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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.12.1998
Aktenzeichen: 3 AZR 239/97
Rechtsgebiete: BeschFG, TVG, Manteltarifvertrag f. Arbeiter u. Angestellte d. Metallindustrie
Vorschriften:
BeschFG § 2 Abs. 1 | |
BeschFG § 6 | |
TVG § 1 Tarifverträge/Metall | |
Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990 § 9 | |
Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990 § 10 |
1. Eine tarifvertragliche Bestimmung, die für einzelne Arbeitsstunden in einer bestimmten zeitlichen Lage Spätarbeits- und Nachtarbeitszuschläge vorsieht, kann Teilzeitkräfte von diesem Anspruch nicht ausnehmen. Eine entgegenstehende Vorschrift ist wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG nichtig.
2. Die durch die tarifliche Regelung benachteiligten Teilzeitkräfte haben Anspruch auf die Zuschläge, die vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer für Spät- und Nachtarbeit erhalten.
Aktenzeichen: 3 AZR 239/97 Bundesarbeitsgericht 3. Senat Urteil vom 15. Dezember 1998 - 3 AZR 239/97 -
I. Arbeitsgericht Stuttgart - 19 Ca 3156/95 - Urteil vom 29. Februar 1996
II. Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5 Sa 57/96 - Urteil vom 14. Februar 1997
---------------------------------------------------------------------- Für die Amtliche Sammlung: Ja Für die Fachpresse : Ja Für das Bundesarchiv : Nein ----------------------------------------------------------------------
Entscheidungsstichworte: Tariflicher Ausschluß von Teilzeitkräften von Spätarbeits- und Nachtarbeitszuschlägen
Gesetz: BeschFG § 2 Abs. 1, § 6; TVG § 1 Tarifverträge: Metall; Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte der Metall- industrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990 §§ 9, 10
3 AZR 239/97 5 Sa 57/96 Baden-Württemberg
Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 15.Dezember 1998
Kaufhold, Regierungssekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In Sachen
pp.
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Heither, die Richter Kremhelmer und Bepler sowie die ehrenamtlichen Richter Reissner und Schoden für Recht erkannt:
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14. Februar 1997 - 5 Sa 57/96 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die in der Industriegewerkschaft Metall organisierten, teilzeitbeschäftigten Klägerinnen Anspruch auf Zuschläge für Spät- und Nachtarbeit aus dem Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 5. Mai 1990 (MTV) haben.
In diesem Tarifvertrag heißt es u.a.:
"§ 9
Zuschlagspflichtige Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
9.1 Zuschlagspflichtige Mehrarbeit liegt insoweit vor, als die Arbeitszeit -
bei Vollzeitbeschäftigten, die im Rahmen der Verteilung vereinbarte tägliche und wöchentliche Arbeitszeit übersteigt,
...
-
bei Teilzeitbeschäftigten die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gem. § 7.1 übersteigt.
...
9.4 Zuschlagspflichtige Nachtarbeit ist die in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeit.
9.5 Zuschlagspflichtige Spätarbeit liegt vor, wenn die regelmäßige Arbeitszeit nach 12.00 Uhr beginnt und nach 19.00 Uhr endet.
...
§ 10
Höhe der Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit
Folgende Zuschläge werden gezahlt:
...
10.2 Spätarbeit
Für jede Spätarbeitsstunde zwischen 12.00 Uhr und 19.00 Uhr gemäß § 9.5 20 %
Ausgenommen sind alle Teilzeitbeschäftigten.
10.3 Nachtarbeit
10.3.1. Für jede Nachtarbeitsstunde zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr gemäß § 9.4 30 %
Ausgenommen sind Teilzeitbeschäftigte außerhalb der Fertigung..."
Die Klägerinnen waren ursprünglich vollschichtig als Packerinnen in der Abteilung Ersatzteilwesen bei der im Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. organisierten Beklagten beschäftigt. Diese Abteilung gehört nicht zum Fertigungsbereich. Im Herbst 1990 warb die Beklagte für einen Wechsel von Voll- auf Teilzeit in Form des Job-Sharings. Daraufhin wechselten die Klägerinnen zu 1., 2. und 5. im Jahre 1991, die Klägerin zu 3. im Jahre 1992, die Klägerin zu 4. im Jahre 1994 unter im einzelnen streitigen Umständen in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bei im übrigen unveränderter Tätigkeit. Diese Klägerinnen leisten ihre Teilzeit in der Form, daß sie zwei Wochen lang jeweils zwei Tage pro Woche und dann zwei Wochen lang jeweils drei Tage pro Woche in voller Wechselschicht arbeiten. Sie leisten dabei entweder in der Frühschicht Arbeit in der Zeit zwischen 5.45 Uhr und 14.05 Uhr oder in der Spätschicht in der Zeit von 14.15 Uhr bis 22.35 Uhr. Bis Mai 1994 einschließlich erhielten die Klägerinnen Nacht- und Spätarbeitszuschläge in der sich aus §§ 9, 10 MTV ergebenden Höhe. Seit Juni 1994 zahlt die Beklagte die Zuschläge nicht mehr. Im Dezember 1994 machten die Klägerinnen erfolglos die nach ihrer Auffassung ausstehenden Zuschläge geltend.
Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen die Zahlung von Spät- und Nachtarbeitszuschlägen für die Monate September 1994 bis Februar 1995 in rechnerisch unstreitiger Höhe geltend gemacht und die Feststellung angestrebt, daß die Beklagte auch in Zukunft zu entsprechenden Zahlungen verpflichtet sei. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag der Klägerinnen, zu dessen Ergänzung die Beklagte mit gleichlautenden Schreiben vom 22. Juni 1994 nicht nur Tätigkeit, Abteilung und allgemeine Lohnhöhe, sondern auch mitgeteilt habe: "Für Spät-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit kommen die tariflichen Zuschläge hinzu. Über Änderungen des betrieblichen Schichtplans werden Sie jeweils rechtzeitig informiert."
Der Anspruch auf die Zuschläge bestehe im übrigen auch deshalb, weil der Anspruchsausschluß in den einschlägigen Tarifnormen gegen § 2 Abs. 1 BeschFG und Art. 119 EG-Vertrag verstoße. Es gebe keinen die Ungleichbehandlung rechtfertigenden sachlichen Grund, der über unterschiedlichen Umfang der Arbeitsleistung hinausgehe. Der Tatbestand der mittelbaren Diskriminierung sei erfüllt, weil bei der Beklagten - wie auch im allgemeinen - Frauen den weitaus größten Anteil unter den Teilzeitbeschäftigten ausmachten.
Die Klägerinnen haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie die im einzelen errechneten unstreitigen rückständigen Zuschläge zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Beklagte auch über den Monat Februar 1995 hinaus verpflichtet ist, an die Klägerinnen - ungeachtet ihrer Tätigkeit als Teilzeitbeschäftigte außerhalb der Fertigung - Spät- und Nachtarbeitszuschläge in der tariflich festgelegten Höhe zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Klägerinnen hätten weder einen arbeitsvertraglichen noch einen tarifvertraglichen Anspruch auf die streitigen Zuschläge. Im Schreiben vom 22. Juni 1994 sei lediglich auf die tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen verwiesen worden. Hiernach hätten die Klägerinnen aber gerade keinen Anspruch. Die Klägerinnen hätten auch von ihren Vorgesetzten keine Zusagen in dieser Richtung erhalten. Daß zunächst weiterhin Zuschläge für Nacht- und Spätarbeit gezahlt worden seien, habe auf einem Irrtum beruht, der im Mai 1994 entdeckt worden sei.
Die tarifliche Regelung verstoße weder gegen § 2 Abs. 1 BeschFG noch gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung. Der rechtfertigende Grund für die Ungleichbehandlung liege im unterschiedlichen Umfang der Arbeitsleistung, der es zwangsläufig mit sich bringe, daß die Belastung der Arbeitnehmer unterschiedlich groß sei. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, daß eine Vollzeitkraft im Schichtbetrieb, besonders durch Spät- und Nachtarbeit, stärker belastet werde als eine entsprechend tätige Teilzeitkraft mit geringerer Wochenstundenzahl. Daß dies Grundlage der tariflichen Regelungen sei, ergebe sich aus der Bestimmung, daß innerhalb des Fertigungsbereichs, wo besondere Belastungen herrschten, die Zuschlagspflicht für Nachtarbeit auch zugunsten von Teilzeitkräften gelte. Eine mittelbare Diskriminierung liege nicht vor, weil von den tariflichen Ausnahmeregelungen auch teilzeitbeschäftigte Männer betroffen seien. Die Ungleichbehandlung beruhe nur auf der unterschiedlichen Belastung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten. Es werde auch bestritten, daß bei der Beklagten Frauen den "weitaus größten Teil" der Teilzeitbeschäftigten bildeten.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben nach den Klageanträgen entschieden. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageanträgen zu Recht entsprochen. Der Ausschluß der Teilzeitkräfte vom Anspruch auf Spät- und Nachtarbeitszuschläge verstößt gegen § 2 Abs. 1 BeschFG. Dies führt zum Wegfall der diskriminierenden tariflichen Regelung, so daß die Klägerinnen den geltend gemachten Anspruch aus den tarifvertraglichen Grundnormen § 10.2 und § 10.3.1 in Verb. mit § 9.4 und § 9.5 MTV haben.
I. § 2 Abs. 1 BeschFG 1985, der es dem Arbeitgeber verbietet, einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich zu behandeln, findet auf tarifvertragliche Regelungen Anwendung. Gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstoßende Tarifnormen sind unwirksam. § 6 Abs. 1 BeschFG steht dem nicht entgegen. Dort heißt es zwar, von den Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Beschäftigungsförderungsgesetzes könne auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers durch Tarifvertrag abgewichen werden. Mit dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber für die Tarifvertragsparteien aber die Regelungsmacht nur in einem Umfang eröffnet, der nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Diese jeder gesetzlichen Ermächtigung innewohnende Begrenzung gilt insbesondere im Verhältnis zu § 2 Abs. 1 BeschFG. Auch die Tarifvertragsparteien können nicht gegen die fundamentale Gerechtigkeitsnorm verstoßen, die der Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG) darstellt, der im § 2 Abs. 1 BeschFG nur einen einfachgesetzlichen Ausdruck gefunden hat (BAG Beschluß vom 29. August 1989 - 3 AZR 370/88 - BAGE 62, 334, 338 = AP Nr. 6 zu § 2 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 17. Juni 1993 - 6 AZR 620/92 - BAGE 73, 262, 267 = AP Nr. 32 zu § 2 BeschFG 1985, zu B II 3 der Gründe; vom 9. März 1994 - 4 AZR 301/93 - BAGE 76, 90, 100 = AP Nr. 31 zu § 23 a BAT, zu II 3 a der Gründe; zuletzt vom 9. Oktober 1996 - 5 AZR 338/95 - BAGE 84, 222, 230 = AP Nr. 50 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 b der Gründe).
II. Der auf § 10 MTV gestützte Ausschluß der Teilzeitkräfte von Ansprüchen auf Spätarbeits- und Nachtarbeitszuschläge behandelt die Teilzeitkräfte gegenüber Vollzeitkräften zum Nachteil der Teilzeitkräfte unterschiedlich, ohne daß es für ihre unterschiedliche Behandlung einen sachlichen Grund gibt.
1. Die Klägerinnen erhalten für die von ihnen regelmäßig geleisteten Spät- und Nachtarbeitsstunden keinen Zuschlag, während Vollzeitarbeitskräfte für die Arbeit während derselben Stunden der Woche Zuschläge erhalten. Damit unterscheidet sich der vorliegend zu entscheidende Rechtsstreit von den Urteilen des Senats zum Anspruch auf tarifliche Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte (Senatsurteile vom 20. Juni 1995 - 3 AZR 539/93 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Nährmittelindustrie, mit Anm. Schüren, und - 3 AZR 684/93 - BAGE 80, 173 = AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Chemie, mit Anm. Gerlind Wisskirchen). Es geht um das Arbeitsentgelt für die gleiche Arbeit in zeitlich gleichem Umfang zum gleichen Zeitpunkt, das für Vollzeitkräfte außerhalb der Fertigung höher ist als für Teilzeitkräfte außerhalb der Fertigung.
2. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen sachlich rechtfertigenden Grund.
a) §§ 9 und 10 MTV differenzieren für den Anspruch auf Spät- und Nachtarbeitszuschläge nicht nach dem - wöchentlichen oder monatlichen - Gesamtumfang der geleisteten Spät- oder Nachtarbeit. Für jede einzelne Stunde, die unter den betreffenden Bedingungen geleistet wird, ist der in § 10.2 und § 10.3 MTV festgelegte Zuschlag für Vollzeitkräfte zu zahlen. Hierdurch unterscheidet sich die Regelung im Manteltarifvertrag etwa von der Bestimmung in § 33 a BAT, wo nicht ein Zuschlag pro Arbeitsstunde, sondern eine Schichtzulage pro Monat gezahlt wird, wenn in einem bestimmtem Gesamtumfang Schichtarbeit angefallen ist (vgl. hierzu BAG Urteil vom 23. Juni 1993 - 10 AZR 127/92 - BAGE 73, 307 = AP Nr. 1 zu § 34 BAT). Darauf, ob ein unterschiedlicher Gesamtumfang von Arbeit unter erschwerten Bedingungen einen Ausschluß der Teilzeitkräfte von auf diesen Gesamtumfang bezogenen Zulagen sachlich rechtfertigen kann, kommt es deshalb nicht an.
b) Bei dieser Bewertung muß nicht zwischen den Spät- und den Nachtarbeitszuschlägen differenziert werden.
aa) Bei der Nachtarbeit ist die tarifliche Regelung eindeutig. Im Zeitkorridor zwischen 19.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens ist jede Arbeitsstunde, gleich ob sie aufgrund der festgelegten regelmäßigen Arbeitszeit oder aufgrund einer Festlegung im Einzelfall geleistet worden ist, für Vollzeitkräfte zuschlagspflichtig. Daß auch Teilzeitkräfte in der Fertigung einen solchen Anspruch haben, ist für die rechtliche Bewertung ebenfalls unerheblich. Vollzeitkräfte außerhalb der Fertigung haben den Zuschlagsanspruch ebenfalls, nicht aber - nach dem Wortlaut des Tarifvertrages - Teilzeitkräfte, welche die gleiche Arbeit leisten müssen.
bb) Bei der Spätarbeit hängt die Zuschlagspflichtigkeit zwar davon ab, daß sie innerhalb einer zeitversetzt festgelegten Schicht im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht wird, deren Beginn nach 12.00 Uhr und deren Ende nach 19.00 Uhr liegt. Es kommt aber auch hier nicht darauf an, wie oft nach Schichtplan eine solche zeitversetzte Schicht regelmäßig anfällt. Wenn die zeitliche Lage der Arbeitszeit den tariflichen Voraussetzungen entspricht, wie dies auch bei den Klägerinnen der Fall ist, fällt der auf jede einzelne Stunde bezogene Zuschlag an. Auch bei dem Zuschlag nach § 10.2 MTV kommt es nicht auf den Anteil von Spätarbeit an der Gesamtarbeitszeit an.
c) Damit bleibt als Differenzierungsgrund nach dem Wortlaut der tariflichen Regelung nur der von der Beklagten in den Vordergrund gestellte Gesichtspunkt, die Teilzeitkräfte hätten durch ihren größeren Freizeitanteil eine bessere Möglichkeit, die zusätzlichen Belastungen aus Spät- und Nachtarbeit auszugleichen und sich in der Freizeit zu erholen.
Dieser Differenzierungsgrund kann im Rahmen von § 2 Abs. 1 BeschFG eine Ungleichgehandlung nicht sachlich rechtfertigen. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß eine unterschiedliche Bezahlung einer nach Art, Umfang und Zeitpunkt gleichen Arbeit für Vollzeit- und Teilzeitkräfte nicht allein mit dem Umfang der Freizeit gerechtfertigt werden kann. Der Umfang der Freizeit, verstanden lediglich als das Fehlen vertraglicher Arbeitspflicht, ist nichts anderes als die Kehrseite des Umfangs der Arbeitszeit. Der geringere Umfang der Arbeitszeit von Teilzeitkräften ist aber gerade kein Grund für die ungleiche Bezahlung identischer Arbeit.
Dies zeigt ein einfaches Beispiel: Wenn eine tarifliche Vergütungsgruppe für eine bestimmte Tätigkeit wegen der sich hieraus ergebenden körperlichen Beanspruchung eine höhere Vergütung vorsieht, und der Arbeitgeber den Tarifvertrag betriebsüblich anwendet, könnte er Teilzeitkräften, die diese körperlich anstrengende Arbeit erledigen, nicht deshalb einen niedrigeren Lohn zahlen, weil sie wegen ihrer größeren Freizeit Gelegenheit haben, sich nach der körperlichen Beanspruchung zu erholen. Dies stünde im offenen Widerspruch zu § 2 Abs. 1 BeschFG.
Entsprechend verhält es sich bei den im Streit befindlichen Zuschlägen zur Spät- und Nachtarbeit. Es ist gleichgültig, ob ein Arbeitnehmer in Teilzeit oder in Vollzeit beschäftigt ist, wenn er nach 12.00 Uhr mit seiner Arbeit beginnt und sie erst nach 19.00 Uhr beendet. Auch eine Teilzeitkraft muß unter diesen Umständen ihre Arbeit regelmäßig zu Zeiten erbringen, zu denen sie weniger leistungsfähig ist. Die Arbeit ist deshalb auch für sie besonders anstrengend. Die Arbeitszeit endet auch für die Teilzeitkraft regelmäßig zu einem Zeitpunkt, zu dem andere Arbeitnehmer bereits Feierabend haben. An diesem Arbeitstag verbleibt dann auch weniger Zeit zur Erholung und für soziale Kommunikation.
Ebenso ist es auch bei der Nachtarbeit, die grundsätzlich für jeden Menschen schädlich ist, wie die Beklagte unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 1992 (- 1 BvR 1025/82 u.a. - AP Nr. 2 zu § 19 AZO = NZA 1992, 270) selbst zutreffend ausgeführt hat. Diese Schädlichkeit beruht nicht auf dem Umfang der Gesamtarbeitszeit, sondern auf der dem biologischen Rythmus nicht angepaßten Lage der Arbeitszeit.
Aus alledem ergibt sich, daß der alleinige Grund für die ungleiche Bezahlung der Umfang der Arbeitszeit der der Regelung unterliegenden Arbeitnehmer ist. Dieser Gesichtspunkt scheidet aber nach dem eindeutigen Normbefehl des § 2 Abs. 1 BeschFG als sachlicher Grund für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung aus (BAG Urteile vom 6. April 1982 - 3 AZR 134/79 - BAGE 38, 232, 241 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu III 1 b der Gründe; zuletzt vom 23. Juni 1993 - 10 AZR 127/92 - BAGE73, 307, 312 = AP Nr. 1 zu § 34 BAT, zu 4 a der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Eine Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften gegenüber Vollzeitkräften kann nur mit einem anderen, über den unterschiedlichen Arbeitsumfang hinausgehenden Grund sachlich gerechtfertigt werden.
III. Rechtsfolge des Verstoßes von § 9 und § 10.2 und 10.3 MTV gegen § 2 Abs. 1 BeschFG ist nicht die Unwirksamkeit der gesamten, Vollzeitkräfte und Teilzeitkräfte unterschiedlich behandelnden Regelung, sondern die Teilunwirksamkeit der die Teilzeitkräfte benachteiligenden Bestimmung. Bei § 2 Abs. 1 BeschFG handelt es sich um ein Diskriminierungsverbot, das lediglich zur Unwirksamkeit des diskriminierenden Anspruchsausschlusses und zur uneingeschränkten Anwendbarkeit der begünstigenden Regelung führt (BAG Urteile vom 22. Mai 1996 - 10 AZR 618/95 - AP Nr. 1 zu § 39 BAT, zu II 4 der Gründe, m.w.N.; vom 9. Oktober 1996 - 5 AZR 338/95 - BAGE 84, 222, 230 = AP Nr. 50 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 b der Gründe; vom 25. September 1997 - 6 AZR 65/96 - BAGE 86, 326, 329 = AP Nr. 63 zu § 2 BeschFG 1985, zu II 2 c der Gründe). Die von der Beklagten hilfsweise aufgeworfene Frage, wie eine durch Inhaltskontrolle entstandene Tariflücke zu schließen ist, stellt sich hier deshalb nicht. Die Lücke ist kraft Gesetzes durch "Anpassung nach oben" auszufüllen, wie dies auch der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Wirkung des Diskriminierungsverbots aus Art. 119 EG-Vertrag entspricht. Im übrigen kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien auf ihre - von der Schlechterstellung der Teilzeitkräfte abgesehen - verbreitet übliche Zuschlagsregelung verzichtet hätten, wenn sie die Teilnichtigkeit der Ausschlußbestimmung erkannt hätten.
IV. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß den Klägerinnen die von ihnen geltend gemachten Beträge einschließlich der verlangten Verzinsung zustehen, wenn die tariflichen Regelungen über die Spätarbeits- und Nachtarbeitszuschläge auf sie Anwendung finden.
Damit sind die Klageanträge begründet und von den Vorinstanzen zu Recht zuerkannt worden. Dies gilt auch für die Feststellungsanträge. Die Klägerinnen machen damit nur geltend, daß sie auch in Zukunft Anspruch auf Spät- und Nachtarbeitszuschläge in der tarifvertraglich festgelegten Höhe haben, wenn und soweit sie die tariflichen Voraussetzungen erfüllen; sie wollen nur festgestellt wissen, daß der Anspruch auf die Zuschläge auch in Zukunft nicht vom zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung abhängt. Dies entspricht der Rechtslage.
Ende der Entscheidung
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