaft zugrunde gelegt werden, also die Festlegungen zur Dauer und zur Reihenfolge der Heranziehung der Arbeitnehmer zur Rufbereitschaft.
3. Die Betriebsvertretung hat auch ein alsbaldiges Interesse an der begehrten Feststellung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Streit zwischen der Dienststelle und der Betriebsvertretung über das Bestehen und den Inhalt eines Mitbestimmungsrechts im allgemeinen Feststellungsverfahren geklärt werden (BAG 26. März 1991 - 1 ABR 43/90 - AP BPersVG § 75 Nr. 32 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 47, zu B II 3 der Gründe; vgl. BVerwG Urteil vom 2. Juni 1992 - 6 P 14.90 - AP BPersVG § 75 Nr. 34 mwN).
Der Antrag zielt auch nicht etwa auf eine ausschließlich vergangenheitsbezogene Feststellung eines Mitbestimmungsrechts ab. Seinem Wortlaut nach ist er zwar auch auf die Feststellung eines auf das Jahr 2000 bezogenen Mitbestimmungsrechts gerichtet. Damit beschreibt die Betriebsvertretung aber nur den Anlaß des Mitbestimmungskonflikts, nachdem sich die Dienststelle erstmals zu Beginn des Jahres 2000 geweigert hatte, der Betriebsvertretung die Rufbereitschaftspläne zur Mitbestimmung vorzulegen. Insgesamt geht es der Betriebsvertretung losgelöst von den Einzelheiten der Einsatzplanung für das Jahr 2000 um die generelle Klärung des von ihr beanspruchten Mitbestimmungsrechts.
Das Feststellungsinteresse besteht auch unabhängig davon, ob eine frühere Hauptbetriebsvertretung den derzeit praktizierten Grundsätzen nach der Verwaltungsanweisung vom 1. April 1982 zugestimmt hat. Ob das beanspruchte Mitbestimmungsrecht bereits verbraucht ist und seiner Ausübung eine frühere Dienstvereinbarung entgegensteht, ist nicht Gegenstand des Feststellungsantrags.
II. Der Antrag der Betriebsvertretung ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 4 BPersVG iVm. Abs. 6 b UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NATO-Truppenstatut (ZA-NTS) verneint.
1. Die Rechte der Betriebsvertretung der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe bestimmen sich nach Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS und dem UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS in der Fassung der am 29. März 1998 (BGBl. II S 1691) in Kraft getretenen Änderungen nach dem Abkommen vom 18. März 1993 (BGBl. 1994 II S 2594) sowie der am 5. Juni 1998 (BGBl. II S 1568) in Kraft getretenen Änderungen nach dem Abkommen vom 16. Mai 1994 (BGBl. II S 3710). Danach gilt grundsätzlich das BPersVG vom 15. März 1974 mit seinen späteren Änderungen bis einschließlich der Änderung vom 16. Januar 1991, Abs. 1 Satz 1 des UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS. Die im BPersVG vorgesehenen Mitbestimmungsrechte gelten jedoch nur nach Maßgabe des Absatzes 6 a des UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS. Danach findet das im BPersVG vorgesehene Mitbestimmungsrecht - mit Ausnahme der hier nicht einschlägigen Modifikationen (Abs. 6 a ii - v UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS) - Anwendung, soweit der Mitbestimmung im Einzelfall nicht besonders schutzwürdige militärische Interessen entgegenstehen. In diesen Fällen gilt das Mitwirkungsverfahren, Abs. 6 b UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS.
2. Der Betriebsvertretung steht nach § 75 Abs. 4 BPersVG ein Mitbestimmungsrecht bei den Grundsätzen für die Aufstellung von Dienstplänen im Rahmen einer von der Dienststelle angeordneten Rufbereitschaft zu. Die tatsächlichen Einsätze während der Rufbereitschaft sind Arbeitszeit iSd. § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG. Diese Arbeitszeit muß auch kurzfristig und unregelmäßig nach Erfordernissen festgesetzt werden, die von der Dienststelle nicht vorhersehbar sind. Dieses Mitbestimmungsrecht bezieht sich nur auf die Rufbereitschaft. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG bei der Regelung von Beginn und Ende der (regelmäßigen) täglichen Arbeitszeit der betroffenen Arbeitnehmer und der Pausen sowie der Verteilung dieser Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage bleibt hiervon unberührt.
a) Nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG iVm. Abs. 6 a i des UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS hat die Betriebsvertretung mitzubestimmen bei der Festlegung des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit und der Pausen. Muß die tägliche Arbeitszeit für Gruppen von Beschäftigten kurzfristig und unregelmäßig nach Erfordernissen festgesetzt werden, die für die Dienststelle nicht vorhersehbar sind, beschränkt § 75 Abs. 4 BPersVG iVm. Abs. 6 a i des UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS das Mitbestimmungsrecht auf die Grundsätze für die Aufstellung von Dienstplänen, insbesondere für die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden außerhalb des planbaren Teils der Arbeitszeit (vgl. Altvater/Bacher/Hörter/Peiseler/Sabottig/Schneider/Vohs BPersVG 4. Aufl. § 75 Rn. 86; Grabendorff/Windscheid/lbertz/Widmaier BPersVG 9. Aufl. § 75 Rn. 224, 227).
b) Die eingeschränkte Mitbestimmung nach § 75 Abs. 4 BPersVG setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme nach § 75 Abs. 3 Nr.1 BPersVG voraus, die ua. den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit betrifft. Daran fehlt es nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Anordnung von Rufbereitschaft, weil die Zeit der Rufbereitschaft keine Arbeitszeit im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG ist (BVerwG 26. April 1988 - 6 P 19.86 - AP LPVG Niedersachsen § 75 Nr. 1; 1. Juni 1987 - 6 P 8.85 - PersV 1989, 255; 25. Oktober 1979 - 2 C 7.78 - BVerwGE 59, 45, 46, 47; Lorenzen/Schmitt/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak BPersVG Stand 5/2000 § 75 Rn. 116 b; aA Altvater ua. aaO § 75 Rn. 39 b; Grabendorff/Windscheid/Ibertz/Widmaier aaO § 75 Rn. 84; v. Roetteken PersR 1994, 60, 64 f.; Ilbertz ZfPR 1989, 45). § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG knüpfe an die entsprechenden dienstrechtlichen Begriffe der Arbeitszeit (§§ 72, 72 a BBG; § 15 BAT) an. Arbeitszeit ist danach diejenige Zeit, während derer der Beschäftigte fremdbestimmte Dienste leisten muß. Das betrifft auch die Zeiten einer Dienstbereitschaft, wenn sich der Beschäftigte an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort außerhalb des privaten Bereichs zum jederzeitigen und unverzüglichen Einsatz bereitzuhalten hat (vgl. § 15 Abs. 6 a BAT, § 9 Nr. 2 b TV AL; Altvater ua. aaO § 75 Rn. 39 a). Darin unterscheiden sich Arbeitszeit und Dienstbereitschaft von der Rufbereitschaft. Denn während der Rufbereitschaft ist der Arbeitnehmer lediglich dazu verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit die Arbeit aufzunehmen. Er kann sich aber bis zum Abruf an einem von ihm selbst bestimmten Ort aufhalten (vgl. BVerwG 16. November 1999 - 6 P 9/98 - AP MitbestG Schleswig-Holstein § 51 Nr. 1, zu II 2 b bb der Gründe).
c) Für den Betriebsrat geht das Bundesarbeitsgericht dagegen von einem umfassenden Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG sowohl bei der Anordnung von Rufbereitschaft als auch bei der Aufstellung von Rufbereitschaftsplänen aus (BAG 21. Dezember 1982 - 1 ABR 14/81 - BAGE 41, 200; 29. Februar 2000 - 1 ABR 15/99 - AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 81 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 61). Das folgt aus einer am Zweck der Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG orientierten Auslegung. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats soll gewährleisten, daß die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit berücksichtigt werden. Denn mit der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit wird zugleich über den Zeitraum bestimmt, der den Arbeitnehmern zur freien Gestaltung ihres Privatlebens zur Verfügung steht. Das rechtfertigt die betriebsverfassungsrechtliche Gleichstellung von Rufbereitschaft und Arbeitszeit, weil die Arbeitnehmer auch während der Rufbereitschaft über ihre Freizeit nur eingeschränkt disponieren können.
d) Ob die Besonderheiten der arbeitszeitbezogenen Mitbestimmungstatbestände nach dem BPersVG und dem BetrVG einer einheitlichen Bestimmung des jeweiligen Inhalts der Mitbestimmungsrechte entgegenstehen, bedarf entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts aus Anlaß des vorliegenden Verfahrens keiner Klärung. Das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht der Betriebsvertretung folgt jedenfalls aus § 75 Abs. 4 iVm. § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG.
aa) Die von der Dienststelle angeordnete Rufbereitschaft ist allerdings keine Arbeitszeit im Sinne der tariflichen Bestimmung des § 9 Nr. 2 b TV AL. Danach gilt die Zeit der Arbeitsbereitschaft als volle Arbeitszeit, wenn sich der Arbeitnehmer ua. an einem von der Beschäftigungsdienststelle bezeichneten Ort außerhalb seines persönlichen Bereichs aufzuhalten hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Das gilt unabhängig davon, ob nach dem streitig gebliebenen Vorbringen der Dienststelle die zur Rufbereitschaft herangezogenen Beschäftigten ihren Aufenthaltsort während der Rufbereitschaft selbst bestimmen und nur über ein von der Dienststelle bereitgestelltes Handy abgerufen werden oder bei der Bestimmung des Aufenthaltsorts Beschränkungen nach Maßgabe der Nr. 3 c der Verwaltungsanordnung unterliegen. Denn soweit sich die Beschäftigten danach während der Rufbereitschaft an ihrem Wohnsitz oder einem mit der Beschäftigungsdienststelle abgestimmten Ort aufhalten müssen, handelt es sich um einen Aufenthaltsort, der dem persönlichen Bereich zugeordnet ist. Dafür schließt § 9 Nr. 2 b TV AL das Vorliegen einer der Arbeitszeit gleichgestellten Arbeitsbereitschaft gerade aus.
Entgegen der Auffassung der Betriebsvertretung ist die Rufbereitschaft auch nicht deswegen Arbeitszeit, weil die Sonderbestimmungen K für Arbeitnehmer in Krankenanstalten und anderen Sanitätseinrichtungen nach I Nr. 4 eine Ergänzung des § 9 TV AL für Zeiten einer Rufbereitschaft vorsehen. Diese Bestimmungen gelten ausweislich des persönlichen Geltungsbereichs der Tarifnormen nur für Arbeitnehmer in Krankenanstalten, in Krankenrevieren und Krankenbehandlungsstationen (vgl. I Nr. 1 Anhang K TV AL).
bb) Die während der Rufbereitschaft geleisteten tatsächlichen Einsätze sind aber Arbeitszeit im Sinne des TV AL. Diese muß für die betroffenen Elektriker und Klempner während der Rufbereitschaft nach nicht vorhersehbaren Erfordernissen unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden. Das erfüllt den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 4 BPersVG iVm. Abs. 6 a i des UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS.
(1) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (29. Februar 2000 - 1 ABR 15/99 - aaO) und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (1. Juni 1987 - 6 P 8.85 - aaO) ist anerkannt, daß die Zeiten einer Rufbereitschaft oder eines Bereitschaftsdienstes einerseits Zeiten aufweisen, in denen sich die Beschäftigten zur Ableistung von Arbeit zur Verfügung halten und andererseits solche, in denen sie im Rahmen eines tatsächlichen Einsatzes Vollarbeit im arbeitszeitrechtlichen und dienstrechtlichen Sinne leisten. Diese tatsächlichen Einsatzzeiten außerhalb der persönlichen Arbeitszeit sind Überstunden bzw. Mehrarbeit, soweit sie auf Veranlassung der Beschäftigungsdienststelle über die für die Arbeitswoche festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus tatsächlich geleistet werden (§ 10 Nr. 1 TV AL)
(2) Diese Arbeitszeit muß auch unregelmäßig und kurzfristig nach von der Dienststelle nicht vorhersehbaren Umständen festgelegt werden. Die einzelnen Einsätze während der Rufbereitschaft sind für die Dienststelle nicht planbar; sie treten auch nicht regelmäßig auf. Für die Dienststelle ist es nicht absehbar, zu welchen Zeiten und aus welchem Anlaß sich die Rufbereitschaft in Arbeitszeit umwandelt und wie lange ein solcher Arbeitseinsatz dauert.
(3) Die Anordnung von Mehrarbeit oder Überstunden im Falle eines tatsächlichen Einsatzes innerhalb einer angeordneten Rufbereitschaft betrifft im Streitfall auch eine nicht ausschließlich nach ihrer individuellen Bereitschaft ausgewählte, sondern nach objektiven Gesichtspunkten allgemein und umfassend bestimmte Gruppe.
Für die Ableistung von Mehrarbeit oder Überstunden während der Rufbereitschaft zieht die Dienststelle nur die bei ihr beschäftigten Elektriker und Klempner heran. Es handelt sich um jeweils eine Gruppe, die ausschließlich wegen ihrer berufsspezifischen Kenntnisse und Qualifikation zur Ableistung von Rufbereitschaft bestimmt wird. Die Auswahl der Arbeitnehmer findet nach abstrakten und objektiven Gesichtspunkten statt. Zwar haben sich die zur Rufbereitschaft eingeteilten Arbeitnehmer freiwillig zur Verfügung gestellt. Doch geht die konkrete Anordnung eines tatsächlichen Einsatzes nicht auf diese Vereinbarung zurück. Sie bestimmt sich ausschließlich nach der von der Dienststelle nach abstrakten Kriterien festgelegten Einsatzplanung.
Ende der Entscheidung
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