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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 21.09.2000
Aktenzeichen: 2 AZN 576/00
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 9 |
Ein Arbeitgeber kann eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG nur verlangen, wenn der geltend gemachte Kündigungssachverhalt lediglich nach § 1 KSchG wegen Sozialwidrigkeit zur Unwirksamkeit der Kündigung führt. Es ist aber unschädlich, wenn der Arbeitgeber zusätzlich weitere Kündigungssachverhalte geltend macht, die aus anderen Gründen die Unwirksamkeit der Kündigung begründen (Fortführung von BAG 9. Oktober 1979 - 6 AZR 1059/77 - BAGE 32, 122).
Aktenzeichen: 2 AZN 576/00 Bundesarbeitsgericht 2. Senat Beschluß vom 21. September 2000 - 2 AZN 576/00 -
I. Arbeitsgericht Urteil vom 28. Oktober 1998 Mannheim - 12 Ca 157/98 -
II. Landesarbeitsgericht Urteil vom 10. Februar 2000 Baden-Württemberg (Mannheim) - 19 Sa 10/99 -
BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS
In Sachen
Klägerin, Berufungsbeklagte und Beschwerdeführerin,
pp.
Beklagte, Berufungsklägerin und Beschwerdegegnerin,
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts am 21. September 2000 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 10. Februar 2000 - 19 Sa 10/99 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Streitwert: unverändert.
Gründe
Die Klägerin hat sich mit der Klage gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27. Januar 1998 gewendet. Das Landesarbeitsgericht hat auf den Hilfsantrag der Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1998 aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 30.000,00 DM an die Klägerin verurteilt. Die Revision hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts wegen Divergenz. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Beschwerde.
Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz ist nur dann begründet, wenn die von der Beschwerdeführerin dargelegten abstrakten Rechtssätze von dem anzufechtenden wie von dem angezogenen Urteil tatsächlich aufgestellt wurden und voneinander abweichen und das anzufechtende Urteil auf dem abweichenden Rechtssatz beruht (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG; BAG 15. Oktober 1979 - 7 AZN 9/79 - BAGE 32, 136). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, aus den Ausführungen des anzufechtenden Urteils ergebe sich unmittelbar und zwingend folgender abstrakter Rechtssatz:
"Ein Arbeitgeber kann eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG unabhängig von der Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 KSchG verlangen."
Damit weiche das anzufechtende Urteil von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 1979 - 6 AZR 1059/77 - (AP KSchG 1969 § 9 Nr. 4) ab, in der das Bundesarbeitsgericht folgenden Rechtssatz aufgestellt habe:
"Ein Arbeitgeber kann eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung lediglich nach § 1 KSchG sozialwidrig ist. Ist die Kündigung bereits aus anderen Gründen unwirksam, kann er einen Auflösungsantrag nicht stellen."
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht zwischen anzufechtender und angezogener Entscheidung schon deshalb keine Divergenz, weil das anzufechtende Urteil den von der Beschwerdeführerin formulierten abstrakten Rechtssatz nicht aufgestellt hat. Das anzufechtende Urteil geht vielmehr auf Seite 11 der Urteilsausfertigung ausdrücklich davon aus, daß "die Kündigung vom 27. Januar 1998 ... sozialwidrig ist und nicht auch an der Anhörung des Betriebsrats scheitert".
Wenn das anzufechtende Urteil die Kündigung wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats insoweit für unwirksam hält, als sie auf krankheitsbedingte Gründe gestützt wird, schließt dies die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 KSchG nicht aus. Für die Anwendung des § 9 KSchG, der die Sozialwidrigkeit der Kündigung voraussetzt (vgl. § 13 Abs. 3 KSchG) genügt es, wenn für einen Kündigungssachverhalt die Unwirksamkeit der Kündigung nur aus ihrer Sozialwidrigkeit iSv. § 1 Abs. 2 und 3 KSchG hergeleitet werden kann. Dies folgt schon daraus, daß der Arbeitgeber den Kündigungsgrund und Kündigungssachverhalt selbst bestimmen und im Kündigungsschutzprozeß jederzeit beschränken kann. Auch nach dem Sinn und Zweck des § 9 KSchG iVm. § 13 Abs. 3 KSchG genügt es für einen Auflösungsantrag des Arbeitgebers, wenn die Kündigung nur hinsichtlich eines Kündigungssachverhaltes allein wegen Sozialwidrigkeit unwirksam ist. Das Gesetz will dem Arbeitgeber die Vergünstigung des § 9 KSchG (Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung) nicht zubilligen, wenn die Unwirksamkeit der Kündigung aus Vorschriften außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes hergeleitet wird. Das trifft aber nicht auf einen Kündigungssachverhalt zu, bei dem die Unwirksamkeit der Kündigung nur auf ihre Sozialwidrigkeit im Kündigungsschutzgesetz gestützt werden kann. Der Arbeitgeber kann den Kündigungsgrund und seinen Auflösungsantrag auf einen solchen Kündigungssachverhalt beschränken. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dem Arbeitgeber die Vergünstigung des § 9 KSchG zu entziehen, wenn er die Kündigung zusätzlich auf weitere Kündigungsgründe stützt, die wegen Verstoßes gegen Vorschriften außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes nicht zur Wirksamkeit der Kündigung führen können.
Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.
Ende der Entscheidung
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