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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 05.04.2001
Aktenzeichen: 2 AZR 696/99
Rechtsgebiete: KSchG, GmbHG, HGB


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
GmbHG §§ 48 f.
HGB § 9 Abs. 3
Die unternehmerische Entscheidung zur Stillegung des Betriebes einer GmbH kann auch dann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmers sozial rechtfertigen, wenn ihr kein wirksamer Beschluß der Gesellschafter zugrunde liegt (Fortführung von BAG 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99).
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

2 AZR 696/99 18 (5) Sa 97/99

Verkündet am 5. April 2001

In Sachen

hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Rost, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bröhl und Dr. Fischermeier, die ehrenamtlichen Richter Dr. Fischer und Rosendahl für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 1999 - 18 (5) Sa 97/99 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über eine betriebsbedingte Kündigung.

Der am 25. Juni 1953 geborene Kläger war seit dem 1. Januar 1988 bei der ehemaligen Beklagten und jetzigen Gemeinschuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin als Systementwickler beschäftigt. Die Gemeinschuldnerin erbrachte Dienstleistungen auf dem Gebiet der Organisation, Datenerfassung, Datenverarbeitung und Datenverwaltung. Seit November 1996 war der Kläger nahezu ausschließlich mit dem Produkt B. und seinen zwei Derivaten VA. und L. beschäftigt. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin arbeiteten regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Aus dem Handelsregister ergibt sich, daß gemäß Eintragung vom 9. September 1998 Herr G. zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der ehemaligen Beklagten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bestellt war und gemäß Eintragung vom 12. Januar 1999 die Gesellschaft aufgelöst ist, H. und G. nicht mehr Geschäftsführer sind und Herr W. zum Liquidator bestellt ist.

Alleingesellschafterin der ehemaligen Beklagten und jetzigen Gemeinschuldnerin ist die V. Deutschland GmbH. Aus dem Handelsregister ergeben sich für diese gemäß Eintragung vom 23. September 1998 die Herren G. und F. als Geschäftsführer. Die Eintragung beruhte auf einem Gesellschafterbeschluß ihrer Alleingesellschafterin, der V. N.V., C., vom 15. Januar 1998. Nach dem Gesellschafterbeschluß wurden die Herren G. und F. mit dem Recht bestellt, die GmbH gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder Prokuristen zu vertreten. Durch Gesellschafterbeschluß der V. N.V., C., vom 9. November 1998 wurde die Bestellung von Herrn F. zum Geschäftsführer der V. Deutschland GmbH mit sofortiger Wirkung widerrufen und Herr W. mit sofortiger Wirkung zum weiteren Geschäftsführer bestellt.

Die ehemalige Beklagte hat ein Protokoll "Minutes of the Board of the DirectorŽs Meeting" der V. Europe Holding BV vom 14. August 1998 (Teilnehmer: W., K. und G.) vorgelegt, nach dem Übereinstimmung bestand, daß die Auflösung ("closure") der ehemaligen Beklagten nicht später als zum 31. Oktober 1998 stattfinden würde und Herr G. zum alleinvertretungsberechtigten "Managing Director" der ehemaligen Beklagten und jetzigen Gemeinschuldnerin bestellt wird.

Der Kläger hat den Entwurf eines Schreibens des Herrn G. vom 27. August 1998 an Geschäftsführer und Anteilseigner der ehemaligen Beklagten vorgelegt, in dem es heißt:

"I, G. hereby resign as Geschäftsführer of V. G. GmbH located in offices at St., D. R., Germany. This resignation ist effective immediately."

Mit Schreiben vom 23. September 1998 kündigte die ehemalige Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1999. Das Kündigungsschreiben ist von den Herren G. und W. unterzeichnet. Es wurde dem Kläger am 23. September 1998 gegen 17.00 Uhr übergeben. Mit Schreiben vom 28. September 1998, das der ehemaligen Beklagten am selben Tag um 10.00 Uhr zuging, erklärte der Kläger, er rüge die Vertretungsberechtigung der Unterzeichner des Schreibens vom 23. September 1998, die dort ausgesprochene Kündigung für die V. G. zu erklären.

Die ehemalige Beklagte kündigte auch die Arbeitsverhältnisse anderer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ein Teil von ihnen kündigte selbst und wechselte zur I. Deutschland OHG. Mit Schreiben vom 25. September 1998 kündigte die ehemalige Beklagte ferner den Mietvertrag über die von ihr angemieteten Räumlichkeiten. Das Kerngeschäft VA. wird nunmehr von einer holländischen Schwestergesellschaft erledigt. Die Arbeitsbereiche B. und L. wurden einer englischen Schwestergesellschaft übertragen.

Mit einem am 5. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sich der Kläger gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. Er hat vorgetragen, Herr G. habe sein Schreiben vom 27. August 1998 unterzeichnet, an die ehemalige Beklagte abgesandt, und es sei dieser auch zugegangen. Für die streitige Kündigung habe Herr G. deshalb die ehemalige Beklagte nicht wirksam vertreten können. Im Anschluß an Plander (NZA 1999, 505 ff.) hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil die ehemalige Beklagte die Stillegung ihres Betriebes nicht durch die hierfür zuständige Gesellschafterversammlung beschlossen habe. Da Herr G. die Alleingesellschafterin der ehemaligen Beklagten nicht allein habe vertreten können, habe er auch nicht allein über die Betriebsschließung entscheiden können. Tatsächlich existiere kein Stillegungsbeschluß. Falls überhaupt eine Stillegungsentscheidung der ehemaligen Beklagten vorliege, sei diese jedenfalls willkürlich. Auch könne er, der Kläger, in einem anderen Konzernunternehmen weiterbeschäftigt werden.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23. September 1998 mit Ablauf des 31. Januar 1999 nicht aufgelöst ist.

Die ehemalige Beklagte und jetzige Gemeinschuldnerin hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die V. Deutschland GmbH habe in einer Gesellschafterversammlung vom 22. September 1998 durch Herrn G. beschlossen, daß die Beklagte mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgelöst wird, die Betriebe in R. und Ba. zum 31. Oktober 1998 endgültig stillgelegt werden, Herr G. und Herr H. mit Ablauf des 31. Dezember 1998 nicht mehr Geschäftsführer sind und Herr W. zum alleinigen Liquidator bestellt wird. Im übrigen komme es auf einen wirksamen Gesellschafterbeschluß über die Betriebsstillegung nicht an. Die Entscheidung zur Betriebsstillegung sei auch nicht willkürlich und habe die streitige Kündigung sozial gerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos, das Landesarbeitsgericht hat jedoch die Revision zugelassen.

Nach Zustellung des Urteils des Berufungsgerichts am 24. November 1999 wurde am 3. Dezember 1999 über das Vermögen der ehemaligen Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. A. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger hat das Verfahren gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und verfolgt mit der Revision seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die streitige Kündigung im Ergebnis mit Recht für sozial gerechtfertigt erachtet (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, mit dem Handelsregisterauszug sei belegt, daß Herr G. die streitige Kündigung für die Beklagte habe erklären können. Dafür, daß entgegen dem Handelsregisterauszug Herrn G. die Vertretungsmacht gefehlt habe, habe der Kläger keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Zwar hätte die Entscheidung über die Betriebsstillegung eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses bedurft, um die streitige Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit habe Herr G. für die Alleingesellschafterin der Beklagten einen entsprechenden Beschluß allein nicht fassen können. Aus der fehlenden Zustimmung des Mitgeschäftsführers der V. Deutschland GmbH F. folge jedoch die Unwirksamkeit der streitigen Kündigung deshalb nicht, weil die Stillegungsentscheidung Herrn G.s nur schwebend unwirksam gewesen sei und später durch Herrn W., der Herrn F. als Geschäftsführer der V. Deutschland GmbH abgelöst habe, konkludent rückwirkend genehmigt worden sei. Auch gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Betriebsschließung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gewesen sei. Da der Kläger zudem keinen Anspruch auf eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen gehabt und er im übrigen eine solche konkrete Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht aufgezeigt habe, sei die streitige Kündigung sozial gerechtfertigt.

II. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, daß zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG eine Kündigung bedingen und sozial rechtfertigen können, insbesondere auch die Stillegung des Betriebes zählt, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Unter einer Betriebsstillegung ist die dauerhafte oder jedenfalls für eine wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeit erfolgende Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern zu verstehen. Auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung kommt in Betracht. Wird eine Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, kann sie nach der Rechtsprechung des Senats ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben sein (BAG 11. März 1998 - 2 AZR 414/97 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 99 mwN).

2. Wäre der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts zutreffend, daß die unternehmerische Entscheidung zur Stillegung des einzigen Betriebs bzw. aller Betriebe einer GmbH als Grundlage einer gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG betriebsbedingten Kündigung eines wirksamen Beschlusses der Gesellschafter bedürfte, so hätte ein solcher hier im Kündigungszeitpunkt allerdings nicht vorgelegen, weil Herr G. die Alleingesellschafterin der ehemaligen Beklagten, die V. Deutschland GmbH, nur gemeinsam mit dem damaligen Mitgeschäftsführer F. repräsentieren konnte. Daß Herr F. vor der streitigen Kündigung der Betriebsstillegung zugestimmt hatte, ist von der dann gem. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG beweispflichtigen ehemaligen Beklagten weder dargelegt worden noch ersichtlich.

3. Der Senat hält jedoch trotz der Kritik von Plander (NZA 1999, 505 ff.) im Grundsatz an seiner Rechtsprechung im Urteil vom 11. März 1998 (- 2 AZR 414/97 - aaO) fest, wonach eine Betriebsstillegung bei einer juristischen Person keines Beschlusses des für die Auflösung der Gesellschaft zuständigen Organs bedarf (zustimmend jetzt auch Kittner in Däubler/Kittner/Zwanziger KSchR 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 321). Zwar ist zutreffend, daß der Geschäftsführer einer GmbH im Innenverhältnis gesellschaftsrechtlich nicht befugt ist, die Entscheidung zur Stillegung des einzigen Betriebs bzw. aller Betriebe der Gesellschaft zu treffen und diese durchzuführen. Gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG hat er hierfür einen Beschluß der Gesellschafter (§ 48 GmbHG) herbeizuführen. Kündigungsrechtlich ist jedoch nicht entscheidend, ob er die unternehmerische Entscheidung zur Stillegung gesellschaftsrechtlich ohne wirksamen Gesellschafterbeschluß treffen darf, sondern ob er diese Entscheidung getroffen hat und ob im Zeitpunkt der hierauf gestützten Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Prognose gerechtfertigt war, daß es gemäß dieser Entscheidung planmäßig zur Betriebsstillegung kommen wird, zB weil die Gesellschafter sein Vorgehen nachträglich billigen oder weil sie es jedenfalls nicht beanstanden werden (insoweit zutreffend Plander aaO S. 510). Die unternehmerische Entscheidung zur Stillegung eines Betriebes durch ein Organ der Gesellschaft begründet also grundsätzlich dann ein dringendes betriebliches Erfordernis für Kündigungen gegenüber den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, wenn ungeachtet der Wirksamkeit gemäß den das Internum der Gesellschaft regelnden Normen im Kündigungszeitpunkt davon auszugehen ist, daß die Betriebsstillegung planmäßig erfolgen und nicht durch einzelne Gesellschafter oder durch andere Organe der Gesellschaft über den Kündigungstermin hinaus verzögert oder gar verhindert wird. Mit anderen Worten: Die "Wirksamkeit" der unternehmerischen Entscheidung zur Betriebsstillegung durch ein Organ der Gesellschaft ist zwar unter gesellschaftsrechtlicher Betrachtung eine Frage des Dürfens, kündigungsrechtlich aber eine Frage des Könnens. Ergibt eine Prognose im Kündigungszeitpunkt, daß die Entscheidung zur Betriebsstillegung tatsächlich durchgeführt wird und deshalb für den gekündigten Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehen wird, ist die Kündigung grundsätzlich im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Die Überschreitung des gesellschaftsrechtlich internen Dürfens durch das die Betriebsstillegung betreibende Organ der Gesellschaft würde unter diesen Umständen nur dann auf die Wirksamkeit der Kündigung durchschlagen, wenn die Rechtsordnung dies zum Schutz der Arbeitnehmer, also extern, vorsehen würde. ZB findet das die internen gesellschaftsrechtlichen Bindungen überschreitende Handeln von Geschäftsführern extern dann keine rechtliche Anerkennung, wenn entsprechende Rechtsgeschäfte im kollusiven Zusammenwirken mit Kontrahenten der Gesellschaft vorgenommen werden (vgl. Rowedder/Koppensteiner GmbHG 3. Aufl. § 37 Rn. 52 mwN). Gewöhnlich sind aber auch satzungswidrige Rechtsgeschäfte eines Geschäftsführers von dessen Vertretungsbefugnis gedeckt (vgl. Rowedder/Koppensteiner aaO Rn. 44). Daß eine unternehmerische Entscheidung zur Betriebsstillegung, deren planmäßige Durchführung prognostiziert werden kann, als Grundlage für darauf gestützte betriebsbedingte Kündigungen untauglich ist, läßt sich weder gesellschaftsrechtlichen noch spezifisch arbeitsrechtlichen Vorschriften entnehmen. Insbesondere bezweckt § 49 Abs. 2 GmbHG nur den Schutz der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter, nicht dagegen den der Arbeitnehmer.

Vorliegend hatte "the Board of Directors" der V. Europe Holding B.V. am 14. August 1998 den Beginn der Liquidation der ehemaligen Beklagten und damit die Stillegung ihres Betriebes spätestens zum 1. Januar 1999 beschlossen. Damit bestand unter Berücksichtigung der Abhängigkeiten der untergeordneten Gesellschaften im Kündigungszeitpunkt keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß die von Herrn G. als Geschäftsführer der ehemaligen Beklagten und ihrer Alleingesellschafterin festgelegte Betriebsstillegung zum 31. Oktober 1998 hätte verhindert oder auch nur verzögert werden können, erst recht nicht über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus. Auch für eine etwaige abweichende Meinung des Mitgeschäftsführers der V. Deutschland GmbH F. bestand keine realistische Durchsetzungschance; seiner eventuellen Verweigerung wäre voraussichtlich mit seiner Abberufung begegnet worden, wobei es keiner Sachverhaltsaufklärung bedarf, ob die tatsächlich am 9. November 1998 vorgenommene Abberufung aus einem solchen Grund erfolgte. Die unternehmerische Entscheidung durch Herrn G. zur Betriebsstillegung noch vor Ablauf der Kündigungsfrist war damit grundsätzlich geeignet, die streitige Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial zu rechtfertigen, denn sie hatte im Protokoll vom 14. August 1998 und in dem schriftlichen Beschluß vom 22. September 1998 bereits greifbare Formen angenommen (vgl. BAG 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70).

4. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß Herr G. auch befugt war, die ehemalige Beklagte bei Erklärung der streitigen Kündigung allein zu vertreten. Dies folgt aus dem vorgelegten Auszug des Handelsregisters und der danach zum 9. September 1998 erfolgten Eintragung Herrn G.s als Geschäftsführer (§ 9 Abs. 3 HGB). Zwar hat der Kläger den Entwurf eines Rücktrittsschreibens Herrn G.s vom 27. August 1998 vorgelegt und behauptet, dieses habe Herr G. unterzeichnet und abgesandt und es sei der ehemaligen Beklagten auch zugegangen. Die ehemalige Beklagte hat jedoch vorgetragen, es habe sich insoweit um bloße Überlegungen gehandelt, die nicht realisiert worden seien. Vor dem Hintergrund dieser Einlassung der ehemaligen Beklagten hätte der Kläger sein Vorbringen weiter substantiieren müssen, zumal Herr G. in der Folgezeit nicht nur bei der streitigen Kündigung, sondern unstreitig mehrfach als Geschäftsführer der ehemaligen Beklagten aufgetreten ist, ohne daß dies von der Alleingesellschafterin der Beklagten oder übergeordneten Konzernunternehmen beanstandet worden wäre. Der Kläger hat jedoch nicht einmal ansatzweise erläutert, aus welchen ihm bekannten Tatsachen sich ergeben soll, daß, wann und unter welchen Umständen es wirklich vor der streitigen Kündigung zur Unterzeichnung, zur Absendung und zum Zugang des genannten Schreibens kam. Es mag durchaus sein, daß der Kläger insoweit nicht von allen Einzelheiten Kenntnis hatte oder haben konnte. Zumindest hätte er aber erläutern müssen, woraus er seine Gewißheit für die aufgestellten Behauptungen bezog. Dies hat der Kläger jedoch unterlassen. Seine Behauptung war somit vor dem Hintergrund des Vorbringens der ehemaligen Beklagten "ins Blaue" gerichtet, eine gleichwohl durchgeführte Beweisaufnahme hätte einen unzulässigen Ausforschungsbeweis bedeutet. Erst bei weiterer Substantiierung der Behauptungen des Klägers und einem entsprechenden Beweisergebnis wäre die ehemalige Beklagte gehalten gewesen, nun ihrerseits einen "Rücktritt vom Rücktritt" bzw. eine Neubestellung Herrn G.s zum Geschäftsführer vor Erklärung der streitigen Kündigung näher darzulegen.

5. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die unternehmerische Entscheidung zur Betriebsstillegung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gewesen sei, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn die Beklagte selbst kein betriebswirtschaftlich unbefriedigendes Ergebnis aufgewiesen haben sollte, könnte die Betriebsstillegung unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Konzerns und der sich aus der Stillegung ergebenden Verlagerungen geschäftlicher Aktivitäten auf andere zum Konzern gehörende Gesellschaften unternehmerisch sinnvoll gewesen sein. Die Revision hat insoweit auch keine Rügen mehr erhoben. Gleiches gilt für die prinzipielle und für die auf den konkreten Fall bezogene Verneinung einer gegenüber der streitigen Kündigung vorrangigen Weiterbeschäftigungspflicht in einem anderen Unternehmen des Konzerns durch das Berufungsgericht.

Ende der Entscheidung

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