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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 23.06.2005
Aktenzeichen: 2 AZR 423/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO
Vorschriften:
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 2 | |
ArbGG § 9 Abs. 5 | |
ZPO § 234 Abs. 1 | |
ZPO § 234 Abs. 2 | |
ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2 |
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL
Verkündet am 23. Juni 2005
In Sachen
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Beratung vom 23. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bröhl und Schmitz-Scholemann sowie den ehrenamtlichen Richter Bühler und die ehrenamtliche Richterin Engel
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 8. Juli 2004 - 7 Sa 20/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten.
Der 1968 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger ist seit 1992 bei der Beklagten als Busfahrer zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 2.500,00 Euro beschäftigt. Nach vier Abmahnungen im Jahr 2002 kündigte die Beklagte dem Kläger mit Zustimmung des Betriebsrats durch Schreiben vom 12. November 2002 zum 31. Mai 2003. Kündigungsgrund war der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe am 27. September 2002 eine Radfahrerin mit seinem Bus mit überhöhter Geschwindigkeit überholt, sie durch plötzliches Einbiegen in die Haltebucht abgedrängt und dadurch gefährdet. Am 1. Oktober 2002 habe der Kläger eine Kreuzung überquert, obwohl die entsprechende Ampelanlage rot gezeigt habe. Dadurch seien die Fahrgäste gefährdet worden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 12. November 2002, zugestellt am 15. November 2002 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 5. Juni 2003 stattgegeben. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 5. Februar 2004 zugestellt. Die Beklagte hat am 5. März 2004 Berufung eingelegt und diese am 17. März 2004 begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Nach § 66 ArbGG nF beginne die Berufungsfrist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung. § 9 Abs. 5 ArbGG sei nicht mehr anzuwenden.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.
I. In Übereinstimmung mit den Entscheidungen des Achten Senats vom 28. Oktober 2004 - 8 AZR 492/03 - (AP ArbGG 1979 § 66 Nr. 29 = EzA ArbGG 1979 § 66 Nr. 38, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) und des Vierten Senats vom 3. November 2004 - 4 AZR 531/03 - geht der Senat davon aus, dass der Lauf der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist nach der Neufassung des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG bereits nach fünf und nicht entsprechend der bisherigen Rechtsprechung nach 17 Monaten seit Verkündung des erstinstanzlichen Urteils beginnen (16. Dezember 2004 - 2 AZR 611/03 -). Nur diese Gesetzesauslegung, die auch nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Neuregelung nahe liegt, dient der vom Gesetzgeber beabsichtigten Verfahrensbeschleunigung und ist geeignet, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass § 9 Abs. 5 ArbGG nur eine Belehrung über die Rechtsmittelfrist, nicht über die Begründungsfrist vorschreibt. Würde man an der bisherigen Rechtsprechung (17 Monate) festhalten, so ließe sich kaum das absurde Ergebnis vermeiden, dass dann der Beginn der Berufungsbegründungsfrist nach fünf Monaten, der der Berufungsfrist erst nach 17 Monaten einträte. Auf die ausführliche Begründung des Achten Senats in seinem Urteil vom 28. Oktober 2004 - 8 AZR 492/03 - (aaO) wird insoweit Bezug genommen.
II. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt im Unterschied zu dem schon vom Senat entschiedenen Verfahren - 2 AZR 611/03 - (16. Dezember 2004) nicht in Betracht. Die Beklagte hat keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 f. ZPO) wegen Versäumung der Berufungseinlegungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) scheidet aus. Die Beklagte hat jedenfalls die Antragsfrist (§ 234 Abs. 1, Abs. 2 ZPO) nicht eingehalten. Da die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 5. Juni 2003 begannen, sind sowohl die Berufung am 5. März 2004 als auch die Berufungsbegründung am 17. März 2004 geraume Zeit nach Ablauf der nach § 66 Abs. 1 ArbGG einzuhaltenden Fristen beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Entsprechender Sachvortrag, der eine Wiedereinsetzung von Amts wegen rechtfertigen könnte oder auch nur geeignet wäre, die Einhaltung der Antragsfrist darzulegen, fehlt. Nach dem Akteninhalt ist im Gegenteil davon auszugehen, dass die versäumten Prozesshandlungen nicht innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden sind, was einer Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO entgegensteht. Das am 5. Februar 2004 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil enthielt die richtige Rechtsmittelbelehrung, sowohl der Lauf der Berufungsfrist als auch der der Begründungsfrist beginne mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Ohne weiteren Sachvortrag der Beklagten ist davon auszugehen, dass mit der Zustellung dieser Rechtsmittelbelehrung das Hindernis, die Berufung einzulegen und zu begründen, jedenfalls behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Spätestens aus dieser Rechtsmittelbelehrung ergab sich, dass die Frist zur Einlegung der Berufung und die Frist zur Begründung der Berufung versäumt waren. Innerhalb der Antragsfrist nach § 234 Abs. 1 ZPO hätte die Beklagte deshalb die versäumten Prozesshandlungen nachholen müssen. Warum dies nicht geschehen ist, hat sie nicht dargelegt. Es reicht insoweit nicht aus, dass aktenkundig ist, dass sich die Beklagte in erster Instanz selbst vertreten hat. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Aktiengesellschaft, die durch einen Vorstand vertreten wird. Ein Betrieb dieser Größenordnung hat regelmäßig eine Rechtsabteilung, die Gesetzesänderungen Rechnung tragen kann und in der Lage ist, den Handlungsanweisungen einer gerichtlichen Rechtsmittelbelehrung zu folgen. Selbst unter Einbeziehung einer angemessenen Überlegungsfrist - eventuell zur Einholung von Rechtsrat - ist die Nachholung der versäumten Prozesshandlung nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO erheblich verspätet erfolgt.
III. Die Beklagte hat nach § 97 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Ende der Entscheidung
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