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Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: 3 AZR 478/04
Rechtsgebiete: TV A 21, TV A 21 idF der Örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 74 vom 1. Januar 1998, TV A 21 idF der Örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 79 vom 19. Mai 1999


Vorschriften:

TV A 21 § 1
TV A 21 § 5
TV A 21 § 11
TV A 21 § 20
TV A 21 idF der Örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 74 vom 1. Januar 1998 § 21
TV A 21 idF der Örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 79 vom 19. Mai 1999 § 20
TV A 21 idF der Örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 79 vom 19. Mai 1999 § 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 478/04

Verkündet am 13. Dezember 2005

In Sachen

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Breinlinger sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Offergeld und die ehrenamtliche Richterin Frehse für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. April 2004 - 10 Sa 951/03 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zu zahlenden Betriebsrente.

Der am 12. Dezember 1940 geborene Kläger war ab dem 6. Dezember 1965 als Arbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien sind tarifgebunden. Zusätzlich bestimmte der Arbeitsvertrag in § 2:

"Das Arbeitsverhältnis regelt sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31.1.1962 (BMT-G II) in ihrer jeweils geltenden Fassung bzw. nach den an deren Stelle tretenden tariflichen Bestimmungen. Daneben finden die für den Bereich der Stadtverwaltung München jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.

Für die Versorgung des Klägers ist die "Örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München" (TV A 21) maßgebend. Dieses Versorgungswerk ist zum 31. Dezember 1977 geschlossen worden. Ab dem 1. Januar 1978 eingetretene Arbeiter erhalten eine andere, geringere betriebliche Altersversorgung. Auch nach der Schließung wurde das Tarifwerk durch Änderungstarifverträge abgewandelt. In der Fassung der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 74 (TV C 74, in Kraft seit 1. Januar 1998), lautete die TV A 21 im Frühjahr 1999, soweit von Interesse:

"§ 1

Versorgungsberechtigung

1. Die nachfolgenden Versorgungsbestimmungen finden Anwendung auf die vollbeschäftigten Arbeiter der Landeshauptstadt München, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und den jeweils gültigen Tarifverträgen für den Bereich der Landeshauptstadt München unterliegen, sowie auf deren Hinterbliebene.

...

4. Für die Erlangung einer Versorgung und die Berechnung der Versorgungsbezüge gilt die im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles maßgebende Fassung dieser Bestimmungen.

...

§ 5

Ansprüche beim vorzeitigen Ausscheiden

1. Arbeitern sowie Angestellten und Beamten nach § 2 Ziff. 1, die nach dem 31.12.98 aus einem den Eigenversorgungsanspruch begründenden Beschäftigungsverhältnis ausscheiden und bei denen die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG vorliegen, sowie deren Hinterbliebenen, bleiben Anwartschaft und Anspruch auf Versorgungsleistungen nach diesen Bestimmungen und nach Maßgabe der folgenden Regelungen grundsätzlich gewahrt.

...

3. Die Höhe der Versorgungsleistungen wird unter Berücksichtigung der in § 2 BetrAVG aufgestellten Grundsätze ermittelt. Die Versorgungsleistungen vermindern sich für jeden Kalendermonat, für den der Zugangsfaktor nach § 77 SGB VI herabgesetzt ist, 0,3 v. H.

Die laufenden Leistungen ändern sich vom selben Zeitpunkt und um den selben Prozentsatz, von dem an und um den die Monatstabellenlöhne der Arbeiter bzw. die Vergütung der Angestellten allgemein verändert werden. Bemessungsgrundlage für die Jahressonderzuwendung ist der laufende Versorgungsbezug.

Im übrigen gelten die Regelungen dieser Versorgungsbestimmungen entsprechend.

Eine Vorberechnung wird nur auf Antrag der/des ausgeschiedenen Beschäftigten erstellt. Aus ihr können keine Ansprüche abgeleitet werden.

...

§ 11

Versorgungsfähiges Einkommen

1. Das versorgungsfähige Einkommen wird unter Zugrundelegung des zuletzt zustehenden Monatstabellenlohnes oder ersatzweise des auf die Arbeitsstunde entfallenden Teiles des Monatstabellenlohnes, vervielfältigt mit der Anzahl der Monatsstunden, der Lohngruppe des Arbeiters festgesetzt, in der er zuletzt eingereiht war.

...

§ 20 Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen

1. Auf das Ruhegeld werden angerechnet:

Die Renten aus allen Rentenversicherungen im In- und Ausland für Arbeiterinnen und Angestellte und in der Landwirtschaft Beschäftigte, gleich wer Versicherungsträger ist, einschließlich etwaiger Zulagen und Zuschläge sowie Leistungen, die vor der Festsetzung der gesetzlichen Renten oder an deren Stelle gewährt werden, mit dem vollen Betrag, der der Dauer der Beitragsleistung der Landeshauptstadt München an die Rentenversicherungsträger im Verhältnis zur Dauer anderweitiger Beitragsleistung entspricht.

Die Renten dürfen zusammen mit dem Ruhegeld folgende Höchstgrenzen nicht übersteigen:

a) bei Angestellten (§ 2) ohne Berücksichtigung der Dienstzeit 75 %

b) bei Arbeitern

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von weniger als 20 Jahren 75 %

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 20 Jahren und mehr, jedoch weniger als 30 Jahren 80 %

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 30 Jahren und mehr 86 %

ihres versorgungsfähigen Einkommens.

§ 21

Freilassung von Rententeilen, schätzungsweise Anrechnung

1. Bei der Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte bleibt der Anteil frei, der aus einer Höherversicherung oder der Leistung freiwilliger Beiträge stammt.

..."

Um Einsparmöglichkeiten auszuschöpfen, wurde im Februar 1994 bei der Beklagten eine sog. "58er-Regelung" eingeführt. Mit Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschusses vom 4. Februar 1998 wurde diese fortgeschrieben. Dem Kläger waren die Überlegungen des Stadtrats zur Einsparung von Personalkosten aus den einschlägigen Protokollen bekannt. Unter Zugrundelegung der fortgeschriebenen 58er-Regelung schloss er mit der Beklagten am 9. Dezember 1998 einen Aufhebungsvertrag, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 31. März 1999 vorsah. Die Beklagte fertigte eine "Probeberechnung" für die Betriebsrente des Klägers an, die bei einem Betrag von 1.650,31 DM endete. Die Probeberechnung enthält mehrfach den Hinweis, dass die Ruhegeld-Anwartschaft nur probeweise berechnet wurde, und hervorgehoben folgenden Hinweis:

"Wichtige Hinweise:

Die umseitige Probeberechnung ist unverbindlich, weil sich die hierfür maßgebenden tatsächlichen, tariflichen und rechtlichen Umstände sowie Ihre persönlichen Verhältnisse bis zum Eintritt des Versicherungsfalles verändern können. Etwaige Ansprüche können aus dieser Probeberechnung deshalb nicht abgeleitet werden."

Vereinbarungsgemäß schied der Kläger zum 31. März 1999 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Bereits im Januar 1999 hatten Tarifverhandlungen zu einer weiteren Änderung der TV A 21 begonnen, worüber der Kläger, der zuletzt Personalratsvorsitzender im Amt für Abfallwirtschaft war, informiert war, an denen er aber nicht teilnahm. Diese mündeten in die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 (TV C 79 vom 19. Mai 1999), durch die die §§ 20 und 21 der TV A 21 folgende Fassung erhielten:

"§ 20 Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen

1. Auf das Ruhegeld werden angerechnet:

Die Renten aus allen Rentenversicherungen im In- und Ausland für Arbeiterinnen und Angestellte und in der Landwirtschaft Beschäftigte, gleich wer Versicherungsträger ist, einschließlich etwaiger Zulagen und Zuschläge sowie Leistungen, die vor der Festsetzung der gesetzlichen Rente oder an deren Stelle gewährt werden.

Die Renten dürfen zusammen mit dem Ruhegeld folgende Höchstgrenzen nicht übersteigen:

...

§ 21

Freilassung von Rententeilen, schätzungsweise Anrechnung

1. Für jeden im städtischen Dienst zurückgelegen Beitragsmonat in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt ein Anteil von jeweils 0,04 % von der Rentenanrechnung frei.

..."

Seit dem 1. Januar 2001 erhält der Kläger ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 800,58 Euro. Für dessen Berechnung hat die Beklagte die TV A 21 in der Fassung der Änderungsvereinbarung TV C 79 zugrunde gelegt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Ruhegeld auf der Grundlage der TV A 21 idF der TV C 74 monatlich um 70,51 Euro höher ausfallen würde.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die TV C 79 enthalte zu seinen Lasten eine verbotene echte Rückwirkung, mindestens aber eine unzulässige unechte Rückwirkung. Die von ihm für die Betriebsrente bereits erbrachte Gegenleistung könne durch Veränderungen nach dem Ausscheiden nicht mehr berührt werden. Jedenfalls habe er ein schutzwürdiges Vertrauen darauf entwickeln dürfen, dass dies nicht geschehe. Er sei bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses "rentennah" gewesen und zudem auf Grund einer im Interesse der Beklagten liegenden "58er"-Regelung ausgeschieden. Die TV C 79 sehe für diese Konstellation nicht die notwendigen Übergangsregelungen vor. Zwar seien ihm beim Ausscheiden die laufenden Tarifverhandlungen bekannt gewesen, auf Grund der "Probeberechnung" habe er aber bei Abschluss des Aufhebungsvertrages darauf vertraut, dass durch diese die Höhe seines Anspruchs aus der Eigenversorgung nicht beeinträchtigt werde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.044,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 ab 1. Juni 2003 zu zahlen;

die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn ab Juni 2003 zusätzlich monatlich 70,51 Euro, fällig jeweils am Monatsende, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus dem Arbeitsvertrag wie aus der TV A 21 ergebe sich, dass die im Versorgungsfall jeweils gültige Tarifbestimmung anzuwenden sei. Für die ab Januar 2001 fällige Versorgung des Klägers sei daher die Berechnung nach der TV A 21 idF der TV C 79 vorzunehmen. Eine unzulässige Rückwirkung liege nicht vor, vielmehr habe der Kläger mit einer Veränderung der Anrechnungsvorschriften rechnen müssen, zumal ihm beim Ausscheiden die laufenden Tarifverhandlungen bekannt gewesen seien. Nach den Hinweisen der "Probeberechnung" habe er nichts anderes annehmen dürfen. Bestrebungen, eine Überversorgung abzubauen, gebe es schon seit langem.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung. Zwar kann sich der Kläger weder auf einen individuellen Vertrauenstatbestand berufen noch steht die Wirksamkeit der TV C 79 als solche in Frage. Nicht hinreichend geklärt ist aber, ob durch die TV C 79 auch die Anwartschaften bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer geändert wurden. Dies wird das Landesarbeitsgericht noch festzustellen haben.

I. Grundsätzlich richtig haben die Vorinstanzen erkannt, dass sowohl Arbeitsvertrag als auch die grundlegende TV A 21 in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden sind. Bei Eintritt des Versorgungsfalles des Klägers am 1. Januar 2001 hatte die die Versorgung regelnde TV A 21 ihre maßgebliche Fassung durch die TV C 79 erhalten.

1. Zwischen den beiderseits tarifgebundenen Parteien gelten die Rechtsnormen der TV A 21 unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Der tarifgebundene Kläger kann sich nur auf die jeweils gültige Fassung der TV A 21 berufen, nicht auf frühere, etwa in der Fassung der TV C 74. Denn für die Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zwischen zwei gleichrangigen Normen, die denselben Gegenstand regeln und sich an denselben Adressatenkreis wenden, gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel. Danach wird die ältere Regelung durch die jüngere abgelöst. Nur diese kommt für die Zukunft zur Geltung. Sie verdrängt entgegenstehende Regelungen auch dann, wenn sie das nicht ausdrücklich erklärt. Darauf, ob die jüngere Regelung für die betroffenen Arbeitnehmer günstiger oder ungünstiger ist, kommt es regelmäßig nicht an. Es ist Teil der den Tarifvertragsparteien zustehenden Tarifautonomie, bestehende Tarifnormen jederzeit auch zu Lasten der Arbeitnehmer ändern zu können (BAG 6. August 2002 - 1 ABR 49/01 - BAGE 102, 135, 141 f.; 20. Februar 2001 - 1 AZR 322/00 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 107 = EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 66; 15. November 2000 - 5 AZR 310/99 - BAGE 96, 249, 252 f.; 5. Oktober 2000 - 1 AZR 48/00 - BAGE 96, 15, 23).

2. Eine davon abweichende, für den Kläger günstigere Regelung lässt sich den Regelungen, die die Parteien im Arbeitsvertrag vereinbart haben, nicht entnehmen. § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages nimmt den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe in seiner "jeweils geltenden Fassung" in Bezug und darüber hinaus klarstellend die an seine "Stelle tretenden tariflichen Bestimmungen". Für die daneben zur Anwendung kommenden sonstigen Tarifverträge im Bereich der Stadtverwaltung München bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages, dass die "jeweils in Kraft befindliche" Fassung maßgeblich ist. Auch arbeitsvertraglich sind damit die tariflichen Ansprüche des Klägers dynamisiert, was der für öffentliche Arbeitgeber üblichen Praxis der Gleichbehandlung im Tarifvollzug entspricht.

II.1. Es ist jedoch noch nicht geklärt, welchen Inhalt die danach anzuwendende TV A 21 für den Kläger hat. Dieser ist am 31. März 1999 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Zu diesem Zeitpunkt galten die §§ 20 f. der TV A 21 noch in der Fassung der TV C 74. Die neue Fassung dieser Bestimmung, auf die sich die Beklagte bei der Berechnung des Ruhegeldes des Klägers gestützt hat, ist erst nach dessen Ausscheiden in Kraft getreten. Es stellt sich also die Frage, ob die Betriebsrente des Klägers nach den §§ 20 f. TV A 21 aF oder nach der durch die TV C 79 geänderten Fassung zu berechnen ist. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG "bleiben Veränderungen der Versorgungsregelung und der Bemessungsgrundlagen für die Leistung der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten, außer Betracht". Aus § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ergibt sich, dass in Tarifverträgen von § 2 BetrAVG, also auch von dessen Absatz 5, abgewichen werden kann. Haben die Tarifvertragsparteien davon Gebrauch gemacht, kann sich der Kläger nicht auf § 2 Abs. 5 BetrAVG berufen, und zwar unabhängig von seiner Tarifbindung (§ 17 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG). § 1 Ziff. 4 TV A 21 bestimmt, dass für die Berechnung der Versorgungsbezüge die im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles maßgebende Fassung der Tarifbestimmungen gilt. In Anwendung dieser Vorschrift haben die Vorinstanzen angenommen, die Betriebsrente des Klägers sei nach den §§ 20 f. TV A 21 in der Fassung der TV C 79 zu berechnen. Ob die TV A 21 in dieser Weise auszulegen ist, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen.

Nach § 5 Ziff. 3 Satz 1 TV A 21 wird "die Höhe der Versorgungsleistungen ... unter Berücksichtigung der in § 2 BetrAVG aufgestellten Grundsätze ermittelt." Zu den in § 2 BetrAVG aufgestellten Grundsätzen gehört auch die in dessen Absatz 5 enthaltene Veränderungssperre. Dies könnte bedeuten, dass die Tarifvertragsparteien von ihrer sich aus § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ergebenden Befugnis, § 2 Abs. 5 BetrAVG abzubedingen, gerade keinen Gebrauch gemacht haben. Dafür spricht auch § 11 Ziff. 1 Abs. 1 TV A 21, wonach das versorgungsfähige Einkommen unter Zugrundelegung des zuletzt zustehenden Lohnes festgesetzt wird. Dass es sich dabei um den zuletzt, sei es vor dem Versorgungsfall, sei es vor dem vorzeitigen Ausscheiden, tatsächlich bezogenen Lohn handelt, ergibt sich aus der Vorruhestandsregelung des § 7a TV A 21. Dessen Satz 3 sieht für Arbeitnehmer, die auf Grund einer Vorruhestandsregelung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, eine Hochrechnung des vorsorgungsfähigen Einkommens "unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles maßgebenden Tarifstandes" vor. Das legt den Umkehrschluss nahe, dass bei anderen vorzeitig Ausgeschiedenen eine solche Hochrechnung nicht vorzunehmen ist. Hinsichtlich des vorsorgungsfähigen Einkommens legt folglich die TV A 21 grundsätzlich eine Veränderungssperre zugrunde.

Für die Auslegung des Landesarbeitsgerichts könnte dagegen § 66 Nr. 15 Satz 2 TV A 21 sprechen. Nach dieser Vorschrift werden "die bis 31.12.1997 bestehenden Versorgungsfälle" durch die Änderung infolge der TV C 74 "nicht berührt". Daraus ließe sich ableiten, dass grundsätzlich sogar Betriebsrentner, nämlich solche, bei denen der Versorgungsfall nach dem 31.12.1997, aber vor In-Kraft-Treten der Neuregelung eingetreten ist, von dieser erfasst werden sollten. Dies könnte auf den Willen der Tarifvertragsparteien schließen lassen, diese und andere Tarifänderungen auch auf bereits ausgeschiedene Versorgungsanwärter anzuwenden. Aus Wortlaut und Systematik der TV A 21 lässt sich daher kein klares Auslegungsergebnis gewinnen.

2. Es kommt somit auf weitere Kriterien an, zu denen das Landesarbeitsgericht noch tatsächliche Feststellungen zu treffen hat. Zunächst ist im Wege der Tarifauskunft der Wille der Tarifvertragsparteien zu ermitteln. Je nach dem Ergebnis dieser Tarifauskunft kann es sodann auf die praktische Handhabung der Berechnungsregeln des Tarifwerks ankommen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die Verfahrensweise seit In-Kraft-Treten der Bestimmungen des Tarifwerks zu legen, die die Ansprüche vorzeitig Ausgeschiedener regeln. Sollte sich ergeben, dass spätere Veränderungen des Tarifvertrages, insbesondere Verbesserungen bei der Berechnung der Betriebsrenten vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer, berücksichtigt worden sind, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass § 2 Abs. 5 BetrAVG abbedungen ist.

III. In diesem Fall bestehen gegenüber der Wirksamkeit der Tarifänderungen zu Lasten des Klägers keine durchgreifenden Bedenken, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat.

1. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Beklagte habe ihm gegenüber den Anschein erweckt, nach seinem Ausscheiden blieben die Regeln für die Berechnung seines Ruhegeldes unverändert. Einen dahin gehenden Vertrauenstatbestand hat die Beklagte ihm gegenüber nicht geschaffen. Die "Probeberechnung" stellte lediglich eine Auskunft ähnlich der nach § 2 Abs. 6 BetrAVG aF dar, wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht. Auf ihre Unverbindlichkeit wurde ausdrücklich hingewiesen sowie darauf, dass die maßgebenden tatsächlichen, tariflichen und rechtlichen Umstände sich bis zum Eintritt des Versicherungsfalles verändern können. Zudem bestimmt § 5 Ziff. 3 Satz 6, 7 TV A 21, dass aus der Vorberechnung, die nur auf Antrag des ausgeschiedenen Beschäftigten erstellt wird, keine Ansprüche abgeleitet werden können. Ein entsprechender Hinweis findet sich ebenfalls in der für den Kläger durchgeführten Probeberechnung.

2. Die durch die TV C 79 erfolgten inhaltlichen Änderungen der TV A 21 sind wirksam.

a) Tarifliche Eingriffe in die Versorgungsanwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer beurteilen sich nach den allgemeinen Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit (vgl. BAG 26. August 1997 - 3 AZR 235/96 - BAGE 86, 216, 223). Zwar hat der ausgeschiedene, aber noch nicht betriebsrentenberechtigte ehemalige Arbeitnehmer eine "Versorgungsanwartschaft". Diese ist aber nicht gegen Tarifänderungen geschützt (§ 17 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 2 Abs. 5 BetrAVG). Der Gesetzgeber hat insoweit den Schutz für ausgeschiedene Arbeitnehmer dem Primat der Tarifautonomie untergeordnet. Das vom Senat entwickelte dreiteilige Prüfungsschema für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften während des laufenden Arbeitsverhältnisses (17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - BAGE 49, 57, 66 ff.; ausführlich: 11. Dezember 2001 - 3 AZR 512/00 - BAGE 100, 76, 88 ff.) kommt für Eingriffe nach dem Ausscheiden nicht in Betracht. Auch bei der Änderung bereits laufender Versorgungsleistungen ist es nicht anzuwenden (BAG 25. Juli 2000 - 3 AZR 676/99 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 31 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 25, zu I 2 c aa der Gründe; 23. September 1997 - 3 AZR 529/96 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, zu II 3 a der Gründe; 16. Juli 1996 - 3 AZR 398/95 - BAGE 83, 293, 299 f.).

Auch sonst werden belastende Tarifnormen nach den allgemeinen Prinzipien des Vertrauensschutzes und des darauf beruhenden Rückwirkungsverbotes überprüft (vgl. BVerfG 15. Oktober 1996 - 1 BvL 44, 48/92 - BVerfGE 95, 64; BAG 15. November 2000 - 5 AZR 310/99 - BAGE 96, 249, 252 f.; 16. Juli 1996 - 3 AZR 398/95 - BAGE 83, 293, 297). Wie bei Eingriffen in laufende Versorgungsleistungen lassen sich die Gründe für die Veränderungen von Anwartschaften ausgeschiedener Arbeitnehmer nicht schematisch festlegen. Sie hängen von den Nachteilen ab, die künftigen Versorgungsberechtigten durch die konkrete Änderung entstehen (BAG 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - BAGE 92, 358, 366).

b) Den durch die TV C 79 eingeführten Änderungen der Ruhegeldberechnung kommt keine echte Rückwirkung zu. Geändert werden die Regeln für eine künftig zu erbringende Versorgung, im Fall des Klägers ab dem 1. Januar 2001. Eine nachträgliche Änderung abgewickelter, in der Vergangenheit liegender Sachverhalte erfolgt nicht (vgl. BVerfG 31. Mai 1960 - 2 BvL 4/59 - BVerfGE 11, 139, 145 f.). Zwar hat der Kläger die Gegenleistung für die Betriebsrente bereits erbracht. Der Versorgungsfall war aber noch nicht eingetreten; der Kläger war noch Versorgungsanwärter. Es handelt sich also um eine unechte Rückwirkung (vgl. BVerfG 11. Oktober 1988 - 1 BvR 743/86 und 1 BvL 80/86 - BVerfGE 79, 29, 45 f.; 13. Mai 1986 - 1 BvR 99, 461/85 - BVerfGE 72, 175, 196). Diese muss unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein; es muss besondere, diesen Eingriff legitimierende Gründe geben (BVerfG 8. Juli 1971 - 1 BvR 766/66 - BVerfGE 31, 275, 290). Dabei ist das Interesse der Tarifvertragsparteien, die beanstandete Regelung auch auf ausgeschiedene Arbeitnehmer anzuwenden, mit dem Interesse der Versorgungsbegünstigten am Fortbestand der bisherigen Regelung abzuwägen (BVerfG 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77, 322, 324, 472, 543, 694, 752, 753, 754/78; 1 BvL 33/80, 10, 11/81 - BVerfGE 58, 81, 121; 4. Juni 1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101, 114).

c) Diese Grundsätze werden durch die Änderungen der TV C 79 gewahrt. Der Kläger musste mit Änderungen seines Besitzstandes rechnen, soweit sie verhältnismäßig sind. Das generelle Bestreben der Beklagten, Personalkosten, wozu auch die Kosten der Eigenversorgung gehören, zu sparen, war dem Kläger bekannt. Die 58er-Regelung, in Kraft seit Februar 1994 und Grundlage für den vom Kläger abgeschlossenen Aufhebungsvertrag, stellt ein Resultat solcher Einsparbemühungen dar. Zudem war das Versorgungswerk zum 31. Dezember 1977 geschlossen worden. Später eingetretene Arbeiter erhalten eine andere, geringere betriebliche Altersversorgung.

Schließlich waren bereits durch die TV C 74 mit der vollen Anrechnung der gesetzlichen Renten die Leistungen der Eigenversorgung reduziert worden. Hinzu kommt, dass mit der geänderten Freibetragsregelung der TV C 79 der Erwartungshaltung langjähriger Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Gesamtversorgung besser Rechnung getragen werden sollte. Denn die mit der TV C 74 eingeführte Vollanrechnung der gesetzlichen Renten führte im Ergebnis dazu, dass Arbeitnehmern, die eine verhältnismäßig lange Zeit ihres Berufslebens in städtischen Diensten verbracht hatten, eine prozentual höhere Anrechnung hinnehmen mussten als solche mit kürzeren Beschäftigungszeiten bei der Beklagten. Mit der neuen Anrechnungsregel der TV C 79 sollten diese langjährig Beschäftigten einen Ausgleich erfahren. Um das Tarifziel einer weitestgehenden Kostenneutralität zu wahren, wurde die Gesamtversorgung bei Mitarbeitern mit geringerer städtischer Dienstzeit abgesenkt. Dass zu diesen auch der Kläger trotz einer über 33jährigen Beschäftigungszeit gehörte, erklärt sich daraus, dass im Zeitpunkt der Änderungen durch die TV C 79 wegen der Schließung des Versorgungswerkes zum 31. Dezember 1977 überhaupt nur Begünstigter der TV A 21 sein konnte, wer mehr als 21 Dienstjahre bei der Beklagten zurückgelegt hatte. Dies geht im Übrigen auch aus der Protokollerklärung zur TV C 79 hervor, die als "Härtefallregelung" seit 1. Januar 1998 in Ruhestand befindliche Rentner mit einer zuvor zurückgelegten Mindestbeschäftigungszeit von 40 Jahren ebenfalls nach den Rentenanrechnungsbestimmungen der TV C 79 behandeln will.

Mit 8 % nur des Ruhegelds wirkt sich die Neuregelung für den Fall des Klägers noch verhältnismäßig aus. Sie ist zwar spürbar, aber keine wesentliche Schmälerung des Lebensstandards. Die Kappungsgrenze von 86 % hätte im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers bei 4.196,80 DM gelegen. Auf diesen Zeitpunkt zurückgerechnet, trägt die Beklagte derzeit zu einer Gesamtversorgung einschl. des Ruhegelds in Höhe von 4.045,68 DM bei.

Ende der Entscheidung

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