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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: 3 AZR 722/98
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 2
BetrAVG § 2
Leitsätze:

Bei der Berechnung der Versorgungsanwartschaft nach § 7 Abs. 2, § 2 BetrAVG ist von dem bis zur festen Altersgrenze erreichbaren Versorgungsanspruch auszugehen. Eine Weiterarbeit des Versorgungsanwärters über die feste Altersgrenze hinaus kann den Versorgungsanspruch nicht mehr mindern.

Aktenzeichen: 3 AZR 722/98 Bundesarbeitsgericht 3. Senat Urteil vom 14. Dezember 1999 - 3 AZR 722/98 -

I. Arbeitsgericht Köln - 17 Ca 11864/96 - Urteil vom 16. September 1997

II. Landesarbeitsgericht Köln - 4 Sa 150/98 - Urteil vom 24. Juli 1998


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 722/98 4 Sa 150/98

Verkündet am 14. Dezember 1999

Freitag, der Geschäftsstelle

In Sachen

Beklagter, Berufungskläger und Revisionskläger,

pp.

Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionsbeklagter,

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. Kaiser und die ehrenamtliche Richterin Frehse für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgericht Köln vom 24. Juli 1998 - 4 Sa 150/98 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen !

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Umfang der Einstandspflicht des beklagten Trägers der gesetzlichen Insolvenzsicherung für eine von der Eisenwerk-Gesellschaft M mbH (im folgenden: Maxhütte) versprochenen Betriebsrente.

Die M hatte ihren Arbeitnehmern Altersversorgung nach Maßgabe einer Ruhegehaltsordnung (RGO) versprochen. Sie sah für dreizehn Versorgungsgruppen unterschiedliche jährliche Höchstbeträge vor. Weiter heißt es in der Ruhegehaltsordnung ua.:

"§ 6

Ruhegeld

1. Ruhegeld wird beim Ausscheiden des Angestellten aus dem Dienst bei der Gesellschaft in folgenden Fällen gezahlt:

a) bei Dienstunfähigkeit ...

b) nach Vollendung des 63. Lebensjahres, ...

§ 9

Anrechnung anderweitiger Bezüge

4. Die gesetzliche Rentenversicherung oder eine an deren Stelle getretene Lebensversicherung werden mit dem Anteil auf die Leistungen der Ruhegehaltsordnung angerechnet, der den dafür geleisteten Arbeitgeberbeiträgen entspricht. Die Summe der jährlich geleisteten Arbeitgeberbeiträge wird dazu in monatliche Arbeitgeberhöchstbeiträge umgerechnet. Für jeden so ermittelten Arbeitgeberhöchstbeitrag wird auf die monatliche Ruhegeldleistung nach der Ruhegehaltsordnung ein bestimmter Betrag angerechnet. ..."

Der am 13. Januar 1930 geborene Kläger war seit dem 1. April 1967 bei der M beschäftigt. Am 16. April 1987 wurde über das Vermögen der M das Konkursverfahren eröffnet. Der Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 14. November 1988 einen Anwartschaftsausweis. Hiernach hätte der Kläger zum Endalter, der Vollendung seines 63. Lebensjahres, eine Betriebsrente von 5.418,70 DM brutto erdienen können. Bei der Berechnung der erreichbaren Betriebsrente ging der Beklagte von einer Höchstbetragsrente von 6.150,00 DM aus, von der er 731,30 DM als Arbeitgeberanteil nach § 9 Abs. 4 RGO absetzte. Den Zeitwertfaktor legte der Beklagte auf 0,778231 fest, so daß sich die unverfallbare Anwartschaft zum Endalter 63 auf 4.217,10 DM belief.

Der Kläger arbeitete bis zum Jahre 1990 weiter für die M und danach bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres bei der "Neue M GmbH". Seit dem 1.Februar 1995 bezieht er die gesetzliche Rente und von der Beklagten eine monatliche Betriebsrente aus der Zusage der M in Höhe von 4.151,70 DM. Bei der Berechnung dieser Betriebsrente setzte der Beklagte anstelle der im Anwartschaftsausweis zugrunde gelegten 731,30 DM als Arbeitgeberleistung nach § 9 Abs. 4 RGO 815, 30 DM von der erreichbaren Vollrente ab. Er rechnete die auf die Vollendung des 63. Lebensjahres ermittelten Arbeitgeberleistungen auf die tatsächliche Beschäftigungszeit bis zum 31. Januar 1995 hoch.

Mit seiner Klage hatte der Kläger zunächst auch geltend gemacht, der Beklagte müsse an ihn nach § 4 Abs. 2 a Buchst. c der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung eine um 12 % erhöhte Betriebsrente zahlen. Er habe die Rente erst zwei Jahre nach Erreichen der festen Altersgrenze abgerufen. Für jeden dieser 24 Monate müsse der Beklagte einen Zuschlag von 0,5 % leisten. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig geworden, soweit es diesem Klagebegehren entsprochen hat. Der Kläger hat weiter verlangt, der Beklagte dürfe nur die im Anwartschaftsausweis berechneten Arbeitgeberleistungen mindernd berücksichtigen, so daß ihm eine um weitere 73,10 DM erhöhte Betriebsrente zustehe. Die Berechnung dieses Betrages, die einerseits die ratierliche Kürzung auf den Insolvenzzeitpunkt, andererseits die um 12 % zu erhöhende monatliche Betriebsrente berücksichtigt, steht zwischen den Parteien außer Streit. Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, der Beklagte habe die anzurechnenden Arbeitgeberanteile an der Rentenversicherung auf die feste Altersgrenze, die Vollendung des 63. Lebensjahres, zu begrenzen. Diese Begrenzung entspreche § 2 Abs. 1 und Abs. 5 BetrAVG. Der Versorgungsfall trete nach der Ruhegehaltsordnung mit der Vollendung des 63. Lebensjahres ein. § 6 RGO bestimme lediglich, daß die Versorgungsleistungen frühestens mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsleben fällig würden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn

1. für die Zeit vom 1. Februar 1995 bis zum 31. Dezember 1996 über die vom Arbeitsgericht rechtskräftig zuerkannten 498,20 DM monatlich weitere 73,10 DM monatlich, also insgesamt rückständige 1.681,30 DM nebst 4 % Zinsen von monatlich 73,10 DM ab dem jeweiligen Monatsersten, beginnend mit dem 1. März 1995, zu zahlen;

2. ab dem 1. Januar 1997 über die rechtskräftig zuerkannten 498,20 DM monatlich weitere 73,10 DM monatlich zusätzlich zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage insoweit abzuweisen. Eine feste Altersgrenze sei nicht mit dem Eintritt des Versorgungsfalles gleichzusetzen. Die Ruhegehaltsordnung sehe das Ausscheiden aus dem Betrieb als zusätzliche Voraussetzung vor, so daß der Versorgungsfall erst mit dem tatsächlichen Ausscheiden nach Vollendung des 63. Lebensjahres eintrete. Im Falle des Klägers sei dies die Vollendung von dessen 65. Lebensjahr gewesen. In einem solchen Fall, in dem sich die bei der Anwartschaftsberechnung bestehende Erwartung nicht erfülle, daß der Versorgungsfall bei Erreichen der festen Altersgrenze eintrete, müsse der Beklagte stets eine Neuberechnung auf der Grundlage der Rechengrößen des Insolvenzzeitpunktes vornehmen. Dies gelte für den Fall der vorzeitigen Inanspruchnahme ebenso, wie im Falle einer Weiterarbeit über die Altersgrenze hinaus.

Das Arbeitsgericht hat auch den in der Revisionsinstanz noch umstrittenen Teil der Klageforderung zuerkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Er verfolgt mit der Revision sein Ziel weiter, die Klage insoweit abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, gegen den Beklagten einen Anspruch auf Leistungen der Insolvenzsicherung in Höhe von insgesamt 4.723,00 DM monatlich aus § 7 Abs. 2, § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 5 BetrAVG iVm. der Ruhegehaltsordnung der Maxhütte. Er kann also als monatliche Betriebsrente über die von der Beklagten ursprünglich gezahlten 4.151,70 DM und die in I. Instanz rechtskräftig zuerkannten 498,20 DM hinaus die zuletzt noch streitigen weiteren 73,10 DM verlangen. Hieraus ergeben sich auch die mit dem Antrag zu 1 geltend gemachten rückständigen Beträge.

I. Grundlage des Anspruchs des Klägers auf Insolvenzsicherung ist § 7 Abs. 2 BetrAVG. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der M Inhaber einer nach § 1 Abs. 1 BetrAVG unverfallbaren Versorgungsanwartschaft. Er hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits eine die Unverfallbarkeitsfristen wesentlich übersteigende Beschäftigungszeit bei der M zurückgelegt. Er war noch nicht Betriebsrentner, so daß sich die Einstandspflicht des Beklagten nicht nach § 7 Abs. 1 BetrAVG richtet.

II. Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG iVm. § 2 Abs. 1 und 5 BetrAVG. Der Beklagte muß den Kläger so behandeln, als wäre er zum Insolvenzzeitpunkt vorzeitig aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden (vgl. BAG 12. März 1991 - 3 AZR 63/90 - AP BetrAVG § 7 Nr. 68 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 41, zu II der Gründe; 12. März 1991 - 3 AZR 102/90 - BAGE 67, 301, 306, zu II 1 der Gründe).

Maßgebend für die Berechnung der insolvenzgeschützten Versorgungsanwartschaft sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des dem Ausscheiden gleichstehenden Sicherungsfalls, hier der Eröffnung des Konkursverfahrens; alle Bemessungsgrundlagen des Anspruchs werden auf diesen Zeitpunkt festgeschrieben und sind erforderlichenfalls hochzurechnen. Auf die Verhältnisse bei Eintritt des Versorgungsfalles kommt es nicht an. Die Höhe der Anwartschaft ist bei vorzeitigem Ausscheiden von der weiteren Entwicklung unabhängig. Die Anwartschaft und der spätere bei Eintritt des Versorgungsfalls auf ihr beruhende Anspruch ist so zu berechnen, als hätten die für die Höhe des Versorgungsanspruchs maßgeblichen Bezugsgrößen "bis zum Versorgungsfall" unverändert fortbestanden (BAG 12. März 1991 - 3 AZR 63/90 - aaO, zu II 1 der Gründe; 12. November 1991 - 3 AZR 520/90 - BAGE 69, 19, 25, zu II 3 b der Gründe). Versorgungsfall in diesem Sinne ist das Erreichen der festen Altersgrenze.

III. Hiernach schuldet der Beklagte dem Kläger die auf den Insolvenzzeitpunkt berechnete Betriebsrente ohne Berücksichtigung von dessen Weiterarbeit über die Vollendung des 63. Lebensjahres hinaus. Der Beklagte kann deshalb die Arbeitgeberleistungen zur Sozialversicherung nach § 9 RGO nicht für diesen Zeitraum weiter hochrechnen und bei der endgültigen Berechnung des Versorgungsanspruchs mindernd berücksichtigen. Er schuldet dem Kläger deshalb auch noch die weiteren 73,10 DM monatlich, die Gegenstand des Revisionsverfahrens sind.

1. Nach § 6 Abs. 1 Buchst. b RGO ist feste Altersgrenze iSv. § 2 Abs. 1 BetrAVG die Vollendung des 63. Lebensjahres. Wird dieser Zeitpunkt im Arbeitsverhältnis erreicht, ist der Vollanspruch erdient. Scheidet ein in den Geltungsbereich der Ruhegehaltsordnung fallender Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist nach § 2 Abs. 1 BetrAVG die von ihm bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres erreichbare Betriebsrente zu ermitteln. Dabei sind auch die Abzugsbeträge auf diesen Zeitpunkt hochzurechnen. Der sich hieraus ergebende Betrag ist auf den Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens zeitratierlich zu kürzen. Wenn der vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber über das 63. Lebensjahr hinaus weiterarbeitet, kann dies die Fälligkeit des Versorgungsanspruchs hinausschieben. Eine Minderung des Versorgungsanspruchs ist aber ausgeschlossen.

2. Ebenso ist die Rechtslage für den beklagten Träger der Insolvenzsicherung nach § 7 Abs. 2 iVm. § 2 BetrAVG. Auch er muß bei der Berechnung der erreichbaren Betriebsrente den von der Versorgungsordnung vorausgesetzten typischen Verlauf bis zum Erreichen der festen Altersgrenze und damit des Vollanspruchs zugrunde legen. Eine atypische Verlängerung des Arbeitsverhältnisses beim Gemeinschuldner ist, was die Höhe des Versorgungsanspruchs angeht, für den Beklagten ebensowenig von Bedeutung, wie eine Weiterarbeit bei einem anderen Arbeitgeber über diesen Zeitpunkt hinaus für den ursprünglichen Versorgungsschuldner.

3. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf die Urteile des Senats vom 12. März 1991 zur vorgezogenen Inanspruchnahme von Betriebsrente nach § 6 BetrAVG (- 3 AZR 102/90 - BAGE 67, 301) und zu einer betrieblichen Erwerbsunfähigkeitsrente (- 3 AZR 63/90 - AP BetrAVG § 7 Nr. 68 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 41). In beiden Entscheidungen war die Betriebsrente vor der in der Versorgungsordnung vorgesehenen festen Altersgrenze zu zahlen. Unter diesen Umständen hat der Senat in beiden Fällen eine Neuberechnung ermöglicht, die der verlängerten Bezugsdauer Rechnung tragen sollte. Mit dieser Situation ist die vorliegende Fallgestaltung nicht vergleichbar.

Ende der Entscheidung

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