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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 10 AZR 119/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, TVG, BRTV


Vorschriften:

ArbGG § 72 Abs. 5
ZPO § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
TVG § 4 Abs. 1 Satz 1
BRTV vom 02.11.2004 § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

Hinweise des Senats: teilweise Parallelsachen 20. Februar 2008 - 10 AZR 119/07 - (führend, vorliegend), - 10 AZR 126/07 -

10 AZR 119/07

Verkündet am 20. Februar 2008

In Sachen

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt und den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler sowie den ehrenamtlichen Richter Petri und die ehrenamtliche Richterin Rudolph für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. November 2006 - 9 Sa 620/06 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über restliche Sonderzahlung für das Jahr 2005.

Der Beklagte ist Inhaber einer Apotheke. Die Klägerin ist bei ihm seit dem 1. April 1966 als pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit die Bestimmungen des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter (BRTV) vom 2. November 2004 Anwendung. In § 18 BRTV heißt es:

"§ 18 Sonderzahlung

1. Jeder Mitarbeiter erhält jährlich eine Sonderzahlung in Höhe von 100 % seines tariflichen Monatsverdienstes. ...

6. Der Apothekeninhaber ist für jedes Jahr berechtigt, die Sonderzahlung auf bis zu 50 % des tariflichen Monatsverdienstes zu kürzen, sofern sich dies dem Apothekeninhaber aus wirtschaftlichen Gründen als notwendig darstellt. Die Sonderzahlung ist nachträglich ungekürzt zu zahlen, sofern der Apothekenleiter binnen einer Frist von 6 Monaten nach der Zahlung eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht und mit Ausspruch der Kündigung zur Zahlung fällig. Die Frist beginnt mit dem Monat, in dem die Zahlung oder - bei Teilzahlungen - der letzte Teil der Zahlung bewirkt wurde."

Die tarifliche Bruttomonatsvergütung der Klägerin betrug im Jahr 2005 1.758,68 Euro brutto. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wurde ihr mit der Vergütung für November ein volles 13. Monatsgehalt gezahlt. Im November 2005 erhielt sie neben ihrem übertariflichen Bruttogehalt iHv. 2.368,16 Euro eine Sonderzahlung iHv. 1.488,83 Euro brutto. Der Beklagte wies die Apothekenmitarbeiter in einem undatierten Schreiben auf die in § 18 Nr. 6 BRTV vorgesehene Möglichkeit der Kürzung der tariflichen Sonderzahlung hin, begründete die Kürzung der Sonderzahlung ua. mit einem Umsatzeinbruch sowie einem gesunkenen Ertrag. Als Anlagen fügte er ein Schreiben seines Steuerberaters zur Kostenentwicklung der Apotheke und eine grafische Darstellung der Umsatzentwicklung bei.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht erforderlich gewesen. Der Beklagte habe die Notwendigkeit der Kürzung nicht ausreichend begründet. Ein allgemeines "Lamento" über die wirtschaftliche Lage genüge dazu nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 879,33 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 1. Dezember 2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, er sei nach § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV zur Kürzung der tariflichen Sonderzahlung berechtigt gewesen. Die Kürzung habe sich ihm aus wirtschaftlichen Gründen als notwendig dargestellt. Die Tarifvertragsparteien hätten dem Apothekeninhaber in § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV in unkomplizierter Weise das Recht eingeräumt, auf wirtschaftliche Auswirkungen auf die Apotheke zu reagieren. Sie hätten die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung in das weitgehend freie Ermessen des Apothekeninhabers gestellt und zum Ausgleich mit einer zeitlich beschränkten Arbeitsplatzgarantie verbunden. Nach der tariflichen Regelung komme die Einschätzung der wirtschaftlichen Gegebenheiten allein dem Apothekeninhaber zu. Die Bewertung der wirtschaftlichen Lage durch den Apothekeninhaber dürften die Gerichte nicht überprüfen. Dieser müsse deshalb zur Darlegung der wirtschaftlichen Gründe weder Zahlen offenlegen noch die Kürzung mit einem konkreten Sanierungskonzept rechtfertigen. Unabhängig davon zeigten seine schriftliche Begründung der Kürzung, das Erläuterungsschreiben seines Steuerberaters und seine grafische Darstellung der Umsatzentwicklung auf, dass rationale wirtschaftliche Gründe für die Kürzung der Sonderzahlung vorgelegen hätten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist mangels ordnungsgemäßer Begründung unzulässig, soweit das Landesarbeitsgericht der Klage iHv. 609,48 Euro brutto unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung stattgegeben hat. Im Übrigen ist die Revision des Beklagten zwar zulässig, jedoch unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe die beanspruchte restliche Sonderzahlung für das Jahr 2005 zu. Bis zur Höhe des tariflichen Monatsverdienstes sei § 18 Nr. 1 Satz 1 BRTV Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden übertariflichen Teils der Sonderzuwendung ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

Der Beklagte sei nach § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV nicht berechtigt gewesen, die tarifliche Sonderzahlung aus wirtschaftlichen Gründen zu kürzen. Die Auslegung dieser Tarifbestimmung ergebe, dass die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung nicht im unüberprüfbaren subjektiven Ermessen des Apothekeninhabers liege. Die Worte "aus wirtschaftlichen Gründen" sprächen für das Verständnis, dass aus der Sicht eines objektiv an Stelle des konkreten Apothekeninhabers entscheidenden Arbeitgebers wirtschaftliche Gründe für die Kürzung der Sonderzahlung vorliegen müssten. Das Wort "notwendig" weise darauf hin, dass nicht jeder beliebige wirtschaftliche Grund die Kürzung rechtfertige. Der Zusammenhang zwischen den in § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV und § 18 Nr. 6 Satz 2 BRTV getroffenen Regelungen lasse erkennen, dass die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung zumindest auch betriebsbedingte Kündigungen vermeiden solle. Dies lege nahe, dass die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung Bestandteil eines Sanierungsgesamtkonzepts sein müsse. Der Beklagte habe nicht dargetan, dass die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung aus wirtschaftlichen Gründen objektiv notwendig gewesen sei. Seinem Vortrag lasse sich auch kein Sanierungskonzept entnehmen.

Soweit der Beklagte nach Abschluss des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 29. Dezember 1997 bis in das Kalenderjahr 2004 über die tariflich geschuldete Sonderzuwendung hinaus eine übertarifliche Leistung erbracht habe, sei dies kraft betrieblicher Übung Vertragsinhalt geworden. Der Beklagte habe diese Leistung zumindest dreimal vorbehaltlos erbracht.

II. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO) gehört die Angabe der Revisionsgründe. Dies erfordert grundsätzlich, dass sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigt (BAG 11. Oktober 2006 - 4 AZR 544/05 - EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 3; 29. Oktober 1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 mwN). Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revisionsbegründung muss deshalb zu allen gerügten Punkten eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft ist. Dazu ist - sowohl im Interesse einer Entlastung des Revisionsgerichts wie auch im Interesse der Partei, vor der Durchführung einer unbedachten Revision bewahrt zu werden - eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils notwendig. Nur auf diese Weise kann der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers aufzeigen, weshalb das angefochtene Urteil seiner Meinung nach unrichtig ist. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (BAG 7. Juli 1999 - 10 AZR 575/98 - AP ZPO § 554 Nr. 32 = EzA ZPO § 554 Nr. 8). Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände jeweils mit eigener Begründung entschieden, muss sich die Revisionsbegründung mit allen angefochtenen Teilen auseinandersetzen. Fehlt eine Begründung, ist die Revision hinsichtlich des nicht begründeten Streitgegenstands unzulässig (BAG 7. November 2007 - 5 AZR 883/06 -). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der Entscheidung über den anderen abhängig ist.

III. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Beklagten teilweise nicht gerecht. Sie greift die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht an, soweit dieses angenommen hat, der übertarifliche Teil der von der Klägerin beanspruchten Sonderzahlung (609,48 Euro brutto) stehe der Klägerin nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung zu. Die Revisionsangriffe beschränken sich auf die Annahme des Landesarbeitsgerichts, in Höhe des tariflichen Monatsverdienstes von 1.758,68 Euro brutto folge der Anspruch der Klägerin auf die Sonderzahlung aus § 18 Nr. 1 Satz 1 BRTV. Bei dem tariflichen und dem übertariflichen Teil der Sonderzahlung handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände. Der Anspruch der Klägerin auf die tarifliche Sonderzuwendung beruht auf einem anderen Sachverhalt als ihr Anspruch auf den übertariflichen Teil der Sonderzuwendung. Die Entscheidung über diesen ist auch nicht denknotwendig von der Entscheidung über die Höhe der tariflichen Sonderzuwendung abhängig.

IV. Soweit das Landesarbeitsgericht der Klägerin 269,85 Euro brutto als Differenzbetrag zwischen dem Tarifgehalt iHv. 1.758,68 Euro brutto und der vom Beklagten iHv. 1.488,83 Euro brutto geleisteten Sonderzahlung zugesprochen hat, ist die Revision des Beklagten zulässig, jedoch unbegründet.

Allerdings sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern. Sie halten den Angriffen der Revision jedoch im Ergebnis stand.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Klägerin aufgrund der Tarifgebundenheit beider Parteien (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) gemäß § 18 Nr. 1 Satz 1 BRTV für das Jahr 2005 eine Sonderzahlung in Höhe von 100 % des tariflichen Monatsverdienstes und damit iHv. 1.758,68 Euro brutto zusteht. Über die Höhe des tariflichen Monatsverdienstes der Klägerin und damit auch die Höhe der ungekürzten tariflichen Sonderzahlung besteht kein Streit. Bei Berücksichtigung der vom Beklagten im November 2005 geleisteten Sonderzahlung iHv. 1.488,83 Euro brutto ergibt sich der von der Klägerin als restliche tarifliche Sonderzahlung beanspruchte Differenzbetrag iHv. 269,85 Euro brutto.

2. Auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass er nach § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV berechtigt gewesen sei, die Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2005 aus wirtschaftlichen Gründen zu kürzen, hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Zu Unrecht meint der Beklagte, seine Entscheidung, die tarifliche Sonderzahlung zu kürzen, dürfe von den Gerichten nicht überprüft werden. Die Entscheidung des Apothekeninhabers, die tarifliche Sonderzahlung zu kürzen, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Regelung.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (20. Juni 2007 - 10 AZR 291/06 - EzTöD 400 Eingruppierung BAT Sozial- und Erziehungsdienst Heimzulage Nr. 1 mwN). Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 19. Januar 2000 - 4 AZR 814/98 - BAGE 93, 229). Enthält ein Tarifvertrag unbestimmte Rechtsbegriffe, haben die Tatsachengerichte bei der Subsumtion einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht kann seine Anwendung nur daraufhin überprüfen, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (BAG 20. Juni 2007 - 10 AZR 291/06 - aaO mwN).

b) Daran gemessen ist die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV "aus wirtschaftlichen Gründen" und "notwendig" durch das Landesarbeitsgericht nicht rechtsfehlerfrei. Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass es nach dem Wortlaut der Tarifvorschrift für die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung ausreicht, dass sich die Kürzung dem Apothekeninhaber aus wirtschaftlichen Gründen als notwendig darstellt. Die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung durch den Apothekeninhaber setzt nach der tariflichen Regelung damit nicht voraus, dass sie objektiv aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist. Die Kürzung muss auch nicht Teil eines Sanierungsgesamtkonzepts des Apothekeninhabers zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen sein.

aa) Maßgebend ist zunächst, dass § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV für die Berechtigung des Apothekeninhabers zur Kürzung der Sonderzahlung dem Wortlaut nach nicht darauf abstellt, dass die Kürzung objektiv aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist. Ein Wille der Tarifvertragsparteien, dass es nicht auf die subjektive Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Apotheke durch den Apothekeninhaber selbst, sondern entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts auf die Sicht "eines objektiv an Stelle des konkreten Apothekeninhabers entscheidenden Arbeitgebers" ankommt, hat im Wortlaut der Tarifnorm keinen Niederschlag gefunden. Die Tarifvorschrift spricht vielmehr davon, dass sich dem Apothekeninhaber die Kürzung der Sonderzahlung aus wirtschaftlichen Gründen als notwendig darstellen muss. Aus der Formulierung "dem Apothekeninhaber" wird deutlich, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation der Apotheke durch deren Inhaber zu achten und insofern von einer Einschätzungsprärogative des Apothekeninhabers auszugehen ist. Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Kürzungsentscheidung des Apothekeninhabers ist deshalb nur zu prüfen, ob dieser eine auf die wirtschaftliche Situation seiner Apotheke bezogene Prognose erstellt und offengelegt hat, welche nachvollziehbaren, einsichtigen und konkreten Gründe aus seiner Sicht die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung erfordern. Allgemein gehaltene Hinweise des Apothekeninhabers auf die wirtschaftliche Lage der Apotheken in Deutschland und pauschaler Vortrag zur Verfehlung von Umsatzzielen, zum Rückgang des Umsatzes, zu Gewinnverfall oder Unrentabilität oder zur Notwendigkeit der Einsparung von Personalkosten machen die Kürzungsentscheidung nicht plausibel und genügen daher zur Begründung der Kürzung nicht.

bb) Sinn und Zweck der Vorschrift und der tarifliche Gesamtzusammenhang geben kein anderes Auslegungsergebnis vor. Sie knüpfen das Kürzungsrecht des Apothekeninhabers nicht daran, dass die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung Teil eines Sanierungsgesamtkonzepts ist und der Vermeidung von Kündigungen aus dringenden betrieblichen Erfordernissen dient. Zwar ist nach § 18 Nr. 6 Satz 2 BRTV die Sonderzahlung nachträglich ungekürzt zu zahlen, sofern der Apothekeninhaber binnen einer Frist von sechs Monaten nach der Zahlung eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht. Diese Regelung zwingt aber nicht zu der Annahme, dass die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung durch den Apothekeninhaber eine akute Gefahr für die Existenz der Apotheke und damit den Bestand der Arbeitsplätze der Apothekenmitarbeiter voraussetzt und nur erfolgen darf, wenn der Apothekeninhaber im Rahmen eines Sanierungsgesamtkonzepts noch andere Maßnahmen zur Steigerung der Rentabilität der Apotheke beschließt. Hätten die Tarifvertragsparteien das Kürzungsrecht des Apothekeninhabers an ähnliche Voraussetzungen wie die einer Änderungskündigung zur Entgeltkürzung knüpfen wollen, hätten sie die tarifliche Kürzungsregelung entsprechend ausgestalten und anders formulieren müssen. Wenn sie bestimmt haben, dass bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung binnen einer Frist von sechs Monaten nach dem Auszahlungstag die ungekürzte Sonderzahlung zu leisten ist, haben sie damit nur zum Ausdruck gebracht, dass sie die Kürzung der Sonderzahlung zur Senkung der Personalkosten und damit zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Apotheke bei Apothekenmitarbeitern nicht für angemessen halten, denen aufgrund des Ausspruchs einer betriebsbedingten Kündigung der Verlust ihres Arbeitsplatzes aus Gründen droht, die nicht in ihre Verantwortungssphäre fallen. Nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien, wie er im Wortlaut des § 18 Nr. 6 Satz 2 BRTV zum Ausdruck kommt, sollen nur solche Apothekenmitarbeiter zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Apotheke beitragen, indem sie nur eine gekürzte tarifliche Sonderzahlung erhalten, denen ihr finanzieller Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation auch zugutekommt.

cc) Entgegen der Auffassung des Beklagten lag die Entscheidung über die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung nicht in seinem freien, der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Ermessen.

(1) Die Tarifvertragsparteien haben bei der Regelung der tariflichen Sonderzahlung zunächst in § 18 Nr. 1 Satz 1 BRTV bestimmt, dass jeder Mitarbeiter eine Sonderzahlung iHv. 100 % seines tariflichen Monatsverdienstes erhält. Diese Bestimmung enthält erkennbar die Grundregel zur Höhe der Sonderzahlung. Für den Grundsatz, dass der Apothekeninhaber verpflichtet ist, eine Sonderzahlung in Höhe des tariflichen Monatsverdienstes zu leisten, spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die systematische Stellung innerhalb des Textes der Tarifbestimmung. Die Tarifvertragsparteien haben die Grundregel den anderen in § 18 BRTV zur Sonderzahlung getroffenen Regelungen vorangestellt. Bezüglich der Höhe der Sonderzahlung ist die Grundregel eindeutig. Sie stellt die Höhe der von dem Apothekeninhaber zu leistenden Sonderzahlung nicht in sein freies Ermessen, sondern knüpft sie an das tarifliche Monatsentgelt.

(2) In § 18 Nr. 6 Satz 1 BRTV haben die Tarifvertragsparteien festgelegt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Apothekeninhaber die tarifliche Sonderzahlung kürzen darf. Müsste der Apothekeninhaber seine Kürzungsentscheidung nicht begründen und unterläge diese entsprechend der Auffassung des Beklagten keiner gerichtlichen Kontrolle, wäre die Grundregel bezüglich der Höhe der tariflichen Sonderzahlung sinnentleert. Der Apothekeninhaber könnte mit dem pauschalen Hinweis auf die Notwendigkeit der Kürzung aus wirtschaftlichen Gründen die tarifliche Grundregel, welche die Höhe der von ihm zu leistenden Sonderzahlung gerade nicht in sein freies Ermessen stellt, weitgehend außer Kraft setzen. Einem solchen Verständnis steht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien in der Grundregel des § 18 Nr. 1 Satz 1 BRTV den Anspruch des Apothekenmitarbeiters auf eine Sonderzahlung in der in dieser Vorschrift genannten Höhe als Rechtsanspruch ausgestaltet haben, indem sie bestimmt haben, dass jeder Mitarbeiter jährlich eine Sonderzahlung iHv. 100 % seines tariflichen Monatsverdienstes erhält.

(3) Zu Unrecht meint der Beklagte, die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung unterliege keiner gerichtlichen Kontrolle, weil sie mit einer zeitlich beschränkten Arbeitsplatzgarantie verbunden sei. Die Kürzung der Sonderzahlung schränkt das Kündigungsrecht des Apothekeninhabers nicht ein und garantiert dem Apothekenmitarbeiter den Arbeitsplatz nicht für sechs Monate.

Aus der in § 18 Nr. 6 Satz 2 BRTV getroffenen Regelung ergibt sich eindeutig, dass der Apothekeninhaber nicht gehindert ist, das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Monaten nach dem Auszahlungstag zu kündigen, wenn er die Sonderzahlung aus wirtschaftlichen Gründen gekürzt hat. Er hat in diesem Fall nur nachträglich die ungekürzte Sonderzahlung zu leisten.

c) Auch wenn die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung für das Jahr 2005 nicht zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung und nicht im Rahmen eines Sanierungsgesamtkonzepts erfolgen musste, sondern die Einschätzung der wirtschaftlichen Situation seiner Apotheke durch den Beklagten zu achten und insofern von einer Einschätzungsprärogative des Beklagten auszugehen ist, musste dieser doch seine Kürzungsentscheidung näher begründen, um deren gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen. An einer solchen Begründung fehlt es. Der Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, welche auf die wirtschaftliche Situation seiner Apotheke bezogene Prognose er erstellt hat. Er hat auch nicht offengelegt, welche nachvollziehbaren, einsichtigen und konkreten Gründe die Kürzung der tariflichen Sonderzahlung aus seiner Sicht erfordern. Seine allgemein gehaltenen Hinweise zur wirtschaftlichen Lage der Apotheken in Deutschland sind unzureichend. Dies gilt auch für seinen pauschalen Vortrag zur Verfehlung von Umsatzzielen, zum Gewinnverfall und zur Notwendigkeit der Einsparung von Personalkosten. Auch das Schreiben seines Steuerberaters und die grafische Darstellung der Umsatzentwicklung enthalten keine konkreten, nachprüfbaren Angaben zur wirtschaftlichen Situation der Apotheke des Beklagten und machen die Kürzungsentscheidung nicht plausibel.

Ende der Entscheidung

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