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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 21.11.2000
Aktenzeichen: 3 AZR 91/00
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1 Ablösung
BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung
BetrAVG § 7 Abs. 1
Wenn durch Änderung einer Betriebsvereinbarung die betriebliche Altersversorgung von Rentenleistungen auf Kapitalleistungen umgestellt wird, rechtfertigt dies noch nicht, die Hinterbliebenenversorgung in der neuen Betriebsvereinbarung dahingehend zu beschränken, daß sie nur noch beim Tode eines Versorgungsanwärters und nicht mehr beim Tode eines Betriebsrentners gewährt wird.
BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

3 AZR 91/00

Verkündet am 21. November 2000

In Sachen

hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, die Richter am Bundesarbeitsgericht Kremhelmer und Bepler, die ehrenamtlichen Richter Ludwig und Goebel

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. November 1999 - 11 Sa 805/99 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein der Klägerin eine Witwenrente zahlen muß.

Der am 23. Mai 1998 verstorbene Ehemann der Klägerin war seit dem 1. November 1969 bei der D. GmbH & Co. KG beschäftigt. Bei der Arbeitgeberin bestand eine Unterstützungskasse. Nach Nr. 5.1 der seit dem 1. Januar 1976 gültigen Versorgungsrichtlinien (RL 76) erhielten die "Witwen von Anwärtern und Rentnern" eine Witwenrente. Sie belief sich nach Nr. 5.2 RL 76 - je nach Lebensalter der Witwe am Todestage des Ehemannes - auf 30 % bis 60 % der Betriebsrente des Ehemannes.

Durch die am 30. Juli 1980 in Kraft getretene Gesamtbetriebsvereinbarung (Versorgungsordnung 1980 - VersO 80) wurde die Unterstützungskassenversorgung durch eine Direktzusage ersetzt. Die zugesagte Versorgung entsprach in vollem Umfang den bisherigen Leistungen der Unterstützungskasse. Ab Januar 1983 wurde die betriebliche Altersversorgung für neu eintretende Arbeitnehmer geschlossen.

Die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 2. Januar 1991 (Versorgungsordnung 1991 - VersO 91) öffnete die Altersversorgung wieder allen Arbeitnehmern, nahm gleichzeitig eine Umstrukturierung vor und änderte in diesem Zusammenhang auch die Hinterbliebenenversorgung. Für jeden Arbeitnehmer wird nunmehr ein Versorgungskonto geführt, das sich jährlich durch eine Versorgungsgutschrift erhöht. Die Versorgungsgutschrift errechnet sich aus dem Versorgungsbeitrag, der mit einem Altersfaktor multipliziert wird. Die Summe aller Versorgungsgutschriften bildet das Kapital, das im Versorgungsfall in einem Betrag oder in bis zu 12 gleichen Teilbeträgen auszuzahlen ist. Eine Verrentung dieser Kapitalleistung ist in Nr. 8.3 VersO 91 wie folgt geregelt:

"Der Versorgungsträger kann mit Zustimmung des Anwärters bzw. seiner Hinterbliebenen das betriebliche Ruhegeld bzw. Hinterbliebenengeld ganz oder teilweise verrenten. Die Rente wird unter Anrechnung auf die Verpflichtung nach § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung jährlich um 3 % angehoben. Der Betrag der Rente bei Rentenbeginn wird so festgesetzt, daß ihr Barwert zum Zeitpunkt des Erwerbs des Anspruchs unter Berücksichtigung der Dynamisierung nach Satz 2 dem betrieblichen Ruhegeld bzw. Hinterbliebenengeld entspricht. Dabei sind der für die steuerliche Bewertung vorgeschriebene Rechnungszinsfuß und die Rechnungsgrundlagen sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend."

Die bis zum 31. Dezember 1990 erdienten Anwartschaften wurden durch die ebenfalls am 2. Januar 1991 geschlossene "Gesamtbetriebsvereinbarung zur Überleitung der bisherigen Versorgungsregelung auf die Neuregelung" (Überleitungs-BV 91) in das beitragsorientierte Versorgungssystem integriert. Die Überleitungs-BV 91 enthält folgende Bestimmungen:

"1. Am 31.12.1990 wird ein zusätzlicher Versorgungsbeitrag (Initialbeitrag) bereitgestellt, für den nach 5. der Versorgungsbestimmungen eine Versorgungsgutschrift (Initialgutschrift) erteilt wird.

Der Initialbeitrag ist der nach versicherungsmathematischen Grundsätzen in entsprechender Anwendung von § 3 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) berechnete Barwert der bis zum 31. Dezember 1990 (Berechnungsstichtag) erworbenen Anwartschaft nach der bisherigen Versorgungsregelung. ...

...

3. Der Arbeitnehmer bzw. dessen Hinterbliebenen können vom Versorgungsträger die Verrentung des betrieblichen Ruhegeldes bzw. Hinterbliebenengeldes mit der Maßgabe verlangen, daß die Rente mindestens den Betrag erreicht, den sie nach der bisherigen Versorgungsregelung hätten beanspruchen können. In diesem Falle ist die Anhebung der Rente über die Verpflichtung gem. § 16 BetrAVG hinaus ausgeschlossen.

..."

Zur Hinterbliebenenversorgung heißt es in der VersO 91:

"3. Anspruchsvoraussetzungen

...

3.4.1 Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Anwärters, so erwirbt der hinterlassene Ehegatte Anspruch auf eine Witwen- bzw. Witwerleistung oder, wenn kein Ehegatte hinterlassen wird, jedes hinterlassene waisenleistungsberechtigte Kind Anspruch auf eine Waisenleistung.

...

4. Höhe der betrieblichen Leistungen

...

4.2.1 Bei der Berechnung des Hinterbliebenengeldes wird von dem Ruhegeld ausgegangen, auf das der Anwärter im Zeitpunkt des Todes hätte Anspruch erwerben können.

4.2.2 Das Hinterbliebenengeld beträgt als Witwen - bzw. Witwerleistung 100 % ... der Berechnungsgrundlage nach 4.2.1.

..."

Der Ehemann der Klägerin wurde im Oktober 1995 erwerbsunfähig. Er bezog bis zu seinem Tode am 23. Mai 1998 eine gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente. Von seinem früheren Arbeitgeber erhielt er eine monatliche Invalidenrente in Höhe von 493,75 DM. Am 31. August 1996 wurde über das Vermögen seines früheren Arbeitgebers das Konkursverfahren eröffnet. Daraufhin zahlte der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein die Invalidenrente.

Die Klägerin hat nach dem Ableben ihres Ehemannes vom beklagten Pensions-Sicherungs-Verein die in Nr. 5 VersO 80 vorgesehene Witwenrente verlangt. Sie ist der Auffassung, aus der Bestandsschutzregelung in Nr. 3 Überleitungs-BV 91 ergebe sich, daß die Witwen verstorbener Betriebsrentner weiterhin Hinterbliebenenrente erhalten sollten. Die Klägerin hat behauptet, daß der frühere Arbeitgeber ihres Ehemannes auch tatsächlich so verfahren sei. Sie hat gemeint, dies müsse bei der Auslegung der Betriebsvereinbarung berücksichtigt werden. Selbst wenn die Hinterbliebenenversorgung nunmehr voraussetze, daß der Arbeitnehmer nicht als Betriebsrentner, sondern vor Eintritt eines Versorgungsfalles als Versorgungsanwärter verstorben sei, ändere sich im Ergebnis nichts. Die Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf den Anwärtertod wäre bei den Arbeitnehmern unwirksam, die bei Inkrafttreten der Neuregelung nach den früheren Bestimmungen eine Anwartschaft auf umfassende Hinterbliebenenversorgung erworben hätten. Gründe, die den Eingriff rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

Die Klägerin hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, sinngemäß beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie für die Monate Juni 1998 bis einschließlich November 1998 jeweils eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 246,88 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem ersten Kalendertag des Folgemonats zu zahlen,

2. festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an sie ab Dezember 1998 eine monatliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 246,88 DM brutto zu zahlen.

Der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Witwenrente zu. Nach der Versorgungsordnung 1991 seien lediglich die Hinterbliebenen von Versorgungsanwärtern, nicht aber die Hinterbliebenen von Rentenempfängern versorgungsberechtigt. Die Überleitungs-BV 91 enthalte keine davon abweichende Sonderregelung. Die Änderung der Versorgungsordnung sei wirksam. Sie beruhe auf dem Übergang von der rentenförmigen zur kapitalförmigen Versorgung und vermeide Doppelleistungen im Bereich der Hinterbliebenenversorgung. Soweit die Hinterbliebenenversorgung eingeschränkt worden sei, reichten dafür sachliche Gründe aus. Ein solcher Grund ergebe sich bereits daraus, daß die Altersversorgung wieder allen Mitarbeitern zugänglich gemacht worden sei. Dem Pensions-Sicherungs-Verein könne die Darlegungs- und Beweislast für ausreichende Änderungsgründe nicht aufgebürdet werden, zumal ihm die erforderlichen Kenntnisse zwangsläufig fehlten.

Das Arbeitsgericht hat dem noch anhängigen Klageantrag stattgegeben. Die Berufung des beklagten Pensions-Sicherungs-Vereins hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des beklagten Pensions-Sicherungs-Vereins ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem noch anhängigen Klageantrag zu Recht stattgegeben.

I. Da sich der Ehemann der Klägerin bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen seines Arbeitgebers bereits im Ruhestand befand, ist der beklagte Pensions-Sicherungs-Verein nach § 7 Abs. 1 BetrAVG einstandspflichtig. Nach dieser Vorschrift haben die Versorgungsempfänger einen Insolvenzsicherungsanspruch in Höhe der Leistung, die der "Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage zu erbringen hätte". Bei Versorgungsempfängern kommt es, abgesehen von den Fällen des Versicherungsmißbrauchs im Sinne des § 7 Abs. 5 BetrAVG, auf die Versorgungspflichten des Arbeitgebers an (vgl. ua. BAG 8. Juni 1999 - 3 AZR 39/98 - AP BetrAVG § 7 Nr. 92 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 60, zu II der Gründe; 14. Dezember 1999 - 3 AZR 684/98 - AP BetrAVG § 7 Nr. 97 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 63, zu I der Gründe).

II. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Witwenversorgung zu, auch wenn die Versorgungsordnung 1991 die Hinterbliebenenversorgung auf den "Anwärtertod" beschränkt hat und sich die Klägerin weder auf Nr. 3 der Überleitungs-BV 91 noch auf eine betriebliche Übung berufen kann. Die nach Nr. 5 VersO 80 entstandene Anwartschaft auf Witwenrente auch beim "Rentnertod" ist durch die VersO 91 und die Überleitungs-BV 91 nicht wirksam beseitigt worden.

1. Im Verhältnis zweier aufeinanderfolgenden Betriebsvereinbarungen gilt die sog. Zeitkollisionsregel. Die jüngere Norm ersetzt die ältere. Die Betriebspartner können die vereinbarten Normen sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer ändern. Spätere Betriebsvereinbarungen, die Versorgungsrechte aus einer früheren Betriebsvereinbarung einschränken, unterliegen jedoch einer Rechtskontrolle (vgl. BAG 23. September 1997 - 3 AZR 529/96 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, zu II 2 und 3 der Gründe mwN).

2. Dies gilt auch für eine Änderung der Hinterbliebenenversorgung, obwohl sie auf einer Zusage zugunsten Dritter beruht. Versprechensempfänger ist der Arbeitnehmer. Seine Hinterbliebenen sind lediglich Begünstigte, die erst mit seinem Tod ein Recht auf die versprochene Leistung erwerben (BAG 26. August 1997 - 3 AZR 235/96 - BAGE 86, 216, 219). Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie keine gefestigte Rechtsstellung. Ihrer Zustimmung bedürfen weder die Einschränkung oder Änderung des begünstigten Personenkreises noch die Aufstockung der eigenen Versorgung des Arbeitnehmers gegen einen teilweisen oder vollständigen Verzicht auf Hinterbliebenenversorgung (vgl. Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. Einl. Rn. 313; Höfer BetrAVG Stand: Juli 2000 ART Rn. 646).

Das bedeutet aber nicht, daß die Betriebspartner durch eine Betriebsvereinbarung die Hinterbliebenenversorgung beliebig umgestalten und einschränken können. Soweit der Arbeitnehmer eine Anwartschaft auf Versorgung seiner Hinterbliebenen erworben hat, unterliegen Eingriffe in diese Rechtspositionen der allgemeinen Rechtskontrolle anhand der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit. Für den Arbeitnehmer ist eine möglichst weitgehende Deckung des Versorgungsbedarfs seiner Hinterbliebenen nicht nur von ideeller Bedeutung, sondern stellt für ihn auch einen erheblichen wirtschaftlichen Wert dar. Ihm bleibt eine entsprechende Eigenvorsorge erspart.

3. Aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, daß die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollen, um so gewichtiger sein müssen, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird. Für Eingriffe in die Höhe der Versorgungsanwartschaften hat der Senat ein dreiteiliges Prüfungsraster entwickelt (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - BAGE 49, 57, 66 ff.). Es läßt sich weder auf die Änderung von Anpassungsregelungen bei laufenden Betriebsrenten noch auf die Schaffung von Ausschlußtatbeständen für eine Hinterbliebenenversorgung ohne weiteres übertragen (vgl. BAG 16. Juli 1996 - 3 AZR 398/95 - BAGE 83, 293, 298 ff.; 27. August 1996 - 3 AZR 466/95 - BAGE 84, 38, 54 ff.; 26. August 1997 - 3 AZR 235/96 - BAGE 86, 216, 223; 23. September 1997 - 3 AZR 529/96 - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 23 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 14, zu II 3 der Gründe; 9. November 1999 - 3 AZR 432/98 - BAGE 92, 358, 365). Auch die in diesem Rechtsstreit umstrittene Änderung der Versorgungsordnung betrifft nicht die Höhe der Versorgungsanwartschaft, sondern den durch die Hinterbliebenenversorgung begünstigten Personenkreis. Da ein vom Prüfungsschema nicht erfaßter Sachverhalt vorliegt, muß auf die hinter dem Prüfungsschema stehenden allgemeinen Prinzipien zurückgegriffen werden.

4. Ob für die Streichung der Hinterbliebenenversorgung beim "Rentnertod" triftige Gründe erforderlich waren - wofür einiges spricht -, kann offenbleiben. Selbst wenn sachliche Gründe ausreichten, war diese Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung nicht gerechtfertigt. Da Art und Umfang des Eingriffs an Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Vertrauensschutz zu messen sind, muß die konkrete Änderung der Versorgungsordnung eine angemessene Reaktion auf einen bestimmten sachlichen Grund darstellen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

a) Im Gegensatz zu den Urteilen des Senats vom 16. Juli 1996 (- 3 AZR 398/98 - BAGE 83, 293), vom 27. August 1996 (- 3 AZR 466/95 - BAGE 84, 38) und vom 9. November 1999 (- 3 AZR 432/98 - BAGE 92, 358), die sich mit der Änderung von Anpassungsregelungen für laufende Betriebsrenten befaßten, ist im vorliegenden Falle die Versorgungsanwartschaft selbst betroffen. Ein Teilbereich der bisherigen Altersversorgung wurde vollständig gestrichen. Der Arbeitgeber deckt den Versorgungsbedarf der Hinterbliebenen, der beim Tod des Betriebsrentners entsteht, überhaupt nicht mehr ab. Der Arbeitnehmer durfte jedoch auf Grund der Regelungen in den RL 76 und der VersO 80 darauf vertrauen, daß seine Hinterbliebenen auch dann vom Arbeitgeber versorgt werden, wenn er nicht vor, sondern nach Eintritt in den Ruhestand verstirbt. Ein Versterben nach einer Invalidisierung oder nach Bezug von Altersruhegeld ist kein Ausnahmefall, sondern die Regel. Die Versorgung der Hinterbliebenen stellt einen bedeutenden wirtschaftlichen Wert dar. Können bei der Hinterbliebenenversorgung häufig Lücken entstehen, so hält ein verständiger Arbeitnehmer eine private Eigenvorsorge für geboten. Dies unterscheidet den vorliegenden Eingriff in die Hinterbliebenenversorgung von der nachträglichen Einführung einer Spätehenklausel, mit der sich der Senat im Urteil vom 26. August 1997 (- 3 AZR 235/96 - BAGE 86, 216) befaßt hat. Da diese Klausel an drei Bedingungen geknüpft war, deren Eintritt völlig ungewiß war, kam sie nur in Ausnahmefällen zum Zuge. Deshalb sah der Senat den Eingriff durch eine nachträgliche Spätehenklausel als geringfügig an. Die nachträgliche Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf den "Anwärtertod" ist ein wesentlich intensiverer Eingriff.

b) Die Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf den "Anwärtertod" widerspricht dem Zweck der Hinterbliebenenversorgung, die beim Tod des Arbeitnehmers entstehenden finanziellen Risiken seiner Hinterbliebenen zu mindern. Der "Rentnertod" kann ebenso wie der "Aktiventod" zu erheblichen finanziellen Belastungen der Hinterbliebenen führen. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann (Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Stand: August 1999 Teil 9 C Rn. 61) weisen darauf hin, daß sowohl eine Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf den "Anwärtertod" als auch eine Beschränkung auf den "Rentnertod" problematisch und nicht weit verbreitet ist. Noch problematischer ist die nachträgliche Einführung derartiger Beschränkungen.

c) Gleichzeitig mit der Streichung der Hinterbliebenenversorgung beim "Rentnertod" verbesserte die VersO 91 die eigene Versorgung der Arbeitnehmer und die Versorgung der Hinterbliebenen beim "Anwärtertod". Dies schwächt zwar den Eingriff ab. Selbst bei einer Gesamtbetrachtung ist er aber gravierend. aa) Der zwangsweise Austausch eines Teils der Hinterbliebenenversorgung gegen eine höhere eigene Versorgung des Arbeitnehmers setzt sich über die bisher in der Versorgungsordnung anerkannten Versorgungsinteressen hinweg. Anders zu beurteilen wäre ein Wahlrecht des Arbeitnehmers, weil die Hinterbliebenen bis zum Tod des Arbeitnehmers lediglich eine abgeleitete, noch nicht gefestigte Rechtsposition haben und sich der Arbeitnehmer für die Variante entscheiden kann, die ihm am sinnvollsten erscheint.

bb) Die höhere Versorgungsanwartschaft der Hinterbliebenen beim "Anwärtertod" hilft dem Arbeitnehmer nicht, die Versorgungslücke beim "Rentnertod" zu schließen. Auch die höhere eigene Versorgung des Arbeitnehmers ist nur bedingt geeignet, den Versorgungsbedarf der Hinterbliebenen beim "Rentnertod" abzudecken.

(1) Die nach der VersO 91 primär geschuldete Kapitalleistung umfaßt auch den Wert der bis zur Ablösung der VersO 80 erreichten Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung. Nach Nr. 1 Überleitungs-BV 91 wird dem Arbeitnehmer ein sogenannter Initialbeitrag gutgeschrieben. Dabei handelt es sich um den "nach versicherungsmathematischen Grundsätzen in entsprechender Anwendung des § 3 BetrAVG berechnete Barwert der bis zum 31.12.1990 erworbenen Anwartschaft nach der bisherigen Versorgungsregelung". Nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik ist das von einer Hinterbliebenenversorgung abgedeckte Risiko gesondert zu berechnen und dem Barwert der Altersversorgung hinzuzurechnen (vgl. ua. Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 3 Rn. 109). Die Höhe des Barwerts richtet sich nach der wahrscheinlichen Zahlungsdauer der Rente. Der so ermittelte Kapitalbetrag wird wegen der vorzeitigen Auszahlung abgezinst und anschließend, insbesondere wenn Altersrenten mit Hinterbliebenenrenten verknüpft sind, entsprechend der Wahrscheinlichkeit eines Eintritts des Versorgungsfalles reduziert (vgl. ua. Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Stand: August 1999 Teil 10 D Rn. 305; Blomeyer/Otto aaO Rn.114).

Wenn der Arbeitnehmer in den Ruhestand tritt und die Kapitalleistung in Anspruch nimmt, kann er zwar einen Teil hiervon als Einmalprämie für eine Lebensversicherung zugunsten seiner Hinterbliebenen verwenden und so gezielt eine Eigenvorsorge für den "Rentnertod" treffen. Je später er aber die Einmalprämie in eine Lebensversicherung einzahlen kann, desto geringer fallen die Versicherungsleistungen aus. Außerdem mindern sie sich um die Verwaltungskosten und den Gewinnanteil der Versicherungsgesellschaft.

Auch Nr. 3 Überleitungs-BV 91 zeigt, daß nach der Vorstellung der Betriebspartner die Verrentung der Kapitalleistung zu Einbußen führen kann. Nach dieser Vorschrift kann bei einer Verrentung der Kapitalleistung mindestens der Rentenbetrag verlangt werden, der nach der bisherigen Versorgungsregelung, die eine rentenförmige Versorgung vorsah, zu zahlen wäre.

(2) Ein Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer gegenüber einer zwangsweisen, vorgezogenen Kapitalisierung der Hinterbliebenenversorgung bestünde selbst dann, wenn das vom Arbeitgeber gezahlte Kapital bei einer statistischen Durchschnittsbetrachtung ausreichen würde, durch Eigenvorsorge Einbußen bei der Hinterbliebenenversorgung zu vermeiden. Die Auswirkungen eines Eingriffs können nicht losgelöst von der Lebenswirklichkeit allein anhand theoretischer Möglichkeiten betrachtet werden. Ob der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, die Versorgungslücke in der Hinterbliebenenversorgung zu schließen, hängt von zahlreichen Einflüssen ab, wie etwa bestehenden Schulden oder einem anderen Ausgabedruck.

(3) Im vorliegenden Fall war die ausreichende Versorgung der Hinterbliebenen noch zusätzlich dadurch in Frage gestellt, daß die Kapitalleistung nachträglich wieder verrentet wurde. Der Ehemann der Klägerin hätte aus der ihm zustehenden Rente die Versorgung seiner Ehefrau finanzieren müssen. Ein frühzeitiges Ableben stellte die Versorgung seine Ehefrau in Frage. Gerade dieses Risiko hatte ihm die ursprüngliche Versorgungsregelung abgenommen.

d) Für die Beseitigung der Hinterbliebenenversorgung beim "Rentnertod" gab es keine sachlichen Gründe.

aa) Unter welchen Voraussetzungen die Ausdehnung des Kreises der Versorgungsberechtigten eine Einschränkung der bereits bestehenden Versorgungsanwartschaften rechtfertigen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Die eingesetzten Regelungsmittel müssen zumindest auf das Ziel ausgerichtet sein, dem sie dienen sollen. Zwischen der Öffnung des Versorgungswerks für alle Arbeitnehmer und der umstrittenen Änderung der Hinterbliebenenversorgung besteht jedoch kein ausreichender Zusammenhang. Die VersO 91 hat die Hinterbliebenenversorgung beim "Rentnertod" vollständig beseitigt und das dadurch frei gewordene Kapital dafür verwandt, sowohl die eigene Versorgung der Arbeitnehmer als auch die Versorgung der Hinterbliebenen beim "Anwärtertod" zu erhöhen.

bb) Ebensowenig rechtfertigt die Umstellung der Rentenleistungen auf Kapitalleistungen den Wegfall der Hinterbliebenenversorgung beim "Rentnertod".

(1) Die Umstrukturierung als solche stellt noch keinen Sachgrund dar. Er muß sich aus dem zugrunde liegenden Anlaß und den mit der Umstrukturierung verfolgten Zielen ergeben. Hierzu hat sich der Beklagte nicht näher geäußert. Allerdings gibt es für die Umstellung von Rentenleistungen auf Kapitalleistungen naheliegende Gründe, vor allem den der Verwaltungsvereinfachung.

(2) Unabhängig davon welche Gründe zur Einführung der Kapitalleistungen führten, war es überflüssig, die Hinterbliebenenversorgung beim "Rentnertod" zu streichen. Auch die Hinterbliebenenversorgung beim "Rentnertod" hätte als Kapitalleistung erbracht werden können. Dies hätte lediglich vorausgesetzt, daß die eigene Versorgung des Arbeitnehmers und die Hinterbliebenenversorgung auf getrennte Kapitalleistungen umgestellt werden. Bei einer Verrentung der Kapitalleistung, für die sich der Ehemann der Klägerin im vorliegenden Fall entschieden hatte, war die Aufrechterhaltung der Hinterbliebenenversorgung jedenfalls nicht schwieriger. Dies zeigt auch die von der Beratungsgesellschaft Rauser ausgearbeitete, jedoch nicht übernommene Verrentungsvariante. Sie sah neben einer Altersrente für den Arbeitnehmer eine Hinterbliebenenrente an dessen Ehegatten vor.

e) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Darlegungs- und Beweislast für ausreichende Eingriffsgründe den beklagten Pensions-Sicherungs-Verein trifft. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG und entspricht dem Zweck der Insolvenzsicherung. § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG schreibt vor, daß sich die Einstandspflicht des Pensions-Sicherungs-Vereins nach der Höhe der Versorgungsleistung richtet, die der Arbeitgeber ohne die Eröffnung des Konkursverfahrens (nunmehr Insolvenzverfahrens) zu erbringen hätte. Der Versorgungsempfänger soll dadurch, daß er nicht mehr seinen früheren Arbeitgeber in Anspruch nehmen kann, sondern sich an den Pensions-Sicherungs-Verein halten muß, keine Nachteile erleiden.

Verlangt der Versorgungsempfänger von seinem Arbeitgeber eine Betriebsrente und stützt er sich dabei auf eine frühere günstigere Versorgungsordnung, so hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, daß sie durch die spätere Regelung wirksam geändert wurde. Der Pensions-Sicherungs-Verein hat die für den Arbeitgeber geltenden materiellrechtlichen Vorschriften zu beachten. Die Darlegungs- und Beweislast zählt zum materiellen Recht. Für den Pensions-Sicherungs-Verein kann es zwar trotz der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Unterlagen schwierig sein, den Sachverhalt aufzuklären und geeigneten Beweis anzubieten. Die damit verbundenen Risiken hat aber nach der gesetzlichen Konzeption die Solidargemeinschaft der Arbeitgeber zu tragen.

Ende der Entscheidung

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