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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 4 AZR 590/05
Rechtsgebiete: TVG, UrlaubsTV, ZPO


Vorschriften:

TVG § 5
Urlaubstarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in den Betrieben der Innung für Metall- und Kunststofftechnik Berlin, Elektro-Innung Berlin, Mechaniker-Innung Berlin und Schmiede-Innung Berlin vom 17. Januar 1980 (UrlaubsTV)
ZPO § 139
ZPO § 293
1. Der Abschluss eines mehrgliedrigen Tarifvertrages beschränkt regelmäßig nicht das Recht jeder einzelnen Tarifvertragspartei zu dessen Kündigung.

2. Dies gilt auch dann, wenn alle Tarifvertragsparteien einer Seite gemeinsam die Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrages beantragt haben.

3. Die zulässige Kündigung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages durch eine von mehreren Tarifvertragsparteien auf einer Seite bewirkt den Ablauf des Tarifvertrages iSv. § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG im Geltungsbereich der Kündigung und damit in diesem Umfang die Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages.


BUNDESARBEITSGERICHT Im Namen des Volkes! URTEIL

4 AZR 590/05

Verkündet am 8. November 2006

In Sachen

hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Bepler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Bott und Dr. Wolter sowie die ehrenamtliche Richterin Kralle-Engeln und den ehrenamtlichen Richter Umlandt für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 8. Juni 2005 - 9 Sa 444/05 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Elektrohandwerks. Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall und seit dem 1. August 2001 auf der Grundlage eines von der Beklagten verwandten Formulararbeitsvertrages vom selben Tage in deren Betrieb als Fernmeldemonteur tätig. § 16 des Arbeitsvertrages hat folgenden Wortlaut:

"Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, sind für die Niederlassung bzw. Technische Büro die sachlich und räumlich anwendbaren Tarifverträge der Elektrohandwerke, vereinbart zwischen dem Fachverband Elektrotechnik e.V. und der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), in der jeweils gültigen Fassung sowie eine etwa vorhandene Betriebsordnung Vertragsbestandteil. Für Tarifverträge gilt dies nach deren Kündigung bis zum Abschluß eines neuen Tarifvertrages, der dann an die Stelle des bisherigen Tarifvertrages tritt."

Der Kläger macht jedoch Rechte aus einem Urlaubstarifvertrag vom 17. Januar 1980 für die gewerblichen Arbeitnehmer in den Betrieben der Innung für Metall- und Kunststofftechnik Berlin, Elektro-Innung Berlin, Mechaniker-Innung Berlin und Schmiede-Innung Berlin (UrlaubsTV) geltend, der am 1. Januar 1980 in Kraft getreten und von der IG Metall mit den genannten Innungen abgeschlossen worden ist. Dieser Tarifvertrag mit räumlicher Geltung "innerhalb des Landes Berlin" sieht in § 2 I D Ziff. 2 einen Anspruch des Arbeitnehmers auf ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 50 % der Urlaubsvergütung vor. Auf einen am 2. Juni 1980 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Antrag aller Tarifvertragsparteien wurde der UrlaubsTV mit einer vorliegend nicht interessierenden Ausnahme am 7. August 1980 rückwirkend zum 1. Januar 1980 für allgemeinverbindlich erklärt.

Die Schmiede-Innung Berlin ging am 1. Juli 1989 in der Innung für Metall- und Kunststofftechnik Berlin auf. Die Mechaniker-Innung wurde am 15. Oktober 1995 aufgelöst.

Die Elektro-Innung Berlin kündigte den UrlaubsTV für den Bereich der Elektrohandwerke fristgerecht zum 31. März 1998. Mit Wirkung vom 1. April 1998 schlossen der Fachverband Elektrotechnische Handwerke Berlin/Brandenburg - nunmehr Landesinnungsverband der Elektrotechnischen Handwerke Berlin/Brandenburg - und die Elektro-Innung Berlin mit der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), Landesverband Berlin, einen Urlaubstarifvertrag - nachfolgend UrlaubsTV 2004 -, der ein niedrigeres Urlaubsgeld als der UrlaubsTV vorsah. Dieser enthielt eine Besitzstandsklausel, die durch eine Tarifänderung mit Wirkung vom 1. Mai 2004 entfallen ist.

Die Beklagte zahlte an den Kläger für das Jahr 2004 Urlaubsgeld in der sich aus diesem Tarifvertrag ergebenden Höhe. Der Kläger erhebt Anspruch auf die Differenz zum Urlaubsgeld nach dem UrlaubsTV. Diesen der Höhe nach nicht streitigen Anspruch verfolgt er nach dessen erfolgloser schriftlicher Geltendmachung mit seiner am 15. Oktober 2004 erhobenen Klage weiter.

Er hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch ergebe sich aus dem allgemeinverbindlichen UrlaubsTV. Dessen Kündigung durch die Elektro-Innung Berlin zum 31. März 1998 beeinflusse nicht seine Geltung für das Arbeitsverhältnis kraft Allgemeinverbindlichkeit.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 987,65 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht,

die Auffassung des Klägers laufe auf die Unwirksamkeit der Kündigung des Tarifvertrages hinaus. Als mehrgliedriger Tarifvertrag sei der UrlaubsTV jedoch trotz seiner Allgemeinverbindlichkeit von jeder Tarifvertragspartei eigenständig kündbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Mit Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld nach § 2 I D Ziff. 2 UrlaubsTV, der allein als Anspruchsgrundlage für die Forderung des Klägers in Betracht kommt. Der UrlaubsTV gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien weder kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung als Vertragsrecht noch normativ.

1. Die Anwendung des UrlaubsTV ist nicht in § 16 ddes Arbeitsvertrages der Parteien vereinbart. Dessen Bestimmungen sehen allein die Anwendung derjenigen Tarifverträge vor, die auf Gewerkschaftsseite durch die CGM abgeschlossen worden sind, was beim UrlaubsTV nicht der Fall ist. Auch der Kläger stützt seinen Zahlungsanspruch nicht auf die vertragsrechtliche Geltung des UrlaubsTV für die Parteien.

2. Der UrlaubsTV gilt auch nicht normativ für das Arbeitsverhältnis.

a) Die Voraussetzungen einer mitgliedschaftlich begründeten normativen Geltung des UrlaubsTV nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit behauptet der Kläger selbst nicht. Zur Tarifgebundenheit der Beklagten an den UrlaubsTV fehlt jeglicher Vortrag des als Mitglied der IG Metall an diesen Tarifvertrag gebundenen Klägers.

b) Der UrlaubsTV gilt auch nicht kraft Allgemeinverbindlichkeit gem. § 5 Abs. 4 TVG für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Die von der Elektro-Innung Berlin zum 31. März 1998 erklärte Kündigung des UrlaubsTV hat dessen Allgemeinverbindlichkeit im Umfang dieser Kündigung, also für die in Betrieben dieses Wirtschaftszweigs innerhalb des Landes Berlin mit gewerblichen Arbeitnehmern bestehenden Arbeitsverhältnisse und damit für die Arbeitsverhältnisse der Beklagten mit ihren gewerblichen Arbeitnehmern, beendet. Nach Wirksamwerden der Kündigung des UrlaubsTV gelten dessen Normen gem. § 4 Abs. 5 TVG nachwirkend weiter (vgl. Senat 27. November 1991 - 4 AZR 211/91 - BAGE 69, 119). Selbst wenn diese Nachwirkung entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zB Senat 8. Oktober 1997 - 4 AZR 87/96 - BAGE 86, 366; BAG 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - BAGE 109, 369) auch erst nach Wirksamwerden der Kündigung von der Beklagten eingestellte gewerbliche Arbeitnehmer wie den Kläger erfassen würde, gilt der UrlaubsTV deshalb nicht für die Parteien, weil diese insoweit in § 16 des Arbeitsvertrages, der auch den UrlaubsTV 2004 in Bezug nimmt, eine andere Abmachung getroffen haben.

aa) Gemäß § 5 Abs. 4 TVG erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages mit dessen Allgemeinverbindlicherklärung in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Da der UrlaubsTV räumlich und fachlich für den Betrieb der Beklagten galt, bewirkte die rückwirkend zum 1. Januar 1980 erfolgte Allgemeinverbindlicherklärung, dass die allgemeinverbindlichen Regelungen des UrlaubsTV auch die zu diesem Zeitpunkt mit der Beklagten bestehenden und während der Dauer der Allgemeinverbindlichkeit mit ihr begründeten Arbeitsverhältnisse ihrer gewerblichen Arbeitnehmer erfassten.

bb) Die Allgemeinverbindlichkeit des UrlaubsTV endete für die in Betrieben der Elektro-Innung innerhalb des Landes Berlin beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG mit dessen Kündigung durch die Elektro-Innung zum 31. März 1998.

(1) Nach der vorgenannten Norm endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages mit dessen Ablauf. Damit ist jede Beendigung des Tarifvertrages gemeint, gleich wodurch sie eintritt, insbesondere auch durch dessen Kündigung (einhellige Ansicht, zB Däubler/Lakies TVG 2. Aufl. § 5 Rn. 185; Wank in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 5 Rn. 109).

(2) Die Kündbarkeit des UrlaubsTV zum 31. März 1998 folgt aus dessen § 3. Danach konnte und kann dieser mit zweimonatiger Frist erstmalig zum 31. Dezember 1986 gekündigt werden.

(3) Die Kündigung des UrlaubsTV durch die Elektro-Innung Berlin zum 31. März 1998 ist wirksam. Bei diesem Tarifvertrag handelt es sich um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag. Bei einem solchen hat im Zweifel jede Vertragspartei autonom das Recht zur Kündigung. Hinreichend sichere Anhaltspunkte für einen davon abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien liegen nicht vor.

(a) Nach heute einhelliger Meinung (zB Däubler/Reim § 1 Rn. 73 ff.; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 472 ff.; Wiedemann § 1 Rn. 176 ff.) gibt es verschiedene Erscheinungsformen des mehrgliedrigen Tarifvertrages im weiteren Sinne. Bildet der Tarifvertrag ein "einheitliches Tarifwerk", eine "geschlossene Einheit" (sog. "Einheitstarifvertrag"), sind die Tarifvertragsparteien einer Seite bei der Ausübung von Rechten und der Erfüllung von Pflichten aus dem schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages in der Weise aneinander gebunden, dass sie im Verhältnis zur Gegenseite eine "Einheit" darstellen. Die Kündigung des Tarifvertrages kann in diesem Falle nur durch alle Tarifvertragsparteien einer Seite gemeinsam ausgesprochen werden (Däubler/Reim § 1 Rn. 74; Wiedemann § 1 Rn. 179). Davon zu unterscheiden ist derjenige mehrgliedrige Tarifvertrag, bei dem mehrere selbstständige Tarifverträge lediglich in einer Urkunde zusammengefasst sind ("mehrgliedriger Tarifvertrag im engeren Sinne"). Bei diesem sind die Tarifvertragsparteien selbstständig berechtigt und verpflichtet und bleiben deshalb in der Lage, unabhängig voneinander ("autonom") den Tarifvertrag zu kündigen.

(b) Welche der beiden Erscheinungsformen des mehrgliedrigen Tarifvertrages im weiteren Sinne vorliegt, hängt vom Willen der Tarifvertragsparteien ab. Dieser ist durch Auslegung zu ermitteln (BAG 29. Juni 2004 - 1 AZR 143/03 - AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46; Däubler/Reim § 1 Rn. 75; Kempen/Zachert TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 39; Wiedemann § 1 Rn. 178 ff.). Weil es dabei nicht um den Inhalt der normativ wirkenden Regelungen der Tarifverträge, sondern um den Bindungswillen der Parteien bei Vertragsschluss geht, richtet sich die Auslegung nicht nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung, sondern nach den Regeln der Auslegung von Verträgen gem. §§ 133, 157 BGB (BAG 29. Juni 2004 - 1 AZR 143/03 - aaO, zu III 4 a der Gründe mwN). Dabei ist von der Regel auszugehen, dass mit dem Abschluss eines mehrgliedrigen Tarifvertrages nur mehrere gleichlautende Tarifverträge verschiedener Tarifvertragsparteien miteinander äußerlich, in einer Urkunde verknüpft werden sollen, auch wenn sie einheitlich bekannt gemacht worden sind. Die Vorstellung liegt grundsätzlich fern, dass eine Tarifvertragspartei allein durch den Abschluss eines mehrgliedrigen Tarifvertrages im weiteren Sinne ihre Tarifmacht wesentlich selbst einschränken will. Eine solche Einschränkung liegt in jedem Abschluss eines Einheitstarifvertrages, weil die Herrschaft über das tariflich Geregelte durch Gestaltungsmittel wie Kündigung, Aufhebung etc. dann nur gemeinsam mit den anderen auf ihrer Seite am Tarifabschluss beteiligten Tarifvertragsparteien ausgeübt werden kann (Löwisch/Rieble § 1 Rn. 473 mwN; ebenso BAG 29. Juni 2004 - 1 AZR 143/03 - aaO; Kempen/Zachert aaO; Däubler/Reim aaO; Wiedemann aaO). Bei dieser Interessenlage kann eine Beschränkung der Befugnis zur autonomen Tarifvertragsgestaltung, hier speziell der Kündigung, nur im Falle der ausdrücklichen Vereinbarung der gemeinschaftlichen Kündbarkeit durch alle Tarifvertragsparteien angenommen werden, ohne dass damit jede Möglichkeit einer anderen Auslegung bei besonderen Fallgestaltungen ausgeschlossen ist.

(c) Nach diesen Grundsätzen ist der UrlaubsTV kein nur von allen Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite einheitlich kündbarer Tarifvertrag.

Die Vereinbarung, dass die vier Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite, die seinerzeit den UrlaubsTV mit der IG Metall abgeschlossen haben, nur gemeinschaftlich zu dessen Kündigung befugt sind, haben die Tarifvertragsparteien in dem UrlaubsTV nicht getroffen. Auch eine Vereinbarung über die gemeinsame Haftung der Arbeitgeberverbände bei Verletzung tarifvertraglicher Verpflichtungen, aus der möglicherweise auf das Vorliegen eines nur gemeinsam kündbaren Einheitstarifvertrages geschlossen werden könnte, enthält der UrlaubsTV nicht. Die Einheitlichkeit der Urkunde hat für die Auslegung des UrlaubsTV als Einheitstarifvertrag oder mehrgliedriger Tarifvertrag im engeren Sinne keine wesentliche Bedeutung, weil mehrgliedrige Tarifverträge im weiteren Sinne üblicherweise in dieser Form geschlossen werden. Gegen die Annahme eines Einheitstarifvertrages spricht der Umstand, dass die vier vertragsschließenden Innungen zwar verwandte Wirtschaftszweige vertreten haben, deren wirtschaftliche Bedingungen und Interessen aber durchaus unterschiedliche Entwicklungen haben können. Dies findet seinen Ausdruck darin, dass die Arbeitsbedingungen dieser Wirtschaftszweige tarifvertraglich vielfach jeweils eigenständig geregelt sind. Bei Abschluss eines Einheitstarifvertrages hätte es daher nahegelegen, sich durch Öffnungsklauseln die Möglichkeit einzuräumen, individuelle Änderungsbedürfnisse tarifrechtlich zu vollziehen. Bei autonomer Kündbarkeit des UrlaubsTV durch jeden der vier Arbeitgeberverbände bedurfte es solcher Öffnungsklauseln nicht. Ihr Fehlen spricht daher ebenfalls gegen die Beschränkung der autonomen Kündbarkeit des UrlaubsTV, die vorliegend wegen des Festhaltens der Innung für Metall- und Kunststofftechnik an diesen Tarifvertrag am Kündigungstermin schon mehr als 18 Jahre bestanden hätte.

(d) Der Umstand, dass alle Tarifvertragsparteien gemeinsam die Allgemeinverbindlicherklärung des UrlaubsTV beantragt haben, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dieser sei nur gemeinschaftlich von allen Tarifvertragsparteien der Arbeitgeberseite kündbar. Dieser Umstand belegt die Übereinstimmung der Interessen der Tarifvertragsparteien bezüglich der normativen Geltung des UrlaubsTV - nicht nur für beiderseits Tarifgebundene, sondern auch für Außenseiter - allein für den Zeitpunkt der Antragstellung. Die Allgemeinverbindlichkeit des UrlaubsTV lag im Jahre 1980 aber nicht nur im Interesse der Tarifvertragsparteien auf Arbeitgeberseite, sondern auch in demjenigen der IG Metall. Selbst wenn alle Tarifvertragsparteien des UrlaubsTV sich ausdrücklich durch Vereinbarung verpflichtet haben sollten, wechselweise am Antragsverfahren mitzuwirken, insbesondere die Beibringung notwendiger Unterlagen zu fördern, wie dies vielfach bei Übereinstimmung des Interesses der Tarifvertragsparteien an der Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages geschieht (Schaub ArbR-Hdb. 11. Aufl. § 207 Rn. 7), steht außer Frage, dass die an der Antragstellung beteiligte IG Metall dadurch in ihrem Kündigungsrecht nach § 3 UrlaubsTV nicht beschränkt wurde, also durch Kündigung den "Ablauf" des Tarifvertrages und damit das Ende seiner Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG herbeiführen konnte. Dies gilt erst recht, wenn eine solche ausdrückliche Vereinbarung, gemeinsam die Allgemeinverbindlicherklärung zu beantragen, nicht getroffen worden ist. Die Übereinstimmung der Interessen der Tarifvertragsparteien an der Allgemeinverbindlichkeit eines von ihnen abgeschlossenen Tarifvertrages spricht nicht gegen ihren typischerweise naheliegenden Willen, sich von diesem bei unterschiedlicher Entwicklung in ihren Branchen individuell lösen zu können.

(4) Die Allgemeinverbindlichkeit des UrlaubsTV ist für die gewerblichen Arbeitnehmer in den Betrieben der Elektro-Innung innerhalb des Landes Berlin gem. § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG durch die von dieser Innung erklärte Kündigung mit deren Wirksamwerden am 31. März 1998 beendet worden. Entgegen einer verbreiteten Meinung im Schrifttum liegt ein Ablauf des Tarifvertrages im Sinne der vorgenannten Norm nicht erst dann vor, wenn der Tarifvertrag - eigentlich: die Tarifverträge - zwischen allen Tarifvertragsparteien beendet ist (so Däubler/Lakies § 5 Rn. 185; Kempen/Zachert § 5 Rn. 43; Wank in Wiedemann § 5 Rn. 110). Die Allgemeinverbindlichkeit setzt nach einhelliger Meinung einen rechtsgültigen Tarifvertrag voraus (zB Wank in Wiedemann § 5 Rn. 52). Insofern ist die Allgemeinverbindlichkeit akzessorisch zum Tarifvertrag (Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 1276; Däubler/Lakies § 5 Rn. 184). Ihre Wirkung besteht allein in der Normerstreckung auf Nichtorganisierte. Aus der Akzessorität der Allgemeinverbindlichkeit folgt deren Ende bei Ablauf des Tarifvertrages, wie dies § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG bestimmt. Das bedeutet bei der Kündigung eines mehrgliedrigen Tarifvertrages im engeren Sinne folgerichtig das Ende der Allgemeinverbindlichkeit für den gekündigten Tarifvertrag, während für die nicht gekündigten Tarifverträge des mehrgliedrigen Tarifvertragswerks die Allgemeinverbindlichkeit - bis zu ihrer ggf. erfolgenden Aufhebung durch die zuständige Arbeitsbehörde (Jütte Der mehrgliedrige Tarifvertrag 1932 S. 69; Meves Zur rechtlichen Natur des mehrgliedrigen Tarifvertrages Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 1930 Sp. 215 ff., 224; vgl. auch dazu Wank in Wiedemann § 5 Rn. 110, 113) - bestehen bleibt (Jütte aaO; Meves aaO).

(5) Die von der Revision erhobenen Aufklärungsrügen (§ 139 ZPO) gehen ins Leere. Soweit sie die Umstände des Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung betreffen, sind sie, weil diese Umstände vom Kläger im Revisionsverfahren belegt und von der Beklagten nicht bestritten worden sind, im Sachverhalt zugunsten des Klägers berücksichtigt. Ob die Voraussetzungen der 50 %-Klausel des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 TVG nur bei der Addition der bei den tarifgebundenen Arbeitgebern aller vier Arbeitgeberverbände beschäftigten Arbeitnehmer erfüllt war, ist für die Auslegung des UrlaubsTV als mehrgliedriger Tarifvertrag im engeren Sinne und für die Wirksamkeit der Kündigung des UrlaubsTV durch die Elektro-Innung Berlin unerheblich.

(6) Eine revisible Verletzung des § 293 ZPO liegt ebenfalls nicht vor. Zwar sind dessen Grundsätze auch auf tarifliche Normen anzuwenden. Ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien im Rechtsstreit, dass tarifliche Normen bestehen könnten, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sind, so muss das Gericht diesem Vortrag nach Maßgabe des § 293 ZPO nachgehen. Seine Aufgabe ist es, diese Normen zu ermitteln und sie daraufhin zu prüfen, ob sie das der Entscheidung unterliegende Arbeitsverhältnis betreffen (BAG 9. August 1995 - 6 AZR 1047/94 - BAGE 80, 316). Dazu gehört auch die Prüfung der Wirksamkeit der Norm im streitigen Anspruchszeitraum. Dies war die zentrale Rechtsfrage des Rechtsstreits und Gegenstand der umfassenden Prüfung des Landesarbeitsgerichts.

3. Somit hat der Kläger keinen Anspruch auf das von ihm geforderte Urlaubsgeld für das Jahr 2004 aus dem UrlaubsTV. Dessen Geltung für Außenseiter kraft Nachwirkung nach Ende seiner Allgemeinverbindlichkeit (vgl. zB Senat 27. November 1991 - 4 AZR 211/91 - BAGE 69, 119) begründet für den Kläger schon deshalb keinen Anspruch, weil die Parteien in § 16 des Arbeitsvertrages durch Vereinbarung der Anwendbarkeit der von dem Fachverband Elektrotechnik e.V. und der CGM geschlossenen Tarifverträge der Elektrohandwerke eine andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG getroffen haben.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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