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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 22.04.2009
Aktenzeichen: 3 AZB 97/08
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG
Vorschriften:
ZPO § 137 Abs. 1 | |
ZPO § 251 | |
ZPO § 252 | |
ZPO § 269 Abs. 3 | |
ZPO § 269 Abs. 4 | |
ZPO § 269 Abs. 5 | |
ArbGG § 54 Abs. 1 | |
ArbGG § 54 Abs. 5 | |
ArbGG § 55 Abs. 3 |
BUNDESARBEITSGERICHT BESCHLUSS
In Sachen
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts am 22. April 2009 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Oktober 2008 - 4 Ta 343/08 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I. Die Parteien streiten darüber, ob ein zwischen ihnen geführtes Verfahren über Altersteilzeitvergütung durch eine Klagerücknahmefiktion beendet wurde.
Der Kläger hat die Vergütung mit Klageschrift vom 22. Oktober 2007 geltend gemacht. Am 3. Dezember 2007 fand die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht statt. Ausweislich des Protokolls erschienen für den Kläger eine gewerkschaftliche Rechtssekretärin und für die Beklagte deren Personalreferent und ein Verbandsvertreter des Arbeitgeberverbandes. Im Protokoll heißt es dann weiter:
"Auf Vorschlag der Parteivertreter wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen b. u. v.
Das Ruhen des Verfahrens wird angeordnet."
Unter dem 4. Juni 2008, eingegangen beim Arbeitsgericht am selben Tag, also sechs Monate und einen Tag später, rief der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte das Verfahren wieder auf. Nachdem das Arbeitsgericht zunächst Kammertermin anberaumt hatte, vertrat es dann in einem Schreiben an die Parteivertreter die Ansicht, die Klage gelte als zurückgenommen, so dass der Kammertermin aufzuheben sei. Dementsprechend hob es nach Stellungnahme der Parteien den Termin durch Beschluss auf und sprach aus, dass die Klage als zurückgenommen gilt.
Auf Beschwerde des Klägers hob das Landesarbeitsgericht diesen Beschluss auf und gab dem Arbeitsgericht auf, Kammertermin anzuberaumen und die streitige Verhandlung vorzubereiten. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Gegen die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde, und daran anknüpfend auch der Rechtsbeschwerde (§ 78 ArbGG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO), bestehen keine Bedenken. Das ergibt sich aus einer erweiternden Anwendung von § 252 ZPO.
Nach dieser Bestimmung ist gegen die Entscheidung, durch die aufgrund von gesetzlichen Vorschriften ua. die Aussetzung des Verfahrens angeordnet wird, die sofortige Beschwerde statthaft. Wenn sogar gegen die - ihrer Natur nach vorübergehende - Aussetzung des Verfahrens das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, muss dies erst recht gelten, wenn durch eine gerichtliche Entscheidung das Verfahren nicht nur ausgesetzt, sondern seine Beendigung festgestellt wird. Dass damit ein im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenes Rechtsmittel eröffnet wird, ist unschädlich. Aus dem Rechtsstaatsgebot folgt allerdings das Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - zu C IV 2 der Gründe, BVerfGE 107, 395). Dieses Gebot führt aber nicht dazu, dass von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsbehelfe von Verfassungswegen unzulässig sind (BVerfG 25. November 2008 - 1 BvR 848/07 - zu B I 1 b bb (1) der Gründe, NJW 2009, 829). Vielmehr ist es möglich, soweit dafür Anhaltspunkte im Gesetz gegeben sind, Rechtsmittel für statthaft zu halten. So sind Rechtsmittel dann zulässig, wenn die Voraussetzungen einer Analogie vorliegen (dazu BAG 25. November 2008 - 3 AZB 64/08 - zu B II 2 b bb der Gründe, NJW 2009, 1161). Ebenso ist ein Erst-recht-Schluss - hier argumentum a minori ad majus - zulässig, soweit seine Voraussetzungen vorliegen.
2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Klagerücknahmefiktion des § 54 Abs. 5 ArbGG nicht eingetreten ist.
Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien in der Güteverhandlung nicht erscheinen oder nicht verhandeln. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist auf Antrag einer Partei Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen. Dieser Antrag kann jedoch nur innerhalb von sechs Monaten nach der Güteverhandlung gestellt werden. Nach Ablauf dieser Frist gelten die Regeln des § 269 Abs. 3 bis 5 ZPO über die Wirkungen der Klagerücknahme entsprechend (§ 54 Abs. 5 Satz 2 bis 4 ArbGG). Diese Folgen sind hier jedoch nicht eingetreten. Vielmehr sind beide Parteien in der Güteverhandlung nicht nur erschienen, sie haben auch verhandelt:
Das Gesetz definiert nicht näher, wann die Parteien im Sinne der Bestimmung verhandeln, jedoch kann es nicht darauf ankommen, dass sie - wie dies § 137 Abs. 1 ZPO für die Einleitung der mündlichen Verhandlung vorsieht - ihre Anträge stellen (vgl. zu dieser Regelung: BAG 4. Dezember 2002 - 5 AZR 556/01 - BAGE 104, 86; 23. Januar 2007 - 9 AZR 492/06 - zu II 1 der Gründe, BAGE 121, 67). Das folgt daraus, dass in der Güteverhandlung eine Antragstellung überhaupt nicht möglich ist. Selbst dann, wenn die Parteien eine Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden beantragen, ist dies nur in der Verhandlung, die sich unmittelbar an die Güteverhandlung anschließt, nicht jedoch in der Güteverhandlung selbst möglich (§ 55 Abs. 3 ArbGG).
Demgemäß ist für die Frage, ob die Parteien verhandeln, auf den Zweck der Güteverhandlung abzustellen. Dieser besteht nach § 54 Abs. 1 ArbGG darin, eine gütliche Einigung der Parteien herbeizuführen. Die Parteien verhandeln deshalb im Sinne von § 54 Abs. 5 Satz 1 ArbGG dann, wenn sie bezogen auf diesen Zweck Erklärungen abgeben. Weitergehende Anforderungen können nicht gestellt werden. Insbesondere kann es nicht darauf ankommen, ob die Parteien "ausreichend verhandeln wollen" (so aber Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl.§ 54 Rn. 59). Es liegt allein in der Entscheidung der Parteien, was sie als ausreichendes Verhandeln ansehen oder nicht.
Weitergehende Anforderungen an die Parteien ergeben sich auch nicht aus § 54 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, wonach der Vorsitzende zum Zwecke der gütlichen Einigung das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern hat. Diese Bestimmung richtet sich allein an den Vorsitzenden, nicht an die Parteien.
Wenn die Parteien deshalb übereinstimmend das Ruhen des Verfahrens wegen laufender Vergleichsverhandlungen beantragen, wie dies hier aufgrund der Beweiskraft des Protokolls der Güteverhandlung (§ 165 ZPO) feststeht, haben sie gegenüber dem Gericht eine vergleichsbezogene Mitteilung gemacht und damit im hier maßgeblichen Sinne verhandelt. Wenn das Gericht deshalb danach das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat, rechtfertigte sich dies nicht aus § 54 Abs. 5 Satz 1 ArbGG, sondern aus § 251 ZPO.
Da somit der gemeinsame Antrag der Parteien auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens nach § 251 ZPO ein Verhandeln im Sinne von § 54 Abs. 5 ArbGG darstellt, stellt sich die Frage, ob § 54 Abs. 5 ArbGG eine Spezialregelung gegenüber § 251 ZPO ist, nicht (aA BDF/Creutzfeldt ArbGG 5. Aufl. § 54 Rn. 18).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO und dem Rechtsgedanken des § 96 ZPO.
Ende der Entscheidung
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