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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 3 AZB 36/07
Rechtsgebiete: ZPO, RVG
Vorschriften:
ZPO § 91 | |
RVG § 15 Abs. 1 | |
RVG § 16 Nr. 13 | |
RVG § 16 Nr. 15 | |
RVG § 19 Abs. 1 Satz 1 | |
RVG § 19 Abs. 1 Satz 2 |
BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS
In Sachen
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 14. November 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 22. Juli 2007 - 3 Ta 25/06 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I. Die Beschwerde betrifft die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach dem RVG für das Berufungsverfahren.
Die Parteien haben, bereits von ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten, gegeneinander einen Kündigungsschutzprozess geführt. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil enthielt eine Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass eine Berufung mit einer Berufungsschrift einzulegen sei, die entweder von einem Rechtsanwalt oder einem Verbandsvertreter unterzeichnet sein muss.
Am 11. Mai 2006 legte der Kläger persönlich gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein. Diese wurde der Beklagten zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugestellt. Gleichzeitig wurde diesem die Durchschrift eines Schreibens des Vorsitzenden der Berufungskammer zugeleitet, das dieser unter dem 17. Mai 2006 an den Kläger gerichtet hatte. Es lautet ua.:
"Sie haben mit Schreiben vom 11. Mai 2006 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. April 2006 - 1 Ca 483/05 - Berufung eingelegt.
Diese Berufung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wie Sie der Rechtsmittelbelehrung auf Seite 7 des Urteils entnehmen können, muss die Berufungsschrift von einem Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft unterschrieben sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Rechtsmittelbelehrung auf Seite 7 des Urteils verwiesen. Diese Voraussetzungen erfüllt die von Ihnen persönlich unterzeichnete Berufung nicht.
Die eingelegte Berufung ist deshalb als unzulässig zu verwerfen. Es ist beabsichtigt, eine entsprechende Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu treffen.
Sie können hierzu binnen einer Woche Stellung nehmen. Zur Vermeidung höherer Kosten wird anheim gestellt, die Berufung zurückzunehmen."
Am 7. Juni 2006 nahm der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten die Berufung vom 11. Mai 2006 zurück. Die Kosten des Berufungsverfahrens legte das Berufungsgericht durch Beschluss vom 8. Juni 2006 dem Kläger auf.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2006, dem Kläger für die Berufungsinstanz gem. § 104 ZPO erstattungsfähige Kosten in Höhe einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG sowie eine Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 dieses Verzeichnisses iHv. insgesamt 258,70 Euro verzinslich festzusetzen. Sie hat behauptet, ihre Prozessbevollmächtigten am 19. Mai 2006 mit Tätigkeiten im Berufungsverfahren beauftragt zu haben. Die Bevollmächtigten seien im Rahmen des Auftrags auch bereits tätig gewesen, indem sie einen Schriftsatz zum Antrag auf Zurückweisung der Berufung und eines Wiedereinsetzungsantrages vorbereitet, mit ihr die Sache erörtert und sie darauf hingewiesen hätten, im Falle eines erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrages sei mit einem Verfahrensende im Jahre 2008 zu rechnen, es bestehe bei Zulässigkeit der Berufung in der Sache ein gewisses Risiko.
Das Arbeitsgericht hat die veranschlagten Gebühren festgesetzt. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht diesen Beschluss abgeändert und die Festsetzung abgelehnt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten ihres Prozessbevollmächtigten.
1. Durch die Weiterleitung der vom Kläger eingelegten Berufung sowie der Durchschrift des an den Kläger gerichteten Schreibens der Berufungskammer sind keine Gebühren entstanden, so dass diese auch nicht erstattungsfähig sein können.
Nach § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Anfang bis zur Erledigung der Angelegenheit. Das erstinstanzliche Prozessverfahren und das Rechtsmittelverfahren bilden dabei jeweils eine eigene Angelegenheit (§ 16 Nrn. 13 und 15 RVG). Zum jeweiligen Rechtszug gehören dabei auch Neben- und Abwicklungstätigkeiten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 RVG). In § 19 Abs. 1 Satz 2 RVG hat der Gesetzgeber anhand von Regelbeispielen - "insbesondere" - Tätigkeiten aufgeführt, die er als zum Rechtszug gehörig ansieht. Nach Nr. 9 dieser Bestimmung gehört dazu auch die Inempfangnahme von Rechtsmittelschriften - hier also der Berufungsschrift des Klägers - und ihre Mitteilung an den Auftraggeber. Die Inempfangnahme des Schreibens des Vorsitzenden der Berufungskammer und seine Mitteilung an die Beklagte stehen dem letztlich gleich, so dass ebenfalls eine Neben- und Abwicklungstätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG vorliegt. Dieses Schreiben diente letztlich nur dazu, dass die Beklagte die Bedeutung der Rechtsmittelschrift vollständig erfassen konnte, was im Normalfall einer formgerechten Rechtsmittelschrift unmittelbar durch deren Weiterleitung gewährleistet ist.
2. Soweit - was unter Zugrundelegung des Vortrages der Beklagten nahe liegt - auf Grund der späteren Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten Gebühren im Berufungsverfahren entstanden sind, sind sie nicht erstattungsfähig.
a) Wird die Berufung - wie hier - zurückgenommen, hat der Berufungskläger die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen (§ 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Bei der Frage, welche Kosten "durch" das Rechtsmittel "entstanden" sind, ist auf allgemeine Grundsätze zurückzugreifen. Danach gilt die Regel des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten, insbesondere die dem Gegner erwachsenden Kosten zu erstatten hat, "soweit dies zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war". Wenn § 91 Abs. 2 ZPO vorsieht, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten sind, liegt darin keine die Regelung in Abs. 1 verdrängende Spezialregelung. Vielmehr ist jede Prozesspartei aus dem Prozessrechtsverhältnis verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer rechtlichen Belange vereinbaren lässt. Diese Verpflichtung beherrscht als Ausdruck von Treu und Glauben das gesamte Kostenrecht (BGH 2. Mai 2007 - XII ZB 156/06 - MDR 2007, 1160, zu II 2 a und b der Gründe).
b) Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes in der Rechtsmittelinstanz ist dann notwendig in diesem Sinne, wenn eine verständige Prozesspartei ebenfalls einen Anwalt beauftragen würde. Das ist dann der Fall, wenn sie als Rechtsmittelgegner anwaltlichen Rat in einer als risikobehaftet empfundenen Situation für erforderlich halten darf (BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02 - NJW 2003, 756, zu II 3 c der Gründe). Im Normalfall bedeutet dies, dass der Rechtsmittelgegner einen Prozessbevollmächtigten bereits dann einschalten darf, wenn ein Rechtsmittel eingelegt ist (BAG 16. Juli 2003 - 2 AZB 50/02 - NZA 2003, 1293, zu II 2 b der Gründe; BGH 17. Dezember 2002 - X ZB 9/02 - aaO). Wie das Landesarbeitsgericht indes zu Recht angenommen hat, liegt ein derartiger Normalfall hier nicht vor. Durch die Übermittlung des Begleitschreibens des Vorsitzenden der Berufungskammer war für die Beklagte klar, dass sie sich nicht in einer risikobehafteten Situation befand, sondern die Berufung ohne Weiteres als unzulässig verworfen werden würde, soweit keine weitere Entwicklung einträte. Eine Notwendigkeit, bereits auf Kosten des Gegners einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, bestand daher nicht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Ende der Entscheidung
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