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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.10.2009
Aktenzeichen: 10 AZR 70/09
Rechtsgebiete: TVöDAT, BMT-G II, MTArb, BAT


Vorschriften:

TVöDAT § 7 Abs. 2
TVöDAT § 8 Abs. 6 Satz 1
BMT-G II § 24 Abs. 2
BMT-G II Protokollerklärung zu § 24 Abs. 2 Buchst. b
BMT-G II Protokollerklärung zu § 24 Abs. 2 Buchst. c
MTArb § 29a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b Doppelbuchst. Bb
MTArb Protokollnotiz zu § 29a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b
BAT § 33a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b Doppelbuchst. Bb
BAT Protokollnotiz zu § 33a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

10 AZR 70/09

Verkündet am 21. Oktober 2009

In Sachen

hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Freitag, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Marquardt, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler sowie die ehrenamtlichen Richter Schlegel und Effenberger für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12. November 2008 - 4 Sa 176/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 28. November 2007 - 5 Ca 496/08 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 760,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Mai 2007 eine monatliche Schichtzulage iHv. 40,00 Euro brutto zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine tarifliche Schichtzulage iHv. monatlich 40,00 Euro brutto.

Der Kläger ist im Klinikum der Beklagten in der Technischen Abteilung beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich bis zum 30. September 2005 nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31. Januar 1962 in den jeweils gültigen Fassungen (BMT-G II). Seit dem 1. Oktober 2005 findet auf das Arbeitsverhältnis der an diesem Tag in Kraft getretene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD-AT) Anwendung.

§ 24 BMT-G II regelte:

"§ 24 Schichtlohnzuschlag

(1) ...

(2) Ständige Schichtarbeiter erhalten einen Schichtlohnzuschlag, wenn

a) ...

b) die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 18 Stunden geleistet wird,

c) die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.

..."

Die Protokollerklärung zu § 24 Abs. 2 Buchst. b und c BMT-G II lautete:

"Zeitspanne ist die Zeit zwischen dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht innerhalb von 24 Stunden. Die geforderte Stundenzahl muss im Durchschnitt an den im Schichtplan vorgesehenen Arbeitstagen erreicht werden. Sieht der Schichtplan mehr als fünf Arbeitstage wöchentlich vor, können, falls dies günstiger ist, der Berechnung des Durchschnitts fünf Arbeitstage wöchentlich zugrunde gelegt werden."

In § 7 und § 8 TVöD-AT heißt es:

"§ 7 Sonderformen der Arbeit

(1) ...

(2) Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.

§ 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

...

(6) Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 40 Euro monatlich.

..."

Der Kläger arbeitet seit dem 1. April 2005 nach folgendem Schichtplan:

Woche 1, Woche 2 und Woche 3 (Normalschicht):

 Montag bis Freitag7:30 Uhr bis 16:00 Uhr
Samstagfrei
Sonntagfrei

Woche 4 (Spätschicht):

 Montag bis Freitag11:30 Uhr bis 20:00 Uhr
Samstag7:00 Uhr bis 11:30 Uhr
Sonntag7:00 Uhr bis 11:30 Uhr

Die Beklagte zahlte dem Kläger bis zum 30. September 2005 eine monatliche Schichtzulage iHv. 35,79 Euro brutto. Ab dem 1. Oktober 2005 erhielt der Kläger keine Schichtzulage mehr. Mit Schreiben vom 21. und 22. Dezember 2005 sowie vom 25. Januar 2006 beanspruchte der Kläger ohne Erfolg die Weiterzahlung dieser Zulage.

Der Kläger ist der Ansicht, er leiste Schichtarbeit iSv. § 7 Abs. 2 TVöD-AT. Seine um mehr als zwei Stunden versetzten Schichten erreichten die tariflich geforderte Zeitspanne von mindestens 13 Stunden. Während der Spätschicht beginne die Schicht an Samstagen, Sonntagen und Wochenfeiertagen um 7:00 Uhr und ende an den Werktagen Montag bis Freitag um 20:00 Uhr. Jedenfalls stehe ihm die Schichtzulage aus betrieblicher Übung zu. Für die Monate Oktober 2005 bis April 2007 habe er Anspruch auf Schichtzulage iHv. insgesamt 760,00 Euro brutto. Ab Mai 2007 habe die Beklagte ihm eine monatliche Schichtzulage iHv. 40,00 Euro brutto zu zahlen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 1. Mai 2007 eine monatliche Schichtzulage iHv. 40,00 Euro brutto zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 760,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, der Kläger leiste keine Schichtarbeit iSv. § 7 Abs. 2 TVöD-AT. Seine Arbeitszeiten deckten die erforderliche Zeitspanne von mindestens 13 Stunden nicht ab. Es sei auf den schichtplanmäßigen Wechsel der Arbeitszeit desselben Arbeitstags bzw. innerhalb von 24 Stunden abzustellen. Da sie die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anwende, gölten für sie auch die Einschränkungen bezüglich der Entstehung von Ansprüchen aus betrieblicher Übung im öffentlichen Dienst. Der Kläger habe deshalb nicht annehmen dürfen, dass sie ihm über die tariflichen Leistungen hinaus Zahlungen habe gewähren wollen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht für die Monate Oktober 2005 bis April 2007 die tarifliche Schichtzulage in unstreitiger Höhe von insgesamt 760,00 Euro brutto zu. Ab Mai 2007 hat ihm die Beklagte eine monatliche Schichtzulage iHv. 40,00 Euro brutto zu zahlen.

I. Der Anspruch des Klägers auf die tarifliche Schichtzulage iHv. monatlich 40,00 Euro brutto folgt aus § 8 Abs. 6 Satz 1 iVm. § 7 Abs. 2 TVöD-AT.

1. Die Tarifvertragsparteien haben in § 7 Abs. 2 TVöD-AT festgelegt, unter welchen Voraussetzungen Schichtarbeit im Tarifsinne vorliegt und damit der Anspruch auf die Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD-AT begründet wird. Sie haben bestimmt, dass Schichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan ist, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.

2. Kein Streit besteht darüber, dass an den Wochentagen Montag bis Freitag die Arbeitszeit des Klägers um 7:30 Uhr während der Normalschicht und um 11:30 Uhr während der Spätschicht beginnt und damit die Voraussetzung eines regelmäßigen Wechsels des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat erfüllt ist.

II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Ansicht der Beklagten decken die Arbeitszeiten des Klägers auch die tariflich geforderte Zeitspanne von mindestens 13 Stunden ab.

1. Zeitspanne iSv. § 7 Abs. 2 TVöD-AT ist die Zeit zwischen dem Beginn der frühesten Schicht und dem Ende der spätesten Schicht (vgl. BAG 8. Juli 2009 - 10 AZR 589/08 -). Die früheste Schicht des Klägers beginnt während der Spätschicht an Samstagen und Sonntagen um 7:00 Uhr. Die späteste Schicht des Klägers endet während der Spätschicht an den Wochentagen Montag bis Freitag um 20:00 Uhr. Somit erreicht der Kläger in jedem Monat die tariflich geforderte Zeitspanne von mindestens 13 Stunden.

2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass Schichtarbeit iSv. § 7 Abs. 2 TVöD-AT voraussetzt, dass die Zeitspanne von mindestens 13 Stunden an einem bestimmten Wochentag erreicht wird, trifft nicht zu. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Tarifvertragsparteien hätten mit der Definition der Schichtarbeit in § 7 Abs. 2 TVöD-AT an das bisherige Verständnis von Schichtarbeit im öffentlichen Dienst angeknüpft, trägt nicht. Allerdings fand sich das Erfordernis einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden auch in den Vorgängerregelungen zu § 7 Abs. 2 TVöD-AT. Ebenso wie § 24 Abs. 2 Buchst. c BMT-G II knüpften § 33a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb BAT und § 29a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb MTArb den Anspruch auf eine Schichtzulage daran, dass die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wurde. Die geforderte Stundenzahl musste nach den Vorgängerregelungen zu § 7 Abs. 2 TVöD-AT jedoch im Durchschnitt an den im Schichtplan vorgesehenen Arbeitstagen erreicht werden (vgl. BAG 10. April 2005 - 10 AZR 302/04 - AP BMT-G II § 24 Nr. 3; 14. Dezember 1993 - 10 AZR 368/93 - BAGE 75, 208). Im Gegensatz zu den Tarifvertragsparteien des TVöD hatten dies die Tarifvertragsparteien des BMT-G II in Satz 2 der Protokollerklärung zu § 24 Abs. 2 Buchst. b und c BMT-G II ausdrücklich bestimmt. Gleichlautende Formulierungen fanden sich in Satz 2 der Protokollnotiz zu § 33a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b BAT und in Satz 2 der Protokollnotiz zu § 29a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b MTArb. Anders als die Tarifvertragsparteien des TVöD hatten die Tarifvertragsparteien des BMT-G II auch den Begriff "Zeitspanne" eigenständig definiert. Sie hatten in Satz 1 der Protokollerklärung zu § 24 Abs. 2 Buchst. b und c BMT-G II ausdrücklich angeordnet, dass Zeitspanne die Zeit zwischen dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht innerhalb von 24 Stunden ist. Gleichlautende Formulierungen fanden sich in Satz 1 der Protokollnotiz zu § 33a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b BAT und in Satz 1 der Protokollnotiz zu § 29a Abs. 2 Satz 1 Buchst. b MTArb. Auf die Einschränkung "innerhalb von 24 Stunden" haben die Tarifvertragsparteien des TVöD verzichtet.

3. Im Wortlaut des § 7 Abs. 2 TVöD-AT, auf den es bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags zunächst ankommt (st. Rspr., vgl. BAG 11. Februar 2009 - 10 AZR 48/08 - mwN, ZTR 2009, 323), findet sich kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Zeitspanne von mindestens 13 Stunden an demselben Wochentag erreicht werden muss. § 7 Abs. 2 TVöD-AT spricht von einem regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit. Darauf, dass die Arbeitszeiten des Beschäftigten an einem bestimmten Tag in der Woche die erforderliche Zeitspanne abdecken müssen, stellt der Tarifwortlaut mit der Formulierung "tägliche Arbeitszeit" nicht ab.

4. Sinn und Zweck der Regelung in § 7 Abs. 2 TVöD-AT geben entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein anderes Auslegungsergebnis vor. Eine Schichtzulage soll dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren, dass die Schichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirkt und ihr Beginn oder ihr Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegt (BAG 8. Juli 2009 - 10 AZR 589/08 - PersR 2009, 422; 24. September 2008 - 10 AZR 106/08 - NZA 2008, 1424; 20. April 2005 - 10 AZR 302/04 - mwN, AP BMT-G II § 24 Nr. 3). Diese Funktion einer Abgeltung mit Schichtarbeit verbundener Erschwernisse erfüllt eine Schichtzulage auch bei Arbeitnehmern, die die tariflich geforderte Zeitspanne von mindestens 13 Stunden an unterschiedlichen Wochentagen erreichen. Arbeitet zB ein Beschäftigter montags stets in der Frühschicht von 6:00 Uhr bis 14:30 Uhr, dienstags stets in der Spätschicht von 14:30 Uhr bis 23:00 Uhr, mittwochs wieder in der Frühschicht und donnerstags wiederum in der Spätschicht, wirkt diese zeitversetzte Arbeit ebenso auf seinen Lebensrhythmus ein, wie wenn er nach einem Schichtplan an den einzelnen Wochentagen abwechselnd zur Früh- und Spätschicht herangezogen würde. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sie an die Verrichtung von Schichtarbeit den Anspruch auf eine Zulage knüpfen. Sie können eine Schichtzulage daran binden, dass nach einem Schichtplan ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird und der Arbeitnehmer wiederkehrend nach einem festen Muster in denselben Schichten eingesetzt wird (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 106/08 - aaO.). Legen sie für die Zeit zwischen dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht eine Mindeststundenzahl fest, können sie - wie die Tarifvertragsparteien der Vorgängerregelungen zu § 7 Abs. 2 TVöD-AT - bestimmen, dass Zeitspanne die Zeit zwischen dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht innerhalb von 24 Stunden ist oder dass eine durchschnittliche Zeitspanne maßgebend sein soll. Sie können aber auch - wie die Tarifvertragsparteien des TVöD - im Interesse der Straffung, Vereinfachung und Transparenz der tariflichen Regelung nur darauf abstellen, dass die Mindestzeitspanne einmal im Monat - auch an unterschiedlichen Wochentagen - erreicht wird, wenn sie dies für angemessen erachten.

Ende der Entscheidung

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