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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.07.2000
Aktenzeichen: 1 ABR 39/99
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
BetrVG § 103
BetrVG § 78
Leitsatz:

§ 103 BetrVG ist auf die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds kraft Direktionsrechts von einem Unternehmensbetrieb in einen anderen nicht analog anzuwenden.

Hinweise des Senats:

Aufgabe der entgegengesetzten Erwägungen des Senats in dem Beschluß vom 21. September 1989 - 1 ABR 32/89 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 72 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 76)

Aktenzeichen: 1 ABR 39/99 Bundesarbeitsgericht 1. Senat Beschluß vom 11. Juli 2000 - 1 ABR 39/99 -

I. Arbeitsgericht München - 25 BV 120/97 - Beschluß vom 25. Juni 1998

II. Landesarbeitsgericht München - 10 TaBV 69/98 - Beschluß vom 23. April 1999


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 39/99 10 TaBV 69/98

Verkündet am 11. Juli 2000

Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Beschlußverfahren

mit den Beteiligten

1.

Antragstellerin,

2.

Beschwerdeführer zu 1) und Rechtsbeschwerdeführer,

3.

Beschwerdeführer zu 2),

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Anhörung vom 11. Juli 2000 durch den Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. Wißmann, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Rost und Hauck, die ehrenamtlichen Richter Rösch und Kehrmann beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts München vom 23. April 1999 - 10 TaBV 69/98 - wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung des Betriebsratsmitglieds Edgar P vom Betrieb der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) am W in denjenigen am F (jeweils in München), hilfsweise um die Ersetzung der Zustimmung zu einer außerordentlichen Änderungskündigung.

Der Beteiligte zu 2) ist der im Betrieb am W bestehende 15-köpfige Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3), Edgar P , ist seit 1. Oktober 1984 bei der Arbeitgeberin als Mitarbeiter in der Abteilung Personenschutz beschäftigt; er ist Mitglied des Betriebsrats am Standort W und seit dem 1. Oktober 1998 als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender zu 50 % seiner Arbeitszeit freigestellt.

Die Arbeitgeberin hat zum 1. April 1997 die bisher im Betrieb am W angesiedelte Abteilung Personenschutz in den Betrieb am F verlegt. Aufgabe der Personenschutzgruppe ist es, Anschläge und Entführungsversuche, Belästigungen, körperliche Angriffe sowie tätliche Beleidigungen gegen die sog. Schutzpersonen, in der Regel Vorstandsmitglieder der Arbeitgeberin, abzuwehren. Desweiteren gehört es zu den Aufgaben der Personenschutzgruppe, Ausspähversuche zu erschweren, entsprechende Vorbereitungshandlungen frühzeitig zu erkennen und ggf. Angriffe erfolgreich abzuwehren.

Der Mitarbeiter Edgar P sollte mit der Verlegung der Abteilung Personenschutz ab dem 1. April 1997 am Standort F beschäftigt werden. In seinem Arbeitsvertrag heißt es unter Bezugnahme auf den Tarifvertrag ua.:

"5. Änderung der Tätigkeit und Versetzung

Bestimmung über die besondere Art der Beschäftigung behalten wir uns vor, ebenso Versetzung in eine andere gleichwertige Stellung innerhalb unserer Betriebe, ggf. auch an einen anderen Ort."

Mit Formschreiben vom 25. März 1997 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur Versetzung von P an den etwa vier Kilometer entfernten Standort F gemäß § 99 BetrVG und vorsorglich zu einer Änderungskündigung gemäß § 103 BetrVG. Mit Schreiben vom 1. April 1997 widersprach der Betriebsrat sowohl der Versetzung wie auch einer Änderungskündigung.

Der Betriebsrat W hat der Versetzung der zwölf Mitglieder der Personenschutzgruppe an den Standort F nur im Fall des Betriebsratsmitglieds P sowie eines inzwischen ausgeschiedenen Arbeitnehmers widersprochen. Der Betriebsrat am Standort F hat den Versetzungen in keinem Fall widersprochen.

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, der Widerspruch des Betriebsrats sei unbegründet. Der Arbeitnehmer P müsse wie alle anderen Mitarbeiter der Abteilung Personenschutz in den Betrieb F versetzt werden. Da auf Grund einer unternehmerischen Entscheidung die Personenschutzgruppe in den Betrieb am F verlegt worden sei, sei eine Weiterbeschäftigung am W nicht möglich. Die Anfahrt vom F zum W sei Arbeitszeit und stelle daher keinen Nachteil dar. Für die Versetzung von P sei trotz dessen Mitgliedschaft im Betriebsrat eine Kündigung nicht erforderlich. Für den Fall, daß das Gericht dennoch eine Versetzung nur im Wege einer außerordentlichen Kündigung für möglich halten sollte, sei hilfsweise die Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Änderungskündigung zu ersetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt:

Die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Versetzung von Herrn Edgar P von der Betriebsstätte W in die Betriebsstätte F zum nächstmöglichen Zeitpunkt, unter Beibehaltung der bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen im übrigen, wird ersetzt.

Hilfsweise: Die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG zur Versetzung des Herrn Edgar P wird ersetzt.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Haupt- und den Hilfsantrag abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Versetzung sei betrieblich nicht erforderlich, außerdem wegen der Betriebsratsmitgliedschaft des Mitarbeiters P unzulässig. Die Maßnahme sei willkürlich, da die von der Personenschutzgruppe zu schützenden Personen alle am Standort W und nicht in der Betriebsstätte F tätig seien. Der Beteiligte P müßte täglich bis zu viermal die Strecke hin- und herfahren. Außerdem seien anderweitige Verwendungsmöglichkeiten für P im Betrieb am F geringer. Zum Schutz des Mandats seien nur überragende Gründe, nicht jedoch jeder wirtschaftliche Anlaß geeignet, die Versetzung zu rechtfertigen.

Das Arbeitsgericht hat - entsprechend dem Hauptantrag der Arbeitgeberin - die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters P von der Betriebsstätte W in den Betrieb am F ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats und des Beteiligten P zurückgewiesen. Mit der nur für ihn, nicht für den Beteiligten P zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter. Die Arbeitgeberin bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.

Zu Recht haben die Vorinstanzen die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Betriebsratsmitglieds P nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzt und die Erforderlichkeit einer Zustimmung nach § 103 BetrVG verneint.

I.1. Der Antrag ist zulässig.

Er bedarf allerdings der Auslegung. Der Antrag einschließlich der "hilfsweise" beantragten Ersetzung der Zustimmung gemäß § 103 BetrVG ist dahin zu verstehen, daß die Arbeitgeberin zur Herbeiführung der kollektivrechtlichen Wirksamkeit der vorgesehenen Versetzung des Mitarbeiters P die Ersetzung der nach dem Betriebsverfassungsgesetz erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats begehrt.

Dabei handelt es sich entgegen der Antragsformulierung nicht um einen Haupt- und einen Hilfsantrag, sondern vielmehr um einen Antrag, der lediglich zwei verschiedene Rechtsgrundlagen für das Erfordernis einer Zustimmung des Betriebsrats erfassen soll: Einmal möchte die Arbeitgeberin die Zustimmung zu einer Versetzung nach § 99 iVm. § 95 BetrVG ersetzt haben; zum anderen soll die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters Edgar P nach § 103 BetrVG ersetzt werden, falls das Gericht § 103 BetrVG auf die beabsichtigte Versetzung für anwendbar hält. Das ergibt sich schon aus der Formulierung des "Hilfsantrags", die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG - wie die Arbeitgeberin in der Anhörung der Beteiligten vor dem Arbeitsgericht am 18. Juni 1998 klargestellt hat - zur Versetzung des Mitarbeiters Edgar P zu ersetzen und nicht etwa die Zustimmung zu einer Änderungskündigung. Eine Änderungskündigung zur Durchführung der geplanten Versetzung war von der Arbeitgeberin nicht beabsichtigt.

Gegen diese Antragstellung bestehen keine Bedenken.

2.a) Hinsichtlich des Beteiligten P ist der Beschluß des Landesarbeitsgerichts, mit dem dieses seine Beschwerde als unzulässig verworfen hat, rechtskräftig geworden. Er hat weder Rechtsbeschwerde eingelegt noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz als Beteiligter einen Sachantrag gestellt.

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war P am Verfahren zu beteiligen.

Die Beteiligungsbefugnis ist anhand jeden Antrags getrennt zu prüfen (BAG 11. November 1998 - 4 ABR 40/97 - BAGE 90, 135). Dem Landesarbeitsgericht kann aber nicht gefolgt werden, soweit es daraus den Schluß gezogen hat, P sei zu dem von der Arbeitgeberin so bezeichneten Hauptantrag nicht zu beteiligen, da in § 99 BetrVG - anders als in § 103 BetrVG - eine Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers nicht vorgesehen ist. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, hier liege ein Hauptantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor, bei dem P nicht zu beteiligen sei, und ein Antrag nach § 103 BetrVG, bei dem er nach § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zu beteiligen wäre.

Die Beteiligungsbefugnis von P folgt daraus, daß die Antragstellung der Arbeitgeberin als ein Antrag mit zwei Begründungen zu verstehen ist (siehe oben 1). Die Beteiligungsberechtigung des Edgar P kann daher nicht mit dem Argument abgelehnt werden, es sei nur über den Antrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu entscheiden, nicht aber - mangels Anwendbarkeit dieser Vorschrift - über den Antrag nach § 103 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Da auch die Frage, ob die Zustimmung zur Versetzung nach § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen ist, in der Rechtsbeschwerdeinstanz angefallen ist, war Pröpster am Verfahren zu beteiligen.

II. Der Antrag ist auch begründet. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters P ersetzt (1.) und die Anwendbarkeit des § 103 BetrVG verneint (2.). Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats kann daher keinen Erfolg haben.

1. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters P war nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen. Dem Betriebsrat steht kein gesetzlicher Grund nach § 99 Abs. 2 BetrVG zur Verweigerung der Zustimmung zur Seite.

a) Bei dem Wechsel vom bisherigen Arbeitsplatz im Betrieb am W in den Betrieb der Arbeitgeberin am F handelt es sich um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer eines Monats überschreitet und damit um eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erfaßt der Versetzungsbegriff der §§ 95, 99 BetrVG auch die Zuweisung eines Arbeitsplatzes in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens (BAG 26. Januar 1993 - 1 AZR 303/92 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 102 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 109; zuletzt 21. September 1999 - 1 ABR 40/98 - AP BetrVG 1972 § 99 Versetzung Nr. 21, mwN, zur Zuweisung einer Tätigkeit an einem anderen Arbeitsort).

b) Individualrechtlich konnte die Arbeitgeberin die Versetzung im Wege des Direktionsrechts anordnen.

Durch die Klausel im Arbeitsvertrag unter Nr. 5 ist das Direktionsrecht der Arbeitgeberin wirksam auf die Zuweisung einer Tätigkeit in einem anderen Betrieb ausgedehnt worden.

c) Nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu ersetzen. Der Betriebsrat ist im Sinne von § 99 BetrVG ordnungsgemäß unterrichtet worden. Er hat die Zustimmung zur Versetzung ohne einen nach § 99 Abs. 2 BetrVG anerkannten Grund verweigert.

aa) Ein Zustimmungsverweigerungsgrund folgt nicht aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 78 BetrVG.

Die Versetzung geht zurück auf die unternehmerische Entscheidung der Arbeitgeberin, die Personenschutzgruppe vom Betrieb am W in den Betrieb am F zu verlegen. Diese auf organisatorische sowie Kostengründe gestützte Entscheidung ist von den Gerichten nicht weiter zu überprüfen; es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß sie willkürlich wäre (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 141/99 - und - 2 AZR 522/98 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 101 und 102).

Da die Versetzung wegen des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit am bisherigen Standort dringenden sachlichen, insbesondere betrieblichen Gründen entspricht, liegt ein Verstoß gegen § 78 BetrVG nicht vor (Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 24 Rn. 29). Zwar endet durch die Versetzung in den Betrieb am F das Mandat von P im Betriebsrat W . Darin liegt aber keine unzulässige Störung der Tätigkeit des Betriebsrats W im Sinne von § 78 Satz 1 BetrVG. Da die Maßnahme individualrechtlich durch das Direktionsrecht der Arbeitgeberin gedeckt und aus betrieblichen Gründen erforderlich ist, wird das Betriebsratsmitglied P nicht im Sinne von § 78 Satz 1 BetrVG als betriebsverfassungsrechtlicher Funktionsträger in seiner Rechtsstellung unzulässig beeinträchtigt.

bb) Auch soweit der Betriebsrat sich auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG stützt, ist seine Zustimmungsverweigerung nicht gerechtfertigt.

Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG ist in der Sache nicht gegeben. Da die Fahrten vom Standort F zum Einsatz im Betrieb W Arbeitszeit darstellen, liegt insoweit ein Nachteil nicht vor. Ebensowenig stellt die - vom Betriebsrat behauptete - Verringerung anderweitiger Verwendungsmöglichkeiten im Betrieb am F einen Nachteil iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG dar; insoweit ist allenfalls eine Chance zu sehen, aber keine Rechtsposition, deren Beeinträchtigung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG die Zustimmungsverweigerung begründen kann. Auch in dem Verlust des Betriebsratsamtes ist eine Benachteiligung von P im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht zu sehen. Die Beibehaltung des Betriebsratsamtes stellt keine Rechtsposition dar, die die Annahme einer Benachteiligung im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG rechtfertigen würde. Betriebsratsmitglieder haben ihr Amt nicht im eigenen, sondern im Interesse der Belegschaft und des Betriebes auszuüben. Mit dem Amt verbundene Rechtspositionen sollen die Amtsausübung erleichtern und schützen, nicht dagegen die Amtsinhaber begünstigen.

2. Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ist § 103 BetrVG auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar.

a) Nach dem Wortlaut des § 103 BetrVG scheitert die unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift daran, daß die Arbeitgeberin eine Kündigung bzw. Änderungskündigung nicht beabsichtigt oder ausgesprochen hat. Im vorliegenden Fall steht der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage. Durch die Versetzung kraft Direktionsrechts wird das Arbeitsverhältnis lediglich modifiziert. Die hier streitige Ausübung des Direktionsrechts kann - anders als die Änderungskündigung bei Nichtannahme der geänderten Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt - nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (Boemke-Albrecht BB 1991, 541, 547).

b) § 103 BetrVG ist auf die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds von einem Unternehmensbetrieb in einen anderen auch nicht analog anzuwenden.

aa) Allerdings hat der Senat in der Entscheidung vom 21. September 1989 (- 1 ABR 32/89 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 72 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 76) zur Diskussion gestellt, ob nicht im Interesse der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats und der Kontinuität seiner Amtsführung bei Versetzungen von Betriebsratsmitgliedern § 103 BetrVG analog anzuwenden ist. In Anlehnung an die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. April 1977 (- 3 Sa 181/77 - EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 19) hat der Senat die Frage aufgeworfen, ob das Ausscheiden aus dem Betrieb aufgrund einer Versetzung im Wege des Direktionsrechts des Arbeitgebers, das die Beendigung des betriebsverfassungsrechtlichen Amtes zur Folge hat, insoweit nicht einer außerordentlichen Kündigung vergleichbar sei, die nach § 103 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedürfe. Auch bei einer solchen Versetzung könne das Amt nämlich durch eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers ohne zwingenden Grund beendet werden, ohne daß in jedem Falle ein Verstoß gegen § 78 BetrVG vorliegen müsse.

bb) Nach erneuter Prüfung kommt der Senat zu der Überzeugung, daß § 103 BetrVG auf die vorliegende Fallgestaltung der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds gegen dessen Willen im Wege des Direktionsrechts von einem Unternehmensbetrieb in einen anderen nicht analog anzuwenden ist.

Allerdings führt die Versetzung eines Betriebsratsmitglieds von einem Betrieb in einen anderen gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG zum Verlust des Betriebsratsamtes. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält insofern keinen besonderen Schutz für das Betriebsratsmitglied - abgesehen von der grundsätzlich jeden Arbeitnehmer betreffenden Mitbestimmungspflichtigkeit einer Versetzung nach § 99 BetrVG. Der besondere Schutz des § 103 BetrVG besteht nur gegen eine - außerordentliche - Kündigung (auch Änderungskündigung) gegenüber dem Betriebsratsmitglied; während eine ordentliche Kündigung von Betriebsratsmitgliedern nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG (mit der Ausnahme in § 15 Abs. 4 KSchG) generell ausgeschlossen ist.

Die Voraussetzungen einer Analogie zu § 103 BetrVG sind hier nicht gegeben.

Eine analoge Anwendung kommt dann in Betracht, wenn zur Ausfüllung einer planwidrigen Lücke die Übertragung der Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand erforderlich ist (BAG 21. Juli 1993 - 7 ABR 25/92 - BAGE 73, 378, 382 f.). Voraussetzung der analogen Anwendung des § 103 BetrVG auf die vorliegende Fallgestaltung wäre also die Feststellung einer planwidrigen Gesetzeslücke einerseits und einer Rechtsähnlichkeit zwischen dem gesetzlich geregelten (Kündigung) und dem nichtgeregelten (Versetzung) Tatbestand andererseits.

Die Annahme einer planwidrigen Lücke in der gesetzlichen Regelung des Schutzes der Betriebsratsmitglieder käme in Betracht, wenn der Gesetzgeber das Problem bei Schaffung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 nicht gesehen haben sollte. Auf diesen Gesichtspunkt kann - wie auch der Senat in der Entscheidung vom 21. September 1989 (aaO) angedeutet hat - eine Analogie daher nicht gestützt werden, wenn sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt, daß ein besonderer Schutz des Betriebsratsmitglieds vor dem Amtsverlust sowie ein entsprechender Funktionsschutz gegen eine Beeinträchtigung durch Versetzungen auf Grund des Direktionsrechts nicht geregelt werden sollte. Eine derartige ausfüllungsfähige und ausfüllungsbedüftige Gesetzeslücke ist nicht erkennbar (Oetker RdA 1990, 343, 345 ff.; Böhmke-Albrecht aaO 541, 545). Dem Gesetzgeber war das Problem des Versetzungsschutzes von Betriebsratsmitgliedern bekannt. Er hat es im Bundespersonalvertretungsgesetz (§ 47) geregelt. Im Betriebsverfassungsrecht sind die Problematik der Versetzung von Betriebsratsmitgliedern in einen anderen Betrieb des Unternehmens und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Betriebsratsamt sowie die Arbeit des Betriebsrats weder im Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952 noch im Betriebsverfassungsgesetz 1972 angesprochen. Daher kann das Fehlen eines Sonderschutzes für die Versetzung von Betriebsratsmitgliedern durch den Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts nicht als "Übersehen" der Problematik angesehen werden. Näher liegt die Annahme, daß es sich um ein "beredtes" Schweigen des Gesetzgebers handelt, daß dieser also bewußt entschieden hat, im Falle der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds auf Grund des Direktionsrechts des Arbeitgebers keinen Sonderschutz vorzusehen.

Dementsprechend wird auch in der Literatur überwiegend unter Bezugnahme auf die §§ 47 Abs. 2, 99 Abs. 2 BPersVG das Vorliegen der Voraussetzungen einer Analogie verneint (neben Oetker aaO und Böhmke-Albrecht aaO; vgl. Richardi BetrVG 7. Aufl.; § 103 Rn. 28; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 103 Rn. 18; Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 103 Rn. 11; Kraft in GK-BetrVG 6. Aufl. § 103 Rn. 19; ErfK/Hanau/Kania § 103 BetrVG Rn. 6; Stege/Weinspach BetrVG 8. Aufl. § 103 Rn. 4 b; MünchArbR/Joost 2. Aufl. Bd. 3 § 308 Rn. 169; Fischermeier ZTR 1998, 433; KPK-Bengelsdorff 2. Aufl. KSchG § 15 Rn. 15).

Die Gegenmeinung in der Literatur und wohl auch der Senat in der Entscheidung vom 21. September 1989 (aaO) stützen sich darauf, daß der Arbeitgeber durch eine einseitige Maßnahme - Versetzung kraft Direktionsrechts - die Zusammensetzung des Betriebsrats beeinflußt. Darin wird die Ähnlichkeit zur Kündigung gesehen, die den Schutz der §§ 99 ff. BetrVG wegen der Beschränkung der Zustimmungsverweigerungsgründe in § 99 Abs. 2 BetrVG und der Möglichkeit des § 100 BetrVG als nicht ausreichend erscheinen lasse (KR-Etzel 5. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 60; Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht/Etzel 2. Aufl. Bd. 2 Ziff. 9.1 Rn. 1124; Kittner in Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 7. Aufl. § 103 Rn. 25; MünchArbR/Matthes 2. Aufl. Bd. 3 § 358 Rn. 23; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 7. Aufl. Rn. 997; Galperin/Löwisch BetrVG 6. Aufl. § 103 Rn. 4; Fastrich SAE 1992, 13). Dies kann die analoge Anwendung des § 103 BetrVG nicht rechtfertigen. Insoweit fehlt es an der Vergleichbarkeit der Tatbestände.

§ 103 BetrVG soll Tätigkeit und Willensbildung des Betriebsrats dadurch schützen, daß dessen Mitglieder in ihrer Amtsausübung nicht durch die Furcht vor einem Verlust des Arbeitsplatzes, also dem stärkstmöglichen Eingriff in ihre individuelle Rechtsposition, beeinträchtigt werden sollen. Ergänzend zum Ausschluß der ordentlichen Kündigung von Betriebsratsmitgliedern durch § 15 KSchG schützt § 103 BetrVG die Funktionsfähigkeit der Betriebsverfassungsorgane auch gegenüber außerordentlichen Kündigungen, indem er ein Zustimmungserfordernis aufstellt. Erfaßt wird aber-nicht jede Beendigung des Mandats eines Betriebsratsmitglieds durch Beendigung seines Arbeitsverhältnisses. So fallen übereinstimmende Maßnahmen des Arbeitgebers und des Betriebsratsmitglieds, wie zB der Abschluß eines Aufhebungsvertrags oder eine Befristung, nicht unter § 103 BetrVG, selbst wenn sie zum Verlust des Betriebsratsamtes führen. Ebensowenig schützt § 103 BetrVG den Betriebsrat davor, daß sein Bestand durch das Ausscheiden von Mitgliedern auf Grund eigener Kündigung berührt wird.

Ist danach der Schutzzweck des § 103 BetrVG nicht im Bestand des Betriebsrats, sondern in der unbeeinträchtigten Amtsausübung seiner Mitglieder zu sehen, kann der Verlust des Betriebsratsamtes auf Grund einer Versetzung eine analoge Anwendung von § 103 BetrVG nicht rechtfertigen. Die Gefahr einer Versetzung kann als Bedrohung der Rechtsstellung eines Arbeitnehmers nicht mit derjenigen einer Kündigung gleichgesetzt werden. Danach führt die Wertung, die in § 103 BetrVG zum Ausdruck kommt, nicht zu der Annahme, der von den §§ 99 ff. BetrVG gewährte Schutz sei hinsichtlich des einzelnen Betriebsratsmitglieds und des Betriebsrats als Gesamtorgan lückenhaft. Wie ausgeführt, ist es erforderlich, daß die Versetzung sachlichen, insbesondere betrieblichen Gründen entspricht; nur dann verstößt sie nicht gegen § 78 BetrVG und ist ein Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht gegeben. Liegen diese strengen Voraussetzungen vor, führt auch die Möglichkeit des § 100 BetrVG, der vorläufigen personellen Maßnahme, nicht zu einer so erheblichen Schutzlücke, daß die analoge Anwendung des § 103 BetrVG gerechtfertigt wäre.

Hierfür spricht schließlich auch § 15 Abs. 4 KSchG. Danach ist bei einer Betriebsstillegung, über die der Arbeitgeber alleine entscheidet, auch bei Betriebsratsmitgliedern die (ordentliche) Kündigung ohne Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Im übrigen zeigt gerade § 15 Abs. 5 KSchG, daß dem Gesetzgeber die Versetzung von Betriebsratsmitgliedern bekannt war (so insbesondere Oetker aaO S 356).

Ende der Entscheidung

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