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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 10.10.2006
Aktenzeichen: 1 ABR 59/05
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 77 Abs. 2
BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 50 Abs. 1
ArbGG § 94 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2
ZPO § 256 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! BESCHLUSS

1 ABR 59/05

Verkündet am 10. Oktober 2006

In dem Beschlussverfahren

hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Anhörung vom 10. Oktober 2006 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft und Linsenmaier sowie die ehrenamtlichen Richter Brunner und Metz beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Juli 2005 - 9 TaBV 183/04 - aufgehoben, soweit er der Beschwerde des Gesamtbetriebsrats stattgegeben hat.

2. Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Oktober 2004 - 11 BV 741/03 - wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit von Regelungen über die Behandlung von Wegezeiten in einer Betriebsvereinbarung.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen aus dem Bereich der EDV und Informationstechnologie mit bundesweit mehreren Betrieben. Sie wurde aus einem größeren Unternehmen ausgegründet. Dabei gingen die Arbeitsverhältnisse der übernommenen Mitarbeiter im Wege des Betriebsübergangs auf sie über. Die Arbeitgeberin und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat schlossen am 2. Juli 1999 eine sog. Anerkennungsbetriebsvereinbarung. Danach sollten die darin aufgeführten Betriebsvereinbarungen der Rechtsvorgängerin auch für die Beschäftigten der Arbeitgeberin "kollektiv gelten".

Zu diesen Vereinbarungen zählte die unternehmensweit geltende "Betriebsvereinbarung über die Aufwandserstattung für Mitarbeiter mit Einsatzwechseltätigkeit im Geschäftsgebiet Information Technology Service (IST)" vom 16. September 1997 (GBV). Nach ihrer Präambel dienen ihre Regelungen dazu, "den Mehraufwand eines Arbeitnehmers im Außendienst ab(zu)decken, der ihm infolge der Außendiensttätigkeit entsteht". Nach ihrer Nr. 1 gilt die GBV für alle Außendienstmitarbeiter bei "eintägigen dienstlichen Abwesenheiten (ohne Übernachtung)". Nr. 4 GBV lautet:

"4. Arbeitszeit

4.1 Die Arbeitszeit beginnt grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Eintreffens beim ersten Kunden bzw. der ersten Einsatzstelle und endet mit dem Zeitpunkt der Abfahrt vom letzten Kunden bzw. der letzten Einsatzstelle zur Wohnung. Die tariflichen und betrieblichen Regelungen zur Arbeitszeit sind einzuhalten.

4.2 Die Einsatzleitung ist in jedem Fall gehalten, den Einsatz eines Mitarbeiters unter Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes so zu disponieren, daß eine Anfahrt von der Wohnung und eine Rückkehr zur Wohnung zu einer vertretbaren Zeit erfolgen kann. Ist eine Rückkehr zur Wohnung innerhalb des vertretbaren Zeitraumes nicht möglich, gelten die Festlegungen der SNI-Reisekostenrichtlinie. Gleiches gilt für Einsätze außerhalb des zugeordneten Kundengebietes.

4.3 Wegezeit/Fahrzeit

Es wird ein Wegezeit-Eigenanteil festgelegt, der, wie bei allen SNI-Mitarbeitern auch zu Lasten des Außendienstmitarbeiters geht. Der Wegezeit-Eigenanteil beträgt arbeitstäglich 70 Minuten (für die Fahrt von der Wohnung zum ersten Kunden/Einsatzstelle und die Fahrt vom letzten Kunden/Einsatzstelle zur Wohnung).

Fahrtzeit zwischen den Kunden/Einsatzstellen wird als Arbeitszeit vergütet. Wird der Wegezeit-Eigenanteil von 70 Minuten arbeitstäglich überschritten, so ist diese über 70 Minuten hinausgehende Zeit ebenfalls Arbeitszeit.

Wegezeit zwischen Wohnung und Kunden/Einsatzstelle geht bei Mitarbeitern mit fest zugeordnetem(r) Kunden/Einsatzstelle (regelmäßige Arbeitsstätte) generell zu Lasten des Außendienstmitarbeiters ohne Rücksicht auf die zeitliche Dauer.

4.3.1 Bei Mitarbeitern, die üblicherweise innerhalb des festgelegten Wegezeit-Eigenanteils (70 Minuten/Tag) ihr zugeordnetes Einsatzgebiet nicht erreichen können, kann vom Vorgesetzten einvernehmlich mit dem Mitarbeiter ein individuell höherer Wegezeit-Eigenanteil festgelegt werden. Vorrangig sollte jedoch in solchen Fällen dem Mitarbeiter ein neues Einsatzgebiet zugewiesen werden.

4.3.2 Bei Mitarbeitern, die aus persönlichen Gründen ihren Wohnort so wählen, daß der Anfahrtsweg zum Einsatzgebiet länger dauert als der festgelegte Wegezeit-Eigenanteil (70 Minuten), wird vom Vorgesetzten ein individuell höherer Wegezeit-Eigenanteil festgelegt, der der tatsächlichen Wegezeit Wohnung-Kunden/Einsatzstelle entspricht.

Sollte zwischen dem Mitarbeiter und den Vorgesetzten kein Einvernehmen zur Festlegung eines individuell höheren Wegezeit-Eigenanteils (gemäß Punkt 4.3.1 u. 4.3.2) hergestellt werden können, ist die zuständige Personalabteilung und der zuständige Betriebsrat in die Gespräche einzubeziehen.

4.4 Einsätze außerhalb der normalen Arbeitszeit

An arbeitsfreien Tagen oder bei einer zweiten Anfahrt von der Wohnung aus zur Einsatzstelle (z.B. im Rahmen des Bereitschaftsdienstes), gilt als Beginn der Arbeitszeit grundsätzlich das Verlassen der Wohnung; dies gilt sinngemäß auch für das Ende der Arbeitszeit."

Gemäß dem für die Arbeitgeberin geltenden Manteltarifvertrag für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 35 Stunden.

Mit Schreiben vom 24. September 2003 kündigte der beteiligte Gesamtbetriebsrat zunächst die Nr. 4.3 der GBV, anschließend die gesamte Nr. 4. Die Arbeitgeberin hielt diese Teilkündigung für unzulässig.

Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, seine auf Nr. 4 GBV beschränkte Kündigung sei wirksam. Im Übrigen verstoße Nr. 4 GBV gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Die Bestimmung enthalte Regelungen zur Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit. Die übrigen Regelungen der GBV blieben davon unberührt.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt

1. festzustellen, dass die von seiner Seite mit Schreiben vom 24. September 2003 erfolgte Teilkündigung zu Ziffer 4 der Betriebsvereinbarung über Aufwandserstattung vom 16. September 1997 in Form der Anerkennungsbetriebsvereinbarung vom 2. Juli 1999 wirksam ist;

2. festzustellen, dass die im Antrag zu 1 genannte Betriebsvereinbarung mit Ausnahme der Regelung nach Ziffer 4 weitergilt.

Entsprechend dem Antrag der Arbeitgeberin hat das Arbeitsgericht die Anträge des Gesamtbetriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dessen Beschwerde mit - nicht angefochtenem - Teil-Beschluss vom 2. Juni 2005 zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags zu 1 richtete. Im Übrigen hat es der Beschwerde des Gesamtbetriebsrats teilweise entsprochen und festgestellt, dass die GBV mit Ausnahme der Regelungen in Nr. 4.3 und Nr. 4.4 fortgilt. Gegen diesen Beschluss haben beide Beteiligten Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Arbeitgeberin beantragt festzustellen, dass auch Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV fortgelten. Der Gesamtbetriebsrat begehrt die Feststellung, dass Nr. 4 GBV insgesamt unwirksam ist und die übrigen Regelungen der GBV fortgelten.

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die Bestimmungen in Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV sind wirksam. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats hat keinen Erfolg. Gründe für eine Unwirksamkeit von Nr. 4.1 und Nr. 4.2 GBV bestehen nicht.

I. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.

1. Der Umfang der Rechtsbeschwerde bedarf der Klarstellung. Die Arbeitgeberin hat mit ihr trotz der missverständlichen Antragsformulierung nicht einen eigenständigen Sachantrag als Widerantrag verbunden, dessen erstmalige Anbringung in der Rechtsbeschwerdeinstanz unzulässig sein könnte. Ihr Begehren ist lediglich auf die vollständige Abweisung des noch rechtshängigen Antrags zu 2 des Gesamtbetriebsrats gerichtet. In der Sache beantragt sie, die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts insgesamt zurückzuweisen und damit die erstinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang wiederherzustellen.

2. Mit diesem Inhalt hat die Rechtsbeschwerde Erfolg. Der allein zu bescheiden- de Antrag zu 2 des Gesamtbetriebsrats ist zwar zulässig, aber in seinem von der Rechtsbeschwerde erfassten Umfang unbegründet.

a) Der Antrag bedarf der Auslegung. Der Gesamtbetriebsrat will festgestellt wissen, dass "die Betriebsvereinbarung ... mit Ausnahme der Regelung nach Ziffer 4" weitergilt. Es geht ihm damit zum einen um die Feststellung, dass Nr. 4 GBV insgesamt unwirksam ist, und zum anderen darum festzustellen, dass alle übrigen Regelungen der GBV wirksam sind und fortgelten; die Arbeitgeberin stellt Letzteres nur für den Fall in Abrede, dass Nr. 4 GBV unwirksam sein sollte. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist deshalb in sich gestaffelt. In der Hauptsache ist er auf die Feststellung der Unwirksamkeit von Nr. 4 GBV gerichtet. Für den Fall des Obsiegens mit diesem Begehren will der Gesamtbetriebsrat außerdem im Wege eines unechten Hilfsantrags die Wirksamkeit der übrigen Regelungen der GBV festgestellt wissen.

b) Der Hauptantrag ist zulässig. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und erfüllt auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Er ist iSv. § 256 Abs. 1 ZPO auf die Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses gerichtet. Dafür besitzt der Gesamtbetriebsrat das erforderliche Feststellungsinteresse. Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Inhalt die GBV als kollektive Regelung in den Betrieben der Arbeitgeberin gilt. Dies kann durch die begehrte Entscheidung geklärt werden. Dem Hauptantrag des Gesamtbetriebsrats steht nicht die Rechtskraft des Teil-Beschlusses vom 2. Juni 2005 entgegen. Diesem Beschluss liegt ein anderer Verfahrensgegenstand zu Grunde. Er ist allein über den ursprünglichen Antrag zu 1 ergangen. Mit diesem hat der Gesamtbetriebsrat ausschließlich die Wirksamkeit der isolierten Kündigung von Nr. 4 GBV zur gerichtlichen Entscheidung gestellt. Mit dem in die Rechtsbeschwerde gelangten Antrag zu 2 macht er die Unwirksamkeit von Nr. 4 GBV im Hinblick auf § 77 Abs. 3 BetrVG geltend.

c) Im Umfang der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist der Hauptantrag unbegründet. Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV stellen wirksame kollektive Regelungen dar.

aa) Ihrer Wirksamkeit steht nicht das Fehlen eines Geltungsgrundes der GBV entgegen. Zwar sind dem Vorbringen der Beteiligten und den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Einzelheiten der Gründung der Arbeitgeberin und der Übernahme der Betriebe der Rechtsvorgängerin zu entnehmen. Ob die bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin unternehmensweit geltende GBV nach der Übernahme der Betriebe auch ohne weiteren Rechtsakt als normative Regelung fortgegolten hat, lässt sich deshalb nicht abschließend beurteilen (vgl. BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 -BAGE 102, 356, zu B III 2 der Gründe). Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat haben jedoch mit der "Anerkennungsbetriebsvereinbarung" vom 2. Juli 1999 die Fortgeltung der GBV vereinbart. Gegen die Wirksamkeit dieser Abrede bestehen keine Bedenken.

bb) Die GBV genügt den allgemeinen Wirksamkeitsanforderungen. Die genaue Bezeichnung der in Bezug genommenen GBV war für die Bestimmtheit der "Anerkennung" und für das Schriftformerfordernis des § 77 Abs. 2 BetrVG ausreichend.

Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats folgt aus § 50 Abs. 1 BetrVG. Danach ist der Gesamtbetriebsrat für eine Angelegenheit zuständig, wenn ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht. Dieses kann sich aus technischen oder rechtlichen Gründen ergeben (BAG 26. April 2005 - 1 AZR 76/04 -BAGE 114, 286, zu I 1 a der Gründe mwN). Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kann dabei auch auf der "subjektiven Unmöglichkeit" einzelbetrieblicher Regelungen beruhen. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber im Bereich der freiwilligen Mitbestimmung zu einer Maßnahme, Regelung oder Leistung nur betriebsübergreifend bereit ist. Wenn der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei darüber entscheiden kann, ob er eine Leistung überhaupt erbringt, kann er sie von einer überbetrieblichen Regelung abhängig machen und so die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung herbeiführen (BAG 26. April 2005 - 1 AZR 76/04 - aaO mwN). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Gegenstände der GBV unterfallen nicht der zwingenden Mitbestimmung. Vor dem Hintergrund der unternehmensweiten Geltung der GBV bei der Rechtsvorgängerin muss angenommen werden, dass auch die Arbeitgeberin zur "Anerkennung" ihrer Fortgeltung nur mit dieser Maßgabe bereit war.

cc) Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV sind nicht wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.

(1) Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder von den betreffenden Tarifparteien üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn über sie ein Tarifvertrag abgeschlossen worden ist und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt. Dabei hängt die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Die Vorschrift soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisten. Dazu räumt sie den Tarifvertragsparteien den Vorrang bei der kollektiven Regelung von Arbeitsbedingungen ein. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen weder abweichende noch auch nur ergänzende Betriebsvereinbarungen mit normativer Wirkung schließen können. Eine gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung ist unwirksam (vgl. BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 9/02 - AP BetrVG 1972 § 21a Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 3, zu B II 2 c aa der Gründe mwN).

(2) Eine tarifliche Regelung über die Gegenstände von Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV fehlt.

(a) Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV betreffen Bestimmungen über die Anerkennung von Wege- und Fahrtzeiten als Arbeitszeit. Beträgt die Wegezeit für die Fahrt des Außendienstmitarbeiters von seiner Wohnung zum ersten Kunden des Tages und vom letzten Kunden zurück zur Wohnung insgesamt mehr als 70 Minuten, wird die darüber hinaus benötigte Zeit gem. Nr. 4.3 GBV - ebenso wie Zeiten für die Fahrten von Kunde zu Kunde - als Arbeitszeit betrachtet und als solche vergütet; Nr. 4.3.1 und Nr. 4.3.2 regeln Ausnahmen für Sonderfälle. Wird ein Kundenbesuch an eigentlich arbeitsfreien Tagen oder wird an einem regulären Arbeitstag - etwa bei Bereitschaftsdienst - eine zweite Anfahrt von der Wohnung aus erforderlich, so gilt nach Nr. 4.4 GBV die gesamte Zeit vom Verlassen der Wohnung bis zur Rückkehr als Arbeitszeit.

(b) Auf diese Weise haben die Parteien der GBV keine Bestimmungen über tariflich geregelte Arbeitsbedingungen getroffen.

(aa) Tarifliche Regelungen über die Behandlung von Wegezeiten als Arbeitszeit bestehen nicht. Der einschlägige Manteltarifvertrag enthält in seinem § 7 zwar Regelungen zu Dienstreisen. Die täglichen Fahrten eines Außendienstmitarbeiters zum ersten und vom letzten Kunden und dazwischen liegende Fahrten von Kunde zu Kunde sind davon jedoch ausdrücklich ausgenommen.

(bb) Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, enthalten Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV keine Regelungen über die tariflich festgelegte Höhe der Vergütung.

Eine Vergütungsregelung liegt vor, wenn eine Bestimmung über den Umfang der Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung getroffen wird. Dies kann mittelbar auch dadurch geschehen, dass die vom Arbeitnehmer tatsächlich erbrachte Arbeitszeit anders als mit dem Faktor eins bewertet wird (vgl. BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 9/02 - AP BetrVG 1972 § 21a Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 3, zu B II 2 c cc der Gründe). Dagegen handelt es sich nicht um eine Regelung der Arbeitsvergütung, wenn festgelegt wird, welche Leistungen des Arbeitnehmers als Arbeitsleistung und damit als Erfüllung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht anzusehen sind. Eine solche Regelung betrifft den Inhalt der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung; sie lässt die Höhe der Vergütung unberührt.

Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV bestimmen ausschließlich, unter welchen Voraussetzungen eine Fahrtätigkeit des Außendienstmitarbeiters als Erfüllung seiner vertraglich geschuldeten Hauptleistungspflicht gilt und deshalb die dafür aufgewendete Zeit als zu vergütende Arbeitszeit anzusehen ist. Sie regeln dagegen nicht, wie die Arbeitgeberin die Arbeitsleistungen des Außendienstmitarbeiters zu vergüten hat. Die Bestimmungen sehen auch nicht etwa vor, dass die Arbeitgeberin zusätzlich zur Arbeitszeit von 35 Wochenstunden bestimmte Fahrtzeiten als weitere Arbeitszeiten zu vergüten hätte.

Die reguläre Vergütung der Außendienstmitarbeiter bemisst sich allein nach der tariflichen Arbeitszeit von wöchentlich 35 Stunden.

(cc) Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV enthalten keine Bestimmungen über die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Deren tariflich festgelegter Umfang von 35 Wochenstunden bleibt unberührt. Die Regelungen führen nicht zu einer Erhöhung oder Verringerung des geschuldeten Arbeitszeitvolumens. Sie legen lediglich fest, welche Leistungen der Arbeitnehmer darauf angerechnet werden.

dd) Sonstige Unwirksamkeitsgründe sind nicht gegeben. Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV halten sich im Rahmen der Regelungskompetenz der Betriebsparteien gem. § 88 BetrVG. Sie verstoßen weder gegen § 75 Abs. 1 BetrVG noch gegen übriges Gesetzesrecht. Falls betroffene Außendienstmitarbeiter günstigere einzelvertragliche Ansprüche besitzen sollten, etwa gerichtet auf die Behandlung sämtlicher Wegezeiten als Arbeitszeit, hätte dies nicht die Unwirksamkeit von Nr. 4.3 oder Nr. 4.4 GBV, sondern den Vorrang der individuellen Rechtspositionen zur Folge.

d) Der im Antrag des Gesamtbetriebsrats enthaltene Hilfsantrag ist dem Senat im Rahmen der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin nicht zur Entscheidung angefallen. Der (unechte) Hilfsantrag ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt.

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet.

Nr. 4.1 und Nr. 4.2 GBV sind wirksame Regelungen.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie genügt entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin den Erfordernissen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Danach hat sich die Rechtsbeschwerdebegründung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung in einer Weise auseinanderzusetzen, die erkennen lässt, in welchem Umfang und warum der Rechtsmittelführer die Erwägungen des Beschwerdegerichts für unrichtig hält (BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1, zu B I der Gründe mwN).

Diesen Anforderungen wird die Begründung der Rechtsbeschwerde noch gerecht. Der Gesamtbetriebsrat hat einen Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen den Rechtsgedanken des § 139 BGB gerügt. Nr. 4 GBV werde durch die Regelungen seiner Absätze 3 und 4 geprägt. Ohne diese seien die Absätze 1 und 2 sinnlos und die Bestimmung insgesamt unwirksam. Das lässt Richtung und Grund der Kritik des angefochtenen Beschlusses hinreichend erkennen.

2. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

a) Der Hauptantrag des Gesamtbetriebsrats ist auch insoweit unbegründet, wie er auf die Feststellung der Unwirksamkeit von Nr. 4.1 und Nr. 4.2 gerichtet ist.

Die Unwirksamkeit der Regelungen folgt nicht - nach Maßgabe des Rechtsgedankens aus § 139 BGB - aus einer Unwirksamkeit von Nr. 4.3 und Nr. 4.4 GBV. Diese Bestimmungen sind wirksam. Unwirksamkeitsgründe, die unabhängig davon in Nr. 4.1 und Nr. 4.2 GBV selbst lägen, sind nicht gegeben. Nr. 4.1 GBV verstößt nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG. Tarifliche Regelungen darüber, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort die Arbeitszeit für Außendienstmitarbeiter beginnt, bestehen nicht.

b) Der (unechte) Hilfsantrag ist dem Senat auch im Rahmen der Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats nicht zur Entscheidung angefallen.

Ende der Entscheidung

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