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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: 3 AZR 742/98
Rechtsgebiete: BetrAVG, SGB VI, ZPO


Vorschriften:

BetrAVG § 1 Invaliditätsrente
SGB VI § 43
SGB VI § 44
SGB VI § 89 Abs. 1
ZPO § 308 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:

1. Sagt der Arbeitgeber eine Betriebsrente wegen Berufsunfähigkeit zu, ohne die Berufsunfähigkeit zu definieren, so will er damit in der Regel den sozialversicherungsrechtlichen Begriff übernehmen. Dies gilt auch insoweit, als in der gesetzlichen Rentenversicherung die Berufsunfähigkeit von den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt abhängt. Eine ausschließlich medizinische Betrachtung der Berufsunfähigkeit scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Versorgungszusage nach Bekanntwerden der Beschlüsse des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 11. Dezember 1969 (- GS 4/69 - BSGE 30, 167 und - GS 2/68 - BSGE 30, 192) erteilt wurde.

2. Ist ein Arbeitnehmer erwerbsunfähig, so ist er auch berufsunfähig.

3. In einem Gesamtversorgungssystem sind die Sozialversicherungsrenten im Zweifel mit ihrem Bruttobetrag anzurechnen (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung vgl. ua. BAG 10. März 1992 - 3 AZR 352/91 - BAGE 70, 36, 39 f. mwN). Der Zuschuß des Rentenversicherungsträgers zur Kranken- und Pflegeversicherung erhöht den Bruttobetrag der Rente nicht.

Aktenzeichen: 3 AZR 742/98 Bundesarbeitsgericht 3. Senat Urteil vom 14. Dezember 1999 - 3 AZR 742/98 -

I. Arbeitsgericht Mainz - 4 Ca 1288/97 - Urteil vom 10. September 1997

II. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - 6 Sa 1330/97 - Urteil vom 18. August 1998


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 742/98 6 Sa 1330/97

Verkündet am 14. Dezember 1999

der Geschäftsstelle

In Sachen

Klägerin, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,

pp.

Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler, den ehrenamtlichen Richter Dr. Kaiser und die ehrenamtliche Richterin Frehse für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. August 1998 - 6 Sa 1330/97 - insoweit aufgehoben, als es die Zahlungsklage in Höhe von 77.060,84 DM und die Klage auf Feststellung eines Anspruchs auf Zahlung eines bruttobezogenen Zuschusses zur Invalidenrente für die Zeit ab 1. Januar 1997 abgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 10. September 1997 - 4 Ca 1288/97 - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 1. März 1995 bis einschließlich 31. Dezember 1996 77.060,84 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus jeweils 3.417,21 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. März 1995 und dem 1. April 1995, aus dem sich aus jeweils 3.615,37 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Mai 1995, 1. Juni 1995, 1. Juli 1995, 1. August 1995, 1. September 1995, 1. Oktober 1995, 1. November 1995, 1. Dezember 1995, 1. Januar 1996, 1. Februar 1996 und 1. März 1996 sowie aus dem sich aus jeweils 3.384,15 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. April 1996, 1. Mai 1996, 1. Juni 1996, 1. Juli 1996, 1. August 1996,1. September 1996, 1. Oktober 1996, 1. November 1996 und 1. Dezember 1996 zu zahlen.

b) Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. Januar 1997 eine Invalidenversorgung zu gewähren, die zusammen mit der Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ohne den Zuschuß zur Kranken- und Pflegeversicherung 65 % des zuletzt bezogenen, entsprechend den zwischenzeitlichen Tarifänderungen fortgeschriebenen Bruttogehalts einschließlich des Ortszuschlags beträgt.

c) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die weitergehende Berufung und Revision der Klägerin werden zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/25 und die Beklagte 24/25 zu tragen.

Von Rechts wegen !

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Invaliditätsversorgung zusteht.

Die Klägerin war vom 1. November 1968 bis 31. März 1994 bei der Beklagten beschäftigt. In § 7 des Dienstvertrages vom 24. April 1974 hatten die Parteien vereinbart:

"Im Falle einer dauernden Berufsunfähigkeit, die durch amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen ist, spätestens aber mit Zahlung der Altersrente durch die gesetzliche Rentenversicherung, wird nach mindestens 15-jähriger Dienstzeit ein Zuschuß zur Angestellten- bzw. Invalidenrente gezahlt. Der Zuschuß wird so bemessen, daß die jeweilige Rente und der Zuschuß folgende Prozentsätze des zuletzt bezogenen Gehalts (Grundvergütung einschließlich gesetzlicher Zulagen und Ortszuschlag unter Berücksichtigung künftiger Tarifänderungen) erreichen:

Bei einer Dienstzeit von mindestens Der Zuschuß beträgt jedoch mindestens

mtl. DM ...

... 25 Jahren 65 % 150,00 ...

...

Der Zuschuß wird nur dann gezahlt, wenn das Arbeitsverhältnis mit der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz bis zur Erfüllung der Voraussetzungen nach § 7 Satz 1 fortbestanden hat; im übrigen wird er nur auf Antrag, dem in jedem Falle der Rentenbescheid beizufügen ist, gewährt.

..."

Mit Bescheid vom 28. Februar 1996 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Bescheid enthielt folgende Hinweise:

"Rentenart

Sie haben Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Für die Anerkennung des Rentenanspruchs sind die Verhältnisse des Arbeitsmarktes ausschlaggebend gewesen.

Die Anspruchsvoraussetzungen sind seit dem 25.11.93 erfüllt.

...

Mehrere Rentenansprüche

Für den Zeitraum, für den Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht, wird nur die höchste, bei gleich hohen Renten die ranghöhere geleistet (§ 89 Abs. 1 SGB VI).

Die Rente wegen Berufsunfähigkeit ist daher nicht zu zahlen.

..."

Die Beklagte verweigerte die Zahlung eines Zuschusses zur Invalidenrente. Sie verlangte von der Klägerin ein amtsärztliches Zeugnis über das Vorliegen dauernder Berufsunfähigkeit. Dies lehnte die Klägerin ab.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aufgrund des Rentenbescheids der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte stehe fest, daß sie dauernd berufsunfähig sei. Die festgestellte Erwerbsunfähigkeit umfasse die Berufsunfähigkeit im Sinne des § 7 des Dienstvertrages. Da die Entscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf einer amtsärztlichen Begutachtung beruhe, müsse kein weiteres Attest mehr vorgelegt werden.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 79.621,72 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich aus jeweils 3.614,20 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. März 1995 und dem 1. April 1995, 4 % Zinsen aus dem sich aus jeweils 3.812,36 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Mai 1995, 1. Juni 1995, 1. Juli 1995, 1. August 1995,1. September 1995, 1. Oktober 1995, 1. November 1995, 1. Dezember 1995, 1. Januar 1996, 1. Februar 1996 und 1. März 1996 sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus jeweils 3.384,15 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 1. April 1996, 1. Mai 1996, 1. Juni 1996, 1. Juli 1996, 1. August 1996, 1. September 1996, 1. Oktober 1996, 1. November 1996 und 1. Dezember 1996 zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ab dem 1. Januar 1997 den vertraglich vereinbarten Zuschuß zur Angestelltenrente zu zahlen und zwar in der Höhe, daß die von der Klägerin bezogene Rente und der Zuschuß 65 % des zuletzt bezogenen Gehaltes der Klägerin (Grundvergütung einschließlich gesetzlicher Zulagen und Ortszuschlag unter Berücksichtigung künftiger Tarifänderungen) beträgt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin sei zwar erwerbsunfähig im Sinne des Sozialversicherungsrechts, nicht aber berufsunfähig im Sinne der Versorgungszusage. § 7 des Dienstvertrages enthalte einen eigenständigen Begriff der Berufsunfähigkeit. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte habe die Klägerin wegen der Verhältnisse des Arbeitsmarkts für erwerbsunfähig angesehen. Die Arbeitsmarktrisiken spielten jedoch für die dauernde Berufsunfähigkeit nach § 7 des Dienstvertrages keine Rolle. Die Beklagte habe für diese von ihr nicht beeinflußbaren Risiken nicht einzustehen. Die Klägerin müsse ein ärztliches Zeugnis über ihre ausschließlich arbeitsmedizinisch zu beurteilende Berufsunfähigkeit vorlegen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Nach § 7 des Dienstvertrages vom 24. April 1974 ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Invalidenversorgung zu gewähren. Der Klägerin steht jedoch eine geringere Betriebsrente zu als von ihr geltend gemacht.

I. Die arbeitsvertraglichen Voraussetzungen für einen Zuschuß zur Invalidenrente sind erfüllt. Die Klägerin ist "dauernd berufsunfähig".

1. § 7 des Dienstvertrages stellt auf die Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ab. Der Arbeitgeber darf zwar die mit der Zusage einer Berufsunfähigkeitsrente verbundenen Risiken begrenzen und muß sich dabei nicht am gesetzlichen Rentenversicherungsrecht orientieren (vgl. BAG 20. Oktober 1987 - 3 AZR 208/86 - AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 50, zu III der Gründe; 24. Juni 1998 - 3 AZR 288/97 - BAGE 89, 180, 184). Von dieser Möglichkeit hat jedoch die Beklagte bei der Umschreibung der Berufsunfähigkeit keinen Gebrauch gemacht, sondern die sozialversicherungsrechtliche Terminologie übernommen.

a) Unerheblich ist es, daß § 7 des Dienstvertrages nicht ausdrücklich auf die sozialversicherungsrechtliche Definition der Berufsunfähigkeit verweist. Daraus kann nicht geschlossen werden, daß die Versorgungszusage einen besonderen, vom gesetzlichen Rentenversicherungsrecht abweichenden Begriff verwandt hat. Wenn der Arbeitgeber davon absieht, die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit selbst festzulegen, will er damit in der Regel den sozialversicherungsrechtlichen Sprachgebrauch übernehmen (BAG 17. Mai 1966 - 3 AZR 477/65 - AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 110 = EzA BGB § 242 Nr. 8, zu 3 der Gründe; 19. April 1983 - 3 AZR 4/81 - AP BetrAVG § 6 Nr. 6 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 6, zu I 1 b der Gründe; 24. Juni 1998 - 3 AZR 288/97 - BAGE 89, 180, 184). Das Arbeitsrecht kennt keinen eigenständigen Begriff der Berufsunfähigkeit. Die Übernahme der sozialversicherungsrechtlichen Definition bietet sich wegen ihrer thematischen Nähe an.

b) Zweck und Systematik der vorliegenden betrieblichen Invaliditätsversorgung sprechen ebenfalls für eine Anlehnung an das Sozialversicherungsrecht. Nach § 7 Satz 1 des Dienstvertrages wird die Betriebsrente als Zuschuß zur gesetzlichen Alters- oder Invalidenrente gezahlt. Das in § 7 Satz 2 des Dienstvertrages geregelte Gesamtversorgungssystem sorgt für eine Verzahnung mit dem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht. Der Ergänzungsfunktion des Zuschusses entspricht es, daß die Anspruchsvoraussetzungen der Betriebsrente und der Sozialversicherungsrente möglichst weitgehend übereinstimmen.

c) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist dem Dienstvertrag nicht zu entnehmen, daß die Parteien einen gegenüber dem Sozialversicherungsrecht engeren Begriff der Berufsunfähigkeit vereinbarten. Eine restriktive Auslegung läßt sich nicht darauf stützen, daß § 7 des Dienstvertrages nur von Berufsunfähigkeit spricht und sie durch ein amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen ist. Die Übernahme des sozialversicherungsrechtlichen Sprachgebrauchs wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß im Sozialversicherungsrecht die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt sowohl bei der Berufsunfähigkeit als auch bei der Erwerbsunfähigkeit eine wichtige Rolle spielen.

aa) Eine besondere Erwähnung der Erwerbsunfähigkeit war unnötig, weil die Erwerbsunfähigkeit eine gesteigerte Form der Berufsunfähigkeit ist. Ein Erwerbsunfähiger ist stets auch berufsunfähig (vgl. ua. BSG 26. Mai 1964 - 12 RJ 464/61 - BSGE 21, 88, 89; 14. März 1979 - 1 RA 27/76 - SozR 2200 § 1259 RVO Nr. 34). Sowohl nach den bei Abschluß des Dienstvertrages vom 24. April 1974 geltenden §§ 23, 24 des Angestelltenversicherungsgesetzes als auch nach den bei Rentenbeginn geltenden §§ 43, 44 SGB VI unterscheiden sich Berufs- und Erwerbsunfähigkeit nur dadurch, daß die Erwerbsunfähigkeit höhere Anforderungen stellt.

Die in § 7 des Dienstvertrages gebrauchten Formulierungen berücksichtigen, daß die Berufsunfähigkeit von einer Erwerbsunfähigkeit umfaßt wird. § 7 des Dienstvertrages spricht nicht von einem Zuschuß zur Berufsunfähigkeitsrente, sondern von einem Zuschuß zur Invalidenrente. Der Ausdruck Invalidität wird im Betriebsrentenrecht (vgl. ua. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 BetrAVG) ebenso wie im Sozialversicherungsrecht als Oberbegriff gebraucht, unter den die Erwerbs- und die Berufsunfähigkeit fallen.

bb) Aus der Vereinbarung, daß die Berufsunfähigkeit durch amtsärztliches Zeugnis nachzuweisen ist, ergibt sich nicht, daß die Versorgungszusage andere Anforderungen an die Berufsunfähigkeit stellt als das gesetzliche Rentenversicherungsrecht. Die Anspruchsvoraussetzungen sind von ihrem Nachweis zu unterscheiden. Wenn die Beklagte einen besonderen Begriff der Berufsunfähigkeit schaffen wollte, konnte von ihr erwartet werden, daß sie die besonderen Tatbestandsmerkmale auch nennt. Soweit Leistungseinschränkungen nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, gehen Unklarheiten zu Lasten des Arbeitgebers (zur sog. Unklarheitenregel vgl. ua. BAG 27. Januar 1998 - 3 AZR 444/96 - AP BetrAVG § 1 Unterstützungskassen Nr. 38, zu II 2 d der Gründe mwN).

cc) An der Übernahme des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs der Berufsunfähigkeit ändert es nichts, daß die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen sind und deshalb der versorgungspflichtige Arbeitgeber mit Arbeitsmarktrisiken belastet wird. Bereits in den Beschlüssen vom 11. Dezember 1969 hat sich der Große Senat des Bundessozialgerichts für die sog. konkrete Betrachtungsweise der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit entschieden (- GS 4/69 - BSGE 30, 167 zur Berufsunfähigkeitsrente und - GS 2/68 - BSGE 30, 192 zur Erwerbsunfähigkeitsrente). Nach dieser Rechtsprechung konnte der Versicherte auf Tätigkeiten nur verwiesen werden, wenn ihm "für diese Tätigkeiten der Arbeitsmarkt praktisch nicht verschlossen ist". Im vorliegenden Fall wurde der die Versorgungszusage enthaltende Arbeitsvertrag am 24. April 1974 unterzeichnet. Die Grundsatzentscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts lag schon mehr als vier Jahre vor. Für die Beklagte bestand ein erkennbarer Anlaß für einen klärenden Zusatz, wenn sie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht folgen und einen anderen Begriff der Berufsunfähigkeit zugrunde legen wollte. In den späteren Beschlüssen vom 10. Dezember 1976 (- GS 2/75, 3/75, 4/75, 3/76 - BSGE 43, 75) hat der Große Senat des Bundessozialgerichts an der arbeitsmarktbezogenen, konkreten Betrachtungsweise festgehalten und lediglich die Maßstäbe modifiziert, nach denen zu beurteilen ist, ob der Arbeitsmarkt dem Versicherten verschlossen ist.

2. Nach dem gesetzlichen Rentenversicherungsrecht und damit auch im Sinne des § 7 des Dienstvertrages lagen die Voraussetzungen einer dauernden Berufsunfähigkeit vor.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Klägerin erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit umfaßt die Berufsunfähigkeit. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bewilligte der Klägerin eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Rentenbescheid hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte darauf hingewiesen, daß sie nur deshalb keine Berufsunfähigkeitsrente zahlt, weil nach § 89 Abs. 1 SGB VI bei mehreren Rentenansprüchen die höhere Rente, hier die Erwerbsunfähigkeitsrente geleistet wird.

b) Die Berufsunfähigkeit der Klägerin ist nicht nur vorübergehend, sondern "dauernd". Die Klägerin hat behauptet, daß eine Besserung ihres Gesundheitszustandes nicht zu erwarten und ihr der Arbeitsmarkt auf Dauer krankheitsbedingt verschlossen sei. Die Beklagte hat dies nicht bestritten. Sie hat lediglich gemeint, die Berufsunfähigkeit sei lediglich nach arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Diese Auffassung trifft jedoch, wie ausgeführt, nicht zu.

II. Die Beklagte kann die Zahlung des Zuschusses zur Invalidenrente nicht bis zur Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses verweigern. Das amtsärztliche Zeugnis dient nach § 7 Satz 1 des Dienstvertrages zum "Nachweis" der dauernden Berufsunfähigkeit. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Versorgungsvereinbarung ist es lediglich ein Beweismittel. Da die Beklagte die dauernde Erwerbsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht bestritten hat, ist ein Beweis unnötig.

III. Die Klägerin kann die Invalidenversorgung jedoch nicht in der geltend gemachten Höhe verlangen. Da die Klägerin bis zum Eintritt des Versorgungsfalls eine Dienstzeit von 25 Jahren erreicht hatte, ist sie zu Recht von einer Gesamtversorgung in Höhe von 65 % des zuletzt bezogenen Bruttogehalts ausgegangen, das entsprechend den späteren Tarifgehaltserhöhungen fortzuschreiben war. Davon ist jedoch die jeweilige Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abzuziehen.

1. Wenn die Nettoversorgung maßgebend sein soll, muß dies in den Versorgungsregelungen erkennbar zum Ausdruck kommen. Daran fehlt es. Sieht eine Versorgungsregelung vor, daß die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen einer Gesamtversorgung angerechnet werden soll, so ist damit im Zweifel die Bruttorente gemeint. Ein vom Rentner aufzubringender und von der gesetzlichen Rente einzubehaltender Krankenversicherungsbeitrag bleibt ohne Einfluß auf die Höhe der Gesamtversorgung (vgl. ua. BAG 10. März 1992 - 3 AZR 352/91 - BAGE 70, 36, 39 f.). Andererseits erhöht ein Zuschuß des Rentenversicherungsträgers zur Kranken- und Pflegeversicherung den Bruttobetrag der Rente nicht. Die auf die gesetzliche Rente entfallenden Abgaben spielen keine Rolle, unabhängig davon, wer sie trägt und wie sie abgeführt werden.

2. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift aufgeschlüsselt, wie hoch das maßgebliche Bruttogehalt einschließlich des Ortszuschlags unter Berücksichtigung der in der Zeit von März 1995 bis Dezember 1996 eingetretenen Tarifgehaltserhöhungen war. Die Beklagte hat dies nicht substantiiert bestritten. Die gesetzliche Bruttorente ergibt sich aus den vorgelegten Rentenbescheiden. Danach stehen der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1995 bis 31. Dezember 1996 folgende Zuschüsse zur Invalidenrente zu:

a) 1. März 1995 bis 30. April 1995:

Maßgebliches Bruttogehalt einschließlich Ortszuschlag 9.525,95 DM

Gesamtversorgung von 65 % = 6.191,86 DM

Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung

ohne Zuschuß zur Krankenversicherung

und vor Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge - 2.774,65 DM

von der Beklagten zu zahlender Zuschuß zur Invalidenrente 3.417,21 DM

b) 1. Mai 1995 bis 30. Juni 1996:

Maßgebliches Bruttogehalt einschließlich Ortszuschlag 9.830,80 DM

Gesamtversorgung von 65 % = 6.390,02 DM

Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - 2.774,65 DM

von der Beklagten zu zahlender Zuschuß zur Invalidenrente 3.615,37 DM

Auch für die Zeit vom 1. April 1996 bis 30. Juni 1996 stand der Klägerin ein Zuschuß zur Invalidenrente in Höhe von 3.615,37 DM zu. Im Bescheid vom 30. September 1996 blieb die Bruttorente unverändert. Der neue Rentenbescheid berücksichtigte lediglich, daß der Klägerin zusätzlich noch ein Zuschuß zur Kranken- und Pflegeversicherung zustand.

c) 1. Juli 1996 bis 31. Dezember 1996:

Maßgebliches Bruttogehalt 9.830,80 DM

Gesamtversorgung von 65 % = 6.390,02 DM

Bruttorente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - 2.801,06 DM

von der Beklagten zu zahlender Zuschuß zur Invalidenrente 3.588,96 DM.

d) Die Klägerin hat für die Zeit vom 1. April 1996 bis 31. Dezember 1996 einen geringeren Zuschuß verlangt als ihr zustand. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ihr für diesen Zeitraum nicht mehr zugesprochen werden, als sie beantragt hat. Die Forderung für jeden einzelnen Kalendermonat stellt einen eigenen Streitgegenstand dar und ist getrennt zu betrachten. Die Zuvielforderung für die Zeit vom 1. März 1995 bis 31. März 1996 kann nicht mit den Beträgen verrechnet werden, die der Klägerin für die Zeit vom 1. April 1996 bis 31. Dezember 1996 noch zustehen, aber nicht eingeklagt worden sind.

Damit stehen der Klägerin von dem eingeklagten Betrag 6.834,42 DM (= 2 x 3.417,21 DM für März und April 1995) + 39.769,07 DM (= 11 x 3.615,37 DM für die Monate Mai 1995 bis einschließlich März 1996) + 30.457,35 DM (= 9 x 3.384,15 DM für die Monate April bis einschließlich Dezember 1996) = 77.060,84 DM zu.

IV. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1, § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Ende der Entscheidung

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